VwGH 2001/10/0105

VwGH2001/10/010522.4.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der Mag. pharm. Z in Hallein, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 11. April 2001, Zl. 262.218/0-VIII/A/4/01, betreffend Abweisung eines Ansuchens um Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. B in St. Johann i.P., vertreten durch Dr. Walter Ratt, Rechtsanwalt in 5270 Mauerkirchen, Obermarkt 26), zu Recht erkannt:

Normen

ApG 1907 §10 Abs1 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs4;
ApG 1907 §10 Abs5;
ApG 1907 §30 Abs1;
ApG 1907 §30 Abs3;
ApG 1907 §10 Abs1 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs4;
ApG 1907 §10 Abs5;
ApG 1907 §30 Abs1;
ApG 1907 §30 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 11. April 2001 wurde das Ansuchen der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung der Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in St. Johann i.P. abgewiesen. Begründend wurde - nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften - im Wesentlichen ausgeführt, in St. Johann i.P. bestünden bereits zwei öffentliche Apotheken, die Johannes-Apotheke und die Anna-Apotheke, die voneinander 620 m entfernt seien. St. Johann i.P. habe 10.264 ständige Einwohner, die von diesen beiden Apotheken versorgt würden. Im Falle der Errichtung der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Apotheke würde den beiden Apotheken nach dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer von diesen ständigen Einwohnern

7.605 Personen zur gemeinsamen Versorgung verbleiben. Die Berufungsbehörde gehe dem gegenüber davon aus, dass der Johannes-Apotheke 1.933 ständige Einwohner des Zählsprengels 000, 810 ständige Einwohner des Zählsprengels 002, 492 ständige Einwohner des Zählsprengels 003 sowie 535 ständige Einwohner des Zählsprengels 004 zur Versorgung verblieben, dazu noch ca. 1.000 Gäste, somit insgesamt 4.770 Personen. Der Anna-Apotheke würden 601 ständige Einwohner des Zählsprengels 001, 810 ständige Einwohner des Zählsprengels 002, 535 ständige Einwohner des Zählsprengels 004 sowie 1.888 ständige Einwohner des Zählsprengels 005, somit insgesamt 3.834 Personen zur Versorgung verbleiben. Die Österreichische Apothekerkammer habe, um die fehlenden 3.395 Personen, die für das Mindestversorgungspotenzial von 11.000 Personen für zwei öffentliche Apotheken unbedingt notwendig seien, zu erreichen, die Einwohner der mit ärztlichen Hausapotheken gut versorgten, weiter entfernten Gemeinden Wagrain, Kleinarl, Großarl und Hüttschlag (für die - obwohl außerhalb des jeweiligen 4 km-Polygons gelegen - die Anna-Apotheke bzw. die Johannes-Apotheke die nächstgelegenen öffentlichen Apotheken darstellten) und zwar zu je einem Drittel der Bewohner miteinbezogen, darüber hinaus Personen mit Zweitwohnungen und Fremde. In Ansehung der Bewohner von Wagrain, Großarl, Kleinarl und Hüttschlag sei die Berufungsbehörde allerdings der Auffassung, es sei in Anbetracht der fünf bestehenden ärztlichen Hausapotheken (zwei ärztliche Hausapotheken in Wagrain, drei ärztliche Hausapotheken in Großarl) die Zurechnung von jeweils einem Drittel zu den bestehenden Apotheken "wesentlich zu hoch gegriffen". Die Bevölkerung der 9 km entfernt gelegenen Gemeinde Wagrain könne sich nicht nur in ärztlichen Hausapotheken, sondern auch in Altenmarkt und Radstadt mit Heilmitteln versorgen, die Gemeinde Kleinarl sei 13 km von St. Johann i.P. entfernt - Wagrain auf halbem Wege nach St. Johann i.P. Überdies sei ungewiss, ob nicht in Wagrain eine öffentliche Apotheke errichtet werde, zumal ein entsprechendes Konzessionsverfahren anhängig sei. Angesichts der drei ärztlichen Hausapotheken in Großarl würde auch nur ein sehr geringer Teil der Einwohner dieser Gemeinde sowie von Hüttschlag die öffentlichen Apotheken in St. Johann i.P. aufsuchen. Die Sperre der Ordinationen Hausapotheken führender Ärzte (wegen Urlaubs, Erkrankungen und dgl.) sei kein stichhaltiges Argument für das Bedürfnis nach Inanspruchnahme einer öffentlichen Apotheke während dieser Zeiträume, weil sich mehrere Hausapotheken führende Ärzte im Bedarfsfall vertreten würden. Was schließlich die Zurechnung von Gästen zum Versorgungspotenzial der bestehenden Apotheken anlange, so liege zwar eine Nächtigungszahl für das Jahr 1998 betreffend St. Johann i.P. von 378.282 Personen vor. Dividiert durch die Anzahl der Tage eines Jahres käme man auf 1.036 zu versorgende Personen. Diese Methode sei allerdings von der höchstgerichtlichen Judikatur nicht akzeptiert. Die bestehenden öffentlichen Apotheken in St. Johann i.P. würden derzeit zwar sicherlich etwas mehr als 11.000 Personen mit Arzneimitteln versorgen, für eine dritte öffentliche Apotheke bestehe aber kein Bedarf im Sinne des Apothekengesetzes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 Apothekengesetz (ApG) ist die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke zu erteilen, wenn

