VwGH 2001/10/0017

VwGH2001/10/001731.1.2005

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des L in I, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard Breitner-Straße 4, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. Dezember 2000, Zl. U-13.396/2, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung nach dem Tiroler Naturschutzgesetz 1997, zu Recht erkannt:

Normen

NatSchG Tir 1997 §1 Abs1;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs2;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs3;
NatSchG Tir 1997 §3 Abs2;
NatSchG Tir 1997 §3 Abs8 idF 1999/008;
NatSchG Tir 1997 §9 litc;
NatSchG Tir 1997 §9;
NatSchG Tir 1997 §1 Abs1;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs2;
NatSchG Tir 1997 §27 Abs3;
NatSchG Tir 1997 §3 Abs2;
NatSchG Tir 1997 §3 Abs8 idF 1999/008;
NatSchG Tir 1997 §9 litc;
NatSchG Tir 1997 §9;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz (BH) vom 4. Oktober 2000 wurde dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt II. gemäß den §§ 9, 27 Abs. 2 lit. a Z. 2, Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 5 sowie 40 Abs. 1 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997, LGBl. Nr. 33 (Tir NatSchG), in Verbindung mit den §§ 1 bis 7 der Tiroler Naturschutzverordnung 1997, LGBl. Nr. 95, die naturschutzrechtliche (Ausnahme-)Bewilligung für die beantragten Entwässerungsanlagen auf Teilflächen seiner Grundstücke Nr. 483/1 und Nr. 483/2 der KG I. nach Maßgabe der vorliegenden Planskizze erteilt.

Der Landesumweltanwalt erhob Berufung, in der er im Wesentlichen vorbrachte, die BH habe bei der Interessenabwägung die Interessen an der Verwirklichung der vom Beschwerdeführer beantragten Maßnahmen zu stark gewichtet. Die Bedeutung und Schutzwirkung von Feuchtgebieten sei hingegen zu wenig berücksichtigt worden. Aus der Begründung des Bescheides lasse sich keinesfalls schlüssig und nachvollziehbar ableiten, dass bei Nichtverwirklichung der vorgesehenen Maßnahmen die Existenzgrundlage des Betriebes des Beschwerdeführers gefährdet sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Landesumweltanwaltes Folge gegeben und Spruchpunkt II. des Bescheides der BH wie folgt abgeändert:

"Herrn (Beschwerdeführer) wird die naturschutzrechtliche Bewilligung für die beantragten Entwässerungsanlagen auf den Teilflächen der Grundstücke Nr. 483/1 und 483/2 Grundbuch I. nach Maßgabe der vorliegenden Planskizze gemäß § 9 lit. c und f in Verbindung mit § 27 Abs. 2 lit. a Z. 2, Abs. 3, Abs. 6 und § 40 Tir NatSchG versagt."

Nach der Begründung habe der naturkundliche Amtssachverständige in seinem (bereits von der BH eingeholten) Gutachten vom 27. Juni 2000 Folgendes ausgeführt:

"Befund:

Geographische Lage und Geologie

Die geplante Entwässerungsfläche von insgesamt 2,05 ha liegt im Bereich des I.-Sattels auf rund 1.220 müA. Die leicht nach Osten geneigten Flächen befinden sich am Fuße der sanft auslaufenden bewaldeten Berghänge des S. (2.401 müA). ...

Bedingt durch die Topographie (Wasserscheide im Sattelbereich) und die klimatische Situation ... haben sich im Bereich des I.-Sattels mehrere Feuchtgebiete mit zum Teil regionaler Bedeutung ausgebildet ...

Die Feuchtgebiete im geplanten Entwässerungsbereich sind in der Biotopkartierung der Gemeinde I. nicht enthalten, da sie oberhalb der Kartierungsgrenze (1.200 müA) liegen.

Durchgeführte bzw. geplante Maßnahmen

Im Zuge eines Lokalaugenscheines am 30.05.2000 konnten folgende Entwässerungsmaßnahmen festgestellt werden:

Insgesamt wurden rund 500 lfm Entwässerungsgräben mit einer Tiefe von ca. 70-100 cm maschinell errichtet (vgl. schematische Darstellung). Die Gräben weisen eine durchschnittliche Breite von 40 cm auf. Die Gräben entwässern zum Teil in die alten Entwässerungsgräben (Graben 2, 3 und 4) bzw. münden nach einer kurzen Verrohrung in ein kleines, offenes Wiesengerinne (Graben 1).

Im nachgereichten Antrag um naturschutzrechtliche Bewilligung vom 8.06.2000 wurden die Entwässerungsmaßnahmen näher definiert. Demnach sollen die Gräben zuerst mit Drainageschotter im unteren Bereich verfüllt werden und die Verlegung von Drainagerohren mit einem Durchmesser von 10 cm erfolgen. Der Bereich oberhalb der Drainagerohre in Schotterbettung soll anschließend wiederum mit Humusmaterial verfüllt werden.

