Normen
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
KinderbetreuungsgeldG §2 Abs1 Z2, Abs6
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2016:G121.2016
Spruch:
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG gestützten Antrag begehrt der Oberste Gerichtshof, §2 Abs6 erster Satz Kinderbetreuungsgeldgesetz – KBGG, BGBl I 103/2001 idF BGBl I 116/2009, als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (der angefochtene Satz, der idF BGBl I 116/2009 in Geltung steht, ist hervorgehoben):
§§2, 24 Abs1, 30 sowie 31 Abs1, 2 und 4 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG), BGBl I 103/2001 lauten idF BGBl I 35/2014:
"Abschnitt 2
Pauschales Kinderbetreuungsgeld
Anspruchsberechtigung
§2. (1) Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hat ein Elternteil (Adoptivelternteil, Pflegeelternteil) für sein Kind (Adoptivkind, Pflegekind), sofern
1. für dieses Kind Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl Nr 376, besteht und Familienbeihilfe für dieses Kind tatsächlich bezogen wird,
2. der Elternteil mit diesem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt,
3. der Gesamtbetrag der maßgeblichen Einkünfte (§8 Abs1) des Elternteiles im Kalenderjahr den absoluten Grenzbetrag von 16.200 € oder den höheren individuellen Grenzbetrag nach §8b nicht übersteigt,
4. der Elternteil und das Kind den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und
5. der Elternteil und das Kind sich nach §§8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl I Nr 100/2005, oder nach §54 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten, es sei denn, es handelt sich
a) um österreichische Staatsbürger oder
b) Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl I Nr 100, gewährt wurde, oder
c) Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde und die keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind.
Für nachgeborene Kinder wird das Kinderbetreuungsgeld rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden.
(2) Für ein Kind ist ein gleichzeitiger Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch beide Elternteile ausgeschlossen.
(3) In Zweifelsfällen hat das Vorrecht auf Kinderbetreuungsgeld derjenige Elternteil, der die Betreuung des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, überwiegend durchführt.
(4) Bei Mehrlingsgeburten gebührt Kinderbetreuungsgeld gemäß §3a nur, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nach diesem Bundesgesetz für jedes Mehrlingskind erfüllt sind.
(5) Auf den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld kann verzichtet werden (§5 Abs6), wodurch sich der Anspruchszeitraum (§8) um den Zeitraum des Verzichts verkürzt. Ein Verzicht ist nur für ganze Kalendermonate möglich. Der Verzicht kann widerrufen werden. Ein Widerruf ist nur für ganze Kalendermonate und maximal für sechs Monate rückwirkend möglich.
(6) Ein gemeinsamer Haushalt im Sinne dieses Gesetzes liegt nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind auch an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Der gemeinsame Haushalt gilt bei mehr als dreimonatiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer einer Abwesenheit des Elternteiles oder des Kindes jedenfalls als aufgelöst."
"Abschnitt 5
Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens
Anspruchsberechtigung
§24. (1) Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nach diesem Abschnitt hat ein Elternteil (Adoptivelternteil, Pflegeelternteil) für sein Kind (Adoptivkind, Pflegekind), sofern
1. die Anspruchsvoraussetzungen nach §2 Abs1 Z1, 2, 4 und 5 erfüllt sind,
2. dieser Elternteil in den letzten 6 Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gemäß Abs2 war sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken, und
3. dieser Elternteil während des Bezuges des Kinderbetreuungsgeldes keine Erwerbseinkünfte, erzielt, wobei sich ein Gesamtbetrag an maßgeblichen Einkünften (§8 Abs1) von nicht mehr als 6 400 Euro pro Kalenderjahr nicht schädlich auswirkt, und keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhält.
(2) […]"
"Berichtigung
§30. (1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Leistung nach diesem Bundesgesetz wegfällt, ist die Leistung einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Leistungsanspruches maßgebende Voraussetzung ändert, ist die Leistung neu zu bemessen.
(2) Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung einer Leistung nach diesem Bundesgesetz nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen."
"Rückforderung
§31. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Leistungsbezieher zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
(2) Die Verpflichtung zum Ersatz der empfangenen Leistung besteht auch dann, wenn rückwirkend eine Tatsache festgestellt wurde, bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht oder die zur Ermittlung des Gesamtbetrages der maßgeblichen Einkünfte (§§8, 8b) erforderliche Mitwirkung trotz Aufforderung innerhalb angemessener Frist verweigert wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund des von der Abgabenbehörde an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse übermittelten Gesamtbetrages der maßgeblichen Einkünfte ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührt hat.
(3) […]
(4) Rückforderungen, die gemäß den Abs1 bis 3 vorgeschrieben wurden, können auf die zu erbringenden Leistungen bis zur Hälfte derselben aufgerechnet werden; sie vermindern den Leistungsanspruch entsprechend. Zum Zwecke der Forderungssicherung kann eine vorläufige Aufrechnung bis zur Hälfte der zu erbringenden Leistungen erfolgen. Der Krankenversicherungsträger kann unter Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Empfängers
1. die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Betrages in Teilbeträgen (Ratenzahlungen) zulassen,
2. die rechtskräftige Rückforderung stunden,
3. auf die rechtskräftige Rückforderung ganz oder teilweise verzichten.
