Normen
ApG 1907 §10 Abs1 Z2;
ApG 1907 §10 Abs1;
ApG 1907 §10 Abs2 Z1;
ApG 1907 §10 Abs2 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2;
ApG 1907 §10 Abs3;
ApG 1907 §10 Abs5;
ApG 1907 §10 Abs1 Z2;
ApG 1907 §10 Abs1;
ApG 1907 §10 Abs2 Z1;
ApG 1907 §10 Abs2 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2;
ApG 1907 §10 Abs3;
ApG 1907 §10 Abs5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 23. Oktober 1991 erteilte der Landeshauptmann von Steiermark der Beschwerdeführerin die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Graz-Mariatrost mit einem im einzelnen näher umschriebenen Standort. In der Frage des Bedarfes vertrat die Behörde - den Behauptungen der Beschwerdeführerin vollinhaltlich folgend - die Auffassung, das Versorgungspotential der neuen öffentlichen Apotheke setze sich zusammen aus 3.622 Einwohnern der (durch Anführung der begrenzenden Straßenzüge umschriebenen) nordöstlichen Hälfte des 11. Grazer Stadtbezirkes, 375 Personen der KG Fölling, 1.426 Personen der KG Niederschöckl, 621 Personen der KG Weinitzen und 100 Personen der KG Schaftal, insgesamt somit 6.143 Personen. Der Apotheke des Mitbeteiligten werde ein Versorgungspotential von 6.829 Personen (aus der südwestlichen Hälfte des 11. Bezirkes und einem Teil des 3. Bezirkes) verbleiben.
Der Mitbeteiligte erhob Berufung.
Die belangte Behörde führte Erhebungen über die örtlichen Verhältnisse durch und holte Befund und Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer ein. Diese vertrat im wesentlichen die Auffassung, zum Versorgungspotential der neuen öffentlichen Apotheke gehörten die 3.622 Einwohner der Zählsprengel 441 (zur Hälfte), 442, 443 und 444 des Zählbezirkes 60.101 (Graz) sowie die Einwohner der auf dem Gebiet der Gemeinde Weinitzen liegenden Orte Fölling (375) und Niederschöckl (1.426) sowie rund 100 Personen der KG Schaftal (Gemeinde Kainbach). Die 621 Einwohner des Ortes Weinitzen seien nicht zum Versorgungspotential der neuen Apotheke zu rechnen, weil auf Grund der Entfernungen und der Straßenverbindungen damit zu rechnen sei, daß dieser Personenkreis nach wie vor die öffentliche Apotheke in Graz-Andritz aufsuchen werde. Von weiter außerhalb sei kaum mit weiteren zu versorgenden Personen zu rechnen, weil die Gemeinden St. Radegund bei Graz, Kumberg und Eggersdorf bei Graz mit weiterbestehenden ärztlichen Hausapotheken ausgestattet seien, die weiterhin für die dort wohnende Bevölkerung erste Anlaufstelle auch zur Besorgung von Arzneimitteln bleiben würden. Das Versorgungspotential der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke betrage somit insgesamt
5.523 Personen. Der bestehenden öffentlichen Apotheke des Mitbeteiligten werde ein Versorgungspotential von
6.829 Personen verbleiben.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten Folge und wies das Konzessionsansuchen der Beschwerdeführerin ab. Die belangte Behörde ging von folgendem Sachverhalt aus: Beim Standort der Apotheke der Beschwerdeführerin handle es sich um das nordöstliche Randgebiet des 11. Grazer Bezirkes, das sich im wesentlichen als Tal des Mariatrosterbaches darstelle, mit rundum bewaldeten Hügeln. Entlang des Baches verlaufe als einzige wesentliche Verkehrsader die Mariatroster Straße, auf der auch die Straßenbahn und die Autobusse in Richtung des Stadtzentrums verkehrten und an der bestehenden Apotheke des Mitbeteiligten vorbeiführen. Graz ziehe als Landeshaupstadt die Bewohner der Umgebungsgemeinden an. Allerdings handle es sich dabei nicht um die peripheren Siedlungen von Graz, sondern um sein Zentrum, das als "Einflutungserreger" wirksam werde. Mariatrost sei ein relativ spät nach Graz eingemeindetes Gebiet, das über einen kleinen Ortskern mit Schule, Kirche und den notwendigsten infrastrukturellen Einrichtungen verfüge. Im flächenmäßig großen 11. Bezirk seien derzeit nur 9.342 Personen gemeldet. Die bestehende öffentliche Apotheke versorge offensichtlich nicht alle diese Personen mit Arzneimitteln. Als primäres Versorgungsgebiet der beantragten Apotheke könne der Teil des 11. Grazer