European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0639:2025:00400R00197.24H.0212.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei sowie der Erst- und der Zweitnebenintervenientin die mit je EUR 731,90 (darin enthalten EUR 121,98 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortungen zu ersetzen.
Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
Entscheidungsgründe:
Thema des Berufungsverfahrens ist die Frage der Haftung der Beklagten für die Folgen eines Sturzes des Klägers von einem Baugerüst, welches die von der Beklagten mit einer Dachsanierung beauftragte Erstnebenintervenientin errichtet hatte. Dem liegt folgender, vom Erstgericht festgestellter Sachverhalt zugrunde (soweit vom Kläger bekämpft kursiv dargestellt):
Die Beklagte beauftragte die Erstnebenintervenientin mündlich mit der Dachsanierung am Gebäude der Liegenschaft EZ ** KG **. Es war ihr Wunsch, dass sämtliche Arbeiten im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben über die Erstnebenintervenientin laufen und von dieser koordiniert werden. Sie wollte mit der Umsetzung dieses Bauvorhabens über die Beauftragung der Erstnebenintervenientin hinaus nichts zu tun haben. Der Auftrag umfasste die Instandsetzung bzw Verstärkung der Dachkonstruktion, den Innenausbau des Dachgeschosses, Dachdeckerarbeiten (Neueindeckung des Daches), die Baustellensicherung und die Baustellenkoordination. Bereits bei Auftragserteilung war klar, dass die Erstnebenintervenientin als Holzbauunternehmen und Baumeister zur Durchführung der Dachdeckerarbeiten einen entsprechenden Professionisten beiziehen wird, da sie selbst dieses Gewerk nicht ausführen darf ( F 1 ). Die Erstnebenintervenientin beauftragte im eigenen Namen die Zweitnebenintervenientin mit der Durchführung der Dachdecker- und Spenglerarbeiten. Die Zweitnebenintervenientin befand sich mit ihrer Leistungserbringung im Verzug. Sie beauftragte daher den Kläger am 24. September 2019 im eigenen Namen und auf eigene Rechnung aufgrund seiner Profession als Spengler unter anderem mit der ursprünglich an sie beauftragten Durchführung der Spenglerarbeiten. Der Erstnebenintervenientin war dies nicht bekannt; sie erfuhr davon erstmals nach dem 3. Oktober 2019. Die Erstnebenintervenientin führte ihre Leistungen aus, baute das Gerüst zur Durchführung der Dachdeckerarbeiten auf und beendete ihre Arbeiten rund zwei Wochen, bevor der Kläger auf der Baustelle tätig wurde. Das Baugerüst bestand aus zwei Ebenen, wobei die untere Ebene nur dem Zweck diente, das Gerüst zu versteifen, weshalb es im Gegensatz zur zweiten Ebene über keine Brust- und Mittelwehr (Querstreben) verfügte. Der Kläger stürzte am 3. Oktober 2019 bei Arbeiten zur Erhöhung der Dachrinne von der ersten Ebene des Baugerüsts.
Der Kläger begehrt von der Beklagten als Bauherrin und Werkbestellerin gemäß § 1169 ABGB iVm § 1157 ABGB wegen Verletzung ihrer Fürsorgepflichten Schmerzengeld und Verdienstentgang von gesamt EUR 56.960,00 sowie die Feststellung der Haftung für sämtliche negativen Folgen aus dem Vorfall vom 3. Oktober 2019, bei welchem er aufgrund eines mangelhaften Baugerüsts, welches auftrags der Beklagten aufgestellt worden sei, zu Sturz gekommen sei. Die Nebenverpflichtung des Werkbestellers auf Fürsorge aus dem Werkvertrag erstrecke sich auch auf Subunternehmer und deren Leute. Die Erstnebenintervenientin sei keine Generalunternehmerin, weil sie nur einen „schlichten Auftrag“ von der Beklagten erhalten habe.
Die Beklagte und die Nebenintervenienten bestreiten - soweit berufungsrelevant - die Passivlegitimation der Beklagten, welche als Bauherrin nicht für die Pflichten aus dem Vertrag zwischen der Erstnebenintervenientin als Generalunternehmerin und den Subunternehmern hafte.