Dabei sind die §§72 bis 74 des Bundeshaushaltsgesetzes 2013 (BHG 2013), BGBl I Nr 139/2009, anzuwenden, sofern in diesem Bundesgesetz keine abweichenden Regelungen vorgesehen sind.
(5) ‑ (7) […]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt nach den Ausführungen des Obersten Gerichtshofes folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin in dem vor dem Obersten Gerichtshof anhängigen Verfahren brachte am 22. November 2013 einen Sohn zur Welt. Sie lebte nach der Geburt mit ihrem Ehemann, einer Tochter und ihrem Sohn im gemeinsamen Haushalt an einer Adresse, an der alle Familienmitglieder hauptwohnsitzlich gemeldet waren. Mit 18. Juni 2014 zog die Familie um und lebte daraufhin an der neuen Adresse im gemeinsamen Haushalt. Der Hauptwohnsitz der Tochter war bereits zuvor an die neue Adresse verlegt worden, die Klägerin und ihr Ehemann meldeten ihren Hauptwohnsitz am 18. Juni 2014 auf die neue Adresse um. Der Hauptwohnsitz des Sohnes der Klägerin wurde – auf Anregung der Gebietskrankenkasse – am 20. November 2014 an der neuen Adresse angemeldet. Während des gesamten Zeitraumes bezog die Klägerin Familienbeihilfe.
Von 15. Februar bis 21. November 2014 bezog die Klägerin Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens gemäß §24 KBGG. Mit der vor dem Obersten Gerichtshof bekämpften Entscheidung wies das Berufungsgericht ihre Klage auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den Zeitraum von 18. Juni bis 20. November 2014 mit der Begründung ab, die Klägerin und ihr Sohn seien im fraglichen Zeitraum nicht an der Adresse des gemeinsamen Haushaltes hauptwohnsitzlich gemeldet gewesen, weshalb die Anspruchsvoraussetzung des §2 Abs1 Z2 iVm Abs6 erster Satz KBGG nicht erfüllt sei. Gleichzeitig wurde die Klägerin zur Rückzahlung der in diesem Zeitraum geleisteten Beträge verpflichtet.
2. Der Oberste Gerichtshof legt die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:
"1.1. Eine Voraussetzung des Anspruchs eines Elternteils auf Kinderbetreuungsgeld für sein Kind ist, dass der Elternteil mit diesem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt (§2 Abs1 Z2 KBGG idF BGBl I 2005/100). Diese Anspruchsvoraussetzung muss auch für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens erfüllt sein (§24 Abs1 Z1 KBGG).
1.2. Die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 620 BlgNR 21. GP 59 f) halten zu dieser Anspruchsvoraussetzung fest, dass sich die Voraussetzung des gemeinsamen Haushalts der beziehenden Person mit dem Kind im Normalfall aus den Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe ergibt, jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit auch im KBGG festgelegt wird. Nach den Erläuterungen im Durchführungserlass zum KBGG (abgedruckt in Ehmer ua, KBGG2 281 f) ist unter gemeinsamem Haushalt eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu verstehen, wofür eine idente Hauptwohnsitzmeldung von Antragsteller/in und Kind ein Indiz bildet.
1.3. Zweck des als Familienleistung konzipierten Kinderbetreuungsgeldes ist, es einem Elternteil zu ermöglichen, sich in der ersten Lebensphase eines Kindes dessen Erziehung zu widmen, die Betreuungs- und Erziehungskosten auszugleichen und gegebenenfalls finanzielle Nachteile, die der Verzicht auf ein (Voll‑)Erwerbseinkommen bedeutet, abzumildern. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Betreuungsleistungen von jenem Elternteil erbracht werden, der mit dem Kind einen gemeinsamen Haushalt führt.
2.1. Der durch BGBl I 2009/116 eingefügte §2 Abs6 KBGG lautet:
'(6) Ein gemeinsamer Haushalt im Sinne dieses Gesetzes liegt nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind auch an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Der gemeinsame Haushalt gilt bei mehr als dreimonatiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer der Abwesenheit des Elternteils oder des Kindes jedenfalls als aufgelöst.'
§2 Abs6 KBGG ist auch auf das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens anzuwenden (§24d Abs1 KBGG).