Naturkundliche Beschreibung des Entwässerungsgebietes

Die Entwässerungsfläche der Grundstücke 483/1 und 483/2 weist eine Größe von 2,05 ha auf und wird im Westen von Fichtenwaldbeständen (Gst. 502/1) begrenzt. An der Grenze zwischen den beiden Grundstücken bzw. in der Mitte des Gst. 483/1 von West nach Ost verlaufend sind zwei ältere Entwässerungsgräben mit einer Tiefe von bis zu 1,5 m vorhanden. Die Uferböschungen dieser Gräben sind mittlerweile mit einem einreihigen Grauerlen-Weiden-Saum bestockt. Dieser Baumbewuchs lässt das Alter der Entwässerungsgräben auf ca. 15 Jahren bzw. älter anschätzen.

Artenreichtum heimischer Tiere und Pflanzen

Das gesamte zur Entwässerung anstehende Gebiet lässt sich bis auf kleinflächige trockene Einschlüsse als Feuchtgebiet im Sinne des TNSchG 1997 bezeichnen. Dabei können in Abhängigkeit von der Torfschichtdicke und dem aktuellen Pflanzenbewuchs 4 unterschiedliche Feuchtgebietsarten unterschieden werden (vgl. schematische Darstellung; Grenzen der Feuchtgebietsarten wurden im Freiland angeschätzt und mit freier Hand in die Karte eingetragen):

I. Mosaik aus Übergangs- und Hochmoorflächen im Südwesten des Grundstückes 483/1: Dieser Moorbereich weist eine Torfschichtdicke von ca. 50-100 cm auf. Flächig ist das Vorkommen von Hochmoorgesellschaften mit verschiedenen Torfmoosarten (Sphagnum sp., teilweise geschützte Pflanzenart nach der TNSchV 1997) und der Charakterart Rundblättriger Sonnentau (Drosera rotundifolia; gefährdete Pflanzenart) zu verzeichnen. Am südlichen Randbereich dieser Moorfläche ist eine flächige Verbreitung des Mücken-Händelwurz (Gymnodenia conopsea; gänzlich geschützte Pflanzenart nach der TNSchV 1997) festzustellen. Die Torfmoosbestände sind mit Klein- und Großseggen (Carex nigra, C. flava agg.-regional gefährdet, C. echinata, C. rostrata), Wollgras (Eriophorum angustifolium), Alpen-Haarsimse (Trichophorum alpinum- regional gefährdet), Mehl-Primel (Primula farinosa; teilweise geschützte Pflanzenart nach der TNSchV 1997 - regional gefährdet) und Lebendgebärendem Knöterich (Polygonum viviparum) bewachsen. In den Randbereichen des Moorkernes finden sich Preiselbeere, Besenheide, Gemeines Kreuzblümchen, Arnika (regional gefährdet), Vielblütige Haarsimse und Bärtige Glockenblume.

Insgesamt handelt es sich bei dieser Moorfläche um einen prioritären Lebensraum nach der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der Europäischen Union (92/43/EWG; kurz FFH-Richtlinie) und um einen besonderen Standort nach der TNSchV 1997. In Teilbereichen ist die entwässernde Wirkung des alten Entwässerungsgrabens, der das Grundstück 483/1 von West nach Ost durchzieht, durch trockenere Bereiche in der Nähe des Grabens erkennbar.

II. Niedermoor mit Großseggenbewuchs im Zusammenflussbereich der Gräben 1a und 1b im Südosten des Grundstückes 483/2: Dieser Niedermoorbereich im Senkenbereich des Zusammenflusses der Gräben 1a und 1b wird durch flächige Schnabelseggenbestände (Carex rostrata) auf einer ca. 30-80 cm hohen Torfschicht charakterisiert. Der östliche Rand des Grabens 1a schließt in diesem Bereich mit einer Hochstaudenflur mit Mädesüß und Schilfröhricht an die im Osten gelegenen Mehrschnittwiesen an. Neben dem Großseggenbewuchs konnten folgende Pflanzenarten festgestellt werden:

Lebensraum heimischer Tier- und Pflanzenarten

Übergangs- bzw. Hochmoorbereiche stellen aufgrund ihrer extremen Umweltfaktoren einen Lebensraum dar, der von hochspezialisierten Pflanzen und Tieren besiedelt werden kann. Aufgrund dieser hohen Spezialisierung und der meist konkurrenzschwachen Pflanzengesellschaft ist der Lebensraum Moor (Hoch-, Übergangs- und Niedermoorbereich) neben den oligotrophen Gewässern der am stärksten gefährdete Lebensraum in Österreich (vgl. STEINER 1992). Die Empfindlichkeit dieser Lebensräume ergibt sich oft schon durch ihre Kleinräumigkeit.

Ebenso finden sich in Moor- und Feuchtwiesen der größte prozentuelle Anteil an gefährdeten Pflanzenarten. In einer Untersuchung von GRABHERR & POLATSCHEK 1986 sind 67 % der Pflanzengesellschaften der Feuchtbiotope Vorarlbergs gefährdet, rund 14 % dieser Pflanzengesellschaften vom Aussterben bedroht. Dem gegenüber stehen 34 % gefährdeter Pflanzengesellschaften aller übrigen Bereiche.

