Normen
ApG 1907 §10 Abs2 idF 1998/I/053;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3 idF 1990/362;
ApG 1907 §10 Abs4 idF 1990/362;
ApG 1907 §10 Abs5 idF 1998/I/053;
ApG 1907 §10 Abs2 idF 1998/I/053;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3 idF 1990/362;
ApG 1907 §10 Abs4 idF 1990/362;
ApG 1907 §10 Abs5 idF 1998/I/053;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 16. Mai 1992 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich den Antrag des Beschwerdeführers, ihm die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke in Ruprechtshofen zu erteilen, ab.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. Begründend wurde - ausgehend von der Feststellung der Einwohnerzahlen in den Gemeinden Ruprechtshofen, St. Leonhard am Forst, Mank, Kilb, Kirnberg an der Mank und Zelking-Matzleinsdorf, Feststellungen über die Verkehrsverhältnisse und das Vorhandensein von
Einrichtungen - dargelegt, im 4 km-Umkreis um die Betriebsstätte der geplanten Apotheke wohnten in den Gemeinden Ruprechtshofen und St. Leonhard am Forst zusammen höchstens 3505 ständige Einwohner. Es liege auch kein Sachverhalt vor, wonach gemäß § 10 Abs. 5 ApG weitere Personen der beantragten Apotheke zugerechnet werden könnten.
Im Zusammenhang mit dem Versorgungspotential der Apotheke des Erstmitbeteiligten in Mank legte die belangte Behörde folgendes dar:
"Bei der Prüfung des Sachverhaltes gemäß § 10 Abs. 4 ApG ist davon auszugehen, daß die öffentliche Apotheke in Mank durch die Versorgung der Einwohner von Mank und Kirnberg an der Mank (zusammen 3877 Einwohner) jedenfalls unter dem gesetzlichen Mindestkundenpotential liegt. Somit ist für den Bestand dieser Apotheke noch ein weiteres Versorgungsgebiet unabdingbar. Obwohl St. Leonhard am Forst und Ruprechtshofen sowie Kilb Hausapotheken haltende Ärzte haben, kann auf Grund der örtlichen Nähe, guten Erreichbarkeit von Mank aus diesen Nachbargemeinden und wegen der Attraktivität dieser Kleinstadt davon ausgegangen werden, daß ein Teil der Einwohner der Nachbargemeinden doch auch die öffentliche Apotheke in Mank aufsuchen, da einerseits in Mank selbst zwei praktische Ärzte ordinieren und andererseits ein verstärkter Trend zur Selbstmedikation besteht. In der öffentlichen Apotheke können schließlich auch Medikamente besorgt werden, die nicht der Rezeptpflicht unterliegen. Wenn damit aber auch schon bisher Einwohner von St. Leonhard am Forst Kunden der Apotheke in Mank waren, würden sie bei Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke in Ruprechtshofen der öffentlichen Apotheke in Mank als Kunden verlorengehen. Daher muß auch gemäß § 10 Abs. 4 ApG das
Konzessionansuchen abgelehnt werden. ... Im gegenständlichen Fall
muß nämlich davon ausgegangen werden, daß die öffentliche Apotheke in Mank bereits jetzt das gesetzliche Kundenpotential von 5500 Personen nicht erreicht, sodaß auch nur eine geringe Abnahme durch die beantragte öffentliche Apotheke in Ruprechtshofen schon relevant ist."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligten Parteien eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Die erstmitbeteiligte Partei erstattete mehrere vorbereitende Schriftsätze.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 2. März 1998, G 37/97-47 u.a., in § 10 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung der Apothekengesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 362 (ApG) im Abs. 2 die Z. 1 des Abs. 3 zur Gänze und im Abs. 5 die Wortfolge "3 oder" als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof sprach aus, dass die verfassungswidrigen Vorschriften nicht mehr anzuwenden sind. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
Die vorliegende Beschwerdesache bildete einen Anlassfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG. Gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ist eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Vorschrift im Anlassfall nicht mehr anzuwenden. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher den angefochtenen Bescheid so zu beurteilen, als ob im Zeitpunkt seiner Erlassung die aufgehobenen Vorschriften nicht gegolten hätten.