Mit der angefochtenen Entscheidung weist das Erstgericht die Klagebegehren ab. Es trifft die auf den Urteilsseiten 5 bis 7 ersichtlichen Feststellungen. Rechtlich geht es davon aus, dass die Beklagte als Werkbestellerin keine Fürsorgepflicht getroffen habe, weil sie die Erstnebenintervenientin als Generalunternehmerin beauftragt und damit ihre Fürsorgepflicht an diese übertragen habe. Das Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) finde keine Anwendung, weil dieses für Arbeitnehmer und nicht für selbständige Unternehmer wie den Kläger gelte.
Mit der Berufung bekämpft der Kläger sowohl in der Berufungserklärung als auch im Berufungsantrag das Urteil nur hinsichtlich der Abweisung des Leistungsbegehrens im Umfang von EUR 3.348,60 samt Zinsen und beantragt, das Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren im Umfang von EUR 3.348,60 samt 4 % Zinsen stattgegeben werde; in eventu das Urteil im angefochtenen Umfang aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die Ausführungen des Klägers im Rahmen des Berufungsvortrags, aus advokatorischer Vorsicht auch das Feststellungsbegehren aufrechtzuerhalten, finden im maßgeblichen (RIS-Justiz RS0049520; RS0041771 [T 1]) Berufungsantrag keine Deckung und sind daher unbeachtlich.
Die Beklagte und die Nebenintervenienten erstatten je Berufungsbeantwortungen.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, kommt keine Berechtigung zu.
I. Zur Tatsachenrüge:
1.1. Der Kläger bekämpft die Feststellung F 1 und begehrt stattdessen die Ersatzfeststellung, dass „die Beklagte davon ausgegangen ist, dass die Erstnebenintervenientin keine weiteren Subunternehmer beiziehen werde und dass bei Auftragserteilung über die allfällige Beiziehung von Subunternehmen nicht gesprochen wurde“. Der Aussage der Beklagten komme keine Beweiskraft zu, weil sie die in der bekämpften Feststellung dargestellte Aussage erst „im zweiten Anlauf“ getroffen habe.
1.2. Die Beklagte sagte aus, sie sei davon ausgegangen, dass alle beauftragten Arbeiten von der Erstnebenintervenientin ausgeführt und keine Subunternehmen hinzugezogen würden. Über Befragen, ob über die Beiziehung von Subunternehmen gesprochen worden sei, gab sie an, dass sie grundsätzlich davon ausgegangen sei, dass ein Unternehmen, das im Holzbereich spezialisiert sei, dann allenfalls für Dachdeckerarbeiten ein anderes Unternehmen hinzuziehen müsse. Da die Erstnebenintervenientin keine Gewerbeberechtigung für Dachdeckerarbeiten aufweist, findet die Feststellung in diesen Beweisergebnissen Deckung, zumal diese passiv formuliert ist und keine Aussage darüber trifft, ob darüber auch gesprochen wurde. Die Aussage der Beklagten ist auch nicht widersprüchlich, wenn man davon ausgeht, dass juristische Laien nicht zwingend Kenntnisse über die rechtlichen Voraussetzungen einer Subunternehmerschaft aufweisen. Wesentlich für die Beklagte war, dass sie alle Arbeiten an die Erstnebenintervenientin vergeben hatte und insoweit alle Arbeiten von dieser (wie auch immer) erledigt werden sollten.
1.3. Bereits an dieser Stelle sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass es zum Wesen eines Werkvertrags gehört, dass Gegenstand der vereinbarten Leistung ein bestimmtes Projekt ist, der Werkunternehmer zwar an sachliche, nicht aber an persönliche Weisungen gebunden ist, und mangels anderslautender Vereinbarungen Gehilfen- und Subauftragnehmer beiziehen kann (Gruber-Risak/Pfeil in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 1151 Z 36).