Durch die beantragten Entwässerungen wird der Lebensraum gänzlich und teilweise geschützter Pflanzenarten (Torfmoose, Mehlprimel und Mücken-Händelwurz) zerstört werden. Zudem werden zahlreiche in Österreich regional gefährdete Pflanzenarten (Rundblättriger Sonnentau, Graue-Segge, Hirse-Segge, Stern-Segge, Alpen-Haarsimse, Mehlprimel und Sumpfdotterblume) durch die Entwässerung ihre Lebensgrundlage in diesem Feuchtbiotop verlieren.

Der Verlust dieser Pflanzenartausstattung wird zu einer Zerstörung des Lebensraumes heimischer Tierarten führen. Zahlreiche geschützte Schmetterlingsarten (z.B.: Polygonia c-album, Coenonympta tullia, Phragmataecia castanae, Senta flammea, Rhizedra lutosa und Laelia coenosa) sind auf Futterpflanzen der Feuchtwiesen- und Moorbereiche spezialisiert und damit existentiell mit dem Fortbestand derartiger Feuchtbiotope verbunden. An geschützten Vogelarten sind es im betroffenen Feuchtbiotop vor allem Misteldrossel und Singdrossel bzw. gelegentlich die Waldschnepfe, die diesen Lebensraum als Nahrungsquelle nützen. Potentiellen Lebensraum bietet das Feuchtbiotop zudem für heimische und geschützte Reptilien (Bergeidechse - gefährdete Reptilienart, Blindschleiche - gefährdete Reptilienart) und Amphibien (Grasfrosch - gefährdete Amphibienart und Erdkröte - gefährdete Amphibienart).

Die Entwässerungsmaßnahmen werden mittelfristig zur Zerstörung eines prioritären Lebensraumes nach der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der Europäischen Union (saure Moore mit Torfmoosbeständen) führen.

Insgesamt ergeben sich massive und zum Teil irreversible (im Übergangs- und Hochmoorbereich) Beeinträchtigungen des Lebensraumes heimischer Tier- und Pflanzenarten.

Landschaftsbild und Erholungswert

Die Landschaft am I.-Sattel ist charakterisiert durch ein kleinräumiges Mosaik aus zum Teil bewirtschafteten Feuchtflächen, kleinen Moorbereichen, Flurgehölzen und kleineren Waldeinschlüssen. Diese Vernetzung verschiedener Lebensräume erhöht den Erholungswert und den landschaftlichen Reiz durcn optische Vielfalt (zeitlich und farblich verschiedengestaltige Blühaspekte der einzelnen Biotoptypen) und ständige Veränderungen des Mikroklimas (Windschutz, Luftfeuchtigkeit, Schatten durch Flurgehölze), die über verschiedene Sinnesorgane aufgenommen werden können (optisch, akustisch, olfaktorisch). Größere Bereiche dieser ursprünglich naturnahen Kulturlandschaft sind aber bereits durch starke Beeinträchtigungen in ihrem Erholungswert für Spaziergeher und Wanderer deutlich reduziert worden (z.B.:

einstige Moorbereiche im direkten Sattelbereich durch 'schützengrabenartige' Entwässerungsanlagen).

Die beantragten Entwässerungsmaßnahmen werden aufgrund der Vereinheitlichung des Erscheinungsbildes der zu entwässernden Flächen starke Beeinträchtigungen des Erholungswertes und des Landschaftsbildes zur Folge haben. Die unterschiedlichen Grüntöne und die unterschiedlichen Blühaspekte des Feuchtbiotops werden mittelfristig durch eine einheitliche Mehrschnittwiese verdrängt werden. Somit werden sich die zu entwässernden Flächen in ihrem Erscheinungsbild den im Nordosten anschließenden trockenen Mehrschnittwiesen angleichen und zu einem Strukturverlust des Landschaftsbildes führen.

Zusammenfassung

Insgesamt ergeben sich starke Beeinträchtigungen aller Schutzgüter des TNSchG 97. Die Beeinträchtigungen, die sich im Bezug auf die Schutzgüter Lebensraum heimischer Tier- und Pflanzenarten bzw. des Naturhaushaltes ergeben, sind im Übergangsmoor- und Hochmoorbereich als irreversibel, im Bereich des Niedermoores und der artenreichen Feuchtwiese als massiv und langfristig anzusetzen. Die Beeinträchtigungen können durch keine etwaigen Auflagen auf ein erträgliches Ausmaß reduziert werden. Aus naturkundlicher Sicht ist zur Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft, zur Sicherung des Erholungswertes, zur Sicherung des Artenreichtums der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürlichen Lebensräumen sowie zur Gewährleistung eines möglichst unbeeinträchtigten und leistungsfähigen Naturhaushaltes die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (Auffüllen der Gräben mit dem entnommenen Material ohne Einbau von Drainageschotter oder Drainagerohren) möglichst bald durchzuführen."

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei zur Erhebung der öffentlichen Interessen für das beantragte Vorhaben (bereits von der BH) auch das Gutachten eines landwirtschaftlichen Amtssachverständigen eingeholt worden. Dieser habe in seinem Gutachten vom 10. August 2000 Folgendes ausgeführt:

"Der (Beschwerdeführe) ist Eigentümer und Bewirtschafter des in der Gemeinde I. gelegenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes 'L'. Die Gesamtbetriebsfläche beträgt laut Kataster 31,54 ha. Von diesen Flächen entfallen unter anderem 14,76 ha auf Wald und 8,38 ha auf Almflächen. Laut Mehrfachantrag-Flächen 2000 werden die LN-Flächen des Betriebes als 6,42 ha mehrmähdige Wiesen und als 0,34 ha Hutweiden genutzt.