Bezirkes gelten, der nordöstlich der Linie Janischhof, Rettenbacherstraße und Roseggerweg liege. In diesem Gebiet wohnten 3.622 Personen. Den Bewohnern der KG Fölling, Niederschöckl und Schaftal stehe keine Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Mariatrost zur Verfügung. Die Einwohner von Niederschöckl befänden sich auch "entschieden näher" zur ärztlichen Hausapotheke in Kumberg. Die Einwohner der KG Schaftal seien von Mariatrost durch einen bewaldeten Hügel getrennt; sie benützten eindeutig die Stiftingtalstraße, um nach Graz zu kommen, wo sich auf dem Leonhardplatz eine öffentliche Apotheke befände. Ein weiteres Einzugsgebiet außerhalb von Graz sei in Übereinstimmung mit der Auffassung des Magistrates Graz, des Landeshauptmannes und der Österreichischen Apothekerkammer schon deshalb nicht anzunehmen, weil in den umliegenden Gemeinden Eggersdorf, Kumberg und St. Radegund ärztliche Hausapotheken bestünden, die wegen der Entfernung nicht aufzulassen seien. Die Einwohner der KG Weinitzen würden auf Grund der Lage und Nähe zur Radegunder Straße aus den öffentlichen Apotheken in Graz-Andritz versorgt. Für die neue Apotheke kämen daher nur etwa 4.670 Einwohner des 11. Bezirkes als zu versorgende Personen in Betracht. Der Bedarf an der bestehenden Apotheke des Mitbeteiligten würde zwar weiterhin knapp gegeben sein, da sie innerhalb der Stadt die weitaus günstigere Position habe als die beantragte. Es werde jedoch ein spürbarer Kundenverlust eintreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 ApG lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn
1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und
2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.
(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn
- 1. die Zahl der von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5 500 beträgt oder
...
- 3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.
(3) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 1 sind die ständigen Einwohner aus dem Umkreis von vier Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zu versorgen sein werden.
(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilomtern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.
(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne der Abs. 3 oder 4 weniger als 5 500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen."
Die Prüfung des Bedarfes unter dem Gesichtspunkt der "von der künftigen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG hat von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Unter den "in einem Umkreis von 4 Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte der Apotheke zu versorgenden Personen" sind jene zu verstehen, die eine besondere räumliche Nahebeziehung (im 4 km-Umkreis) zur neuen Apotheke haben. Dazu zählen primär die ständigen, im 4 km-Umkreis von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neuen Apotheke wohnenden Personen, sofern sie auf Grund der örtlichen Verhältnisse voraussichtlich ihren Bedarf an Arzneimitteln aus der neuen Apotheke und nicht aus den schon bestehenden Apotheken und weiterbestehenden Hausapotheken decken werden (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 17. Mai 1993, Zl. 91/10/0214, und vom 29. Oktober 1993, Zl. 90/10/0072). Es kommt auf den 4 km-Umkreis an und nicht auf den Ort, in dem die künftige Betriebsstätte liegen soll (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. April 1993, Zl. 91/10/0252). Zusätzlich zu den ständigen Einwohnern der 4 km-Zone sind im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG noch außerhalb des 4 km-Umkreises wohnende Personen zu berücksichtigen, die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet aus der neuen Apotheke zu versorgen sein werden (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 17. Mai 1993, Zl. 91/10/0214). Die überwiegende Anzahl der potentiellen Kunden muß jedoch im 4 km-Umkreis der künftigen Betriebsstätte wohnen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. April 1993, Zl. 91/10/0252).
