VfGH G34/10

VfGHG34/1027.9.2011

Feststellung der Verfassungswidrigkeit der betragsmäßigen Beschränkung der Haftung der Spielbank auf das Existenzminimum im Glücksspielgesetz; keine sachliche Rechtfertigung dieses glücksspielrechtlichen Sonderregimes für ein Monopolunternehmen in Hinblick auf die allgemeinen zivilrechtlichen Standards; keine Rechtfertigung auch durch fiskalpolitische Interessen

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs7
AEUV Art18
GlücksspielG §25 Abs3
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs7
AEUV Art18
GlücksspielG §25 Abs3

 

Spruch:

Die Wortfolge ", wobei die Haftung der Spielbankleitung der Höhe nach mit der Differenz zwischen dem nach Verlusten das Existenzminimum unterschreitenden Nettoeinkommen des Spielers unter Berücksichtigung seines liquidierbaren Vermögens einerseits und dem Existenzminimum andererseits abschließend beschränkt ist; höchstens beträgt der Ersatz das konkrete Existenzminimum" im 6. Satz des §25 Abs3 des Bundesgesetzes zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz), über die Änderung des Bundeshaushaltsgesetzes und über die Aufhebung des Bundesgesetzes betreffend Lebensversicherungen mit Auslosung, BGBl. Nr. 620/1989 in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2005, war verfassungswidrig.

II. Die im Spruchpunkt I. genannte Wortfolge ist auf die am 22. Juni 2011 bei Gericht anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.

III. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.

Der Oberste Gerichtshof begehrt in seinem, auf Art89 Abs2 iVm Art140 Abs1 B-VG gestützten Antrag, die Wortfolge "wobei die Haftung der Spielbankleitung der Höhe nach mit der Differenz zwischen dem nach Verlusten das Existenzminimum unterschreitenden Nettoeinkommen des Spielers unter Berücksichtigung seines liquidierbaren Vermögens einerseits und dem Existenzminimum andererseits abschließend beschränkt ist; höchstens beträgt der Ersatz das konkrete Existenzminimum" im 6. Satz des §25 Abs3 des Glücksspielgesetzes (im Folgenden: GSpG), BGBl. 620/1989 in der Fassung des Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetzes BGBl. I 105/2005, als verfassungswidrig aufzuheben.

II.

1. §25 GSpG in der dem Antrag des Obersten Gerichtshofs (im Folgenden: OGH) zu Grunde liegenden Verfahren maßgeblichen Fassung des Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetzes - ABÄG, BGBl. I 105/2005, lautet auszugsweise (die in §25 Abs3 angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Spielbankbesucher

§25. (1) Der Besuch der Spielbank ist nur volljährigen Personen gestattet, die ihre Identität durch Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises nachgewiesen haben. Als amtlicher Lichtbildausweis in diesem Sinn gelten von einer staatlichen Behörde ausgestellte Dokumente, die mit einem nicht austauschbaren erkennbaren Kopfbild der betreffenden Person versehen sind, und den Namen, das Geburtsdatum und die Unterschrift der Person sowie die ausstellende Behörde enthalten. Der Konzessionär hat die Identität des Besuchers und die Daten des amtlichen Lichtbildausweises, mit dem diese Identität nachgewiesen wurde, festzuhalten und diese Aufzeichnungen mindestens fünf Jahre aufzubewahren. […]

(2) […]

(3) Entsteht bei einem Inländer die begründete Annahme, dass Häufigkeit und Intensität seiner Teilnahme am Spiel für den Zeitraum, in welchem er mit dieser Intensität und Häufigkeit spielt, das Existenzminimum gefährden, hat die Spielbankleitung Auskünfte bei einer unabhängigen Einrichtung einzuholen, die Bonitätsauskünfte erteilt. Das Existenzminimum ist nach der ExistenzminimumVO in der jeweils geltenden Fassung (allgemeiner monatlicher Grundbetrag) zu ermitteln. Ergibt sich aus diesen Auskünften die begründete Annahme, dass die fortgesetzte und nach Häufigkeit und Intensität unveränderte Teilnahme am Spiel das konkrete Existenzminimum dieses Spielers gefährdet, hat die Spielbankleitung den Spielteilnehmer schriftlich auf diese Gefahr hinzuweisen. Nimmt der Spielteilnehmer trotz dieser Warnung unverändert häufig und intensiv am Spiel teil, ist die Spielbankleitung verpflichtet, ihm den Besuch der Spielbank dauernd oder auf eine bestimmte Zeit zu untersagen oder die Anzahl der Besuche einzuschränken. Ist die Einholung der erforderlichen Auskünfte nicht möglich oder verlaufen diese ergebnislos, so hat die Spielbankleitung den Spielteilnehmer über dessen Einkommens- und Vermögenssituation zu befragen und gemäß den Erkenntnissen aus dieser Befragung unter sinngemäßer Anwendung des Vorstehenden zu warnen und gegebenenfalls zu sperren. Unterlässt die Spielbankleitung die Überprüfung oder Warnung des Spielteilnehmers oder die Untersagung oder Einschränkung des Zugangs zur Spielbank und beeinträchtigt der Spielteilnehmer durch die deshalb unveränderte Teilnahme am Spiel sein konkretes Existenzminimum, haftet die Spielbankleitung für die dadurch während der unveränderten Teilnahme am Spiel eintretenden Verluste, wobei die Haftung der Spielbankleitung der Höhe nach mit der Differenz zwischen dem nach Verlusten das Existenzminimum unterschreitenden Nettoeinkommen des Spielers unter Berücksichtigung seines liquidierbaren Vermögens einerseits und dem Existenzminimum andererseits abschließend beschränkt ist; höchstens beträgt der Ersatz das konkrete Existenzminimum. Die Haftung ist innerhalb von 6 Monaten nach dem jeweiligen Verlust gerichtlich geltend zu machen. Die Spielbankleitung haftet nicht, sofern der Spielteilnehmer bei seiner Befragung unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder wenn ihr bei der Erfüllung ihrer Pflichten nur leichte Fahrlässigkeit vorwerfbar ist. Dieser Absatz regelt abschließend alle Ansprüche des Spielteilnehmers gegen die Spielbankleitung in Zusammenhang mit der Gültigkeit des Spielvertrages oder mit Verlusten aus dem Spiel.

(4) - (8) […]"

2. Die Verordnung des Bundesministers für Justiz über die Erhöhung der in §§291a und 291b EO angeführten Beträge sowie über die Tabellen der unpfändbaren Freibeträge (Existenzminimum-Verordnung 2003 - ExMinV 2003), BGBl. II 125/2003 idF BGBl. I 113/2006 lautet:

"§1. Die in §291a EO angeführten Beträge werden in der sich aus Anlage ./1 ergebenden Höhe kundgemacht.

§2. Die unpfändbaren Freibeträge bei beschränkt pfändbaren Forderungen ergeben sich aus den in Anlage ./2 enthaltenen Tabellen.

§3. (1) Erhält der Verpflichtete Sonderzahlungen (allgemeiner Grundbetrag nach §291a Abs1 EO), so gilt

1. bei monatlicher Zahlung

a) für Unterhaltsansprüche

(§291b Abs1 EO) die Tabelle 2a m,

b) für sonstige Forderungen die Tabelle 1a m;

2. bei wöchentlicher Zahlung

a) für Unterhaltsansprüche

(§291b Abs1 EO) die Tabelle 2a w,

b) für sonstige Forderungen die Tabelle 1a w;

3. bei täglicher Zahlung

a) für Unterhaltsansprüche

(§291b Abs1 EO) die Tabelle 2a t,

b) für sonstige Forderungen die Tabelle 1a t.

(2) Erhält der Verpflichtete keine Sonderzahlungen (erhöhter allgemeiner Grundbetrag nach §291a Abs2 Z1 EO), so gilt

1. bei monatlicher Zahlung

a) für Unterhaltsansprüche

(§291b Abs1 EO) die Tabelle 2b m,

b) für sonstige Forderungen die Tabelle 1b m;

2. bei wöchentlicher Zahlung

a) für Unterhaltsansprüche

(§291b Abs1 EO) die Tabelle 2b w,

b) für sonstige Forderungen die Tabelle 1b w;

3. bei täglicher Zahlung

a) für Unterhaltsansprüche

(§291b Abs1 EO) die Tabelle 2b t,

b) für sonstige Forderungen die Tabelle 1b t.

§4. Erhält der Verpflichtete bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einmalige Leistungen (§291d Abs1 EO), so gilt

a) für Unterhaltsansprüche

(§291b Abs1 EO) die Tabelle 2c m,

b) für sonstige Forderungen die Tabelle 1c m.

