VwGH 2001/13/0123

VwGH2001/13/012317.12.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Mag. Franz Hansi, Wirtschaftsprüfer in 1210 Wien, Donaufelder Straße 2/1/38, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 14. Februar 2001, Zl. RV/35-15/03/2001, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1998, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §16 Abs1 Z10 idF 1999/I/106;
EStG 1988 §16;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita;
EStG 1988 §34 Abs1 idF 1993/818;
EStG 1988 §16 Abs1 Z10 idF 1999/I/106;
EStG 1988 §16;
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita;
EStG 1988 §34 Abs1 idF 1993/818;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin machte in der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1998, in der sie ihren Beruf als Lektorin/Medienbeobachtung bezeichnete, für Fortbildungskosten einen Gesamtbetrag von 47.380 S als Werbungskosten geltend. Erläuternd führte sie aus, dass sie derzeit fast ausschließlich eine Lesetätigkeit ausübe, die darin bestehe, in Zeitungen und Publikationen bestimmte Begriffe zu finden und die zugehörigen Ausschnitte für die Kunden zusammenzustellen. Da sich die Sehkraft ihrer Augen sehr verschlechtert habe, könne sie diese Tätigkeit nicht mehr lange ausüben. Eine weiterte Verschlechterung sei durch die vorgesehene Umstellung auf Bildschirmarbeit zu befürchten. Auch Umstrukturierungen bei ihrem Arbeitgeber könnten zum Verlust ihres Arbeitsplatzes führen. Um sich eine längere Arbeitslosigkeit zu ersparen, mache sie bereits jetzt eine Fortbildung, um in Zukunft unter Schonung ihrer Augen weiterhin berufstätig sein zu können. Sie plane, ihre berufliche Laufbahn in Richtung Öffentlichkeitsarbeit mit direktem Kundenkontakt zu entwickeln, um weiterhin ihr Einkommen zu sichern. Dazu sollten die NLP-Kurse für Kommunikation, Gesprächstechnik und Klientenbetreuung dienen. Allenfalls könne sie mit dieser Fortbildung auch eine selbständige Tätigkeit beginnen.

Mit der Begründung, die Aufwendungen für das "NLP-Seminar" dienten der Persönlichkeitsbildung, erkannte das Finanzamt die geltend gemachten Werbungskosten nicht an.

In der Berufung schilderte die Beschwerdeführerin den zu beurteilenden Sachverhalt dahingehend, dass die Kursbesuche dazu dienten, so bald wie möglich aus gesundheitlichen Gründen einen Berufswechsel durchzuführen. Ihre Sehleistung habe in den letzten Jahren überproportional nachgelassen. Sie habe sich entschlossen, die Berufsbefugnis als Lebensberaterin zu erlangen, wofür ihr auch die seinerzeit erworbenen Kenntnisse aus einem abgebrochenen Psychologiestudium zu Gute kämen. Entsprechend den bisherigen Kursbesuchen und Lernerfolgen plane sie im Frühjahr 2001 als Lebens- und Sozialberaterin staatlich anerkannt zu werden. Mit dem Seminarabschluss und den erworbenen Fähigkeiten beabsichtige sie als Trainerin und Kursleiterin im nichtselbständigen Bereich zu arbeiten. Sie habe auch die Absicht, mit dem "Lebensberatergewerbeschein gewerblich tätig zu werden", woraus ihrer Einschätzung nach aber nur ein geringerer Teil der Einnahmen (ca. 25 bis 40 %) resultieren werde. Eine exakte Einschätzung sei in Hinblick auf die möglichen beruflichen Angebote in den nächsten Jahren nicht möglich. Da eine schätzungsweise Aufteilung der Ausgaben in Werbungskosten und Betriebsausgaben nur einen unnötigen bürokratischen Aufwand bedeuten würde, sei eine Aufteilung aus Gründen der Verwaltungsökonomie bisher unterblieben; in eventu werde beantragt, diese Aufteilung von Amts wegen vorzunehmen.

Das Finanzamt wies die Berufung mittels Berufungsvorentscheidung im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Beschwerdeführerin derzeit als Lektorin tätig sei und die "Fortbildung bzw. Ausbildung" zur Lebens- und Sozialberaterin in keinem Zusammenhang mit der derzeit ausgeübten Tätigkeit stehe und auch keinen verwandten Beruf darstelle.