Der Betrieb 'L' wird als viehhaltender Zuerwerbsbetrieb geführt. Die Viehhaltung ist auf Mutterkuhhaltung mit Jungviehaufzucht ausgerichtet. Im Schnitt der Jahre werden 16 Rinder, davon 8 Mutterkühe, gehalten. Die durchschnittlich gehaltenen Großvieheinheiten betragen nach dem ÖPUL-Schlüssel rund 12 GVE (Großvieheinheiten). Der Betrieb 'L' stellt aufgrund der Flächenausstattung und des gehaltenen Viehstandes einen für den Bezirk Lienz durchschnittlichen bäuerlichen Familienbetrieb dar. Neben der Landwirtschaft ist der Beschwerdeführer teilweise bei der Stadtgemeinde ... beschäftigt. Das Beschäftigungsausmaß beträgt durchschnittlich 20 Wochenstunden. ...

Das LN-Flächenareal des Betriebes gliedert sich in 4 Besitzkomplexe auf. Den überwiegenden Anteil (3,36 ha) stellt dabei das unmittelbar um die Hofstelle gelegene Flächenareal dar. Diese um die Hofstelle gelegenen Flächen stellen großteils Handarbeitsflächen dar und sind äußerst trockenheitsempfindlich. Aufgrund der Hangneigung gliedern sich die LN-Flächen in 0,35 ha MO-, 2,04 ha M1-, 1,85 ha M2- und 2,52 ha M3-Fläche auf. MO-Fläche bedeutet, dass diese Grundfläche aufgrund der Hangneigung mähdruschfähig wäre. Die M1-Flächen (25 % - 35 % geneigt) stellen voll maschinenbearbeitbare und als Acker bzw. Grünland (Klima, Höhenlage) nutzbare Grundflächen dar. M2-Flächen (35 % - 50 % geneigt) sind nur mehr mit bergbäuerlichen Spezialmaschinen bewirtschaftbare Flächen. M3-Flächen stellen reine Handarbeitsflächen dar.

Die verfahrensgegenständlichen Grundstücke 483/1 und 483/2 je KG I, das so genannte Moos, stellen in der Natur zweimähdige Wiesenflächen dar und sind aufgrund der Hangneigung (M1) und der Geländeausformung voll maschinenbearbeitbar. Aufgrund des Flächenausmaßes von 2,04 ha, der hohen Ertragsfähigkeit und der Ertragssicherheit, stellen diese Flächen einen Hauptteil der Futterproduktionsflächen für den Betrieb 'L' dar. Diese Flächen sind die hochwertigsten LN-Flächen des Landwirtschaftsbetriebes 'L'. Laut Mitteilung des (Beschwerdeführers) sind diese beiden Grundstücke bis Anfang der 70er-Jahre in eine Entwässerungsgenossenschaft einbezogen gewesen. In den 50er-Jahren wurden in diesem Gebiet Entwässerungen bei LN-Flächen ausgeführt. Im Bereich der vom (Beschwerdeführer) geöffneten Gräben sind noch zum Teil alte Anlagenteile dieser ursprünglichen Entwässerung sichtbar. Durch das Alter der Entwässerung wird diese zunehmend funktionsuntüchtig und es kommt zur Vernässung dieser Flächen. Durch die zunehmende Vernässung wird die maschinelle Bearbeitung zunehmend schwieriger und zukünftig gänzlich unmöglich. Der Beschwerdeführer beabsichtigt nunmehr, die ursprünglichen Entwässerungsanlagen wiederum funktionstüchtig zu machen, um in Zukunft weiterhin die Nutzung als zweimähdige Wiese sicherzustellen. Dabei sollen die Flächen voll maschinenbearbeitbar bleiben.

Im Mehrfachantrag-Flächen 2000 bzw. in den früheren Anträgen wurden die gegenständlichen Flächen immer als mehrmähdige Wiesen gemeldet. Dadurch werden diese Flächen als mehrmähdige Futterflächen für den möglichen Viehbesatz herangezogen und es ergeben sich vom förderungsfachlichen Aspekt, betriebsbezogen auf die Gesamtförderung, derzeit keine finanziellen Auswirkungen für den Betrieb. Durch die geplanten Entwässerungsmaßnahmen wird für den Betrieb 'L' das Ausmaß der zweimähdigen LN-Flächen nicht erhöht, sondern nur die zukünftige Nutzung als zweimähdige Wiesen abgesichert.