§5. Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2003 in Kraft.

§6. Die Existenzminimum-Verordnung 2002, BGBl. II

Nr. 22/2002, in der Fassung der

Unterhaltsexistenzminimum-Verordnung 2002, BGBl. II Nr. 108/2002,

wird aufgehoben. Sie ist jedoch auf Zahlungen, die vor dem 1. Jänner

2003 fällig geworden sind, weiterhin anzuwenden.

Anlage ./1

I. Der allgemeine Grundbetrag des Existenzminimums beträgt

1. nach §291a Abs1 EO

  1. a) 643 Euro monatlich,
  2. b) 150 Euro wöchentlich,
  3. c) 21 Euro täglich;

2. nach §291a Abs2 Z1 EO

  1. a) 750 Euro monatlich,
  2. b) 175 Euro wöchentlich,
  3. c) 25 Euro täglich.

II. Der Unterhaltsgrundbetrag nach §291a Abs2 Z2 EO beträgt

  1. a) 128 Euro monatlich,
  2. b) 30 Euro wöchentlich,
  3. c) 4 Euro täglich.

III. Der Betrag nach §291a Abs3 EO beträgt

  1. a) 2560 Euro monatlich,
  2. b) 600 Euro wöchentlich,
  3. c) 85 Euro täglich."

Als Anlage ./2 folgen die in den §§3 und 4 genannten Tabellen.

3. Mit BGBl. I 145/2006 wurde §25 GSpG dahingehend geändert, dass es in §25 Abs3 leg.cit. anstatt "nach der ExistenzminimumVO" nunmehr "nach der Exekutionsordnung" lautet. Mit seinem Erkenntnis vom 25. September 2008, VfSlg. 18.546/2008, kundgemacht am 14. November 2008, wurde der siebente Satz des §25 Abs3 GSpG idF BGBl. I 105/2005, als verfassungswidrig aufgehoben. Mit der Novelle BGBl. I 126/2008, welche mit 1. Jänner 2009 in Kraft getreten ist, wurde Absatz 3 des §25 GSpG neu gefasst. Die Pflichten der Spielbankleitung zum Schutze der Spieler wurden umfassend geregelt und erstrecken sich nun explizit auf EU- bzw. EWR-Bürger. Erst mit der Novelle BGBl. I 54/2010 wurde der drittletzte Satz in Absatz 3 des §25 GSpG dahingehend geändert, dass die Haftung innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Verlust gerichtlich geltend zu machen ist.

III.

1. Der antragstellende OGH hat über einen Rekurs zu entscheiden, der in einem Rechtsstreit über eine Klage auf Ersatz des Schadens, der einem der Spielsucht verfallenen italienischen Staatsbürger durch Spielverluste entstanden ist, erhoben worden ist. Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den OGH mit der Begründung zu, dass zur Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art12 EGV im Verhältnis zwischen einem Privaten und der ein Monopol ausübenden Beklagten (der Spielbank) keine Judikatur des OGH vorliege, ebenso wenig zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Ersatzanspruches nach §25 Abs3 GSpG auf das Existenzminimum.

Der OGH legt seine Bedenken wie folgt dar:

"1. Beim Ersatzanspruch des Spielteilnehmers wegen erlittener Verluste gemäß §25 Abs3 GSpG handelt es sich um einen Schadenersatzanspruch aus Verschulden, der nach dem 8. Satz des §25 Abs3 GSpG nur bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Sorgfaltsverstoß eintritt und darüber hinaus nach dem letzten Satz dieser Bestimmung alle Ansprüche des Spielteilnehmers gegenüber der Spielbank im Zusammenhang mit der Gültigkeit des Spielvertrags oder mit Verlusten aus dem Spiel abschließend regelt.

Dass im vorliegenden Fall der Spielvertrag des Klägers mit der Beklagten ungültig gewesen wäre, zB zufolge Geschäftsunfähigkeit, behauptet nicht einmal der Kläger, sodass die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung mangels Präjudizialität nicht zu prüfen ist.

2. Betragsmäßige Haftungsbegrenzungen sind im Privatrecht im Bereich der Gefährdungshaftung geläufig (vgl zB §§15 und 16 EKHG, §151 LFG). Eine gesetzliche betragsmäßige Beschränkung der Haftung aus Verschulden - sei es bei Vertragsverletzungen, sei es bei Verletzung von Schutzgesetzen - besteht dagegen grundsätzlich nicht. In den Fällen der Gefährdungshaftung sind darüber hinaus die absoluten Haftungshöchstbeträge von beträchtlicher Höhe.

3. Die Einschränkung der Haftung in §25 Abs3 GSpG auf grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz und darüber hinaus betragsmäßig auf das Existenzminimum bevorzugt den Konzessionsnehmer nach diesem Gesetz gegenüber allen übrigen Schädigern, die Schutzgesetze verletzen. Dies widerspricht dem in Art7 B-VG normierten Gleichheitsgrundsatz.

4. Eine Differenzierung wäre nur bei sachlicher Rechtfertigung zulässig. Dafür werden in der Literatur folgende Argumente ins Treffen geführt:

4.1. Eine solche Ersatzpflicht bzw ein derartiges Schutzgesetz müsse überhaupt nicht vorgesehen sein, weshalb ein Geschädigter, der nach §25 Abs3 GSpG immerhin das Existenzminimum an Ersatz erhalte, immer noch besser gestellt sei, als ein Geschädigter ohne diese gesetzliche Bestimmung.

Dieses Argument ist in europarechtlicher Hinsicht fragwürdig und in verfassungsrechtlicher bedenklich.

4.2. Das Glücksspielmonopol und das darauf basierende Spielbankenkonzessionssystem widerstreitet prinzipiell der europarechtlichen Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit. Der EuGH sieht nationale Restriktionen der europarechtlichen Grundfreiheiten nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses als gerechtfertigt an. Solche zwingende Gründe sind im Bereich des Glücksspiels der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Bekämpfung der Spielsucht. Hingegen zählt die Verhinderung von Steuermindereinnahmen nicht dazu. Ein Verstoß gegen die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ist daher um so weniger gerechtfertigt, je mehr fiskalische und je weniger zwingende Gründe des Allgemeininteresses mit der nationalen Regelung verwirklicht werden sollen (Strejcek/Bresich aa0 §3, Rz 46 und 53 f mwN, insb EuGH C-6/01 - Anomar, wonach eine Behinderung für den freien Dienstleistungsverkehr durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls - vor allem des Verbraucherschutzes - gerechtfertigt werden kann, und EuGH C-338/04 - Placanica).

Im Glücksspielsektor ist der EuGH bereit, das Konzessionssystem zu akzeptieren, sofern es als taugliches und verhältnismäßiges Instrument gestaltet ist, die Gefahren des Glücksspiels einzudämmen. Die Verfolgung ordnungspolitischer Ziele, zu denen auch der Schutz der Spieler zählt, und das Ausmaß des Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit durch das Glücksspielmonopol lassen sich gemeinschaftsrechtlich als 'kommunizierende Gefäße' begreifen (Vonkilch, Rückforderung von Glücksspielverlusten nach dem 'Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz' - Rien ne va plus? ÖJZ 2006, 487, 492 FN 21 mit Verweis auf EuGH C-275/92 - Schindler, C-124/97 - Läärä und C-67/98 - Zenatti). In dem Maß, in dem der Gesetzgeber die ordnungspolitischen Komponenten des GSpG reduziert, nimmt die gemeinschaftsrechtliche Legitimation des Glücksspielmonopols ab.

Ob der österreichische Gesetzgeber daher tatsächlich frei ist, von einem Spielerschutz iSd §25 Abs3 GSpG abzusehen, ist europarechtlich zumindest fraglich. Selbst Vonkilch, der auch als Privatgutachter der Beklagten tätig ist, spricht aa0 491 von einer 'doch sehr weitgehenden Beschränkung' der Haftung bzw davon, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen jenes Gestaltungsspielraums gehalten 'haben dürfte', der ihm von der Verfassungsrechtsordnung vorgegeben werde. So 'dürfte' es seines Erachtens verfassungsrechtlich nicht geboten sein, gesetzlich irgendeinen Ersatz für Spielverluste vorzusehen.