2.2. Die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 340 BIgNR 24. GP 9) führen zu §2 Abs6 KBGG aus:
'Nach dem Meldegesetz ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der der Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen ('Lebensmittelpunkt') liegt. Bei getrennten Hauptwohnsitzmeldungen des beziehenden Elternteiles und des Kindes einerseits und der gegenteiligen Angaben (zB gemeinsamer Lebensmittelpunkt und gemeinsamer Haushalt an einer der beiden Adressen) bei den Krankenversicherungsträgern andererseits, handelt es sich um einen aufklärungsbedürftigen Widerspruch. Damit entstehen in den meisten Fällen unnötige Belastungen der Eltern und der Behörden. Durch die Klarstellung, dass ein gemeinsamer Haushalt eine auf längere Zeit gerichtete Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dementsprechenden Hauptwohnsitzmeldungen des Elternteiles und des Kindes an derselben Adresse voraussetzt, wird eine Entlastung der Eltern und der Krankenversicherungsträger erreicht. Der gemeinsame Haushalt kann bereits ab dem ersten Tag der Abwesenheit des Elternteiles bzw. des Kindes aufgelöst sein. Für Zeiträume bis drei Monate ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob der gemeinsame Haushalt aufgelöst ist. Ab einer (tatsächlichen oder voraussichtlichen) Abwesenheit von mehr als drei Monaten ist der Zeitraum von einer derartigen Dauer, dass für die Zeit der Abwesenheit von keinem gemeinsamen Haushalt auszugehen ist, für die Behörden entfallen daher aufwendige Prüftätigkeiten.'
2.3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bringt das Abstellen auf die 'hauptwohnsitzliche Meldung' zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber den melderechtlichen Hauptwohnsitzbegriff des §1 Abs7 MeldeG 1991 anwenden wollte und nicht jenen des Art6 Abs3 B‑VG, der eine 'Unterkunft' nicht voraussetzt (10 ObS 69/14s).
3.1. Während eine idente Hauptwohnsitzmeldung vom Elternteil, der die Leistung beantragt und bezieht, und Kind vor der KBGG-Novelle BGBI I 2009/116 lediglich ein Indiz für das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts bildete, muss nach der geltenden Rechtslage kumulativ zum gemeinsamen Haushalt eine 'hauptwohnsitzliche Meldung' am Ort des gemeinsamen Haushalts vorliegen, damit die Anspruchsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts von Elternteil und Kind erfüllt ist.
3.2.1. Nach §31 Abs2 erster Fall KBGG besteht die Verpflichtung zum Ersatz der empfangenen Leistung auch dann, wenn rückwirkend eine Tatsache festgestellt wurde, bei deren Vorliegen kein Anspruch besteht. Als rückwirkend festgestellte Tatsachen im Sinn dieser Bestimmung gelten alle für die Zuerkennung des Anspruchs maßgeblichen Umstände, die mit Rückwirkung erst zu einem nach der Zuerkennung liegenden Zeitpunkt, zB durch Gerichtsurteil oder Entscheidung einer Behörde, festgestellt wurden. Dieser Rückforderungstatbestand normiert nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine objektive Rückzahlungsverpflichtung, die nur davon abhängig ist, dass sich nachträglich eine (ursprünglich nicht bekannte) Tatsache herausstellte, bei deren Vorliegen kein Anspruch auf die Leistung besteht (10 ObS 106/13f, SSV-NF 27/63; 10 ObS 91/11x, SSV-NF 25/102; 10 ObS 54/10d, SSV-NF 24/86).
3.2.2. Dementsprechend ordnet §30 Abs2 KBGG an, dass die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen ist, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung einer Leistung nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt (10 ObS 91/11x, SSV-NF 25/102).
3.2.3. Der Rückforderungstatbestand des §31 Abs2 erster Fall KBGG bezieht sich nicht nur auf Umstände, die bei Gewährung des Anspruchs schon verwirklicht, jedoch nicht bekannt waren und daher nicht berücksichtigt werden konnten, sondern auch auf solche, die erst nach der Gewährung des Anspruchs entstehen und den Sozialversicherungsträger zu einem Widerruf oder einer rückwirkenden Berichtigung der Bemessung berechtigen (10 ObS 157/14g).
4. Nach der geltenden Rechtslage ist die Klägerin gemäß §31 Abs2 erster Fall KBGG verpflichtet, das von ihr während des Zeitraums, in dem sie mit ihrem Sohn zwar tatsächlich im gemeinsamen Haushalt lebte, aber an dessen Adresse nur sie, nicht jedoch das Kind hauptwohnsitzlich gemeldet waren, bezogene Kinderbetreuungsgeld zurückzuzahlen, weil sie in diesem Zeitraum die Anspruchsvoraussetzung nach §2 Abs1 Z2 und Abs6 KBGG nicht erfüllte. Ob sie die Ummeldung ihres Sohnes schuldhaft unterlassen hat, ist für den (verschuldensunabhängigen) Rückforderungsanspruch der beklagten Partei nicht erheblich.
5.1. Anlass, an der Sachlichkeit des §2 Abs6 erster Satz KBGG zu zweifeln, besteht aus folgenden Gründen.
5.2. Die vom Gesetzgeber mit der Regelung bezweckte 'Entlastung der Eltern und der Krankenversicherungsträger' tritt nur ein, wenn die Hauptwohnsitzmeldungen von Elternteil und Kind nicht übereinstimmen. Nur in diesem Fall, der einfach durch eine Abfrage im Zentralen Melderegister festzustellen ist, bedarf es keiner Prüfung, ob der Elternteil und das Kind tatsächlich zusammenleben. Sonst indizieren übereinstimmende Hauptwohnsitzmeldungen lediglich das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts an dieser Adresse, beweisen diese Anspruchsvoraussetzung aber nicht, die eine Betreuung des Kindes durch den die Leistung beziehenden Elternteil sichern soll.