Im Vorlageantrag brachte die Beschwerdeführerin nochmals vor, dass sie einen Beruf mit einer intensiven Lesetätigkeit ausgeübt habe, die gesundheitsgefährdend gewesen sei, wobei die Gefahr bestanden habe, zu erblinden. Als sie bemerkt habe, wie anstrengend diese Tätigkeit für ihre Augen gewesen sei, habe sie begonnen, sich nach beruflichen Alternativen umzusehen. Unter "Beweis" führte die Beschwerdeführerin an: "Gesundheitszentrum der Wr. GKK Befund vom 30.01.1998 und vom 04.03.1998". Auf Grund ihres nicht abgeschlossenen Psychologiestudiums und ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit habe sich die Fortbildung zur Lebensberaterin als sinnvoll dargestellt. Mittlerweile seien ihre Befürchtungen leider eingetreten und sie könne ihren bisherigen Beruf tatsächlich nicht mehr ausüben. Sie sei seit 4. September 2000 laufend im Krankenstand und wäre anschließend arbeitslos, wenn sie diesbezüglich nicht vorgesorgt hätte. Auf Grund der Fortbildungsmaßnahmen und der bisher erreichten Qualifikationen könne sie ab 10. Dezember 2000 in ein neues Dienstverhältnis eintreten und dort als Trainerin für Arbeitslose arbeiten. Gerade der Nachweis der besuchten Seminare und die dabei erworbenen Kenntnisse seien für den Erhalt der ausgeschriebenen Stelle notwendig gewesen. Auf Grund der mehr bewegungsorientierten und augenschonenden Tätigkeit erwarte sie in Hinkunft eine deutliche Verbesserung und Gesundung ihres Augenleidens. Die ursprünglich beabsichtigte Qualifikation einer Lebensberaterin sei damit nicht mehr erforderlich, würde aber auch im neuen Beruf bessere Aufstiegschancen bedeuten. Auf Grund dieses Sachverhaltes sei davon auszugehen, dass es unter den gegebenen beruflichen Voraussetzungen nahezu zwangsläufig erforderlich gewesen sei, "nebenbei eine berufliche Fortentwicklung und Fortbildung zu einem Alternativberuf zu betreiben, um eine absehbare Arbeitslosigkeit zu vermeiden". Die Beschwerdeführerin habe dabei auf ihre zweite Ausbildungsschiene, nämlich ihr Psychologiestudium, zurückgreifen und darauf aufbauen können. Bei Berücksichtigung der berufsbedingten Schädigung ihrer Augen wäre ein Teil des Einkommens der Beschwerdeführerin schon deshalb aus der Besteuerung auszuscheiden, weil "ein Teil des Einkommens eine Abgeltung ihrer beruflichen Gesundheitsbeeinträchtigung darstellt und keinesfalls steuerpflichtiges Entgelt für ihre Arbeitsleistung". Hinsichtlich der gesundheitlichen Situation seien dem Vorlageantrag entsprechende ärztliche Befunde angeschlossen, wobei weitere Unterlagen erforderlichenfalls beigebracht werden könnten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Strittig sei im vorliegenden Fall "einzig und allein" die Frage, ob die von der Beschwerdeführerin getätigten Aufwendungen für die NLP-Seminare als Werbungskosten abzugsfähig seien. Im Wesentlichen werde dieser Seminarbesuch damit begründet, dass die Beschwerdeführerin ihren im Jahr 1998 noch ausgeübten Beruf als Lektorin wegen einer fortschreitenden Verschlechterung ihrer Sehkraft nicht mehr habe ausüben könne und die Seminare dazu dienen sollten, später als Trainerin und Kursleiterin im nichtselbständigen Bereich weiterzuarbeiten bzw. mit dem "Lebensberatergewerbeschein" gewerblich tätig zu werden. Die Aufwendungen dienten unstrittig nicht dazu, im ausgeübten Beruf als Lektorin am Laufenden zu bleiben. Aufwendungen, die getätigt würden, um später einen anderen Beruf ausüben zu können, seien nicht Fort-, sondern gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit a EStG 1988 nicht abzugsfähige Ausbildungskosten. Eine für Fortbildungskosten erforderliche Berufsidentität liege nicht vor. Die Definition des Begriffes der Werbungskosten in § 16 EStG 1988 lasse auch keinen Ermessensspielraum, um die persönliche (gesundheitliche) Situation des jeweiligen Steuerpflichtigen bei der Beurteilung von Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen.