Nach Wilhelm, Casino Royale vs Commission (oder umgekehrt), ecolex 2007, 313 zählen zu den Gefahren des Glücksspiels insbesondere auch jene überhöhter Ausgaben (C-243/01 - Gambelli), wobei Ausgaben schon als überhöht anzusehen sind, wenn sie für den Spieler 'schädliche persönliche Folgen haben können' C-275/92 - Schindler). Dies trifft aber nicht erst zu, wenn der Spieler nicht einmal mehr das Existenzminimum zur Verfügung hat. Die österreichische Regelung genügt daher nach Wilhelm, aa0, diesen Anforderungen deshalb nicht, weil hier für den Konzessionär ein privilegierendes Sonderprivatrecht im Verhältnis zu den Haftungsgrundsätzen aller anderen Schädiger geschaffen wird.

4.3. Innerstaatlich mag der Gesetzgeber zwar nicht gezwungen sein, eine bestimmte Regelung zu treffen oder bestimmte Sachverhalte einer gesetzlichen Regelung zuzuführen. Das bedeutet aber nicht, dass, wenn er sich dennoch dazu entschließt, dies in willkürlicher, dem Gleichheitssatz oder sonstigen Verfassungsgarantien widersprechender Weise erfolgen darf. Auch der Gesetzgeber ist - unter Berücksichtigung seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums - durch den Gleichheitssatz dazu verpflichtet, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen, sodass nur sachlich gerechtfertigte Differenzierungen zulässig sind (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts Rz 1357 S 648 ff; vgl zum konkreten Problem auch Weber, Glücksspiel und Spielsucht: Die Novellierung des §25 GSpG im Spannungsfeld von fiskalpolitischen Interessen und Konsumentenschutz, in FS Wimmer 693, 699).

Dies hat der Gesetzgeber auch in anderem Zusammenhang erkannt und zB im Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz 2005 unter Bezug auf den EGMR dargelegt (618 der BlgNR 22. GP AT 3), dass zwar kein Recht auf Entschädigung nach der Einstellung eines Strafverfahrens oder dessen Beendigung durch Freispruch bestehe, für den Fall der Einräumung solcher Ansprüche aber die allgemeinen Anforderungen, dort konkret jene der Unschuldsvermutung nach Art6 Abs2 MRK, zu beachten seien.

4.4. Soweit zur sachlichen Rechtfertigung auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs, insbesondere auf 1 Ob 214/98x = SZ 72/4, verwiesen wird, wonach der Zweck des GSpG darin liege, die Gefahren existenzgefährdenden pathologischen Glücksspiels einzudämmen (vgl Vonkilch aa0, 492), ist festzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof in keiner einzigen Entscheidung eine derartige (enge) Aussage getroffen hat. Vielmehr wurde mit der Entscheidung 1 Ob 214/98x erstmals §25 Abs3 GSpG 1989 beurteilt, als Schutzgesetz iSd §1311 ABGB anerkannt und ausgesprochen, dass es sich dabei um eine besondere Form des Verbraucherschutzes handle, mit der insbesondere die Gefahren existenzgefährdenden (pathologischen) Glücksspiels eingedämmt werden sollten und weiters darauf hingewiesen, dass das Glücksspielgesetz nicht bloß den Schutz öffentlicher Interessen bezwecke, sondern zumindest auch den Schutz der (Vermögens-)Interessen des einzelnen Spielers mitverfolge. Auch in 1 Ob 175/02w wurde insbesondere auf die Gefahren existenzgefährdenden Glücksspiels hingewiesen und ausdrücklich dargelegt, dass mit dieser Vorschrift ein Spieler, der unter Nachweis seiner Identität in der Spielbank Zutritt finde, dagegen geschützt sei, dass seine wirtschaftlichen und damit auch seine sozialen und familiären Grundlagen zerstört werden (ebenso 1 Ob 52/04k, 3 Ob 37/04v, 8 Ob 114/04w). Auch der Entscheidung 2 Ob 136/06y ist zu entnehmen, dass der Oberste Gerichtshof 'existenzbedrohend' nicht im Sinne der Existenzminimumverordnung oder der Regelungen der Exekutionsordnung zum Existenzminimum, sondern allgemeiner im Sinne einer Störung der wirtschaftlichen, sozialen und familiären Grundlagen gesehen hat. Eine Beschränkung nur auf die Gefährdung des konkreten Existenzminimums wurde keineswegs zum Ausdruck gebracht.

4.5. Mag auch die Sorgfaltspflicht des Spielcasinobetreibers nach §25 Abs3 GSpG erst dann einsetzen, wenn begründete Annahme besteht, dass aufgrund der Häufigkeit und Intensität der Teilnahme am Spiel das Existenzminimum des Spielers gefährdet sein könnte, ist es deshalb noch lange nicht sachlich gerechtfertigt, auch die Höhe des Ersatzes bei Verstoß gegen die ohnehin erst spät einsetzende Sorgfaltspflicht mit dem Existenzminimum zu beschränken. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Situation eine Sorgfaltspflicht einsetzt, ist streng von jener zu trennen, in welcher Höhe Ersatz für den Fall ihrer Verletzung zu leisten ist.

4.6. Als historisch-systematisches Argument führt Vonkilch aa0, 493 an, dass der Gesetzgeber seit jeher bei Spielverlusten Anlass zum Tätigwerden erst bei existenzbedrohendem Ausmaß gesehen habe und verweist dabei auf die frühere Entmündigungsordnung (EntmO). Voraussetzung der Anwendbarkeit sei es gewesen, dass der Betroffene sich oder seine Familie der Gefahr des Notstands preisgab, während der Gesetzgeber ansonsten das 'Durchbringen' des Vermögens auf Kosten der Familienmitglieder hingenommen habe. Seit der Aufhebung der EntmO enthalte sich der Gesetzgeber überhaupt einer Intervention, wenn Menschen ihre ökonomischen Ressourcen vernichteten.

Die EntmO regelte aber, wie ihr Name bereits sagt, die Einschränkung der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen, also einen tiefen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte, der naturgemäß nur in besonders gravierenden Fällen erfolgen sollte. Keineswegs wurden in ihr schadenersatzrechtliche Haftungserleichterungen solcher Personen, die von der Verschwendungssucht der betroffenen Personen 'profitierten', geregelt.

4.7. Zum Argument, es seien die Konsequenzen des Ersatzes an 'Spielsüchtige' zu bedenken (Vonkilch aa0, 493 f; Strejcek/Bresich, Glücksspielgesetz §25 Rz 20 f), ist darauf zu verweisen, dass die 'Würdigkeit' eines Geschädigten im System des österreichischen Schadenersatzrechts grundsätzlich weder eine Voraussetzung noch eine Denkkategorie darstellt, ebenso wenig Prognosen bzw Unterstellungen zur Frage, was der Geschädigte mit einem ihm zugesprochenen Schadenersatzbetrag machen würde.

Im Übrigen können solche Überlegungen keine sachliche Rechtfertigung für die Einschränkung der Höhe des Schadenersatzes im mit der angefochtenen Bestimmung erfolgten Ausmaß darstellen.

Das Argument der 'Belohnung' war auch Thema der im Stenografischen Protokoll des NR, 22. GP S 236 f wiedergegebenen

116. Sitzung: Die Auslegung der Bestimmung als Schutznorm durch den Obersten Gerichtshof ermögliche dem 'pathogenen' Spieler die Selbstschädigung. Gewinne er, erhalte er den Gewinn in voller Höhe ausbezahlt, verliere er, wisse er, dass die Spielbankleitung seinen Verlust nur ersetze, wenn er übermäßig verliere. Er werde also dazu motiviert, riskant zu spielen, um hoch zu verlieren, damit ihm der Verlust ersetzt werde. Diese Rechtsprechung sei in Spielerkreisen im Detail bekannt. Im Ergebnis werde das Fehlverhalten des Spielers belohnt und nicht mit abschreckenden Konsequenzen belegt.

Dem ist entgegenzuhalten, dass derartige Spieler nach der Anordnung des Gesetzes selbst von der Spielbankleitung vom Spiel auszuschließen sind. Dass dies nach Leistung der Schadenersatzzahlung anders zu halten wäre und daher der 'pathogene' Spieler Gelegenheit bekäme, dort weiter zu spielen, ist nicht nachvollziehbar.

Dass aber gesperrte 'pathogene' Spieler grundsätzlich dafür anfällig sind, sich andere Spielmöglichkeiten - sei es im Ausland, sei es bei verbotenem Spiel - zu suchen, ist eine Folge der Sperre solcher Spieler an sich und nicht der Schadenersatzleistung nach Verletzung dieser Verpflichtung.