Bei der Bedarfsprüfung hatte die Behörde somit zunächst die Zahl der ständigen Einwohner im 4 km-Umkreis zu ermitteln und festzustellen, wieviele dieser Einwohner auf Grund der örtlichen Verhältnisse ihren Bedarf an Arzneimitteln aus der künftigen Apotheke und nicht aus bestehenden öffentlichen Apotheken oder weiterbestehenden Hausapotheken decken werden. Ergibt sich dabei, daß zwar die Zahl von 5.500 zu versorgenden Personen nicht erreicht werde, aber wenigstens die - im Verhältnis zur genannten Zahl - "überwiegende Anzahl" zu versorgender Personen im 4 km-Umkreis ansässig ist, so hat die Behörde zu prüfen, ob dieses Mindestversorgungspotential auf Grund der Berücksichtigung von "Einflutern" aus Gebieten außerhalb des 4 km-Umkreises, die sich auf Grund der in § 10 Abs. 5 ApG genannten Umstände zur neuen Apotheke orientieren werden, erreicht wird.
Die Beschwerde macht zunächst als inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen, die 4 km-Zone festzulegen und die dabei maßgeblichen Einwohnerzahlen zu berücksichtigen; die 4 km-Zone bzw. das tatsächliche Versorgungsgebiet der geplanten neuen Apotheke ende keineswegs an der Stadtgrenze von Graz. Darüber hinaus habe es die belangte Behörde unterlassen, weitere zu versorgende Personen im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG zu berücksichtigen.
Daß es bei der Ermittlung des Versorgungspotentials einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke auf den 4 km-Umkreis und nicht auf den "Ort" ankommt, wurde oben bereits dargelegt. Es trifft auch zu, daß dem angefochtenen Bescheid nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob sich seine Darlegungen durchwegs auf innerhalb des 4 km-Umkreises oder auch auf außerhalb desselben gelegene Gebiete und die dort wohnenden Personen beziehen. Im Beschwerdefall ist jedoch nicht zweifelhaft, daß die belangte Behörde nur solche Einwohner (des 11. Grazer Stadtbezirkes) zum Versorgungspotential der künftigen Apotheke gezählt hat, die ihrer Auffassung nach im 4 km-Umkreis von deren künftiger Betriebsstätte wohnen; auf den bei der zahlenmäßigen Feststellung des Versorgungspotentials unterlaufenen Begründungsmangel wird noch einzugehen sein.
Im Hinblick darauf, daß sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit der Frage der Zuordnung weiterer Personengruppen, deren Wohnorte zum Teil offenbar innerhalb, zum Teil jedoch möglicherweise außerhalb eines Umkreises von 4 Straßenkilometern von der künftigen Betriebsstätte liegen, befaßt hat, wäre die Feststellung der Grenzen des 4 km-Polygons im Sinne der Überprüfbarkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb geboten gewesen, weil davon der rechtliche Rahmen der Prüfung abhängt:
Ob bestimmte Einwohner "zu versorgende Personen" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG sind, richtet sich bei im 4 km-Umkreis wohnenden Personen nach den in Abs. 3 genannten Voraussetzungen, bei außerhalb des 4 km-Umkreises wohnenden Personen hingegen nach Abs. 5. Ein zur Aufhebung des Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit führender Feststellungsmangel läge jedoch im erwähnten Zusammenhang im Beschwerdefall nur dann vor, wenn aufgezeigt würde, daß im Sinne des § 10 Abs. 3 ApG "zu versorgende Personen" nur deshalb nicht dem Versorgungspotential der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zugerechnet worden wären, weil auf den 4 km-Umkreis nicht Bedacht genommen wurde. Derartiges behauptet die Beschwerde jedoch gar nicht.
Ob die belangte Behörde auf die oben dargelegten Grundsätze im Einzelfall - bei der Zuordnung bestimmter Personengruppen - dem Gesetz entsprechend Bedacht genommen hat, wird bei der Erörterung der Verfahrensrüge zu untersuchen sein. Die von der Beschwerde im erwähnten Zusammenhang angenommene inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt jedoch nicht vor.
Ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht die Beschwerde geltend, die belangte Behörde hätte die Bewohner der Ortschaften Fölling, Niederschöckl, Weinitzen und Schaftal schon im Hinblick auf die "Zentrumsfunktion" von Mariatrost dem Versorgungspotential der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zuordnen müssen. Mariatrost verfüge über einen eigenen Ortskern mit ausgeprägter Infrastruktur (Ärzte, Schule, Heime, Kirche, Postamt, Banken, Restaurants und zahlreiche Nahversorgungseinrichtungen). Mariatrost weise einen gewachsenen, zentralen Ortskern auf, in dessen Bereich sich die geplante Betriebsstätte befinde. In unmittelbarer Nähe befinde sich auch die Endstation einer Straßenbahnlinie sowie eine Haltestelle für Postautobusse.
