VwGH 2001/03/0329

VwGH2001/03/032919.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Handstanger, Dr. Berger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der PH Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Karl Schleinzer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Führichgasse 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 31. Juli 2001, Zl. 65.679/2-PR8/01, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung einer luftfahrtbehördlichen Ausnahmebewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §68 Abs1;
LuftfahrtG 1958 §92 Abs2;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §68 Abs1;
LuftfahrtG 1958 §92 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2001 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung einer luftfahrtbehördlichen Ausnahmebewilligung gemäß § 92 LuftfahrtG für die Errichtung eines Baumarktes auf dem Grundstück Nr. 311/12 der KG M. Zur Begründung ihres Antrages führte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, der geplante Baumarkt befinde sich hinter einem luftfahrtrechtlich bewilligten, im Bau befindlichen Holzmarkt sowie hinter einem Bahndamm, dessen Ausbau auf eine zweigleisige Hochleistungsstrecke bereits eisenbahnrechtlich bewilligt worden sei. Dadurch liege ein "Abschattungseffekt" vor. Aufgrund "der Person des Antragstellers und der zwischenzeitlich stattgefundenen Verbauung" sei gegenüber dem Bescheid der belangten Behörde vom 21. Jänner 1998 - mit dem der Antrag des Dkfm. P.L. auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Errichtung eines Hallenbauwerkes auf demselben Grundstück abgewiesen worden war - eine "wesentliche Änderung der Sachlage" eingetreten.

Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme eines luftfahrttechnischen Amtssachverständigen ein und wies in der Folge - ohne der Beschwerdeführerin Parteiengehör zu dieser Stellungnahme gewährt zu haben - den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Sie begründete dies damit, dass mit Bescheid vom 21. Jänner 1998 ein sich auf dasselbe Grundstück beziehender Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung für die Errichtung eines Hallenbauwerkes und schon mit Bescheid vom 18. November 1986 ein solcher Antrag für die geplante Errichtung eines Möbelhauses abgewiesen worden seien. Der Bescheid vom 21. Jänner 1998 sei ein solcher mit dinglicher Wirkung, der zwar an eine bestimmte Person ergangen sei, seiner Rechtsnatur nach - ungeachtet der persönlichen Eigenschaft des Bescheidadressaten - jedoch nur auf Eigenschaften einer bestimmten Sache abgestellt habe. Der luftfahrttechnische Amtssachverständige habe zum Antrag vom 22. Februar 2001 und den damit vorgelegten Plänen eine Stellungnahme vom 20. Juli 2001 erstattet, in der er ausführe, dass das Gebäude hinsichtlich Lage und Ausdehnung "keine Änderung gegenüber dem mit Schreiben vom 17. Oktober 1996 übermittelten Projekt erfahren" habe. Mit der behaupteten abschattenden Wirkung der Bahnlinie habe sich der luftfahrttechnische Amtssachverständige in früheren Gutachten bereits ausführlich auseinandergesetzt. Die Zulegung eines zweiten Gleises oder eine allfällige Erhöhung der Zugfrequenz würden im Lichte dieser Ausführungen jedenfalls keine geänderte Sachlage darstellen. Luftfahrtbehördliche Maßnahmen betreffend die erwähnte Errichtung eines Holzmarktes, welcher mittlerweile an Stelle einer bereits vorhandenen Bebauung realisiert worden sei, wären bereits vor Erstellung der früheren luftfahrttechnischen Gutachten eingeleitet und bei diesen berücksichtigt worden, sodass sich auch dadurch keine Änderung der Sachlage ergeben habe. Ebenso ergäbe sich bei der Beurteilung des Vorhabens im Hinblick auf Notlandeflächen kein geänderter Sachverhalt. Aus dieser Stellungnahme, so die belangte Behörde weiter, sei abzuleiten, dass das nunmehr vorgelegte Projekt dem ursprünglichen höheren Projekt des mit abweisendem Bescheid vom 21. Jänner 1998 abgeschlossenen Ermittlungsverfahrens entspreche. Aus der auf die Lage und Ausdehnung des gegenständlichen Projektes, auf die Abschattungssituation und den projektierten Ausbau der Eisenbahnstrecke St. Veit-Klagenfurt bezüglichen Stellungnahme des luftfahrttechnischen Amtssachverständigen vom 20. Juli 2001 sei abzuleiten, dass im Verhältnis zu den für die Entscheidung vom 21. Jänner 1998 als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen keine wesentliche Änderung in der Sachlage eingetreten sei, sodass in der gegenständlichen Angelegenheit das "Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache" vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

1. Gemäß § 85 Abs. 1 lit. a Luftfahrtgesetz, BGBl. Nr. 253/1957 idF BGBl. I Nr. 105/1999, sind innerhalb von Sicherheitszonen (§ 86) Bauten oberhalb der Erdoberfläche, Anpflanzungen, verspannte Teile und Drähte sowie aus der Umgebung herausragende Bodenerhebungen Luftfahrthindernisse.