Auch die erwähnten parlamentarischen Materialien verweisen darauf, dass die ordnungspolitische Verantwortung der Spielbankleitung nicht aufgeweicht werden soll und Spieler dort zu schützen seien, wo sie dies existentiell benötigen. Es wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass es zu keiner Gefährdung der eigenen wirtschaftlichen Existenz oder dazu kommen dürfe, dass Unterhaltspflichten nicht erfüllt werden körnten. Durch die Beschränkung des Ersatzes auf das Existenzminimum nach der Exekutionsordnung wird aber eine derartige Gefährdung der Unterhaltspflicht vielfach die zwangsläufige Folge sein. Bedenkt man, dass 'pathogene' Spieler häufig nicht nur ihr eigenes Einkommen ihrer Spielsucht opfern, sondern darüber hinaus Schulden eingehen - vgl nur im vorliegenden Fall das Vorbringen des Klägers, er habe rund 400.000 EUR von seinem Dienstgeber veruntreut, um seine Spielsucht zu finanzieren - wird klar, dass eine Beschränkung des Ersatzes auf das Existenzminimum letztlich entweder dazu führt, dass dem Spieler und seinen unterhaltsberechtigten Familienmitgliedern 'auf ewig' nur das Existenzminimum bleibt, oder er den Ausweg einer Entschuldung - in Österreich zB eines Schuldenregulierungsverfahrens - sucht. Gerade in diesem Fall würden aber auch rückständige Unterhaltspflichten bis auf die auszuzahlende Quote gekürzt und blieben daher den Berechtigten vorenthalten.

4.9. Dass dem Glücksspielgesetz schon bisher (nur) die Sicherung des Existenzminimums immanent gewesen wäre, ist nicht richtig:

Die im GSpG 1962 im §24 enthaltene Schutzklausel schloss Personen vom Spiel aus, sofern sie nicht glaubhaft machten, dass durch ihre Beteiligung am Spiel eine wirtschaftliche oder soziale Gefährdung ihrer Angehörigen oder der von ihnen in wirtschaftlicher Abhängigkeit stehenden Personen oder eine Schädigung ihrer Arbeitgeber nicht zu erwarten war.

Auch die ursprüngliche Fassung des GSpG 1989 sah in §25 Abs3 lediglich den - gänzlichen oder teilweisen - Ausschluss vom Spiel bei begründeten Anhaltspunkten dafür vor, dass die jeweiligen Vermögens- oder Einkommensverhältnisse die Teilnahme am Spiel nicht oder nur im beschränkten Ausmaß gestatteten.

Beide Fälle bieten für eine Beschränkung auf die Gefährdung des Existenzminimums keinerlei Anhaltspunkt.

Nur am Rande sei darauf verwiesen, dass die Änderung des §25 Abs3 GSpG idF des ABÄG im einleitenden Initiativantrag nicht enthalten war. Erst in einer Sitzung des Finanzausschusses wurde die Formulierung im Wege eines Abänderungsantrags zur Abstimmung gestellt. Eine inhaltliche Debatte darüber fand nicht statt. Die Bestimmung wurde erst in zweiter und dritter Lesung mehrheitlich beschlossen (vgl Weber in FS Wimmer, aa0, 695).

5. Mag daher auch eine inhaltlich stärker determinierte Regelung wie in der angefochtenen Bestimmung grundsätzlich im Sinne des Rechtsstaatlichkeitsprinzips sein, ist eine sachliche Rechtfertigung für die nunmehr getroffene - geringe - Schutzintensität nicht ersichtlich (vgl Weber aa0, 702 f).

Bedenkt man, dass Spielbankenbetreiber auch insofern schadenersatzrechtlich privilegiert sind, als sie ohnehin nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz haften, ergibt sich, dass die Beschränkung auf die Haftung nur bis zur Höhe des Existenzminimums auch bei gröbster Fahrlässigkeit ja sogar bei Vorsatz zum Tragen kommt. Damit wird die schadenersatzrechtliche Position des Spielers weit über das im bürgerlichen Recht geltende übliche Maß hinaus verkürzt.

Der im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu findende rechtliche Ausgleich zwischen dem Spielerschutz und fiskalpolitischen Interessen ist damit nicht gewahrt. Zwar schreibt das Gesetz hinreichende Sorgfaltspflichten für den Spielbankenbetreiber vor, ihre Verletzung wird aber im Unterschied zu anderen Haftpflichtigen schadenersatzrechtlich nur geringfügig geahndet und daher kein Anreiz geschaffen, große Sorgfalt anzuwenden. Damit wird auch der Grundsatz der Effektivität der Regelung verlassen, der wiederum in gemeinschaftsrechtlicher Sicht eine Rechtfertigung für die Beeinträchtigung der Grundfreiheiten darstellt.

6. Auch besteht ein großer Unterschied in der Haftungsinstensität zwischen Spielverlusten und anderen Schäden, die den Spieler im Zuge eines Spielcasinobesuchs ereilen können.

Stürzt er etwa in den Räumlichkeiten des Spielcasinos, gebührt ihm bei Verschulden des Casinopersonals Schadenersatz ohne jegliche Beschränkung. Verliert dagegen der Spieler, der aufgrund grober Fahrlässigkeit des Casinopersonals am Spiel teilnimmt, sein gesamtes Vermögen und hätte dieser Schaden durch entsprechende Sorgfalt vermieden werden können, steht ihm ein Ersatz nur in Höhe des Existenzminimums zu - obwohl sein Schaden sich noch dazu in einer entsprechenden Einnahme des Haftpflichtigen widerspiegelt.

Die Einführung einer derart niedrigen Haftungsgrenze verstößt gegen das Sachlichkeitsgebot und verleitet auch dazu, die Verhaltensregelungen, die zu Gunsten suchtkranker Spieler im Gesetz aufgestellt wurden, zu unterlaufen (vgl dazu Weber aa0, 704 f).

7. Aus all diesen Erwägungen hegt der Oberste Gerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Regelung in §25 Abs3 GSpG. Der Verfassungsgerichtshof hat zwar in seinem Erkenntnis vom 25.9.2008, G162/07, solche Bedenken nicht erkennen lassen, er hat aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er sich auf die Erörterung der (damals) aufgeworfenen Fragen (6-Monats-Frist) zu beschränken hatte."

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bejaht, die angefochtene Wortfolge verteidigt und die Abweisung des Antrages beantragt. Für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Wortfolge wird beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle für das Außer-Kraft-Treten eine Frist von einem Jahr setzen.

Im Einzelnen äußert sich die Bundesregierung nach Darstellung der Entwicklung und des Schutzzweckes des §25 Abs3 GSpG wie folgt zu den vorgebrachten Bedenken:

"4.1. Mangelnde Verpflichtung zur Normierung einer Schadenersatzregelung

Der Oberste Gerichtshof hegt sowohl aus gemeinschaftsrechtlicher als auch aus verfassungsrechtlicher Sicht Bedenken gegen die Auffassung, dass eine Ersatzpflicht, wie sie in §25 Abs3 GSpG normiert ist, überhaupt nicht vorgesehen werden müsse (vgl. die Punkte 4.2. und 4.3. des OGH-Beschlusses vom 25. März 2010, 2 Ob 252/09m). Im Folgenden soll zunächst auf die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken eingegangen und in weiterer Folge dargelegt werden, warum die vorliegende Regelung aus Sicht der Bundesregierung auch verfassungsrechtlich unbedenklich erscheint.

4.1.1. Gemeinschaftsrechtlicher Rahmen

Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass es für die Frage der Vereinbarkeit eines Konzessionssystems mit dem Gemeinschaftsrecht keine Rolle spielt, ob die bereits vorhandenen, zahlreichen Spielerschutzbestimmungen zusätzlich auch noch durch eine Schadenersatzregelung effektuiert werden.

Aus der Judikatur des EuGH im Glücksspielbereich (vgl. zB EuGH vom 24. März 1994, Rs Schindler C-275/92 , Rz 61) lässt sich ableiten, dass das Unionsrecht es grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlässt, ob das Glücksspiel gänzlich verboten, eingeschränkt oder bloß unter mehr oder weniger strengen Kontrollen durchgeführt wird. Nach Ansicht des EuGH (vgl. die Rechtsprechung des EuGH in den Rs Schindler C-275/92 , Läärä C-124/97 , Zenatti C-67/98 , Gambelli C-243/01 , Anomar C-6/01 und Placanica C-338/04 ) kann ein Konzessionssystem ein wirksamer Mechanismus sein, um die Anzahl der im Bereich des Glücksspiels tätigen Wirtschaftsteilnehmer zu kontrollieren und damit der Ausnutzung dieser Tätigkeit zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Österreich hat sich in Umsetzung dieser unionsrechtlichen Vorgaben für ein eingeschränktes und einer strengen Kontrolle unterliegendes Modell entschieden (vgl. Strejcek/Bresich, Glücksspielgesetz [2009], §3 Rz 78).