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

2. ein Bedarf nach einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

Ein Bedarf besteht u.a. gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG nicht, wenn die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheke aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als

5.500 betragen wird.

Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 3 sind gemäß § 10 Abs. 4 ApG die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5.500, so sind gemäß § 10 Abs. 5 ApG die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die negative Bedarfsvoraussetzung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG sei erfüllt und ein Bedarf an der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Apotheke demnach nicht gegeben, weil den beiden in St. Johann i.P. bestehenden öffentlichen Apotheken, der Anna-Apotheke und der Johannes-Apotheke im Falle der Errichtung der neuen Apotheke jeweils weniger als 5.500 ständige Einwohner zur Versorgung verblieben und dieses Mindestversorgungspotenzial auch nicht im Wege der Berücksichtigung von "Einflutern" im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG erreicht werden könne.

Dem hält die Beschwerde zunächst entgegen, die belangte Behörde hätte - dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer folgend - die Versorgungspotenziale der beiden öffentlichen Apotheken gemeinsam ermitteln und zu gleichen Teilen zurechnen müssen, weil die Straßenentfernung zwischen der Anna-Apotheke und der Johannes-Apotheke lediglich 701 m betrage und der Großteil von St. Johann i.P. weiterhin zum Versorgungsgebiet der beiden Apotheken zähle. Die von der beschwerdeführenden Partei beantragte, an der Peripherie von St. Johann i.P. gelegene Apotheke würde lediglich die Einwohner des "Bahnhofsviertels" versorgen.

Bei diesem Vorbringen verkennt die beschwerdeführende Partei, dass die von ihr geforderte, so genannte "Divisionsmethode" nach ständiger hg. Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2002, Zl. 2000/10/0022, und die dort zitierte Vorjudikatur) zur Feststellung es Versorgungspotenzials einer öffentlichen Apotheke nur ausnahmsweise als Ermittlungsmethode zugelassen ist, und zwar dann, wenn besondere Gründe eine Zuordnung konkreter Kundenpotenziale nach den Gesichtspunkten der örtlichen Nähe und Erreichbarkeit unmöglich machen, andererseits aber eindeutig ist, dass das in Rede stehende Kundenpotenzial von den Betriebsstätten der beteiligten Apotheken aus zu versorgen ist. Die Methode der gleichteiligen Zurechnung bestimmter Kundenkreise zu den beteiligten Apotheken kann demnach insbesondere in Ansehung der Einwohner solcher Gebiete in Betracht kommen, die in größerer Entfernung von Betriebsstätten der beteiligten Apotheken und zu diesen in annähernd gleicher Entfernung liegen; in solchen Fällen kann gesagt werden, dass relativ - im Verhältnis zur insgesamt zurückzulegenden Distanz - geringfügige Entfernungsunterschiede keinen Umstand darstellen, der bei lebensnaher Betrachtung für die Zurechnung zur einen oder anderen Apotheke den Ausschlag geben könnte.