5.3. Gemäß §3 Abs1 MeldeG 1991 ist innerhalb von drei Tagen zu melden, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt. Wer seine Unterkunft in einer Wohnung aufgibt, ist innerhalb von drei Tagen davor oder danach bei der Meldebehörde abzumelden (§4 Abs1 MeldeG 1991).
5.4. Die Anspruchsvoraussetzung nach §2 Abs1 Z2 KBGG ist jedoch schon an dem Tag nicht (mehr) erfüllt, an dem ein beziehender Elternteil und Kind ihren gemeinsamen Haushalt in eine andere Wohnung verlegen, und zwar selbst dann, wenn sich die andere Wohnung im selben Gebäude wie die aufgegebene befindet (vgl §3 Abs2 MeldeG 1991).
5.5. Die Normierung der übereinstimmenden Hauptwohnsitzmeldungen in §2 Abs6 erster Satz KBGG als mittelbare Anspruchsvoraussetzung wirkt in Verbindung mit §31 Abs2 erster Fall KBGG im Ergebnis als Sanktion für die Verletzung von Meldevorschriften selbst dann, wenn die Verletzung nicht schuldhaft erfolgte. Der einzelne beziehende Elternteil, der weiter mit dem Kind tatsächlich zusammenlebt, aber eine Hauptwohnsitzmeldung nur für sich oder nur für das Kind vornimmt, ist zur Rückzahlung von Kinderbetreuungsgeld in unter Umständen beträchtlicher Höhe verpflichtet, obwohl er mit dem Kind zusammenlebt und ihm die Regelung eine 'unnötige Belastung' ersparen soll. Lebt der beziehende Elternteil mit dem Kind nicht mehr im gemeinsamen Haushalt, stimmen ihre Hauptwohnsitzmeldungen aber noch überein, so genügt für die Feststellung des Wegfalls der Anspruchsvoraussetzung nicht eine einfache Abfrage im Zentralen Melderegister. Hat der auszahlende Krankenversicherungsträger kein Anzeichen für eine Aufhebung des gemeinsamen Haushalts, wird es nicht zu Ermittlungen kommen, ob bis zum letzten Tag des Kinderbetreuungsgeldbezugs die Anspruchsvoraussetzung nach §2 Abs1 Z2 KBGG erfüllt wurde. In der Konstellation der Aufhebung des gemeinsamen Haushalts bei gleichzeitige[n] übereinstimmende[n] Hauptwohnsitzmeldungen des beziehenden Elternteils und des Kindes wird es wohl in weit weniger Fällen zu einer Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Leistung kommen.
5.6. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dürfen der Verfahrensökonomie dienende, sohin auf Verwaltungsvereinfachung zielende und zumeist pauschalierende Regelungen vom Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dem Gleichheitssatz nur derart getroffen werden, dass diese nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens widersprechen. Der Gleichheitssatz lässt es zwar an sich zu, auf die Praktikabilität des Gesetzes Bedacht zu nehmen. Die Erlaubnis ist nicht schrankenlos; sie findet ihre Grenze dort, wo anderen Überlegungen, die gegen die Regelung sprechen, größeres Gewicht beizumessen ist als den verwaltungsökonomischen (VfSlg 13.726/1994 mwN).
Die vorstehenden Erwägungen lassen die nur partiell vereinfachend wirkende, die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung nach §2 Abs1 Z2 KBGG nicht in allen Fällen gewährleistende und mitunter sehr schwere nachteilige Rechtsfolgen für den beziehenden Elternteil, obwohl er tatsächlich mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt lebt, in Kauf nehmende Bestimmung des §2 Abs6 erster Satz KBGG nicht als sachlich gerechtfertigt erscheinen. Es erscheint nämlich insbesondere nicht einsichtig, warum in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem objektiv begründete Zweifel an der Richtigkeit der Hauptwohnsitzmeldung einer Person bestehen, im Rahmen des Vorbringens dazu nicht Ermittlungen stattfinden dürfen, um die Frage, ob der beziehende Elternteil mit dem Kind nach ihren tatsächlichen Lebensverhältnissen in einem gemeinsamen Haushalt lebt, objektiv klären zu können. Während nämlich eine Hauptwohnsitzmeldung nach herrschender Ansicht eine Tatbestandswirkung für die Frage entfaltet, welcher Ort als Hauptwohnsitz einer Person gilt, sodass von einem Hauptwohnsitz auch dann auszugehen ist, wenn die Bezeichnung zu Unrecht erfolgt ist (vgl VfGH 11. 3. 2015, E1264/2014 mwN), ist für die Beurteilung der Frage, ob ein gemeinsamer Haushalt besteht, das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft aufgrund der tatsächlichen Lebensverhältnisse zu prüfen. Eine idente Hauptwohnsitzmeldung von beziehendem Elternteil und Kind ist zwar ein Indiz, aber kein Beweis für die Haushaltszugehörigkeit des Kindes. Schließlich ist, wie bereits ausgeführt, auch kein sachlicher Zusammenhang zwischen dem − anderen Zielen dienenden − Kinderbetreuungsgeldbezug und der Effektuierung von Meldevorschriften erkennbar." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:
"1. Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.