Durch die vorhin beschriebene zunehmende Vernässung der LN-Flächen des Betriebes 'L' und der vom naturkundefachlichen Amtssachverständigen vorgeschlagenen zukünftigen Bewirtschaftung als extensiv bewirtschaftete Biotopflächen (WF 1 bzw. WF 2 - Fläche siehe Stellungnahme der Bezirkslandwirtschaftskammer) werde dem Betrieb ein Großteil der Futterbasis für die Winterfütterung und den dadurch möglichen Viehbesatz entzogen. Bei extensiver Nutzung als einmähdige Wiese (Biotopfläche), müsste der Viehbesatz entsprechend (2 - 3 GVE) verringert werden. Die Nutzung als einmähdige Wiese bringt neben dem quantitativen Minderertrag auch qualitativ wesentlich schlechteres Futter. Dadurch wird die Existenz des Betriebes 'L' als Ganzes gefährdet und die möglichen Prämien für die Bewirtschaftung dieser Flächen gleichen den Minderertrag (Gesamteinkommen) nicht aus. Neben den möglichen öffentlichen Förderungen für diese Bewirtschaftungsweise der beiden verfahrensgegenständlichen Grundstücke bringt die Haltung von 2 GVE weniger auch einen einkommensmäßigen Minderertrag. Dieser Minderertrag wird mit ATS 5.000,-- bis ATS 7.500,-- jährlich beziffert.

Neben dem qualitativen und quantitativen Minderertrag ist durch die zunehmende Vernässung zu erwarten, dass diese Flächen zukünftig nur mehr händisch bewirtschaftet werden können. Arbeitskräftemäßig ist für die händische Bearbeitung dieser Flächen ein entsprechender Mehraufwand gegenüber der Maschinenbearbeitung gegeben. Laut den Arbeitsbedarfswerten des Agrarwirtschaftlichen Institutes III/66 ist für die händische Mahd von einem ha zweischnittig genutzter Wiese ein Stundenaufwand von rund 40 Stunden pro ha und Jahr erforderlich. Dieser Mehraufwand in der Bewirtschaftung ist aufgrund der vorhandenen Arbeitskräfte am Betrieb 'L' (2 Erwachsene und derAltbauer) und des Zuerwerbes des Beschwerdeführers nicht leistbar. Bewertet man nur die Mäharbeit zwischen händisch und maschinell (Maschinenring), so liegen die Hektarkosten bei händischer Mahd bei rund ATS 4.000,-- und die über den Maschinenring (inkl. Anfahrt) bei rund ATS 550,-- pro Schnitt, somit bei ATS 1.100,-- je ha jährlich. ... Die Nutzung erfolgt bis zum jetzigen Zeitpunkt immer als voll maschinenbearbeitbare mehrmähdige Wiese. Die zunehmende Vernässung ist auf die zunehmende Funktionsuntüchtigkeit einer vor Jahren errichteten Entwässerungsanlage zurückzuführen.

Die gegenständlichen Futterflächen stellen mit 2,05 ha die Hauptfutterbasis für den Landwirtschaftsbetrieb 'L' dar. Durch die Aufgabe der Bewirtschaftung als zweimähdige Wiesenfläche wird die Haltekapazität des Landwirtschaftsbetriebes 'L' um rund 2 bis 3 GVE verringert. Der Betrieb ist daher als solcher in seiner Existenz gefährdet. Durch die beantragten Maßnahmen wird der Betrieb in seiner Existenz gesichert. ..."

Nach Auffassung der belangten Behörde sei das geltend gemachte öffentliche Interesse an der Errichtung der beantragten Entwässerungsanlagen auf den genannten Grundstücken nicht geeignet, die festgestellten starken Beeinträchtigungen der Schutzgüter des §§ 1 Abs. 1 Tir NatSchG zu überwiegen.

Wie der naturkundliche Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 27. Juni 2000 schlüssig und nachvollziehbar dargelegt habe, würden sich durch das Vorhaben starke Beeinträchtigungen aller Schutzgüter des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997 ergeben. Die Beeinträchtigungen, die sich in Bezug auf die Schutzgüter Lebensraum heimischer Tier- und Pflanzenarten bzw. des Naturhaushaltes ergeben, seien im Übergangs- und Hochmoorbereich als irreversibel, im Bereich des Niedermoores und der artenreichen Feuchtwiese als massiv und langfristig anzusetzen. Auf Grund des Gutachtens stehe für die belangte Behörde fest, dass durch die Maßnahmen Pflanzen- sowie Tierarten, die nach der Naturschutzverordnung 1997 zu schützen seien, zerstört bzw. gefährdet würden.

Den festgestellten, teilweise erheblich negativen Auswirkungen auf die heimischen Tier- und Pflanzenarten bzw. auf den Naturhaushalt seien die festgestellten Interessen an der Agrarstrukturverbesserung und an der Sicherung der Flächenausstattung des landwirtschaftlichen Betriebes des Beschwerdeführers gegenüber zu stellen. Für die belangte Behörde stehe auf Grund des landwirtschaftlichen Gutachtens fest, dass die Durchführung der Entwässerungsmaßnahmen eine Agrarstrukturverbesserung und eine Sicherung der Flächenausstattung des landwirtschaftlichen Betriebes des Beschwerdeführers darstellten. Jedoch könne bei einem Minderertrag von S 5.000,-- bis S 7.500,-- jährlich in keiner Weise von einer Existenzgefährdung für den Betrieb gesprochen werden. Ebenso könne auch nicht die Erwartung, dass die Flächen künftig händisch zu bewirtschaften seien und die händische Arbeit eine finanzielle Schlechterstellung von jährlich S 1.100,-- je ha bedeute, die Existenz des Betriebes gefährden.