Wie der Oberste Gerichthof ausführt werden nationale Beschränkungen der unionsrechtlichen Grundfreiheiten vom EuGH nur aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses als gerechtfertigt angesehen. Als solche sind im Bereich des Glücksspiels beispielsweise der Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Bekämpfung der Spielsucht anzuführen. All diese Elemente finden sich im österreichischen Glücksspielrecht, weshalb es zur unionsrechtlichen Rechtfertigung des Konzessionssystems der in §25 Abs3 GSpG enthaltenen Schadenersatzpflicht des Spielbankbetreibers nicht bedarf. §25 Abs3 GSpG stellt sich derart als ein bloß zusätzlicher Beleg für das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel dar, das Glücksspielmonopol durch ein strenges Konzessionssystem mit hohen Auflagen in den Dienst des Spielerschutzes zu stellen und die sozialschädlichen Begleiterscheinungen möglichst gering zu halten.

Als Mittel im Bereich des Verbraucherschutzes sind zB die Aushangpflicht der bewilligten Spielbedingungen, das Öffentlichkeitsgebot von Ziehungen sowie der verantwortungsvolle Maßstab beim Werbeauftritt des Konzessionärs zu nennen. Im Bereich der Bekämpfung der Spielsucht zählen zB die Zutrittskontrollen und -beschränkungen der Spielteilnehmer, die Beobachtung der Intensität und Häufigkeit der Spielteilnahme sowie die schrittweise Einschränkung bis hin zur gänzlichen Untersagung der Spielbankbesuche zu jenen Instrumenten, die der Bekämpfung der Spielsucht dienen. Schließlich trägt zB die Bewilligungspflicht von Spielbedingungen dem ebenfalls im Allgemeininteresse liegenden Gedanken der Betrugsbekämpfung Rechnung. Die Summe dieser Regelungen genügt der vom Unionsrecht einem Konzessionssystem abverlangten Rechtfertigung. Die im Glücksspielgesetz enthaltene Regelung über die Schadenersatzpflicht des Spielbankbetreibers stellt aus unionsrechtlicher Sicht daher nur eine zusätzliche Facette dar, deren Wegfall nicht geeignet wäre, die Unionsrechtskonformität des Konzessionssystems als solche in Frage zu stellen.

Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen und im Lichte der - im Vergleich zu anderen, ebenfalls mit Konzessionssystemen arbeitenden Mitgliedstaaten - einzigartigen Spielerschutzbestimmung in Gestalt der Schadenersatzverpflichtung besteht für die Bundesregierung kein Zweifel daran, dass es zulässig wäre, von einer derartigen Spielerschutzbestimmung abzusehen.

4.1.2. Nationales Sonderregime

Bei der gegenständlichen Regelung handelt es sich um eine im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegende, von den Haftungsregelungen des ABGB abweichende Sonderregelung. Den Erläuterungen ist dazu Folgendes zu entnehmen (AA-154, XXII. GP, 2 f):

'Da die Rechtsbeziehung zwischen der Spielbankleitung und dem Spielteilnehmer in Ansehung der durchgeführten Glücksspiele auf privatrechtlichen (Glücks)Verträgen beruht, stellen diese Bestimmungen eine besondere Form von Verbraucherschutzvorschriften dar, mit denen insbesondere die Gefahren existenzgefährdenden Glücksspiels eingedämmt werden sollen. Die Umsetzung dieser Sondermaterie erfolgt daher nicht im ABGB, sondern - ähnlich wie für den allgemeinen Bereich der Konsumenten im KSchG - zweckentsprechend im Glücksspielgesetz.'

Der Oberste Gerichtshof ist der Auffassung, dass es durch die Schadenersatzbeschränkung auf das Existenzminimum des pathogenen Spielteilnehmers in §25 Abs3 GSpG zu einer unsachlichen Privilegierung des Spielbankbetreibers im Vergleich zu anderen Schädigern kommt, die Schutzgesetze verletzen und nach allgemeinen Schadenersatzgrundsätzen haften.

Nach Ansicht der Bundesregierung ist dieser Vergleich nicht zutreffend. Die gegenständliche Schadenersatzregelung zu Gunsten pathogener Spieler ist eine speziell den Besonderheiten (siehe die Ausführungen zum Schutzzweck der Norm - insbesondere jene bezüglich Risikominimierung des pathogenen Spielers) der Materie des Glücksspielwesens Rechnung tragende Regelung. Entgegen der Rechtsauffassung des Obersten Gerichthofs stellt die Haftungsbestimmung des §25 Abs3 GSpG kein den Spielbankbetreiber begünstigendes Sonderprivatrecht dar, sondern vielmehr eine Haftungsverschärfung. Gäbe es §25 Abs3 GSpG nämlich nicht, bestünde alleine auf der Grundlage des allgemeinen Schadenersatzrechts des ABGB kein Anspruch eines Spielers gegen die Spielbank.

Der vom Obersten Gerichtshof angestellte Vergleich zwischen Spielbanken und anderen Schädigern, die nach allgemeinen Schadenersatzgrundsätzen haften, stellt Sachverhalte gegenüber, die wesentliche Unterschiede aufweisen. Ein Vergleich ist nach Ansicht der Bundesregierung schon deshalb nicht möglich, weil es keine vergleichbaren anderen Schädiger gibt. Spielbanken im Sinne des §21 GSpG dürfen ohnehin nur von konzessionierten Spielbankbetreibern betrieben werden (sofern das konzessionierte Glücksspiel bewilligungslos betrieben wird [illegales Glücksspiel], kann der Spielteilnehmer keine Schadenersatzansprüche auf §25 Abs3 GSpG stützen). Auch im internationalen Vergleich bestehen - soweit ersichtlich - keine vergleichbaren Haftungsregeln und stellt sich §25 Abs3 GSpG daher als besondere glücksspielrechtliche Haftungsregel des strengen innerstaatlichen Spielerschutzkonzeptes dar. In anderen Bereichen tätige Unternehmen treffen wiederum keine vergleichbaren (Nachforschungs- oder Warn)Pflichten im Zusammenhang damit, ob sich ein Verbraucher sein gegenüber dem Unternehmen an den Tag gelegtes Konsumverhalten leisten kann oder ob dieses für ihn wirtschaftlich existenzgefährdend ist. Eine vergleichbare Verpflichtung zum Schutz des Vertragspartners bzw. eine vergleichbare Haftung trifft andere Unternehmen somit nicht.

Insofern statuiert §25 Abs3 GSpG eine fundamentale haftungsrechtliche Besonderheit von Spielbanken im Vergleich zu anderen Unternehmen, die nach Ansicht der Bundesregierung auch eine besondere Regelung des Haftungsausmaßes rechtfertigt. Die Haftungsbeschränkung des in §25 Abs3 GSpG normierten schadenersatzrechtlichen Sonderregimes privilegiert demnach nicht die Spielbanken, sondern trägt lediglich ihrer besonderen haftungsrechtlichen Situation Rechnung.

Zu bedenken ist schließlich auch, dass der Gesetzgeber in anderen Bereichen des Zivilrechts die Geltendmachung von Verbraucherrechten überhaupt ausgeschlossen hat, um keine einseitigen und unangemessenen Risikotragungen zu Lasten von Unternehmen zu ermöglichen (zB Ausschluss des Verbraucherrücktritts für Finanzdienstleistungen bei spekulativen Geschäften und kurzfristigen Versicherungen gemäß §10 Z1 und 2 FernFinG; vgl. Kolonovits/Vonkilch, Schadenersatzrechtliche Sonderverjährung und Gleichheitssatz. Ist §25 Abs3 siebenter Satz Glücksspielgesetz verfassungswidrig?, ÖZW 2008, 12 [19] mwN).

4.2. Abstellen auf das Existenzminimum seit der Novelle 2005

Soweit der Oberste Gerichtshof (Punkt 4.4. seines Beschlusses vom 25. März 2010, 2 Ob 252/09m) mit Bezug auf mehrere Entscheidungen ausführt, dass 'existenzbedrohend' so zu verstehen sei, dass die 'wirtschaftlichen und damit auch (...) sozialen und familiären Grundlagen' des pathogenen Spielers zerstört werden und nicht im Sinne der Existenzminimumverordnung oder der Regelungen der Exekutionsordnung (EO) zum Existenzminimum, so ist dem entgegen zu halten, dass sich sämtliche zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs auf die Rechtslage vor der Fassung BGBl. I Nr. 105/2005 bezogen hatten. Erst durch diese Novelle zum Glücksspielgesetz kam es aus den bereits unter Punkt 3. näher ausgeführten Gründen zu einer Limitierung des Schadenersatzes mit dem Existenzminimum.