2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist dem (Familien‑)Gesetzgeber im Bereich der Familienpolitik im Allgemeinen sowie im Beihilfenrecht im Besonderen generell ein weiter rechtspolitischer Spielraum zuzubilligen (VfSlg 19.411/2011). So hat der Verfassungsgerichtshof zusammenfassend im Erkenntnis VfSlg 14.694/1996 (Punkt 4.2.) ua ausgeführt, dass der Gesetzgeber nicht gehalten ist, Beihilfen in unbeschränkter Weise zu gewähren (VfSlg 5972/1969). Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Judikatur zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber bei Verfolgung familienpolitischer Ziele frei ist (VfSlg 8541/1979). Der dem Gesetzgeber grundsätzlich zustehende Gestaltungsspielraum wird durch das Gleichheitsgebot nur insofern beschränkt, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht besteht (VfSlg 8073/1977).
Zudem entspricht es auch der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, dass der Gesetzgeber – ohne mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Widerspruch zu geraten – bei der Normsetzung eine Durchschnittsbetrachtung anstellen, von Regelfällen ausgehen und pauschalierende Regelungen treffen bzw typisieren kann (zB VfSlg 10.455, 13.659).
Die Absicht, einen unwirtschaftlichen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, bildet – wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 6840/1972 betont hat – ein aus der Sicht des Gleichheitssatzes anzuerkennendes Motiv des Gesetzgebers (VfSlg 8696/1979, 12.642/1991, 13.659/1993). Ein Gesetz ist zudem nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn sein Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird (VfSlg 10.455/1985, 14.301/1995, 15.031/1997).
In diesem Sinne hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluss G402/2015 vom 21. September 2015 die Behandlung eines auf die Aufhebung des – hier verfahrensgegenständlichen – ersten Satzes des §2 Abs6 KBGG gerichteten Antrags abgelehnt, wobei er u.a. ausführte: 'Bei der Ausgestaltung ist es [dem Gesetzgeber] gestattet, einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen und von einer Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Nicht jede Unbilligkeit, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, ist dabei bereits als unsachlich zu werten; auch das Entstehen von Härtefällen macht für sich alleine eine Regelung noch nicht unsachlich (VfSlg 14.694/1996, 18.705/2009, 19.411/2011). Es ist dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, wenn er mit der Anknüpfung an die hauptwohnsitzliche Meldung des beziehenden Elternteiles und des Kindes eine für die Vollziehung leicht handhabbare Regelung schafft.'
2.2. Gemäß §2 Abs1 Z2 iVm §2 Abs6 erster Satz KBGG stellt das Leben jenes Elternteils, der einen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld geltend macht, mit diesem Kind im gemeinsamen Haushalt eine der anspruchsbegründenden Voraussetzungen dar; dabei liegt ein gemeinsamer Haushalt nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind auch an derselben Adresse (im Sinne des §1 Abs7 des Meldegesetzes 1991) hauptwohnsitzlich gemeldet sind.
Vor der KBGG-Novelle BGBl I Nr 116/2009, durch die der Abs6 dem §2 angefügt wurde, stellte die idente Hauptwohnsitzmeldung des die Leistung beantragenden Elternteils und des Kindes lediglich ein Indiz für das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts dar. Nach geltender Rechtslage ist nunmehr nicht nur der gemeinsame Haushalt, sondern auch die gemeinsame hauptwohnsitzliche Meldung ein konstitutives Anspruchskriterium. In den Erläuterungen zu dieser Novelle wird die Festsetzung dieses Anspruchskriteriums u.a. mit einer 'Entlastung der Eltern und der Krankenversicherungsträger' begründet (340 BlgNR XXIV. GP , S. 9).
2.3. Der Oberste Gerichtshof hegte bislang ausdrücklich keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das 'klare und eindeutige' Erfordernis, dass der Gesetzgeber in §2 Abs6 KBGG für die Beurteilung der Frage des Vorliegens eines gemeinsamen Haushalts auch auf die hauptwohnsitzliche Meldung abstellt (vgl. 10 ObS 117/12x, 10 ObS 57/13z, 10 ObS 156/12g, 10 ObS 14/13a). Zudem wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, dass sich die klagende Partei im Einzelfall nicht darauf stützen kann, sie habe die Bestimmung des §2 Abs6 erster Satz KBGG nicht gekannt (10 ObS 117/12x).
Nunmehr hegt der Oberste Gerichtshof Zweifel an der Sachlichkeit des §2 Abs6 erster Satz KBGG. Der Oberste Gerichtshof hält es insbesondere im Hinblick auf die mitunter sehr schweren nachteiligen Rechtsfolgen für den beziehenden Elternteil für erforderlich, einen von dem letzten gemeldeten Hauptwohnsitz abweichenden tatsächlichen Hauptwohnsitz zugunsten eines Beziehers von Kinderbetreuungsgeld zu berücksichtigen; die angefochtene Vorschrift wirke im Ergebnis als Sanktion für die Verletzung von Meldevorschriften, und zwar selbst dann, wenn die Verletzung nicht schuldhaft erfolgte.
