VwGH 2000/05/0020

VwGH2000/05/002024.10.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Tulln an der Donau, vertreten durch Dr. Arnold Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 23. Dezember 1999, Zl. RU1-V-97154/02, betreffend Kanalanschlussverpflichtung gem. § 17 NÖ KanalG (mitbeteiligte Partei: Karin Wick, Tulln, Ziegelfeldstraße 10), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §119;
BauO NÖ 1976 §56 Abs2;
BauRallg;
AVG §39 Abs2;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §119;
BauO NÖ 1976 §56 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 22. Februar 1996 wurde der mitbeteiligten Partei als damaliger Eigentümerin der Liegenschaft Ziegelfeldstraße 10 in Tulln der Anschluss dieser Liegenschaft an das öffentliche Kanalsystem gemäß § 56 NÖ Bauordnung 1976 und § 17 NÖ KanalG 1977 aufgetragen. Gegen diesen Bescheid erhob der mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 13. Dezember 1994, GZ. 8 S 91/94, im Konkurs über das Vermögen der mitbeteiligten Partei bestellte Masseverwalter die am 18. April 1996 bei der Beschwerdeführerin eingelangte Berufung.

Mit Bescheid vom 1. Juni 1999 hat der Gemeinderat diese Berufung des Masseverwalters gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Auf Grund der gegen den Berufungsbescheid vom Masseverwalter erhobenen Vorstellung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Dezember 1999 den bekämpften Berufungsbescheid "behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat" der Beschwerdeführerin zurückverwiesen. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, in der Vorstellung sei darauf hingewiesen worden, dass die mitbeteiligte Partei nicht mehr Grundeigentümerin des von der Kanalanschlussverpflichtung erfassten Grundstückes sei. Die Kanalanschlussverpflichtung könne nur dem Liegenschaftseigentümer aufgetragen werden. Dem Gemeinderat der Beschwerdeführerin sei bekannt gewesen, dass auf Grund eines Kaufvertrages vom 3. Juli 1998 das verfahrensgegenständliche Grundstück an die Fa. R. Metall-Sandstrahlen und Beschichtungen Gesellschaft m. b. H. verkauft worden sei. Vor Erlassung des Berufungsbescheides hätte der Gemeinderat der Beschwerdeführerin daher klären müssen, wer Grundeigentümer des gegenständlichen Grundstückes sei. Eine telefonische Anfrage beim Bezirksgericht Tulln am 20. Dezember 1999 habe nun ergeben, dass schon am 1. Dezember 1998 die obgenannte Gesellschaft im Grundbuch als Eigentümerin dieses Grundstückes eingetragen gewesen sei. Gemäß § 119 der hier anzuwendenden Niederösterreichischen Bauordnung 1976 komme einem Bescheid, mit dem eine Kanalanschlussverpflichtung aufgetragen werde, dingliche Wirkung zu. Rechte und Pflichten eines solchen Bescheides gingen auf den Rechtsnachfolger im Grundeigentum über. Da der Gemeinderat den angefochtenen Bescheid gegenüber der mitbeteiligten Partei zu einem Zeitpunkt erlassen habe, als diese nicht mehr Eigentümerin des gegenständlichen Grundstückes gewesen sei, habe sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Masseverwalter gab dem Verwaltungsgerichtshof mit Schriftsatz vom 11. Mai 2000 bekannt, dass mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 14. März 2000 der Konkurs über das Vermögen der mitbeteiligten Partei gemäß § 196 KO aufgehoben worden sei. Dieser Beschluss sei in Rechtskraft erwachsen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einleitung des beschwerdegegenständlichen Verfahrens hatte auch der Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde seiner Entscheidung vom 1. Juni 1999 die Niederösterreichische Bauordnung 1976 (BO) zugrunde zu legen (siehe die Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 1 der am 1. Jänner 1997 in Kraft getretenen Niederösterreichischen Bauordnung 1996).

Gemäß § 56 Abs. 1 BO ist für jedes Gebäude Vorsorge zur Beseitigung der Abwässer (Niederschlags- und Schmutzwässer) zu treffen.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind in Gemeinden mit öffentlichen Kanälen zur Beseitigung der Abwässer die Abwässer unter Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften durch flüssigkeitsdichte, entsprechend bemessene und in frostfreier Tiefe verlegte Rohrleitungen in diese Kanäle abzuleiten, wenn die in den nachfolgenden Punkten genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

§ 56 Abs. 2 BO regelt demnach die Voraussetzungen für die Anschlussverpflichtung einer Liegenschaft an den öffentlichen Kanal (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2000, Zl. 99/05/0224).