Im Übrigen darf darauf hingewiesen werden, dass nach der vom Obersten Gerichtshof verwendeten Formulierung 'wirtschaftlichen und damit auch (...) sozialen und familiären Grundlagen' dieser die Beeinträchtigung der sozialen und familiären Grundlagen offensichtlich auch erst als Folge der wirtschaftlichen Existenzbedrohung zu verstehen scheint. Für den Obersten Gerichtshof selbst steht daher bei Beurteilung der Frage, ab wann sich ein Spielteilnehmer in einer existenzbedrohenden Lage befindet, die finanzielle Komponente im Vordergrund.

4.3. Existenzminimum als objektivierbarer Schadenersatz

Unter Punkt 4.5. seines Beschlusses führt der Oberste Gerichtshof aus, dass die Sorgfaltspflicht des Spielbankbetreibers nach §25 Abs3 GSpG erst einsetze, wenn die begründete Annahme bestehe, dass auf Grund der Häufigkeit und Intensität der Teilnahme am Spiel das Existenzminimum gefährdet sein könne. Dies stelle jedoch keine sachliche Rechtfertigung dafür dar, die Höhe des Ersatzes bei Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht mit dem Existenzminimum zu beschränken. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Situation eine Sorgfaltspflicht einsetze, sei streng von jener zu trennen, in welcher Höhe Ersatz für den Fall ihrer Verletzung zu leisten sei.

Eine derartige Betrachtungsweise steht nach Ansicht der Bundesregierung jedoch nicht mit dem Schutzzweck der Norm in Einklang und führt zu nicht gerechtfertigten Wertungswidersprüchen. Gemäß der seit 1999 im Wesentlichen unveränderten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl. OGH vom 19. Jänner 1999, 1 Ob 214/98x ua) zur Rechtsnatur des §25 Abs3 GSpG handelt es sich bei dieser Norm um ein Schutzgesetz im Sinn des §1311 ABGB. Folge dieser Judikaturänderung war unter anderem, dass es seitens des Spielteilnehmers keines strikten Nachweises des Kausalzusammenhangs mehr bedurfte, da nunmehr eine Pflichtwidrigkeit der Spielbank vermutet wird. Insoweit hat sich die ordnungspolitische Mitverantwortung des Spielbankbetreibers zunehmend erhöht. Aus der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (vgl. OGH vom 14. Juli 2005, 6 Ob 79/05v.) ergibt sich aber auch, dass dem pathogenen Spieler von der Spielbankleitung nur der durch das festgestellte rechtswidrige und schuldhafte Verhalten adäquat kausal herbeigeführte Schaden zu ersetzen sei. Der Spieler soll vor einem existenzbedrohenden, seine wirtschaftlichen und damit auch sozialen und familiären Grundlagen zerstörenden Spielverhalten geschützt werden (vgl. OGH vom 29. Juni 2006, 2 Ob 136/06y). Zu welchem Zeitpunkt es der Spielbankleitung auffallen hätte müssen, dass die Verluste des Spielers existenzbedrohend werden, richtet sich jedoch nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls.

Aus der dargestellten Rechtsprechung ist nach Ansicht der Bundesregierung ersichtlich, dass ein rechtswidriges Verhalten der Spielbankleitung erst dann vorliegt, wenn sie ihre Obliegenheit, den Spielteilnehmer vor existenzbedrohendem Spielverhalten zu bewahren, schuldhaft verletzt hat. Erst zu diesem Zeitpunkt entsteht für den Spielteilnehmer ein Schaden, dessen Entstehen nach dem Zweck der Rechtsvorschrift auf die schuldhafte Obliegenheitsverletzung des Spielbankbetreibers zurückzuführen ist. Es ist somit aus dem Schutzzweck des §25 Abs3 GSpG keine Verpflichtung des Spielbankbetreibers abzulesen, wonach dieser vor einem die Existenz bedrohenden Verlust von Vermögen des Spielteilnehmers einzugreifen hätte.

Wenn es aber (erst) die Existenzgefährdung von Spielern ist, der durch das Schutzgesetz des §25 Abs3 GSpG vorgebeugt werden soll (und die wohl dann nicht gegeben ist, wenn das Existenzminimum noch sichergestellt ist), dann handelt der Spielbankbetreiber im Lichte des Schutzzwecks der Norm eben so lange noch nicht rechtswidrig, als sein Verhalten noch nicht zu einer Existenzgefährdung des einzelnen Spielers geführt hat (so auch Vonkilch, Rückforderung von Glücksspielverlusten nach dem

'Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz' - Rien ne va plus? ÖJZ 2006/30, 487 [492]).

Ein Verlust von Vermögen mag sich möglicherweise als beträchtlich darstellen, solange jedoch keine Gefahr für die Existenz besteht, hat dieser Verlust im Lichte der Schadenersatzpflicht unbeachtlich zu bleiben.

Zu bedenken ist nach Ansicht der Bundesregierung in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Gesetzgeber (seit der Aufhebung der Entmündigungsordnung) einer Intervention enthalte, wenn Menschen ihre ökonomischen Ressourcen vernichten, und zwar auch und gerade dann, wenn diese Ressourcenvernichtung zu Lasten naher Angehöriger geht und davon Personen oder Wirtschaftszweige profitieren, deren besondere Schutzwürdigkeit zweifelhaft erscheinen mag (vgl. Vonkilch, aaO, 493). Es ist innerhalb der Rechtsordnung eine den Besonderheiten des Glücksspielwesens Rechnung tragende Ausnahme, dass vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem (legalen) Spielbetrieb überhaupt bestimmte Barrieren geschaffen werden, die Menschen durch die Sicherung des Existenzminimums zumindest vor einer völligen Vernichtung ihrer ökonomischen Ressourcen bewahren.

Die Beschränkung des Schadenersatzes auf das individuell feststellbare Existenzminimum des betroffenen Spielteilnehmers erscheint daher vor dem Hintergrund, dass - solange das Existenzminimum nicht bedroht ist - ein rechtswidrig verursachter Schaden nicht vorliegt, sachlich gerechtfertigt.

4.4. Unterschied in der Haftungsintensität zwischen Spielverlusten und anderen Schäden

Soweit der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss (Punkt 6.) einen Vergleich zwischen Spielverlusten und anderen Schäden im Zuge eines Spielbankbesuchs anstellt, ist dem Folgendes entgegen zu halten. Gerade an diesem Beispiel zeigt sich nach Ansicht der Bundesregierung, dass der Gesetzgeber kein Haftungsprivileg zu Gunsten von Spielbanken gegenüber anderen Schädigern eingeführt hat. Die Spielbank haftet vielmehr für Schäden, die die Spielteilnehmer im Zuge eines Spielbankbesuches erleiden - zu denken wäre hier beispielsweise an einen Sturz auf nassem Boden - wie jeder andere Schädiger auch nach den Grundsätzen des allgemeinen Schadenersatzrechtes. Ein Vergleich von derartigen Schäden mit dem aus dem pathogenen Spielverhalten eines Spielteilnehmers entstandenen Verlust, der erst dann zu einem ersetzbaren Schaden wird, wenn der Spielbankbetreiber konkrete Obliegenheiten verletzt hat, erscheint nach Ansicht der Bundesregierung angesichts der völlig unterschiedlichen Schutzzwecke nicht möglich. Vielmehr zeigt sich darin einmal mehr die Besonderheit der glücksspielrechtlichen Spielerschutzbestimmung.

5. Zusammenfassung

Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass sich der Gesetzesgeber mit §25 Abs3 GSpG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 105/2005 - dem Schutzzweck dieser Bestimmung entsprechend - im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums entschieden hat, den dem pathogenen Spieler zu ersetzenden Schaden mit maximal dem Existenzminimum zu limitieren. Diese Beschränkung findet ihre sachliche Rechtfertigung einerseits darin, dass es sich bei der gegenständlichen Schadenersatzregelung um eine den Besonderheiten des Glücksspiels - insbesondere der Suchtgefährdung - Rechnung tragende, zusätzlich zu den bestehenden Spielerschutzvorschriften hinzutretende Sondervorschrift handelt, und andererseits darin, dass das den pathogenen Spieler gefährdende risikolose Spiel unterbunden werden soll.