Damit wird der antragstellende Gerichtshof nach Ansicht der Bundesregierung der Bedeutung des Hauptwohnsitzes in der österreichischen Rechtsordnung und damit auch der Erfüllung der diesbezüglichen Meldevorschriften nicht gerecht:
2.4. Die Hauptwohnsitzmeldung ist ein wesentliches Element der österreichischen Rechtsordnung und Anknüpfungspunkt zahlreicher gesetzlicher Regelungen. Sie wird für viele Bereiche herangezogen, sei es zB für Leistungsansprüche, sei es für andere Rechte und Pflichten.
Nach einer Übersiedelung ist daher die Ummeldung des Hauptwohnsitzes für alle Familienmitglieder an die neue Wohnadresse der vordringliche Behördenweg. Im Normalfall meldet eine Person sich und alle Familienmitglieder am selben Tag an die neue Wohnadresse um. In seltenen Einzelfällen erscheint es als vorstellbar, dass dabei auf ein Kind 'vergessen' und in kürzester Zeit die Hauptwohnsitzmeldung für dieses Kind nachgeholt wird. Angesichts der im Zuge einer Übersiedelung durchzuführenden weiteren Änderungsmeldungen und Behördenwege ist es jedoch kaum vorstellbar, dass alle Familienmitglieder umgemeldet werden und nur auf eine Person monatelang vergessen wurde. Eine Situation wie die vorliegende, wonach ein Elternteil sich und den Ehegatten korrekt ummeldet, ein Kind jedoch zu früh ummeldet und das andere Kind zu spät, was monatelang nicht aufgefallen sein soll, kommt demnach so gut wie nie vor.
2.5. Der Gesetzgeber sieht für alle Eltern dieselben Anspruchsvoraussetzungen vor und stellt bei der Anspruchsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts von Bezieher und Kind (im Sinne einer auf Dauer angelegten Wohn- und Wirtschafts-gemeinschaft samt identer Hauptwohnsitzmeldung) auf den Regelfall ab. In der absoluten Mehrzahl der Fälle leben Eltern mit ihren Kindern in einer gemeinsamen Wohnung und sind dort auch alle hauptwohnsitzlich gemeldet. Eltern, die mit dem Kind in einem Haushalt am selben Hauptwohnsitz zusammenleben, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld haben. Dabei geht der Gesetzgeber vom Regelfall des gesetzestreuen Bürgers aus, also von der Tatsache, dass grundsätzlich alle Eltern gesetzeskonform den Hauptwohnsitz an jener Adresse melden, an der sie und ihre Kinder auch tatsächlich gemeinsam leben und zu dem daher das entsprechende gemeinsame Naheverhältnis besteht. Die Bundesregierung teilt daher auch nicht die Ansicht des antragstellenden Gerichtshofes, dass das Erfordernis gesetzeskonforme Wohnsitzmeldung den Erfahrungen des täglichen Lebens widerspricht.
2.6. Dem Gesetzgeber standen bei der Schaffung der angefochtenen Bestimmung vor allem Fälle mit divergierenden Wohnsitzmeldungen vor Augen. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass immer wieder Eltern bei verschiedensten Behörden und Einrichtungen nicht miteinander im Einklang zu bringende Angaben darüber machten, wo sie lebten. Falsche Hauptwohnsitzmeldungen erfolgten in vielen Fällen zur Erreichung einer Leistungsmaximierung, weil somit einerseits das Kinderbetreuungsgeld und andererseits auch diverse weitere Zuwendungen oder Vorteile erzielt werden konnten. Dies verursachte einen massiven Prüf- und somit Verwaltungsaufwand, der auch die Eltern mit zeitaufwendiger Mitwirkung (Vorlage von Nachweisen, Bestätigungen anderer Behörden, diversen Unterlagen usw.) belastete und die Wartezeiten auf die Auszahlung verzögerte. Um die Krankenversicherungsträger von derartigen aufwendigen Überprüfungen und Nachforschungen zu entlasten, den Eltern den Mitwirkungsaufwand weitgehend zu ersparen, Missbrauch hintanzuhalten und eine raschere Bearbeitung und somit auch Auszahlung zu ermöglichen, wurde vom Gesetzgeber das Kriterium der identen Hauptwohnsitzmeldung im KBGG explizit klargestellt.
Ein völliger Wegfall der Kontrollen konnte dadurch selbstverständlich nicht erreicht werden, diese müssen anlassfallbezogen und stichprobenartig durchgeführt werden. Die Überprüfungen erfolgen hinsichtlich beider Kriterien des gemeinsamen Haushaltes – dh. einerseits der identen Hauptwohnsitzmeldungen, andererseits auch der dauernden Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft – gleichermaßen. Fälle mit identen Hauptwohnsitzmeldungen ohne Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft sind etwa bei getrenntlebenden Eltern anzutreffen, die so versuchen, eine verlängerte Auszahlung des Kinderbetreuungsgeldes (Väter- bzw. Plusmonate) zu erreichen, diese Fälle sind durch andere Daten-Abfragen (zB hinsichtlich kindbezogener Leistungsansprüche der Kindesmutter, wie Familienbeihilfenbezug, Bezug von Kinderzuschüssen zum Arbeitslosengeld, Pension usw.) überprüfbar.