Sicherheitszone ist gemäß § 86 Abs. 1 leg. cit. der Bereich eines Flugplatzes und seiner Umgebung, innerhalb dessen für die Errichtung und Erweiterung eines Luftfahrthindernisses i.S.d. § 85 Abs. 1 unbeschadet sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich ist (Ausnahmebewilligung).

Eine Ausnahmebewilligung ist gemäß § 92 Abs. 2 leg. cit. zu erteilen, wenn durch die Errichtung oder Erweiterung des Luftfahrthindernisses die Sicherheit der Luftfahrt nicht beeinträchtigt wird. Sie ist insoweit bedingt oder mit Auflagen zu erteilen, als dies im Interesse der Sicherheit der Luftfahrt oder zum Schutze der Allgemeinheit erforderlich ist.

2. Das den Gegenstand des Verfahrens bildende Bauvorhaben soll auf einem in der Sicherheitszone des Flughafens Klagenfurt gelegenen Grundstück ausgeführt werden und bedarf daher als Luftfahrthindernis einer Ausnahmebewilligung gemäß § 92 leg. cit. Gegen die Zurückweisung ihres entsprechenden Antrages macht die Beschwerdeführerin zunächst geltend, dass gegenüber der für die frühere Entscheidung der belangten Behörde vom 21. Jänner 1998 maßgeblichen Sachlage insofern eine wesentliche Änderung eingetreten sei, als die nunmehrige Antragstellerin eine vom früheren Antragsteller und Bescheidadressaten verschiedene juristische Person sei; der frühere Bescheidadressat sei niemals Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft gewesen.

Damit ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht. Der Bescheid vom 21. Jänner 1998, mit dem die Erteilung einer luftfahrtbehördlichen Ausnahmebewilligung für die Verbauung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes versagt wurde, regelt seinem Wesen und seiner Bestimmung nach nicht die Rechtsbeziehungen einer einzelnen Person, sondern die Rechtsbeziehungen des Objektes selbst. Bei diesem Bescheid handelt es sich - auch wenn das Luftfahrtgesetz keine dahingehende ausdrückliche Anordnung enthält - um einen solchen mit dinglicher Wirkung, der zwar an Personen ergeht, seiner Rechtsnatur nach - ungeachtet der persönlichen Eigenschaften des Bescheidadressaten -

aber nur auf Eigenschaften der Sache abstellt (zu dinglichen Bescheiden im allgemeinen vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0047, sowie die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 zu § 68 AVG, E 132 ff, wiedergegebene Rechtsprechung; zur dinglichen Bescheidwirkung von Ausnahmegenehmigungen für die Errichtung von Luftfahrthindernissen gemäß § 92 LuftfahrtG vgl. Pauger, Der dingliche Bescheid - Untersuchung zum Rechtsübergang (dinglicher) Verwaltungsverhältnisse, ZfV 1984, 93 und 250 (bei FN 36)). Im vorliegenden Fall kann daher der Umstand, dass der frühere Bescheid über den Antrag eines anderen Antragstellers ergangen ist und der verfahrensgegenständliche Antrag vom nunmehrigen Eigentümer des in Rede stehenden Grundstückes gestellt wird, für sich allein keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes bewirken.

3. Weiters macht die Beschwerdeführerin geltend, durch den Ausbau der zwischen ihrem Grundstück und dem Flughafen liegenden Bahnstrecke auf eine zweigleisige Strecke mit wesentlich erhöhter Zugfrequenz und Verstärkung des Bahndammes und die Errichtung eines ebenfalls zwischen ihrem Grundstück und dem Flughafen gelegenen "massiven Holzmarktes" sei infolge einer "wesentlichen Verstärkung des Abschattungseffektes" eine wesentliche Änderung der Sachlage eingetreten. Die belangte Behörde habe kein ergänzendes Gutachten über eine Änderung des Abschattungseffektes durch die bereits erfolgte Errichtung des Baumarktes und den Ausbau der Bahnstrecke eingeholt und es sei der Beschwerdeführerin auch kein Parteiengehör gewährt worden.