Voraussetzung für einen ersatzfähigen Schaden des pathogenen Spielers ist das rechtswidrige Verhalten des Spielbankbetreibers. Dieses liegt jedoch erst ab dem Zeitpunkt vor, in dem er schuldhaft seine Obliegenheiten gegenüber dem pathogenen Spieler verletzt hat und diese Obliegenheitsverletzung zu einer Gefährdung des Existenzminimums des Spielteilnehmers geführt hat.

Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass aus Sicht der Bundesregierung eine Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Wortfolge im §25 Abs3 des Glücksspielgesetzes, BGBl. Nr. 620/1989 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBI. I Nr. 105/2005 nicht gegeben ist."

3. Die klagende Partei im Anlassverfahren erstattete eine Äußerung, in der sie die Aufhebung der angefochtenen Wortfolge (und darüber hinaus des "gesamten Regelungsregimes unabhängig vom Umfang und der Begründung des antragstellenden Gerichts") sowie den Ausspruch, dass die aufgehobene Wortfolge in §25 Abs3 GSpG auf bei Gericht bereits anhängige Verfahren nicht mehr anzuwenden sei, anregte.

Die beklagte Partei im Anlassverfahren erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der sie beantragt festzustellen, dass die angefochtene Wortfolge in §25 Abs3 GSpG nicht verfassungswidrig war. Die klagende Partei im Anlassverfahren erstattete eine Replik zu dieser Äußerung.

IV.

1. Gemäß Art140 Abs1 erster Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes u.a. auf Antrag des Obersten Gerichtshofes oder eines zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichtes. Diese Gerichte sind gemäß Art89 Abs2 zweiter Satz B-VG verpflichtet, einen solchen Prüfungsantrag zu stellen, wenn sie gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hegen.

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag im Sinne des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Im vorliegenden Fall ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesstelle zweifeln ließe. Mit Blick auf Art18 AEUV (ex Art12 EGV) ist es zumindest denkmöglich, §25 Abs3 GSpG im Anlassfall, in dem der Kläger italienischer Staatsbürger ist, anzuwenden. Der Verfassungsgerichtshof hegt auch nicht das Bedenken, dass der Anfechtungsumfang zu eng gefasst sein könnte. §25 Abs3 letzter Satz GSpG schließt zwar bereicherungsrechtliche und weitere nicht aus dem Titel des Schadenersatzes erhobene Ansprüche aus, nicht aber den Einwand des Mitverschuldens. Diesen Satz in den Antrag aufzunehmen, war der OGH daher nicht gezwungen.

Der Antrag erweist sich somit als zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003). Dem Verfassungsgerichtshof ist es sohin verwehrt, das Gesetz unter dem Blickwinkel anderen als der vom antragstellenden Gericht erhobenen Bedenken auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen; aus demselben Grund ist es ihm auch nicht möglich, auf in dem Antrag nicht enthaltene und insoweit über diese hinausgehende Bedenken der beteiligten Partei einzugehen.

2.1. Das antragstellende Gericht hegt das Bedenken, dass die Einschränkung der Haftung betragsmäßig auf das Existenzminimum den Konzessionsnehmer nach dem GSpG gegenüber allen übrigen Schädigern, die Schutzgesetze verletzen, bevorzuge, gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, da keine sachliche Rechtfertigung für diese Privilegierung gegeben sei. Dieses Bedenken trifft zu.

2.1.1. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg. 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg. 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg. 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall überschritten.

2.1.2. Beginnend mit dem Jahr 1999 hatte der OGH angenommen, dass §25 Abs3 GSpG ein Schutzgesetz iSd §1311 ABGB ist und ein Verstoß gegen diesen eine Haftung des Spielbankbetreibers begründen kann (OGH 19.1.1999, 1 Ob 214/98x). Als Folge dieser Rechtsprechung bestanden - ohne entsprechende explizite gesetzliche Regelung - erhöhte Sorgfaltspflichten des Spielbankbetreibers gegenüber spielsüchtigen Spielern (OGH 21.12.2004, 5 Ob 112/04p). Der OGH entwickelte Kriterien, die der Spielbankbetreiber erfüllen musste, um seiner Sorgfaltspflicht nachzukommen und von seiner Haftung frei zu werden (Aufzeichnungen über die Anzahl der Besuche, Beobachtung des Spielers und Überprüfung seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse bei auffallend hohen Spieleinsätzen). Die vom OGH nach 1999 entwickelten Sorgfaltspflichten entsprechen den Wertungen des allgemeinen Zivilrechts in Bezug auf vorvertragliche Schuldverhältnisse (vgl. Wilhelm, Zur culpa in contrahendo der Spielbank beim Glücksspiel, ecolex 2008, 1111).

2.2. In Reaktion auf diese Rechtsprechung ordnete der Gesetzgeber mit dem Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz - ABÄG, BGBl. I 105/2005, in §25 Abs3 GSpG an, dass zwar erhöhte Sorgfaltspflichten bestehen (die allerdings erst bei Gefährdung des Existenzminimums ausgelöst werden) und ihre Missachtung eine Verpflichtung zu Schadenersatz begründen kann. Die Haftung wurde jedoch dem Betrag nach auf das Existenzminimum begrenzt.

2.3. Die Regelung dient dem Schutz von gefährdeten oder spielsüchtigen Spielern vor den Gefahren des Glücksspiels, die zur Vernichtung der materiellen Lebensgrundlagen seiner selbst und der ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen führen kann. Sie ist darüber hinaus in europarechtlicher Perspektive auch Ausfluss der Verpflichtung des Staates zum Schutz der Spieler, der wiederum Teil der ordnungspolitischen Verantwortung des Staates ist, die nach dem Recht der Europäischen Union zur Rechtfertigung eines Systems zahlenmäßig beschränkter Konzessionen verbunden mit einem staatlichen Monopol beiträgt (vgl. EuGH 24.3.1994, Rs. C-275/92 , Schindler, Slg. 1994, I-1039).

2.4. §25 Abs3 GSpG trägt mit der Anordnung von Sorgfaltspflichten und der Haftung der Spielbank für Spielverluste einerseits der Rechtsprechung des OGH Rechnung, andererseits begrenzt er die möglichen Nachteile des Spielbankbetreibers aus Schadenersatzforderungen von Spielern, bei denen die Vorschriften über Sorgfaltspflichten nicht eingehalten wurden. Mit der Anordnung des §25 Abs3 letzter Satz GSpG, dass alle Ansprüche des Spielteilnehmers "in Zusammenhang mit der Gültigkeit des Spielvertrages oder mit Verlusten aus dem Spiel" geregelt werden, trifft der Gesetzgeber insgesamt eine spezielle Regelung für allfällige Ansprüche von Spielteilnehmern gegenüber der Spielbank.

2.5. Wie der OGH in seinem Antrag ausführt, gibt es im Zivilrecht zwar Haftungsbegrenzungen im Bereich der Gefährdungshaftung (§§15 und 16 EKHG, §151 LFG), nicht aber bei Vertragsverletzungen oder bei der Verletzung von Schutzgesetzen. Aber auch bei der Gefährdungshaftung sind die Höchstbeträge deutlich höher.

Demgemäß macht der OGH in seinem Antrag zum einen geltend, dass die Differenzierung zwischen den allgemeinen zivilrechtlichen Standards für die Haftungsbegrenzung einerseits und dem glücksspielrechtlichen Sonderregime andererseits sachlich nicht gerechtfertigt sei. Zum anderen verneint der OGH die Sachlichkeit der Regelung an sich, wenn er ausführt, dass der Ausgleich zwischen dem Spielerschutz und fiskalpolitischen Interessen nicht gewahrt sei.

2.6. Der Gleichheitsgrundsatz verpflichtet den Gesetzgeber zwar nicht, von jeglicher Haftungsbegrenzung Abstand zu nehmen, zumal in einer Situation, in der er (wenngleich im Gefolge höchstgerichtlicher Rechtsprechung und zur Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit) erhöhte Sorgfaltspflichten und eine Verpflichtung der Spielbank zur Leistung von Schadenersatz normiert hat.

2.6.1. Nicht jede Haftungsbegrenzung in jedweder Höhe ist indes sachlich gerechtfertigt. Eine die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Begrenzung liegt dann vor, wenn die Gründe für die Begrenzung diese sachlich nicht zu rechtfertigen vermögen, wenn mithin das Ausmaß der Beschränkung derart hoch ist, dass es außer Verhältnis zum Gewicht der mit ihr verfolgten (öffentlichen) Interessen steht, oder umgekehrt wenn die Nachteile des Geschädigten außer Verhältnis zur Höhe des maximal zu leistenden Ersatzes stehen.