Auch diese Darlegungen zeigen keine inhaltliche Rechtswidrigkeit auf, weil unter Bedachtnahme auf die nicht bestrittenen Feststellungen über die örtlichen Verhältnisse und insbesondere im Zusammenhang mit der unmittelbaren Nähe des Ballungszentrums Graz nicht erkennbar ist, daß es sich bei den von der Beschwerde genannten Umständen um solche handle, die - im Hinblick auf eine "Zentrumsfunktion" von Mariatrost - eine besondere, von den im allgemeinen maßgebenden Umständen abgehobene Bedeutung für den Bedarf an einer neuen Apotheke hätten (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 22. Mai 1990, Zl. 88/08/0257).
Ebensowenig zeigt die Beschwerde in der Frage der Abgrenzung des Versorgungspotentiales der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke von jenen der weiterbestehenden Hausapotheken eine inhaltliche Rechtswidrigkeit auf. Die Beschwerde vertritt die Auffassung, die "Versorgungsgrenze" zwischen öffentlicher Apotheke und Hausapotheke liege nicht in der Mitte der Entfernung zwischen den Betriebsstätten, sondern "deutlich näher" bei den ärztlichen Hausapotheken. Das Apothekengesetz sei nämlich vom Grundgedanken beherrscht, daß zur Deckung des Heilmittelbedarfes der Bevölkerung grundsätzlich nur die öffentliche Apotheke berechtigt sei und die Hausapotheke nur als "Notlösung" in Frage käme. Die Bereitstellung von Medikamenten gehöre nicht zur Berufstätigkeit der Ärzte. Eine öffentliche Apotheke gewährleiste eine bessere und umfassendere Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Anders als Hausapotheken sei eine öffentliche Apotheke jederzeit für die gesamte Bevölkerung erreichbar. Sie verfüge über einen ungleich umfassenderen Vorrat an - auch nicht rezeptpflichtigen - Arzneimitteln und anderen Heilbehelfen, sie biete umfassende Beratung durch einen speziell dazu ausgebildeten Pharmazeuten. Hätte die belangte Behörde auf die - unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze "näher bei den ärztlichen Hausapotheken" festzulegende - "Versorgungsgrenze" Bedacht genommen, so wäre ein "erheblicher Teil der Bevölkerung weiterer Gebiete", z.B. der Ortschaften Schillingdorf, Forst und Burgstall sowie aus dem Bereich um Eidexberg zu berücksichtigen gewesen.
Diese Darlegungen erweisen schon deshalb keine dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende inhaltliche Rechtswidrigkeit, weil die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren niemals behauptet hatte, daß Bewohner der zuletzt erwähnten Gebiete ihren Arzneimittelbedarf in der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke decken würden. Im Hinblick auf die aus den Verwaltungsakten ersichtlichen Entfernungsverhältnisse, die Versorgung mit ärztlichen Hausapotheken und die Nähe des Ballungsraumes Graz bestand für die belangte Behörde auch kein Anlaß, von sich aus in Betracht zu ziehen, daß Bewohner der erwähnten Gebiete - anläßlich eines "Einflutens" in deren Standort - ihren Arzneimittelbedarf in der neu zu errichtenden Apotheke decken würden.
Im übrigen ist der Rechtsauffassung der Beschwerde entgegenzuhalten, daß das Apothekengesetz den praktischen Ärzten dort, wo eine öffentliche Apotheke nicht besteht, einen Teil der Versorgungsaufgabe zuweist (vgl. Puck, Die Prüfung des Bedarfes bei öffentlichen Apotheken, Winkler - FS 213, 217). Die Versorgungssysteme ergänzen einander; die durch ärztliche Hausapotheken zu erfüllende Versorgungsaufgabe kann nicht nur als marginal bezeichnet werden (vgl. das Erkenntnis vom 19. Dezember 1989, Zl. 87/08/0259). Bei der Abgrenzung der Versorgungspotentiale zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken entspräche eine generalisierende, auf allgemeine strukturelle Unterschiede zwischen öffentlichen Apotheken und Hausapotheken Bedacht nehmende, die konkreten Umstände des Einzelfalles außer Acht lassende Betrachtungsweise nicht dem Gesetz (vgl. das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 92/10/0108). Dem oben wiedergegebenen Standpunkt der Beschwerde ist schließlich zu erwidern, daß selbst bei Bedachtnahme auf die von der Beschwerde aufgezeigten Umstände kein sachlicher Anknüpfungspunkt dafür vorläge, diese bei der Abgrenzung der Versorgungspotentiale gerade durch Heranziehung räumlicher Gesichtspunkte, also in Form einer (letztlich willkürlichen) Festlegung einer "Versorgungsgrenze" zu berücksichtigen, die "näher bei der Hausapotheke" läge.