Soweit eine solche Ausnahmesituation jedoch nicht vorliegt, hat sich die im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG vorzunehmende Bedarfsprüfung auf die prognostische Zuordnung konkreter Kundenpotenziale zu den beteiligten Apotheken auf Grund der örtlichen Verhältnisse, d.h. nach den Gesichtspunkten der örtlichen Nähe und Erreichbarkeit zu gründen (vgl. nochmals das zitierte hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2002 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Anhaltspunkte für die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, es liege im Beschwerdefall eine die Anwendung der "Divisionsmethode" rechtfertigende Ausnahmesituation vor, sind weder aus den vorliegenden Verwaltungsakten ersichtlich, noch werden sie in der Beschwerde vorgebracht. Der Umstand einer Straßenentfernung von 701 m zwischen den beiden bestehenden Apotheken besagt nichts über die Möglichkeit, der jeweiligen Apotheke unter den Gesichtspunkten der räumlichen Nähe und Erreichbarkeit ein konkretes Versorgungspotenzial prognostisch zuzuordnen, wie dies die belangte Behörde auch getan hat. Dass aber die durch die belangte Behörde erfolgte Zuordnung nicht entsprechend den dafür maßgeblichen Gesichtspunkten der räumlichen Nähe und Erreichbarkeit erfolgt wäre, wird auch mit dem Beschwerdehinweis, dem Versorgungspotenzial der beiden bestehenden Apotheken werde im Falle der Errichtung der von der beschwerdeführenden Partei beantragten Apotheke lediglich das "Bahnhofsviertel" entzogen, konkret nicht aufgezeigt.

Die beschwerdeführende Partei wendet sich weiters gegen die Nichtberücksichtigung von (u.a.) 273 Zweitwohnungsbesitzern in St. Johann i.P., die im Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer noch zu einem Drittel in Form von "Einwohnergleichwerten" als zu versorgende Personen anerkannt worden seien.

Die beschwerdeführende Partei verweist zu Recht darauf, dass bei der Ermittlung des Versorgungspotenzials einer öffentlichen Apotheke im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG nach hg. Judikatur auch Zweitwohnungsbesitzer von Bedeutung sein können. Die hg. Judikatur verlangt in diesem Zusammenhang allerdings, dass bei der Gruppe der Zweitwohnungsbesitzer konkret festgestellt wird, in welchem Umfang durch sie der Bedarf an der öffentlichen Apotheke mitbegründet wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2000, Zlen. 99/10/0246, 0255, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Österreichische Apothekerkammer hat die Zurechnung eines Drittels der Zweitwohnungsbesitzer als "Einwohnergleichwerte" mit der "Erfahrung" begründet, dass in Fremdenverkehrsgebieten "die Zweitwohnsitze vielfach nur in der Urlaubszeit oder am Wochenende genutzt werden".

Diese Darlegungen werden der Anforderung, den Umfang des durch die Gruppe der Zweitwohnungsbesitzer mitbegründeten Bedarfs an einer öffentlichen Apotheke konkret darzutun, freilich nicht gerecht; ergeben sich aus dieser - nicht näher begründeten - Erfahrung doch nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte, die die Annahme tragen könnten, die lediglich in der Urlaubszeit oder am Wochenende in St. Johann i.P. wohnenden Personen würden ihren Medikamentenbedarf in den hier befindlichen öffentlichen Apotheken - wenigstens im Allgemeinen - in einem Ausmaß decken, das einem Drittel des Medikamentenbedarfs eines ständigen Einwohners entspricht.

Mit dem bloßen Hinweis auf das Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer wird daher eine in der Nichtberücksichtigung der Zweitwohnungsbesitzer gelegene Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt. Es führt die beschwerdeführende Partei aber auch selbst keinerlei im Tatsächlichen gelegene Umstände ins Treffen, die für die Auffassung sprechen, durch die Gruppe der Zweitwohnungsbesitzer in St. Johann i.P. werde - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - nicht bloß ein bei der zu treffenden Prognoseentscheidung vernachlässigbarer Bedarf nach Arzneimitteln erzeugt. Das Beschwerdevorbringen ist daher ungeeignet, einen in diesem Zusammenhang relevanten Verfahrensmangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuzeigen.