2. In seiner weiteren Tatsachenrüge bekämpft der Kläger ausschließlich Ausführungen des Erstgerichts im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, die zusammengefasst dahin lauten, dass die Erstnebenintervenientin mit der Beklagten einen Generalunternehmervertrag abgeschlossen habe. Welches Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und der Erstnebenintervenientin auf Basis der Feststellungen besteht und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus für die Frage der Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger ergeben, ist jedoch eine nicht feststellbare Rechtsfrage. Auf die Ausführungen in der Rechtsrüge dazu wird verwiesen.
3. Das Berufungsgericht übernimmt daher die erstgerichtlichen Feststellungen und legt sie gemäß § 498 Abs 1 ZPO seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde.
II. Zur Rechtsrüge:
1. Der Kläger begehrt ergänzend die Feststellungen, wonach das Vertragsverhältnis als „schlichter Auftrag“ zu werten sei und die (richtig:) Beklagte auch davon ausgegangen sei, weshalb sie nach § 1169 ABGB iVm § 1157 ABGB hafte. Die Generalunternehmerschaft der Erstnebenintervenientin scheitere auch mangels Vorliegens einer „vorliegenden Planung“.
2. Nach den unbekämpften Feststellungen beauftragte die Beklagte die Erstnebenintervenientin mit sämtlichen Arbeiten im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben sowie der Baustellensicherung und der Baustellenkoordination im Zusammenhang mit den zu erbringenden Leistungen. Das Gerüst wurde von der Erstnebenintervenientin errichtet. Auf Basis dieser Feststellungen hat das Erstgericht zutreffend jede vertragliche und deliktische Haftung der Beklagten abgelehnt:
3. Charakteristisch für einen Generalunternehmervertrag ist, dass der Generalunternehmer das versprochene Werk nicht oder nicht zur Gänze im Rahmen seines eigenen Unternehmens erbringt, sondern seinerseits weitere Werkverträge mit Subunternehmern abschließt (2 Ob 129/15g; RS0021807 [T2]). Ein Generalunternehmer übernimmt die Herstellung eines Gesamtwerks im eigenen Namen, bedient sich aber zur Erfüllung „aller oder einzelner Tätigkeiten“ der Subunternehmer, die im Verhältnis zum Besteller seine Gehilfen sind (RS0021876 [T 7]). Ein derartiges Vertragsverhältnis besteht zwischen der Beklagten und der Erstnebenintervenientin, unabhängig davon, wie sie selbst dieses Vertragsverhältnis bezeichnet haben oder bezeichnet hätten. Mangels anderslautender Vereinbarung war die Erstnebenintervenientin als Werkunternehmerin berechtigt, Subunternehmer beizuziehen (siehe oben Punkt I.1.3.). Zutreffend ist das Erstgericht daher davon ausgegangen, dass die Erstnebenintervenientin rechtlich als Generalunternehmerin der Beklagten zu qualifizieren ist. Vertragspartnerin des Klägers ist die Zweitnebenintervenientin, die wiederum Vertragspartnerin der Erstnebenintervenientin ist.
4. Mangels gegenteiliger Vereinbarung sind die Verträge zwischen Besteller, Unternehmer und Subunternehmer nicht verzahnt, sondern grundsätzlich getrennt zu sehen (RS0021876 [T 8]). Der Subunternehmer steht mit dem Bauherrn nicht in vertraglicher Rechtsbeziehung (RS0021876 insb. [T 4]; RS0021863). Der Zweck der Bestellung eines Generalunternehmers besteht gerade darin, dass der Bauherr gegenüber Dritten nicht haftet und er nur dazu verpflichtet ist, was der Generalunternehmer aufgrund der mit ihm geschlossenen Vereinbarung verlangen kann (8 Ob 46/17y; RS0019409). Daraus folgt aber noch nicht zwingend, dass nicht auch der Subunternehmer und seine Leute im Schutzbereich des Generalunternehmervertrags zwischen Besteller und Generalunternehmer stehen (RS0021863).