Die Feststellung des Kundenpotentials, das einer weiterbestehenden Hausapotheke verbleibt, wenn eine neue öffentliche Apotheke errichtet wird, hat vielmehr Aspekte einzubeziehen, die dem Umstand Rechnung tragen, daß der Kundenkreis der Hausapotheke im wesentlichen - sowohl faktisch als auch unter rechtlichen Gesichtspunkten (vgl. § 30 Abs. 1 und 3 ApG) - dem Patientenkreis des hausapothekenführenden Arztes gleichzusetzen sein wird. Ein Erfahrungssatz des Inhaltes, daß zu den Patienten eines hausapothekenführenden Arztes gehörende Personen, die bisher ihren Arzneimittelbedarf in der Hausapotheke gedeckt haben, nach Inbetriebnahme einer öffentlichen Apotheke - insbesondere in größerer Entfernung zu ihrem Wohnort - in dieser ihren Heilmittelbedarf decken werden, besteht nicht (vgl. hiezu neuerlich das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 92/10/0108); vielmehr ist nach allgemeiner Erfahrung davon auszugehen, daß dieser Personenkreis sich durch die Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke nicht veranlaßt sehen wird, in Hinkunft einen anderen praktischen Arzt aufzusuchen. Davon ausgehend ist der Schluß gerechtfertigt, daß die bisherigen Patienten des hausapothekenführenden Arztes auch weiterhin ihren Arzneimittelbedarf im wesentlichen in der weiterbestehenden Hausapotheke und nicht in der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke decken werden.
Im Zusammenhang mit der Auswahl des praktischen Arztes sind jedoch andere als räumliche Gesichtspunkte von solcher Bedeutung, daß eine Prognose, die - wie dies bei der Abgrenzung der Versorgungspotentiale mehrerer öffentlicher Apotheken der Fall ist - nahezu ausschließlich von räumlichen Gesichtspunkten, insbesondere der Erreichbarkeit der Betriebsstätten ausgeht, nicht sachgerecht wäre. Räumliche Gesichtspunkte stehen im vorliegenden Zusammenhang nur dann im Vordergrund, wenn entweder im Hinblick auf die Entfernung des in Rede stehenden Gebietes vom Berufssitz des hausapothekenführenden Arztes und die Dichte der Versorgung durch andere praktische Ärzte nicht angenommen werden kann, daß eine im Hinblick auf die Aussagekraft der Prognose ins Gewicht fallende Zahl von Einwohnern dieses Gebietes den hausapothekenführenden Arzt aufsucht, oder wenn das in Rede stehende Gebiet - bei Fehlen anderweitiger ärztlicher Versorgung - in unmittelbarer räumlicher Nähe des Berufssitzes des hausapothekenführenden Arztes liegt, sodaß davon auszugehen ist, daß die Bevölkerung dieses Gebietes (von nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmen abgesehen) diesen Arzt aufsucht. Lassen die räumlichen Verhältnisse insofern Zweifel offen, so hat die Behörde mit geeigneten Methoden Anzahl und Wohnort jener Personen zu ermitteln, die schon bisher ihren Heilmittelbedarf in der ärztlichen Hausapotheke gedeckt haben; diese Personen sind sodann im Sinne des oben Gesagten nicht dem Versorgungspotential der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zuzurechnen.
Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß die belangte Behörde ihrem Bescheid in Ansehung der Bevölkerung der von der Beschwerde genannten Orte eine diesen Grundsätzen widersprechende Rechtsauffassung zugrunde gelegt hätte. Die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit liegt somit auch insofern nicht vor.