2.6.2. Mit der zeitlichen und betragsmäßigen Haftungsbegrenzung sowie mit dem Ausschluss der Haftung für leicht fahrlässiges Verhalten verfolgte der Gesetzgeber fiskalpolitische Interessen zum Schutz der Gesellschaft, die Spielbanken betreibt. Dabei verfolgte er insbesondere auch das Ziel zu verhindern, dass Spieler mit hohen Einsätzen spielen können, weil sie im Wissen um eine Sorgfaltspflichtverletzung der Spielbank mit einem ihren allfälligen Spielverlust ausgleichenden Schadenersatzanspruch rechnen können.

2.6.3. Es mag - abstrakt gesehen - im öffentlichen Interesse liegen, wenn der Gesetzgeber angesichts von Verurteilungen der Gesellschaft, die gegenwärtig alle Spielbankkonzessionen hält, zu hohen Schadenersatzsummen deren Haftung begrenzt. Das darin liegende Interesse ist mit Blick auf das von diesen Unternehmen generierte Steueraufkommen aus der Spielbankenabgabe und der Glücksspielabgabe letztlich ein fiskalpolitisches (Vonkilch, Rückforderung von Glücksspielverlusten nach dem

"Ausspielungsbesteuerungsänderungsgesetz" - Rien ne va plus?, ÖJZ 2006, 487 ff.).

2.7. Die genannten Gründe für die Haftungsbegrenzung haben jedoch nicht hinreichendes Gewicht, um die Differenzierung zwischen allgemeinem Zivilrecht und glücksspielrechtlichem Sonderhaftpflichtrecht zu rechtfertigen bzw. die aus der Differenzierung resultierenden Nachteile für die anspruchsberechtigten Geschädigten aufzuwiegen:

2.7.1. Zunächst ist zu bedenken, dass durch die gesetzliche Regelung der Schutz von Menschen bezweckt wird, welche die Selbstschädigung und die Schädigung der von ihnen wirtschaftlich abhängigen Personen in der Situation des Spielens nicht überblicken können. Wie der OGH in seinem Antrag zutreffend dartut, können durch fortgesetztes erfolgloses Spiel eines Spielsüchtigen im Einzelfall die wirtschaftlichen, sozialen und familiären Grundlagen zerstört werden.

2.7.2. Sodann ist zu berücksichtigen, dass ein Schadenersatzanspruch nur besteht, wenn die Spielbank dem Spieler angesichts seines Spielverhaltens und auf Grund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse den Besuch der Spielbank zu untersagen gehabt hätte und ihr daher insoweit eine rechtswidrige Unterlassung anzulasten ist, die im konkreten Fall aber auch ein grobes Verschulden erfordert (vgl. Weber, Glücksspiel und Spielsucht: Die Novellierung des §25 Glücksspielgesetz im Spannungsfeld von fiskalpolitischen Interessen und Konsumentenschutz, in FS Wimmer, 2008, 693 ff., 705 ff.).

2.7.3. Ferner vermag auch das besondere Regelungsanliegen, nämlich dass mit der Haftungsbegrenzung spielsüchtige Personen daran gehindert würden, zum Schaden der Bank ohne Verlustrisiko zu spielen, nicht zur sachlichen Rechtfertigung der Regelung zu führen, setzt doch eine solche Möglichkeit des "Spielens ohne Rücksicht auf Verluste" (vgl. VfSlg. 18.546/2008) voraus, dass der spielenden Person der Nachweis eines rechtswidrigen und - nach der konkreten Regelung - auch grob schuldhaften Unterlassens des Spielbankbetreibers gelingt.

2.7.4. Schließlich ist von Bedeutung, dass mit der Beschränkung des Ersatzes auf das konkrete Existenzminimum eine schadenersatzrechtliche Privilegierung eines Monopolunternehmens geschaffen wurde, das von der Konkurrenz anderer inländischer wie ausländischer Spielbanken freigestellt ist. Einem solchen Unternehmen ist es jedenfalls zumutbar, zumal in einem Wirtschaftssektor wie dem Glücksspiel, für die Folgen seines rechtswidrigen und grob schuldhaften Verhaltens einzustehen und entsprechenden Ersatz zu leisten.

2.8. Wenn auch eine Begrenzung der Haftung nicht schlechthin verfassungsrechtlich bedenklich ist, verlässt der Gesetzgeber im vorliegenden Fall den Bereich sachlich gerechtfertigter Begrenzung der Haftung, wenn er den Ersatzbetrag sodann auf das Existenzminimum beschränkt. Zwar handelt der Spielbankbetreiber erst dann rechtswidrig, wenn er trotz Gefährdung der Existenz eines Spielers untätig bleibt. Die Gefährdung der Existenz besteht aber nicht nur im Verlust eines dem Existenzminimum entsprechenden Betrags während des Zeitraums, in dem es der Spielbankbetreiber grob schuldhaft unterlassen hat, den Spieler zu sperren. Die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz reicht regelmäßig über diesen Zeitraum hinaus, weil und insoweit sich Spieler, die trotz Existenzgefährdung fortgesetzt spielen, das dafür notwendige Geld wenn nicht auf unrechtmäßige Weise, so doch wenigstens auf eine Weise beschafft haben, die zur Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz auch für die Zukunft beiträgt.

Der Schaden, den ein solcher Spieler erleidet, besteht aus den saldierten Spielverlusten. Dass seine Existenz gefährdet ist, ist eine Folge dieser - oft kreditfinanzierten - Verluste. Bleibt der Spielbankbetreiber trotz Existenzgefährdung untätig und verletzt er damit Sorgfaltspflichten, handelt er rechtswidrig. Da der dem Spieler nach diesem Zeitpunkt entstehende Schaden in der Regel wesentlich mehr als das Existenzminimum, nämlich die verlorenen Einsätze abzüglich allfälliger Gewinne, umfasst, entbehrt diese Begrenzung der Haftung auf das Existenzminimum der sachlichen Rechtfertigung.

2.9. Das fiskalische Interesse des Staates vermag angesichts dessen die weitgehende Haftungsbeschränkung und ihre negativen Folgen sachlich nicht zu rechtfertigen. Die in der angefochtenen Wortfolge angeordnete Haftungsbegrenzung begründet eine unsachliche Differenzierung und verstößt gegen das Sachlichkeitsgebot des Gleichheitsgrundsatzes, wobei der Gerichtshof nicht zu untersuchen hat, welche anderen Lösungen des Gesetzgebers mit dem Sachlichkeitsgebot in Einklang stünden.

V.

1. Da die Bestimmung des §25 Abs3 GSpG mit der Novelle BGBl. I 126/2008, welche mit 1. Jänner 2009 in Kraft getreten ist, neu gefasst wurde, ist auszusprechen, dass die Wortfolge ", wobei die Haftung der Spielbankleitung der Höhe nach mit der Differenz zwischen dem nach Verlusten das Existenzminimum unterschreitenden Nettoeinkommen des Spielers unter Berücksichtigung seines liquidierbaren Vermögens einerseits und dem Existenzminimum andererseits abschließend beschränkt ist; höchstens beträgt der Ersatz das konkrete Existenzminimum" im 6. Satz des §25 Abs3 GSpG idF BGBl. I 105/2005, verfassungswidrig war.

2. Eine Fristsetzung für das Außer-Kraft-Treten der Aufhebung kommt bei einem Ausspruch gemäß Art140 Abs4 B-VG nicht in Betracht (vgl. VfSlg. 9814/1983); ohne gleichzeitigen Ausspruch, dass die Gesetzesstelle auch auf die vor der Feststellung verwirklichten Tatbestände nicht mehr anzuwenden ist (Art140 Abs7 B-VG), wirkt sich eine solche Feststellung allerdings nur auf die Anlassfälle aus (VfSlg. 8726/1980, 13.319/1992).

3. Der Ausspruch, dass die aufgehobene Gesetzesstelle auf die am 22. Juni 2011, dem Tag des Beginns der Beratungen über das Erkenntnis, bei Gericht anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist, beruht auf dem Vorbringen des Klägers im Anlassverfahren, dass weitere gleich gelagerte Verfahren bei anderen Gerichten anhängig seien, die aufgrund des vom OGH gestellten Gesetzesprüfungsantrag unterbrochen worden sind.

4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG iVm §3 Z3 BGBlG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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