Im Übrigen stellten die gegenständlichen 1,5 ha nicht die einzigen Wiesenflächen des Beschwerdeführers dar. Laut Mehrfachantrag-Flächen 2000 würden die landwirtschaftlichen Flächen des Betriebes als 6,42 ha mehrmähdige Wiesen und als 0,34 ha Hutweiden genutzt. Die Versagung der Entwässerungsmaßnahmen im Bereich der genannten Grundstücke führe daher nicht zu einer Existenzgefährdung des Beschwerdeführers. Die Interessenabwägung müsse in der Regel eine Wertentscheidung sein, da die konkurrierenden Interessen meist nicht bewert-, und damit berechen- und vergleichbar seien. Insofern bestehe das Erfordernis, dass die für und die gegen ein Vorhaben sprechenden Argumente erfasst und einander gegenüber gestellt würden, um die Wertentscheidung transparent und nachvollziehbar zu machen. Unter Berücksichtigung und Bewertung all dieser Umstände sei die Schutzwürdigkeit des relativ großen Feuchtgebietes nach Auffassung der belangten Behörde höher einzustufen als die glaubhaft gemachten öffentlichen Interessen an der Erteilung der Bewilligung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die dem gesamten Vorbringen nach wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst vorgebracht, die belangte Behörde habe nicht festgestellt, dass das Feuchtgebiet außerhalb einer geschlossenen Ortschaft gelegen sei. Aus der Stellungnahme des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen vom 10. Oktober 2000, wonach der Beschwerdeführer Eigentümer und Bewirtschafter des in der Gemeinde I. gelegenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes sei, sei abzuleiten, dass das Feuchtgebiet innerhalb (dieser) geschlossenen Ortschaft liege.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gemäß § 9 Tir NatSchG bedürfen in Feuchtgebieten außerhalb geschlossener Ortschaften die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Änderung von Anlagen, sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden (lit. c) sowie Entwässerungen (lit. f) einer naturschutzrechtlichen Bewilligung.

Nach § 3 Abs. 2 Tir NatSchG ist eine geschlossene Ortschaft ein Gebiet, das mit mindestens fünf Wohn- oder Betriebsgebäuden zusammenhängend bebaut ist, wobei der Zusammenhang bei einem Abstand von höchstens 50 m zwischen zwei Gebäuden noch nicht als unterbrochen gilt. Zur geschlossenen Ortschaft gehören auch Parkanlagen, Sportanlagen und vergleichbare andere weitgehend unbebaute Grundstücke, die überwiegend von einem solchen Gebiet umgeben sind. Land- und forstwirtschaftliche Gebäude, die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften im Freiland errichtet werden dürfen, gelten nicht als Betriebsgebäude.

Dass die in § 3 Abs. 2 Tir NatSchG genannten Voraussetzungen für die Annahme des Vorliegens einer "geschlossenen Ortschaft" im Beschwerdefall gegeben sind, behauptet der Beschwerdeführer nicht; solches ist auch nach den in den Verwaltungsakten erliegenden planlichen Darstellungen nicht ersichtlich.

In der Beschwerde wird ferner behauptet, dass der rechtliche Schluss der belangten Behörde, durch die (vom Beschwerdeführer gesetzten) Maßnahmen würden Pflanzen- sowie Tierarten, die nach der Naturschutzverordnung 1997 zu schützen seien, zerstört bzw. gefährdet, nicht ausreiche, um die für die Beurteilung eines Feuchtgebietes maßgeblichen Kriterien vollständig zu erfassen.

Insbesondere gehe aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor: der genaue räumliche Bereich des Feuchtgebietes, ob es sich dabei um einen in sich geschlossenen und vom Nachbargebiet abgrenzbaren Lebensraum handle, ob dieser Lebensraum durch das Wasser, mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften geprägt sei, inwieweit die strittigen Grundstücke überhaupt innerhalb eines etwaigen Feuchtgebietes lägen und ob die vom Sachverständigen aufgezählten, vorhandenen Pflanzen- und Tierarten tatsächlich solche seien, bei denen es sich um ein für ein Feuchtgebiet charakteristische Bestände handelt.

Auch mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer nicht im Recht.

Gemäß § 3 Abs. 8 Tir NatSchG idF LGBl. Nr. 8/1999 ist ein Feuchtgebiet ein vom Wasser geprägter, in sich geschlossener und vom Nachbargebiet abgrenzbarer Lebensraum, mit den für diesen charakteristischen Pflanzen- und Tiergemeinschaften. Dazu gehören insbesondere auch Röhrichte und Großseggensümpfe, Quellfluren und Quellsümpfe, Flach- und Zwischenmoore, Hochmoore, Moor- und Bruchwälder.

Für ein Feuchtgebiet ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die "räumliche Dimension" wesentlich: Es muss sich um einen in sich geschlossenen und vom Nachbargebiet abgrenzbaren Lebensraum handeln (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. Dezember 1996, Zl. 93/10/0008, mit Hinweis auf Vorjudiaktur).