Die Beschwerde macht weiters geltend, die Begründung des angefochtenen Bescheides sei in sich widersprüchlich. Die belangte Behörde vertrete die Auffassung, daß aus der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke (nur) Einwohner aus dem nordöstlichen Teil des 11. Grazer Stadtbezirkes zu versorgen sein würden; die Einwohnerzahl dieses Gebietes werde mit 3.622 festgestellt. Im Widerspruch dazu werde ausgesprochen, daß
4.670 Einwohner des 11. Bezirkes als zu versorgende Personen in Betracht kämen.
Die Beschwerde ist im Recht, wenn sie in diesen Darlegungen einen Widerspruch in der Begründung des angefochtenen Bescheides erblickt. Der belangten Behörde ist in ihrer in der Gegenschrift vertretenen Auffassung, es sei aus der Begründung des angefochtenen Bescheides nachvollziehbar, wie dieser zu einem Versorgungspotential von 4.670 Einwohnern des 11. Bezirkes gelange, nicht zu folgen. Die Gegenschrift führt dazu aus, das Versorgungsgebiet der neu zu errichtenden Apotheke liege nordöstlich einer gedachten Linie. Diese teile den 11. Bezirk in "etwa zwei" gleich große Gebiete. Durch einfache Division der Einwohnerzahl des 11. Bezirkes (9.432) sei somit die festgestellte Zahl von 4.670 Personen zu errechnen.
Diesen Darlegungen ist zu erwidern, daß die offenbar angewendete Methode der Errechnung von Einwohnerzahlen anhand des Verhältnisses von Flächen von der der Realität nicht entsprechenden Annahme einer konstanten Besiedelungsdichte ausgeht. Im übrigen ist angesichts des Umstandes, daß die belangte Behörde die Einwohnerzahl des betreffenden Gebietes mit 3.622 festgestellt hat, nicht nachvollziehbar, warum die erwähnte Methode überhaupt herangezogen wurde.
Daraus ist für den Standpunkt der Beschwerde jedoch nichts gewonnen, weil die insoweit widersprüchliche Begründung die Beschwerdeführerin nicht an der Rechtsverfolgung hindert und die belangte Behörde auch dann, wenn sie ihrem Bescheid 3.622 zu versorgende Personen zugrunde gelegt hätte, zu keinem anderen - insbesondere keinem für die Beschwerdeführerin günstigeren - Ergebnis hätte kommen können.
Der bereits in dem ihr vorgehaltenen Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vertretenen Auffassung, die Bewohner der Ortschaft Weinitzen seien auf Grund der Lage des Gebietes an der Radegunder Straße, auf Grund der Entfernungen und der Straßenverhältnisse in ihrer Heilmittelversorgung zu den öffentlichen Apotheken in Graz-Andritz orientiert, ist die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht entgegengetreten. Schon aus diesem Grund zeigt ihr Beschwerdevorbringen, daß ein Teil der Bewohner dieses Gebietes für Fahrten nach Graz nicht die Radegunder Straße benütze, sondern über Niederschöckl in die Föllingerstraße und sodann zur geplanten Betriebsstätte der neu zu errichtenden Apotheke der Beschwerdeführerin gelangen werde, keinen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden Verfahrensmangel auf.
Mit Recht macht die Beschwerde jedoch Verfahrensmängel geltend, die der belangten Behörde im Zusammenhang mit der Zuordnung der Einwohner der Orte Fölling (375), Schaftal (100) und Niederschöckl (1.426) unterlaufen sind. Die belangte Behörde hat ihre Auffassung, daß diese Personen nicht dem Versorgungspotential der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zuzurechnen wären, zunächst mit dem Fehlen ausreichender öffentlicher Verkehrsverbindungen zur Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke begründet. Die Auffassung, daß der Erreichbarkeit der jeweiligen Betriebsstätte mit öffentlichen Verkehrsmitteln bei der Zuordnung des Kundenpotentials entscheidendes Gewicht zukäme, kann - insbesondere im Hinblick auf die Lage der in Rede stehenden Gebiete am Stadtrand bzw. im Übergang zum ländlichen Siedlungsraum - nicht geteilt werden; angesichts des bestehenden Motorisierungsgrades steht - zumal im Hinblick auf die offenkundigen Entferungsverhältnisse die Erreichbarkeit zu Fuß (vgl. hiezu das Erkenntnis vom 29. November 1993, Zl. 92/10/0110) nicht maßgeblich ist - vielmehr die Erreichbarkeit der Betriebsstätten mit Kraftfahrzeugen im Vordergrund. Nach den im Verwaltungsakt erliegenden Planunterlagen liegt die Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke - ausgehend von den Straßenverbindungen - jedenfalls in Ansehung der (offenbar im 4 km-Umkreis der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke gelegenen) Orte Fölling und Schaftal näher als die Betriebsstätten anderer öffentlicher Apotheken; dafür, daß die Versorgung dieser Personen durch ärztliche Hausapotheken in Betracht käme, liegt kein Anhaltspunkt vor. Die ausschließlich auf die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln abgestellte Beurteilung der belangten Behörde entspricht somit nicht dem Gesetz.