Tatsächlich hat sich gezeigt, dass §2 Abs6 KBGG große Verwaltungsvereinfachungen (der Krankenversicherungsträger kann den unberechtigten Bezug infolge unterschiedlicher Hauptwohnsitze leichter feststellen) sowie Vereinfachungen und verkürzte Wartezeiten für die Eltern gebracht hat.
2.7. Wenn in der Antragsbegründung (in Punkt 5.4.) angeführt wird, dass die Anspruchsvoraussetzung schon am Tag der Verlegung des gemeinsamen Haushaltes in eine andere Wohnung nicht mehr erfüllt ist, so ist dem entgegenzuhalten, dass die in §3 Abs1 des Meldegesetzes 1991 vorgesehene Toleranzfrist von drei Tagen im Rahmen einer systematischen Interpretation des §2 Abs1 Z2 KBGG auch von den Krankenversicherungsträgern angewendet wird.
3. Zusammenfassend ist die Bundesregierung daher der Ansicht, dass es sachlich gerechtfertigt ist, wenn sich der Gesetzgeber in §2 Abs6 KBGG auf die Hauptwohnsitzmeldung stützt, ohne zugunsten des Anspruchswerbers einen abweichenden tatsächlichen Hauptwohnsitz zu berücksichtigen. §2 Abs6 erster Satz des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (KBGG), BGBl I Nr 103/2001, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 116/2009, ist daher nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig."
4. Die in dem beim Obersten Gerichtshof anhängigen Verfahren klagende Partei hat eine Äußerung erstattet, in der sie sich gegen die – im vorliegenden Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilende – Anwendung der Rückforderungstatbestände durch das Berufungsgericht wendet und ausführt, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Zuge einer verfassungskonformen Interpretation des Erfordernisses des gemeinsamen Hauptwohnsitzes im Sinne des Art6 Abs3 B‑VG erfüllt seien.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B‑VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B‑VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Aus dieser Grundposition folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011). Dagegen macht eine zu weite Fassung des Antrages diesen, soweit die Präjudizialität für den gesamten Antrag gegeben ist, nicht zur Gänze unzulässig, sondern führt, ist der Antrag in der Sache begründet, im Falle der Aufhebung nur eines Teiles der angefochtenen Bestimmungen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 16.989/2003 mwN, 19.684/2012 und 19.746/2013).
1.3. Es ist nichts hervorgekommen, was an der Präjudizialität der angefochtenen Gesetzesbestimmung zweifeln ließe. Auch von Seiten der Bundesregierung wurden keine Einwände gegen die Zulässigkeit des Antrages erhoben. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).
2.2. Der Antrag ist nicht begründet.
2.2.1. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes steht das Erfordernis der hauptwohnsitzlichen Meldung von Elternteil und Kind an derselben Adresse in Widerspruch zu dem aus dem Gleichheitssatz abgeleiteten Sachlichkeitsgebot. Zwar dürften vom Gesetzgeber der Verfahrensökonomie dienende, sohin auf Verwaltungsvereinfachung zielende pauschalierende Regelungen getroffen werden; diese Erlaubnis finde jedoch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ihre Grenze dort, wo anderen Überlegungen, die gegen die Regelung sprechen, größeres Gewicht beizumessen ist als den verwaltungsökonomischen. Die Anspruchsvoraussetzung des §2 Abs6 erster Satz KBGG wirke nur partiell vereinfachend, nehme aber mitunter sehr schwere nachteilige Rechtsfolgen für den beziehenden Elternteil in Kauf. Eine Regelung, nach der in einem Fall, in dem objektiv begründete Zweifel an der Hauptwohnsitzmeldung einer Person bestünden, das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes von beziehendem Elternteil und Kind nach ihren tatsächlichen Lebensverhältnissen nicht ermittelt bzw. objektiv geklärt werden könne, erscheine sachlich nicht gerechtfertigt.
2.2.2. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).
2.2.3. Im Rahmen der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes im Jahr 2001 war laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage vorrangiges Ziel, ein Kinderbetreuungsgeld als Familienleistung unabhängig von einer früheren Erwerbstätigkeit zu gewähren, mit dem "die Betreuungsleistung der Eltern anerkannt und teilweise abgegolten und gleichzeitig, im Sinne einer größeren Wahlfreiheit bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Art der Kinderbetreuung, […] die mit einer außerhäuslichen Betreuung von Kindern verbundene finanzielle Belastung teilweise abgegolten" werde (Erläut. zur RV 620 BlgNR 21. GP , 55). Anspruchsberechtigt seien damit grundsätzlich Eltern, die für ihr Kind Familienbeihilfe beziehen. Die Voraussetzung des gemeinsamen Haushaltes der beziehenden Person mit dem Kind ergebe sich im Normalfall aus den Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe, werde jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit auch in §2 Abs1 Z2 KBGG festgelegt (Erläut. zur RV 620 BlgNR 21. GP , 59).