Die belangte Behörde hat sich bei ihrer Entscheidung im Wesentlichen auf das vom naturkundlichen Amtssachverständigen erstattete Gutachten vom 27. Juni 2000 gestützt. Der räumliche Bereich der einzelnen Feuchtgebietsarten ergibt sich aus der dem Gutachten angeschlossenen schematischen planlichen Darstellung, auf die auch der Spruch des angefochtenen Bescheides ausdrücklich Bezug nimmt.

Die Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 8 Tir NatSchG normiert das Vorkommen von charakteristischen Pflanzen- bzw. Tiergemeinschaften als alternative Tatbestandsvoraussetzungen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 3. Juni 1996, Zl. 94/10/0039). Dabei sind dem Gutachten jedenfalls ausreichende Feststellungen über das Vorkommen von charakteristischen Pflanzengemeinschaften zu entnehmen.

Dem Beschwerdeführer ist auch nicht zu folgen, wenn er behauptet, es fehle die zur Beeinträchtigung der geschützten Güter erforderliche, auf den Einzelfall bezogene Begründung, die die Auswirkung der beanstandeten Maßnahmen konkretisiere.

Nach den oben wieder gegebenen Darlegungen des Amtssachverständigen werde die Entwässerung der Übergangs- und Hochmoorflächen mittelfristig zu einer irreversiblen Schädigung des weitgehend unbeeinträchtigten und leistungsfähigen Naturhaushaltes führen. Durch die Entwässerung würden die Torfmoorbestände absterben und in der Folge nicht nur der Wasserhaushalt, sondern sämtliche andere Umweltfaktoren dieser Feuchtflächen verändert werden. Die Entwässerung der Niedermoorflächen bzw. der artreichen Feuchtwiesen würde in kürzerer Zeit als in den Übergangs- und Hochmoorflächen zu massiven Veränderungen des Naturhaushaltes führen. Durch die fehlenden Torfmoorbestände und damit die fehlende biotische Wasserretention werde diesen Teilbereichen des Feuchtbiotops relativ rasch das nötige Wasser entzogen werden. Damit werde der Lebensraum näher aufgezählter, gänzlich und teilweise geschützter Pflanzenarten zerstört werden. Zudem würden zahlreiche gefährdete Pflanzenarten durch die Entwässerung ihre Lebensgrundlage in diesem Feuchtbiotop verlieren. Die beantragten Entwässerungsmaßnahmen würden auf Grund der Vereinheitlichung des Erscheinungsbildes der zu entwässernden Flächen auch starke Beeinträchtigungen des Erholungswertes zur Folge haben.

Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde davon ausgegangen ist, dass auf Grund der beantragten Maßnahmen von einer Berührung der Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 TirNatSchG auszugehen ist. Nach § 1 Abs. 1des Tiroler Naturschutzgesetzes hat dieses zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, dass ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit (lit. a), ihr Erholungswert (lit. b), der Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und deren natürliche Lebensräume (lit. c) und eine möglichst unbeeinträchtigter und leistungsfähiger Naturhaushalt (lit. d) gewahrt und nachhaltig gesichert oder wieder hergestellt werden.

Auch das unter Hinweis auf (zum Oberösterreichischen Naturschutzgesetz ergangene) Rechtsprechung erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers, durch die von ihm beantragten Maßnahmen werde nur ein "Altbestand" saniert, ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Nach dem oben wiedergegebenen § 9 lit. c Tir NatSchG bedarf in Feuchtgebieten u. a. auch jede "Änderung von Anlagen", sofern die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 berührt werden, einer naturschutzrechtlichen Bewilligung. Eine Bewilligungsfreiheit für Reparatur- Instandsetzungsmaßnahmen an zulässiger Weise durchgeführten Dränagierungen sieht das Tiroler Naturschutzgesetz - im Gegensatz zum Oberösterreichischen Naturschutzgesetz - nicht vor.

Soweit die Beschwerde allerdings die Interessenabwägung der belangten Behörde als mangelhaft bekämpft, kommt ihr aus folgenden Erwägungen Berechtigung zu:

Nach § 27 Abs. 2 lit. a Z. 2 TirNatSchG darf unter anderem eine naturschutzbehördliche Bewilligung für ein Vorhaben nach § 9 nur erteilt werden, wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

Eine naturschutzrechtliche Bewilligung für Ausnahmen von den in Verordnungen nach den §§ 22 Abs. 1 oder 23 Abs. 1 festgesetzten Verboten darf nur erteilt werden, wenn andere langfristige öffentliche Interessen an der Erteilung der Bewilligung die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 überwiegen.