Auch die Auffassung, die Bewohner von Schaftal würden ihren Arzneimittelbedarf anläßlich von Fahrten in Richtung der Grazer Innenstadt decken, stellt bei einer Beurteilung nach § 10 Abs. 3 ApG keine ausreichende Grundlage für die Annahme dar, diese Personen würden zur Deckung ihres Arzneimittelbedarfes nicht die nächstgelegene öffentliche Apotheke (nach den Beschwerdebehauptungen jene der Beschwerdeführerin) aufsuchen.
Die Bewohner von Niederschöckl (1.426) betreffend hat die belangte Behörde nicht festgestellt, ob diese innerhalb oder außerhalb des 4 km-Umkreises von der künftigen Betriebsstätte wohnen. Ob der Prüfungsmaßstab für die Zuordnung dieses Personenkreises sich nach § 10 Abs. 3 ApG oder nach Abs. 5 dieser Gesetzesstelle richtet, kann auf Grund der getroffenen Feststellungen somit nicht beurteilt werden. In beiden Fällen stellen jedoch weder die oben bereits erörterten Darlegungen betreffend die fehlenden öffentlichen Verkehrsverbindungen noch die im folgenden erörterten Überlegungen der belangten Behörde eine ordnungsgemäße Bescheidbegründung dar.
Die belangte Behörde hat ihre Auffassung, die Bewohner von Niederschöckl seien nicht dem Versorgungspotential der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke zuzuordnen, weiters darauf gestützt, daß das Gebiet "entschieden näher" zur ärztlichen Hausapotheke in Kumberg liege. Konkrete Feststellungen über die Entfernungs- und Verkehrverhältnisse unter Einbeziehung des Kraftfahrzeugverkehrs - die jedenfalls dann geboten gewesen wären, wenn das fragliche Gebiet innerhalb des 4 km-Umkreises gelegen wäre - wurden jedoch nicht getroffen. Der angefochtene Bescheid stellt auch keinen konkreten Sachverhalt fest, auf dessen Grundlage - zieht man die oben dargelegten Grundsätze über die Abgrenzung der Versorgungspotentiale zwischen öffentlichen Apotheken und weiterbestehenden Hausapotheken heran - die Bewohner von Niederschöckl schon allein auf Grund räumlicher Gesichtspunkte dem Kundenpotential der Hausapotheke in Kumberg zugerechnet werden könnten. Auf die Feststellung des Patientenkreises des hausapothekenführenden Arztes in Kumberg gerichtete Erhebungen wurden nicht angestellt. Mangels solcher Erhebungen und Feststellungen beruht die - im Gegensatz zum erstinstanzlichen Bescheid und dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer und ohne entsprechenden Vorhalt an die Beschwerdeführerin vertretene - Auffassung der belangten Behörde, daß die Bewohner von Niederschöckl ihren Arzneimittelbedarf nicht in der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke decken würden, sondern in der Hausapotheke in Kumberg, nicht auf einer in einem mängelfreien Verfahren ermittelten ausreichenden Sachverhaltsgrundlage. Sollte das fragliche Gebiet außerhalb des 4 km-Umkreises liegen, wäre eine Auseinandersetzung mit den Behauptungen der Beschwerdeführerin vor dem rechtlichen Hintergrund des § 10 Abs. 5 ApG geboten gewesen.
Von den aufgezeigten Mängeln ist die Zurechnung von 1.901 Personen betroffen; es ist somit nicht auszuschließen, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieser Mängel in der Frage der Bedarfsvoraussetzung nach § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Einen konkreten Sachverhalt, auf dessen Grundlage die negative Bedarfsvoraussetzung nach § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG hätte beurteilt werden können, hat die belangte Behörde nicht festgestellt; der angefochtene Bescheid konnte daher auch nicht auf das Vorliegen dieser negativen Bedarfsvoraussetzung gegründet werden.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)