In der Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, "dass die Einkommensteuer (Lohnsteuer) des Jahres 1998 gesetzes- und verfassungskonform berechnet wird, indem die geltend gemachten Ausgaben für die berufliche Weiterbildung entweder als Werbungskosten oder als außergewöhnliche Belastung einkommensmindernd berücksichtigt werden".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage vor Inkrafttreten der mit Bundesgesetz BGBl. I Nr. 106/1999 eingeführten Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 zählen Aufwendungen für die berufliche Fortbildung, nicht jedoch Aufwendungen für die Berufsausbildung zu den Werbungskosten. Während die berufliche Fortbildung der Verbesserung der beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten dient, dient die den nicht abzugsfähigen Ausgaben i.S.d. § 20 EStG 1988 zuzuordnende Berufsausbildung dem Erlernen eines Berufs. Um eine berufliche Fortbildung handelt es sich dann, wenn der Abgabepflichtige seine bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbessert, um im bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1998, 97/15/0091, und vom 31. Jänner 2002, 2001/15/0098).

Dass sich die Beschwerdeführerin mit den im Jahr 1998 als Werbungskosten geltend gemachten Seminaraufwendungen in ihrem bisherigen Beruf als Lektorin im oben aufgezeigten Sinn fortbilden wollte, wird letztlich auch in der Beschwerde nicht behauptet. Es wird vielmehr neuerlich darauf hingewiesen, die Beschwerdeführerin sei gezwungen gewesen, "etwas Neues" zu machen, das mit ihrer gesundheitlichen und physischen Situation vereinbar war. Werbungskosten in Form von Fortbildungskosten bei der von der Beschwerdeführerin damals ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit als Lektorin lagen somit nicht vor.

Es kann aber auch nicht erkannt werden, dass die in Rede stehenden Seminaraufwendungen 1998 etwa als (vorweggenommene) Werbungskosten in Bezug auf die von der Beschwerdeführerin ab Ende des Jahres 2000 ausgeübte "Trainertätigkeit" (für Arbeitslose) gewertet werden könnten. Die NLP-Seminare (lt. Beschwerde:

Einführungsseminar, Intensiv- und Auswahlseminar, Professional Practitioner Diplomkurs - Coaching, Meditation und Kommunikation - , Professional Master Practitioner Diplomkurs - Coaching, Meditation und Projektentwicklung - sowie Spezialseminare wie Rechts- und Wirtschaftskunde) dienten laut dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren dazu, ihr einen Berufswechsel zu ermöglichen. Sie waren damit Teil einer von ihr allgemein angestrebten Berufsausbildung, deren konkretes Ziel der Beschwerdeführerin lt. dem Vorbringen im Verwaltungsverfahren im Übrigen auch noch nicht bekannt war (Lebensberaterin lt. Berufungsschrift bzw. nichtselbständige oder auch gewerbliche Tätigkeit), und somit dem - nicht teilbaren - Bereich der nicht abzugsfähigen Aufwendungen für die Lebensführung nach § 20 Abs. 1 Z. 2 lit a EStG 1988 zuzuordnen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1999, 97/15/0148)

Begründet ist die Beschwerde allerdings insofern, als sie der belangten Behörde vorwirft, die Berücksichtigung der strittigen Aufwendungen ("zwangsläufig anfallende Kosten zur Vermeidung einer Arbeitslosigkeit respektive einer gänzlichen Berufsunfähigkeit") nicht unter dem Titel einer außergewöhnlichen Belastung nach § 34 EStG 1988 geprüft zu haben. Außergewöhnliche Belastungen sind nach der Novellierung des § 34 Abs. 1 EStG 1988 durch das StRG 1993, BGBl. 818/1993, von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer III B, Tz. 1 zu § 34 Abs. 1). Eine außergewöhnliche Belastung kann vorliegen, wenn dem Steuerpflichtigen die Existenzgrundlage ohne sein Verschulden entzogen wird und die Berufsausbildung zur künftigen Existenzsicherung notwendig ist oder wenn die (neuerliche) Berufsausbildung durch Krankheit, Verletzung uä. erforderlich wird (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 1994, 94/14/0087, und vom 19. Juli 2000, 99/13/0255). Da die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren von Anfang an mit ihren Hinweisen auf ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen solchen Sachverhalt vorgetragen hat, der in seiner rechtlich gebotenen Bewertung auch eine Subsumierung unter § 34 EStG 1988 nahe gelegt hätte, hätte der Beschwerdefall auch unter diesem Gesichtspunkt beurteilt werden müssen. Wenn die belangte Behörde demgegenüber im angefochtenen Bescheid festhält, es sei "einzig und allein" die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen als Werbungskosten strittig, hat sie die Rechtslage verkannt. Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift geltend macht, die im Berufungsverfahren vorgelegten Bestätigungen reichten ihrer Ansicht nach zum Nachweis der krankheitsbedingten (neuerlichen) Berufsausbildung nicht aus, wäre es ihre Aufgabe gewesen, im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht entsprechende Ergänzungen oder Beweismittel von der Beschwerdeführerin einzufordern.

Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 333/2003.

Wien, am 17. Dezember 2003

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