5.1. Der Kläger stützt die behauptete Haftung der Beklagten ausschließlich auf eine Verletzung ihrer nebenvertraglichen Fürsorgepflichten als Werkbestellerin nach § 1169 ABGB iVm § 1157 ABGB. Die Fürsorgepflicht erstreckt sich grundsätzlich auch auf alle Personen, welche die Arbeiten ausführen, so auf die Dienstnehmer des Unternehmens, aber auch die Subunternehmer und deren Leute werden von ihr erfasst (2 Ob 162/08z; RS0021827 [T 6, T 12]; 2 Ob 129/15g). Diese Fürsorgepflicht wird jedoch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei Beauftragung eines Generalunternehmers diesem übertragen, worauf das Erstgericht bereits zutreffend hinweist. Dieser haftet dann dem Subunternehmer und dessen Leuten für die schuldhafte Verletzung der Fürsorgepflicht (2 Ob 129/15g mwN).
5.2. Im Rahmen des Generalunternehmervertrags ist der Auftraggeber verpflichtet, den Generalunternehmer vor möglichen Gefahrenquellen zu warnen, sodass dieser entsprechende Vorkehrungen treffen bzw seinen Subunternehmer aufklären kann (1 Ob 306/99b). Die nebenvertragliche Fürsorgepflicht der Beklagten als Bestellerin umfasst Warn- und Informationspflichten über gefährliche Umstände, sofern mögliche Gefahrenquellen nicht überhaupt beseitigt werden können (zuletzt 1 Ob 157/20z mwN). Der Umfang dieser nebenvertraglichen Warn- und Sicherungspflichten richtet sich danach, wie weit sich der Unternehmer in einen der Sphäre des Bestellers zuzuordnenden Bereich begibt, in dem er gefährdet ist (RS0021602 [T 12]; RS0123728). Die Fürsorgepflicht erstreckt sich nicht auf mit dem auszuführenden Werk unmittelbar verbundene und für den Unternehmer und seine Gehilfen nach ihren zu unterstellenden Fachkenntnissen erkennbare Gefahren (RS0021808; 2 Ob 129/15g; Kodek in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar Band 75 § 1169 Rz 14). Es besteht keine Fürsorgepflicht, soweit das Werk allein in der Sphäre des Werkunternehmers herzustellen ist und von der Bestellerseite keine Gefahr ausgeht (Kodek aaO Rz 14; 2 Ob 79/08v; RS0021602 [T 12]).
5.3. Gefahrenquellen in der Sphäre der Beklagten, welche dieser auch bekannt gewesen wären, lagen jedoch nicht vor, vielmehr führte eine von der Erstnebenintervenientin selbst errichtete (potentielle) Gefahrenquelle zum Sturz des Klägers. Es gehörte nicht zum vereinbarten Aufgabenbereich der Beklagten, dem Kläger (oder der Zweit- oder der Erstnebenintervenientin) ein Gerüst zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grund ist die das Gerüst für eigene Zwecke errichtende Erstnebenintervenientin bei der Gerüsterrichtung auch nicht als Erfüllungsgehilfin der Beklagten tätig geworden (vgl 8 Ob 40/10f). Dem sachkundigen Kläger musste ein allfälliger Mangel des Gerüsts und die damit verbundene Gefährlichkeit weit eher erkennbar sein, als der nicht sachkundigen Beklagten als Werkbestellerin (vgl 8 Ob 40/10f). Dass der Beklagten ein allfälliger Mangel des Gerüsts bekannt war - nur unter dieser Voraussetzung wäre sie verpflichtet gewesen, Abhilfe zu schaffen -, wurde vom Kläger nicht einmal behauptet (vgl 8 Ob 40/10f).
6. Eine Verletzung von Fürsorgepflichten der Beklagten als Werkbestellerin liegt daher nicht vor. Der Berufung kommt daher kein Erfolg zu.
III. Kosten, Zulassung:
1. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat der Beklagten und den Nebenintervenienten die Kosten der Berufungsbeantwortungen zu ersetzen. Die verzeichneten Kosten der Beklagen und der Erstnebenintervenientin waren auf den Berufungsstreitwert von EUR 3.348,60 zu korrigieren.
2. Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
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