Gemäß § 119 BO kommt allen Bescheiden nach diesem Gesetz - von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen nach Abschnitt IX abgesehen -insoferne eine dingliche Wirkung zu, als daraus erwachsende Rechte auch vom Rechtsnachfolger im Grundeigentum geltend gemacht werden können und daraus erwachsende Pflichten auch vom Rechtsnachfolger im Grundeigentum zu erfüllen sind. Der Rechtsvorgänger ist verpflichtet, dem Rechtsnachfolger alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und alle bezüglichen Unterlagen auszuhändigen.

Dem im Grunde des § 56 Abs. 2 BO gegenüber der mitbeteiligten Partei erlassenen Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Stadtgemeinde betreffend die Anschlussverpflichtung der ihr damals gehörigen Liegenschaft an den öffentlichen Kanal kam demnach die dingliche Bescheidwirkung im Sinne des § 119 BO zu.

Das AVG enthält keine besonderen Vorschriften über die Nachfolge in die Parteistellung. Bei "persönlichen" Verwaltungssachen kommt eine Rechtsnachfolge im Allgemeinen nicht in Betracht; in Fällen, in denen aber die zu erlassenden Bescheide - wie im Beschwerdefall - "dingliche Wirkung" entfalten, tritt eine Rechtsnachfolge in die Parteistellung ein. Bei Bescheiden mit dinglicher Wirkung handelt es sich nämlich um solche, die zwar an Personen ergehen, ihrer Rechtsnatur nach - ungeachtet der persönlichen Eigenschaften des Bescheidadressaten - nur auf Eigenschaften der Sache abstellen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, Zlen. 91/09/0047, 91/09/0108). Die Entscheidung bezieht sich derart auf eine bestimmte Sache, dass es lediglich auf die Eigenschaft der Sache und nicht auf eine solche der Person ankommt. Dingliche Bescheide wirken gegenüber jedem, der entsprechende Rechte an der betroffenen Sache hat. (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. April 1999, Zl. 98/07/0078). In Verwaltungsrechtssachen, die sich auf unbewegliches Gut beziehen, muss sich nun der Erwerber des Grundstückes auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage Verfahrenshandlungen seines Rechtsvorgängers im Verwaltungsverfahren, die das Grundstück betreffen oder betroffen haben, zurechnen lassen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1994, Zl. 91/06/0033). Dies bedeutet, dass bei Verfahren mit dinglicher Bescheidwirkung nach § 119 BO der Rechtsnachfolger im Eigentum eines Grundstückes oder Bauwerkes in das laufende Verfahren mit den gleichen Rechten und Pflichten eintritt, wie sie dem Rechtsvorgänger zustanden (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 15. September 1992, Zl. 92/05/0057, m.w.N.). Adressat eines eine Verpflichtung aussprechenden dinglichen Bescheides - wie z. B. eines baupolizeilichen Auftrages oder einer Kanalanschlussverpflichtung der vorliegenden Art - ist also der jeweilige Eigentümer des betroffenen Grundstückes oder der Baulichkeit. Ab dem im Berufungsverfahren erfolgten Wechsel des Eigentumsrechtes an der von der Kanalanschlusspflicht des erstinstanzlichen Bescheides betroffenen Liegenschaft durfte daher der Gemeinderat der beschwerdeführenden Partei zufolge der dinglichen Bescheidwirkung seines Berufungsbescheides das Berufungsverfahren nur mehr mit dem Rechtsnachfolger der mitbeteiligten Partei fortsetzen und einen Bescheid auf Grund der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Sache nicht mehr gegen die mitbeteiligte Partei (als nicht mehr an der Sache berechtigten Rechtsvorgängerin) erlassen (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 14. September 1993, Zl. 91/07/0126).

Die Aufhebung des Bescheides der Berufungsbehörde durch die belangte Behörde erfolgte daher zu Recht. Das Verfahren über die Kanalanschlussverpflichtung ist von Amts wegen einzuleiten. Die Rechtsnachfolge in das Verfahren gemäß § 56 Abs. 2 BO tritt demnach durch den Wechsel des Eigentümers der betroffenen Liegenschaft ein, unabhängig davon, in welcher Lage sich das Verwaltungsverfahren befindet und ob der Rechtsnachfolger in das Verfahren eintreten will oder nicht. Eine Dispositionsmöglichkeit über die Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren dergestalt, dass die Rechtsnachfolge nicht in Anspruch genommen wird, kann nur in Fällen in Betracht kommen, in denen es das Gesetz den Parteien überlässt, die Tätigkeit der Behörde in Anspruch zu nehmen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Oktober 2000

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