Als "anderes langfristiges öffentliches Interesse" im Sinne des § 27 Abs. 2 bzw. 3 TirNatSchG kann etwa die Verbesserung der Agrarstruktur dann ins Treffen geführt werden, wenn die Frage, ob die beantragte Bewilligung eine Maßnahme darstellt, deren nachhaltige Notwendigkeit für die Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebes, insbesondere unter dem Aspekt der Sicherung der Existenz des Betriebes oder dem gleichermaßen bedeutsamen Blickwinkel der Erfordernisse eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes, zu bejahen ist. Nicht jede der Ertragsverbesserung, Rationalisierung oder Arbeitserleichterung dienende Maßnahme liegt daher bereits im öffentlichen Interesse der Agrarstrukturverbesserung. Vielmehr kommen nur solche Maßnahmen in Betracht, die einen entscheidenden Beitrag zur dauerhaften Existenzsicherung des Betriebes leisten oder in gleicher Weise notwendig sind, um einen zeitgemäßen Wirtschaftsbetrieb zu gewährleisten (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. August 2002, Zl. 2000/10/0044, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Entscheidung nach § 27 Abs. 2 TirNatSchG in der Regel auch eine Wertentscheidung sein, da die konkurrierenden Interessen meist nicht monetär bewertbar und damit berechen- und vergleichbar sind. Dieser Umstand erfordert es, die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Argumente möglichst umfassend und präzise zu erfassen und einander gegenüber zu stellen, um die Wertentscheidung transparent und nachvollziehbar zu machen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 13. Oktober 2004, Zl. 2001/10/0252, mit Hinweis auf Vorjudikatur).

Die Behörde erster Instanz ist dem Gutachtens des landwirtschaftlichen Amtssachverständigen gefolgt, wonach bei Unterbleiben der beantragten Entwässerungsmaßnahmen die Existenz des Betriebes als Ganzes gefährdet sei, da der Mehraufwand durch händische Bearbeitung der Flächen auf Grund der vorhandenen Arbeitskräfte im Betrieb des Beschwerdeführers nicht leistbar sei und etwaige Prämien für die Bewirtschaftung den Minderertrag nicht ausgleichen könnten.

Die belangte Behörde hat dem gegenüber - ohne weitere Befassung eines Sachverständigen - die Auffassung vertreten, dass bei einem Minderertrag von S 5.000,-- bis S 7.500,-- jährlich nicht von einer Existenzgefährdung für den Betrieb des Beschwerdeführers gesprochen werden könne. Ebenso könne auch die Erwartung, dass die Flächen künftig händisch zu bewirtschaften seien und die händische Arbeit eine finanzielle Schlechterstellung von jährlich S 1.100,-- je Hektar bedeute, die Existenz des Betriebes nicht gefährden.

In der Beschwerde wird in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten, die Hinweise der belangten Behörde auf die näher bezifferten (und teilweise sogar falsch berechneten) Mindererträge reichten nicht aus, um die im Beschwerdefall entscheidungswesentliche Frage zu beantworten. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die belangte Behörde das Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen falsch ausgelegt habe: Von den Hektar-Kosten bei händischer Mahd von rund S 4.000,-- seien nämlich die fiktiven Kosten bei maschineller Mahd von S 1.100,-- abzuziehen, was eine tatsächliche finanzielle Belastung des Beschwerdeführers von S 2.900,-- jährlich ergebe. Neben dem qualitativen und quantitativ schlechteren Futterertrag seien auch (näher dargestellte) finanziellen Belastungen bei einer händischen Bewirtschaftung (Wende-, Schwad- und Ladevorgänge) nicht berücksichtigt worden. Dadurch würde sich aber die finanzielle Belastung pro Hektar auf ca. S 9.000,-- erhöhen, was bei 1,5 ha Gesamtfläche einer Summe von S 13.500,-- entspreche. Ferner würden dem Beschwerdeführer - bedingt durch den Verlust von zwei Großvieheinheiten - auch zwei Mutterkuhprämien von je S 4.293,-- entgehen. Wegen der Beschäftigung des Beschwerdeführers wäre schließlich die (erhöhte) landwirtschaftliche Betätigung nicht mehr zu bewältigen.

Vor dem Hintergrund dieses Vorbringens, das nicht etwa von vornherein als unplausibel erscheint, kann allerdings auf dem Boden der vorliegenden Ermittlungsergebnisse nicht gesagt werden, ob die beantragten Maßnahmen - insbesondere auch unter Berücksichtigung des Gesamtertrages des Betriebes - geeignet sind, einen dauerhaften Beitrag zur Existenzsicherung des Betriebes zu leisten oder in gleicher Weise notwendig sind, um einen zeitgemäßen Wirtschaftsbetrieb zu gewährleisten,

Die belangte Behörde hat somit wesentliche Feststellungen, wie insbesondere betreffend die Ertragssituation des Betriebes des Beschwerdeführers und die Auswirkungen der Durchführung der beantragten Maßnahmen auf die Ertragssituation unterlassen bzw. ihre Feststellungen in unschlüssiger Weise auf das - zu anderen Folgerungen als die belangte Behörde kommende - Gutachten, das im erstinstanzlichen Verfahren eingeholt wurde, gestützt. Sie hat damit ihre Annahme, die beantragte Maßnahme könne keinen entscheidenden Beitrag zur dauerhaften Existenzsicherung des Betriebes leisten, nicht ausreichend begründet. Darüber hinaus hat sie nicht begründet, ob und inwiefern - unabhängig von der Frage der Existenzsicherung des Betriebes - die Maßnahmen notwendig sein könnten, um einen zeitgemäßen Wirtschaftsbetrieb zu gewährleisten.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung der dargestellten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Kostenersatzverordnung 2003. Umsatzsteuer war neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht zuzusprechen.

Wien, am 31. Jänner 2005

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