Mit BGBl I 116/2009 wurde dem §2 KBGG ein Abs6 angefügt, wonach der nach §2 Abs1 Z2 leg.cit. geforderte gemeinsame Haushalt zwischen dem leistungsbeziehenden Elternteil und dem Kind nur vorliegt, wenn beide an derselben Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet sind.
Die Erläuterungen zu Regierungsvorlage (340 BlgNR 24. GP , 9) führen hiezu aus:
"Nach dem Meldegesetz ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der der Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen (Lebensmittelpunkt) liegt. Bei getrennten Hauptwohnsitzmeldungen des beziehenden Elternteiles und des Kindes einerseits und gegenteiligen Angaben (zB gemeinsamer Lebensmittelpunkt und gemeinsamer Haushalt an einer der beiden Adressen) bei den Krankenversicherungsträgern andererseits, handelt es sich um einen aufklärungsbedürftigen Widerspruch. Damit entstehen in den meisten Fällen unnötige Belastungen der Eltern und der Behörden. Durch die Klarstellung, dass ein gemeinsamer Haushalt eine auf längere Zeit gerichtete Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dementsprechenden Hauptwohnsitzmeldungen des Elternteiles und des Kindes an derselben Adresse voraussetzt, wird eine Entlastung der Eltern und der Krankenversicherungsträger erreicht.
Der gemeinsame Haushalt kann bereits ab dem ersten Tag der Abwesenheit des Elternteiles bzw. des Kindes aufgelöst sein. Für Zeiträume bis drei Monate ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob der gemeinsame Haushalt aufgelöst ist. Ab einer (tatsächlichen oder voraussichtlichen) Abwesenheit von mehr als drei Monaten ist der Zeitraum von einer derartigen Dauer, dass für die Zeit der Abwesenheit von keinem gemeinsamen Haushalt auszugehen ist, für die Behörden entfallen daher aufwendige Prüftätigkeiten."
2.2.4. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber bei der Verfolgung familienpolitischer Ziele frei ist und ihm im Beihilfenrecht ein weiter, durch das Sachlichkeitsgebot begrenzter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zukommt (VfSlg 14.694/1996 mwN, 17.954/2006, 19.411/2011).
Ein Gesetz ist nicht schon dann gleichheitswidrig, wenn sein Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird. Nicht jede Härte im Einzelfall, die eine einheitliche Regelung mit sich bringt, kann bereits als unsachlich gewertet werden. Dem Gesetzgeber muss es gestattet sein, eine einfache und leicht handhabbare Regelung zu treffen (vgl. VfSlg 11.616/1988, 14.694/1996, 16.361/2001, 16.641/2002, zu familienpolitischen Maßnahmen insbesondere VfSlg 14.694/1996, 18.705/2009, 19.411/2011 mwN).
2.2.5. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass der Gesetzgeber auf den Regelfall abstellen darf, dass grundsätzlich leistungsbeziehende Eltern gesetzeskonform den Hauptwohnsitz an jener Adresse melden, an der sich der Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen befindet, und dass diese Meldung – sofern sie mit dem Kind im gemeinsamen Haushalt leben – mit der Adresse der hauptwohnsitzlichen Meldung des Kindes zusammenfällt. Die Anknüpfung an die gemeinsame Hauptwohnsitzmeldung, die diesen Umstand dokumentiert, dient der leichteren Administrierbarkeit bei der Beurteilung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Kinderbetreuungsgeld. Der Gesetzgeber hat damit eine Regelung getroffen, die insbesondere Gesichtspunkten der administrativen Handhabbarkeit und Verwaltungsökonomie Rechnung trägt (vgl. VfSlg 18.705/2009).
Dem Gesetzgeber ist daher nicht entgegenzutreten, wenn er für die Gewährung einer Leistung, die zudem nur für einen begrenzten Zeitraum gebührt, ein leicht zu erfüllendes Anspruchskriterium festlegt. Demgegenüber ist davon auszugehen, dass die Ermittlung der Haushaltszugehörigkeit von Elternteil oder Kind (sofern Zweifel entstanden sind) einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringen kann.
Dass der Gesetzgeber keine Ausnahmen vom Erfordernis der hauptwohnsitzlichen Meldung vorgesehen hat, um unvermeidbare Härtefälle abzufedern, und keine Möglichkeit eröffnet, das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes auf andere Weise nachzuweisen, macht die Regelung nicht unsachlich (VfSlg 19.411/2011, vgl. auch VfGH 10.12.2015, G352/2015). Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Rückforderung gewisse Möglichkeiten der Abfederung von Härtefällen vorsieht (vgl. §31 Abs4 KBGG iVm §§72-74 BHG).
V. Ergebnis
1. Die vom Obersten Gerichtshof ob der Verfassungsmäßigkeit des §2 Abs6 erster Satz KBGG idF BGBl I 116/2009 erhobenen Bedenken treffen nicht zu.
Der Antrag ist daher abzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Der beteiligten Partei sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines auf Antrag eines Gerichtes eingeleiteten Normenprüfungsverfahrens Sache des antragstellenden Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (zB VfSlg 19.019/2010 mwN).
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