Die von der belangten Behörde als Versagungsgrund herangezogene Vorschrift des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG ist im Beschwerdefall vom Verwaltungsgerichtshof somit nicht anzuwenden; sie kann den angefochtenen Bescheid nicht tragen.
Von der Aufhebung von Teilen des § 10 ApG unberührt blieb § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG; danach besteht ein Bedarf dann nicht, wenn die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5500 betragen wird.
Zu dieser Vorschrift hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass auch eine Beeinträchtigung eines bereits vor Errichtung der neuen Apotheke unter 5500 Personen liegenden Versorgungspotentials durch die geplante neue Apotheke zur Versagung der beantragten Konzession führen muss (vgl. die Erkenntnisse vom 22. Dezember 1993, Zl. 93/10/0078, und vom 29. Jänner 1996, Zl. 95/10/0099).
Die Abweisung des Konzessionsantrages wäre im Beschwerdefall somit zu Recht erfolgt, wenn die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Annahme zuträfe, dass die Anzahl der von der Apotheke des Erstmitbeteiligten in Mank zu versorgenden Personen weniger als 5500 betrage und durch die Eröffnung der beantragten Apotheke weiter verringert würde.
Die erwähnte Annahme beruht jedoch nicht auf einer mängelfrei ermittelten Sachverhaltsgrundlage.
Bei der Bedarfsermittlung hat die Behörde festzustellen, wieviele der ständigen Einwohner im Umkreis von 4 km um die Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke(n) nach Errichtung der geplanten Apotheke ihren Arzneimittelbedarf auf Grund der örtlichen Verhältnisse voraussichtlich weiterhin aus der (den) bestehenden öffentlichen Apotheke(n) decken werden. Diese unter dem Gesichtspunkt der leichteren Erreichbarkeit vorzunehmende Zuordnung hat in erster Linie anhand der Straßenentfernungen zu der (den) bestehenden öffentlichen Apotheke(n) im Vergleich zur beantragten Apotheke zu erfolgen. Ergibt sich für eine bestehende öffentliche Apotheke die kritische Zahl zu versorgender Personen nicht schon aus den ständigen Einwohnern des 4 km-Umkreises, so ist weiter zu prüfen, ob diese Zahl unter Berücksichtigung der auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet weiterhin zu versorgenden Personen erreicht wird. Das Ergebnis dieser Prüfung hat in einer auf entsprechende Erhebungen gestützten prognostischen Zuordnung konkreter Kundenpotentiale zu der (den) bestehenden Apotheke(n) zu bestehen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 29. Juni 1998, Zl. 98/10/0088, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Wohnt die zu versorgende Bevölkerung - was im Beschwerdefall im Hinblick auf die Entfernung der Betriebsstätten der beantragten Apotheke und der bestehenden Apotheke in Mank nicht ausgeschlossen ist - im 4 km-Umkreis sowohl einer bestehenden als auch der beantragten Apotheke, so ist für die Zuordnung des Kundenpotentials zur einen oder anderen Apotheke nach dem Kriterium "örtliche Verhältnisse" im Sinne des § 10 Abs. 4 ApG in erster Linie die leichtere Erreichbarkeit ausschlaggebend, wobei es vor allem auf die zurückzulegende Entfernung unter Berücksichtigung der vorhandenen Verkehrsmöglichkeiten ankommt. Die Zuordnung der Wohnbevölkerung zu den in Betracht kommenden Apotheken hat sich im Überschneidungsbereich der 4 km-Polygone an einer gedachten, nach den Gesichtspunkten der räumlichen Nähe und Erreichbarkeit zu ziehenden örtlichen Trennlinie zu orientieren (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. Dezember 1996, Zl. 96/10/0015, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Die Behörde ist im Apothekenkonzessionsverfahren durch § 10 ApG vor die Aufgabe gestellt, eine Prognoseentscheidung über das voraussichtliche Kundenverhalten zu treffen, die sich an den in § 