Die Behörde ist (bei unveränderter Rechtslage und gleichem Begehren) zu einer neuen Sachentscheidung verpflichtet, wenn ein im Vergleich zu den im Vorbescheid angenommenen Tatsachen nachträglich geänderter Sachverhalt vorliegt und eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages - nach der dem Vorbescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung - bei Bedachtnahme auf den geänderten Sachverhalt nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 2003, Zl. 2000/01/0237). Die Behörde hat sich mit der behaupteten Sachverhaltsänderung bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit der (neuerlichen) Antragstellung insoweit auseinander zu setzen, als von ihr - gegebenenfalls auf der Grundlage eines durchzuführenden Ermittlungsverfahrens - festzustellen ist, ob die neu vorgebrachten Tatsachen zumindest einen (glaubhaften) Kern aufweisen, dem für die Entscheidung Relevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. das Erkenntnis vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315; siehe dazu auch die bei Walter/Thienel, I2 zu § 68 AVG, E 73 ff wiedergegebene Rechtsprechung).

In Bezug auf den geplanten zweigleisigen Ausbau der zwischen dem Flughafen und dem verfahrensgegenständlichen Grundstück gelegenen Bahnstrecke und die allfällige Notwendigkeit der Freihaltung des Grundstückes als Notlandefläche hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem dieses Grundstück betreffenden Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 99/03/0024 (mit dem er die von Dkfm. P.L. gegen den Bescheid vom 21. Jänner 1998 erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen hat) Folgendes ausgeführt:

"Ob im Falle des geplanten zweigleisigen Ausbaues der Bahnstrecke eine weitere Bahnstromleitung hinzukommen werde, wurde von der belangten Behörde zu Recht außer Betracht gelassen, weil für ihre Entscheidung die Sachlage im Entscheidungszeitpunkt maßgeblich war.

Wenn die belangte Behörde daher ausgehend von den Feststellungen des luftfahrttechnischen Amtssachverständigen zur Auffassung gelangte, bei Realisierung des Projektes des Beschwerdeführers werde die Sicherheit der Luftfahrt und der Schutz der Allgemeinheit - etwa im Sinne unbeteiligter, sich im geplanten Projekt nach dessen Fertigstellung aufhaltender Personen - eine wesentliche Verschlechterung gegenüber der derzeitigen Situation, in der das in Rede stehende Grundstück von massiven Bauten frei sei, erfahren, so ist das unter Schlüssigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden; ob das in Rede stehende Grundstück darüber hinaus auch als Notlandefläche eine Freihaltung von Verbauung erfordere, kann bei diesem Ergebnis dahinstehen. "

Nach dem Gesagten kann somit nicht schon auf Grundlage der Erwägungen, die für die Entscheidung der belangten Behörde im Vorbescheid maßgeblich waren, ausgeschlossen werden, dass ein Ausbau der Bahnstrecke zu einer geänderten Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Projektes führen könnte. Darüber hinaus kann dem Bescheid vom 21. Jänner 1998 auch nicht entnommen werden, dass sich der Amtssachverständige schon im damaligen Verfahren mit einem allfälligen Abschattungseffekt der von der Beschwerdeführerin nunmehr zusätzlich ins Treffen geführten Errichtung eines "massiven Holzmarktes" im Einzelnen auseinander gesetzt hätte. Da der Verwaltungsgerichtshof in seinem oben angeführten Erkenntnis schließlich dahingestellt ließ, "ob das in Rede stehende Grundstück darüber hinaus auch als Notlandefläche eine Freihaltung von Verbauung erfordere", kann - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift - auch nicht von vornherein gesagt werden, dass dieser Umstand ein Faktum sei, das auch für sich allein - ohne Rücksicht auf die damalige Verneinung eines abschattenden Effektes der Bahnlinie - ausgereicht hätte, um den Bescheid vom 21. Jänner 1998 zu begründen.

Nach dem Gesagten war für die Beurteilung der Frage, ob der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Änderung der Sachlage gegenüber jener, die dem Vorbescheid zugrunde lag, Relevanz zukommen konnte, die Einholung einer Stellungnahme durch den luftfahrttechnischen Sachverständigen erforderlich und die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auch auf die von ihr eingeholte Stellungnahme gestützt. Die belangte Behörde hätte der Beschwerdeführerin daher gemäß § 45 Abs. 3 AVG Parteiengehör zur Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 20. Juli 2001 einräumen müssen.

Indem die belangte Behörde sich bei der Beurteilung der Identität der Sache auf diese Stellungnahme gestützt hat, ohne der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu geben, von dieser Kenntnis und dazu vor Bescheiderlassung Stellung zu nehmen, hat sie Verfahrensvorschriften verletzt. Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde die Richtigkeit der in Rede stehenden Stellungnahme bestreitet und u.a. ausführt, dass der in einer früheren Stellungnahme des Amtssachverständigen geforderte "Abschattungseffekt" durch die Errichtung des Baumarktes eingetreten bzw. durch den Ausbau der Bahnlinie wesentlich verstärkt worden sei, zeigt sie auch auf, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Behörde in Bezug auf die Beurteilung der Identität der Sache bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die im Betrag von

S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war gemäß § 3 Abs. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 19. Oktober 2004

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