Zu Recht wendet sich die beschwerdeführende Partei aber gegen die Nichtberücksichtigung der außerhalb der 4 km-Polygone der beiden Apotheken wohnenden Personen. Während die Österreichische Apothekerkammer den beiden bestehenden Apotheken ein Drittel der

8.639 ständigen Einwohner von Wagrain, Großarl, Kleinarl und Hüttschlag zugerechnet habe, für die diese die nächstgelegenen öffentlichen Apotheken darstellten, habe die belangte Behörde mit dem Argument, ein Drittel sei in Anbetracht der fünf bestehenden ärztlichen Hausapotheken "wesentlich zu hoch gegriffen", keine einzige Person aus diesen Gemeinden als "Einfluter" im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG berücksichtigt.

Ob bestimmte Personen "zur versorgende Personen" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 3 APG sind, richtet sich bei im 4 km-Umkreis wohnenden Personen nach den im § 10 Abs. 4 ApG genannten Voraussetzungen, bei außerhalb des 4 km-Umkreises wohnenden Personen hingegen nach § 10 Abs. 5 ApG. Die Zurechnung von Personen, die außerhalb der 4 km-Umkreise wohnen, zum Versorgungspotenzial einer der beiden öffentlichen Apotheken in St. Johann i.P. kommt daher in Betracht, wenn diese Apotheke auf Grund der bestehenden Verkehrsverhältnisse ("... auf Grund ... des Verkehrs ... zu versorgende Personen ...") die nächstgelegene Arzneimittelabgabestelle für diese Personen und demnach der Schluss gerechtfertigt wäre, diese Personen würden sich im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG zur Heilmittelversorgung dieser Apotheke bedienen.

Die belangte Behörde hat ihre Auffassung, die Bewohner von Wagrain, Großarl, Kleinarl und Hüttschlag seien dem, den bestehenden Apotheken - nach Errichtung der beantragten Apotheke - verbleibenden Versorgungspotenzial nur in einem zu vernachlässigenden Ausmaß zuzurechnen, im Wesentlichen darauf gestützt, dass in Wagrain zwei und in Großarl drei ärztliche Hausapotheken bestünden.

In der Frage der Abgrenzung der Versorgungspotenziale zwischen öffentlichen Apotheken und weiter bestehenden ärztlichen Hausapotheken hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt darauf hingewiesen (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 20. Dezember 1993, Zl. 92/10/0359, und vom 15. Februar 1999, Zl. 98/10/0070), dass eine generalisierende, auf allgemeine strukturelle Unterschiede zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken nicht Bedacht nehmende, die konkreten Umstände des Einzelfalles außer Acht lassenden Betrachtungsweise nicht dem Gesetz entspräche. Vielmehr sei bei der Feststellung des Kundenpotenzials einer ärztlichen Hausapotheke dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Kundenkreis der Hausapotheke - sowohl faktisch als auch unter rechtlichen Gesichtspunkten (vgl. § 30 Abs. 1 und 3 ApG) - im Wesentlichen dem Patientenkreis des Hausapotheken führenden Arztes gleichzusetzen sein wird. Der dem Versorgungspotenzial einer ärztlichen Hausapotheke zuzurechnende Personenkreis ist demnach im Allgemeinen (siehe dazu näher das zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1993) nicht nach räumlichen Gesichtspunkten zu bestimmen, sondern danach, in welchem Ausmaß die Bewohner des betreffenden Gebietes ihren Arzneimittelbedarf schon bisher in der ärztlichen Hausapotheke gedeckt haben. Dieser Personenkreis kann dem Versorgungspotenzial der in Betracht kommenden öffentlichen Apotheke nicht zugerechnet werden (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 20. Dezember 1993), wohl aber nach Maßgabe des § 10 Abs. 5 ApG die übrigen hier wohnenden Personen.