10 Abs. 4 und 5 ApG normierten objektiven Umständen zu orientieren hat. Dabei kommt es auf das anhand von objektiven Umständen prognostizierte Kundenverhalten an; persönliche Präferenzen für das Aufsuchen einer bestimmten Apotheke können sinnvollerweise als Basis einer Langzeitprognose nicht berücksichtigt werden. Erhebungen bei den Inhabern bestehender Apotheken über die Zusammensetzung des jeweiligen Kundenkreises sind somit nicht geboten (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 29. Mai 1995, Zl. 93/10/0056, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Die dem angefochtenen Bescheid beigegebene Begründung zeigt, dass sich die belangte Behörde in der Frage des Versorgungspotentials der Apotheke des Mitbeteiligten in Mank nicht an den soeben dargelegten Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens orientiert hat. Die Zahl der im 4 km-Umkreis um die Apotheke des Erstmitbeteiligten wohnenden ständigen Einwohner wurde nicht ermittelt; insbesondere enthält der angefochtene Bescheid keinen Hinweis darauf, dass der allein ziffernmäßig bezeichnete Personenkreis (3875 Einwohner von Mank und Kirnberg an der Mank) mit der Zahl der Einwohner im 4 km-Umkreis der Apotheke in Mank ident wäre. Ob das von der belangten Behörde vermutete "weitere Versorgungsgebiet", dessen Vorhandensein offenbar ohne hinreichende Grundlage im Tatsächlichen aus dem im Gesetz normierten negativen Bedarfsmerkmal abgeleitet und dessen Lage und Einwohnerzahl nicht konkret bezeichnet wird, innerhalb oder außerhalb des 4 km-Umkreises um die Apotheke in Mank liege, kann dem angefochtenen Bescheid ebenfalls nicht entnommen werden. Mit dem nicht näher konkretisierten Hinweis auf die"örtliche Nähe, gute Erreichbarkeit von Mank aus diesen Nachbargemeinden und die Attraktivität dieser Kleinstadt" wird ein dem § 10 Abs. 5 ApG zu subsumierender Sachverhalt nicht konkret festgestellt; ebensowenig handelt es sich bei dem Hinweis, dass "ein Teil der Einwohner der Nachbargemeinden doch auch die öffentliche Apotheke in Mank aufsuchen", um die nachvollziehbare Feststellung eines ziffernmäßig bestimmten, dem Versorgungpotential der Apotheke in Mank zuzurechnenden Personenkreises.
Es fehlen somit ziffernmäßige, in einem an den dargelegten Grundsätzen orientierten Verfahren getroffene Feststellungen über die prognostische Zuordnung eines bestimmten Kundenpotentials zur Apotheke des Erstmitbeteiligten in Mank. Schon die Annahme, dieses erreiche die Zahl von 5500 zu versorgenden Einwohnern nicht, beruht somit nicht auf einem mängelfreien Ermittlungsverfahren. Dies trifft auch auf die Annahme zu, zum Versorgungspotential der Apotheke in Mank zählten Einwohner von St. Leonhard am Forst.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Aus Gründen der Prozessökonomie ist - auch im Hinblick auf die vom Erstmitbeteiligten im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Umstände - daran zu erinnern, dass es hier auf das anhand von objektiven Umständen prognostizierte Kundenverhalten ankommt (vgl. das bereits erwähnte Erkenntnis vom 29. Mai 1995, Zl. 93/10/0056). Es ist somit nicht entscheidend, ob in der Vergangenheit Personen, die nach den dargelegten Grundsätzen im Rahmen der an objektiven Gegebenheiten orientierten Prognose nicht dem Versorgungspotential einer bestehenden Apotheke zuzurechnen sind, diese Apotheke mehr oder weniger häufig frequentiert haben.
Weiters ist auf jene Grundsätze zu verweisen, die der Verwaltungsgerichtshof für die Abgrenzung der Versorgungspotentiale öffentlicher Apotheken zu jenen aufrecht bleibender ärztlicher Hausapotheken entwickelt hat (vgl. das Erkenntnis vom 20. Dezember 1993, Zl. 92/10/0359).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. Februar 1999
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