Entsprechend konkrete Feststellungen hat die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid nicht zu Grunde gelegt. Weder wurden die maßgeblichen Entfernungs- und Verkehrsverhältnisse, noch das Ausmaß festgestellt, in dem die Bewohner von Wagrain, Großarl, Kleinarl und Hüttschlag zum Patientenkreis von Hausapotheken führenden Ärzten zählen. Der bloße Hinweis, die Zurechnung eines Drittels der Bewohner des in Rede stehenden Gebietes zum Versorgungspotenzial öffentlicher Apotheken sei in Anbetracht von fünf bestehender Hausapotheken "wesentlich zu hoch gegriffen", kann jedoch nicht als ausreichende Grundlage für die Annahme angesehen werden, die Bewohner von Wagrain, Großarl, Kleinarl und Hüttschlag würden ihren Arzneimittelbedarf lediglich in einem nicht ins Gewicht fallenden Ausmaß in der (nächstgelegenen) öffentlichen Apotheke decken, wenngleich nicht verkannt wird, dass auch die von der Apothekerkammer in ihrem Gutachten ohne nähere Begründung erfolgte Zurechnung von einem Drittel der Einwohner dieser Gemeinden für sich alleine eine entsprechende Feststellung nicht tragen könnte. Die Annahme der belangten Behörde und die darauf gestützte Beurteilung der Bedarfsfrage beruht daher nicht auf einer mängelfrei ermittelten Sachverhaltsgrundlage.

Dieser Mangel in der Ermittlung des den öffentlichen Apotheken in St.Johann i. P. verbleibenden Versorgungspotenzials betrifft eine solche Anzahl von Personen, dass unter Berücksichtigung der dem Versorgungspotenzial der beiden öffentlichen Apotheken in St. Johann i.P. von der belangten Behörde bereits zugerechneten 4.770 bzw. 3.834 Personen konkret nicht ausgeschlossen werden kann, es würden jeder der beiden Apotheken bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels mehr als

5.500 Personen zur Versorgung verbleiben. Es kann daher in der Frage der Bedarfsvoraussetzung nach § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG eine andere Beurteilung und folglich ein im Ergebnis anders lautender Bescheid bei Vermeidung des unterlaufenen Verfahrensmangels nicht ausgeschlossen werden.

Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grunde - ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Aus Gründen der Verfahrensökonomie sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst, für das fortzusetzende Verfahren in Ansehung der Berücksichtigung von Zweitwohnungsbesitzern auf seine Judikatur zu verweisen, wonach im konkreten Einzelfall festzustellen ist, in welchem Umfang durch die Gruppe der Zweitwohnungsbesitzer ein Bedarf an einer öffentlichen Apotheke mitbegründet wird, wobei diese Feststellungen einer fachlichen, auf entsprechende Ermittlungen gestützten Grundlage bedürfen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 2000, Zlen. 99/10/0246, 0255, und die dort zitierte Vorjudikatur). Soweit auf den Einzelfall bezogene Ermittlungen aber nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich sind, ist es zulässig, durch allgemeine, für den vorliegenden Fall repräsentative Untersuchungsergebnisse aufzuzeigen, in welchem Ausmaß Zweitwohnungsbesitzer - hier: in Fremdenverkehrsgebieten - Apothekenleistungen in der dem Zweitwohnsitz nächstgelegenen Apotheke im Allgemeinen decken und in welchem Verhältnis diese Inanspruchnahme von Apothekenleistungen zu einer Inanspruchnahme von Apothekenleistungen eines ständigen Einwohners im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2002, Zl. 2000/10/0022).

Was die Berücksichtigung von Fremdennächtigungen bei der Bedarfsprüfung anlangt, ist insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 16. November 1998, Zl. 98/10/0306, hinzuweisen, in dem ausgeführt wird, dass die Verwendung eines "Divisors 365", dessen Grundlagen in Ansehung des Zusammenhangs zwischen Fremdennächtigung und Inanspruchnahme von Apothekenleistungen nicht dargelegt werden, keine ausreichende Begründung für eine entsprechende Berücksichtigung darstellt. Bezüglich des Ausmaßes, in dem Fremdennächtigungen bei der Bedarfsprüfung äquivalent zu berücksichtigen sind, bedarf es vielmehr (allgemeiner) empirischer Untersuchungsergebnisse, die belegen, in welchem Ausmaß Fremdennächtigungen für eine Inanspruchnahme von Apothekenleistungen in Frage kommen, wobei solche Untersuchungen freilich nicht für jeden Einzelfall angestellt werden müssen. In Betracht kommen durchaus auch allgemein gültige Kennzahlen, sofern sie auf empirischen Untersuchungen mit (statistischen) Methoden beruhen, die gewährleisten, dass sie den erwähnten Zusammenhang ausreichend wiederspiegeln.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 22. April 2002

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte