OGH 9ObA79/07v

OGH9ObA79/07v8.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Umfahrer und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ruzica L*****, Küchenhilfe, *****, vertreten durch Dr. Ingo Riß, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wilhelm V*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 3.530 brutto sA (Revisionsinteresse EUR 696,76), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 2007, GZ 8 Ra 31/07y-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 23. Oktober 2006, GZ 6 Cga 32/06b-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie einschließlich des unangefochten gebliebenen Teils des Ersturteils insgesamt zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von EUR 2.879,71 samt 9,47 % Zinsen seit 1. 1. 2006 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von EUR 650,29 samt 9,47 % Zinsen seit 1. 1. 2006 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei, die mit EUR 739,26 (darin EUR 113,87 Barauslagen und EUR 104,23 USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei, die mit EUR 291,65 (darin EUR 48,61 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei, die mit EUR 199,87 (darin EUR 33,31 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Revisionsverfahren ist nur mehr die Bemessung der Abfertigung der Klägerin strittig. Die noch in erster Instanz im Vordergrund stehende (und dort verneinte) Frage, ob es zwischen den Parteien ab September 2005 zu einer einvernehmlichen Reduktion der Arbeitszeit von 38,5 auf 23 Stunden gekommen sei, spielt in dritter Instanz - wie auch schon im Berufungsverfahren - keine Rolle mehr. Die Wiedergabe des Vorbringens der Parteien und des Inhalts der vorinstanzlichen Entscheidungen kann sich daher auf das zum Verständnis der Bemessung der Abfertigung Notwendige beschränken.

Der Beklagte betreibt ein Feinkost- und Fischgeschäft. Die Klägerin war beim Beklagten seit September 1998 - abgesehen von einer „Unterbrechung" in der Zeit vom Mai bis August 2001 (mit Anrechnung der Vordienstzeiten) - durchgehend angestellt. Sie war damit einverstanden, dass ab dem Jahr 2002 jeweils in der Zeit vom Mai bis August ihre sonst übliche Wochenarbeitszeit von 38,5 auf 20 Stunden reduziert wird. Die Initiative dazu ging vom Beklagten aus, weil der Fischhandel im Sommer nicht so gut lief. Den Wunsch des Beklagten, die Wochenarbeitszeit der Klägerin ab September 2005 dauerhaft auf 23 Stunden zu reduzieren, lehnte die Klägerin allerdings ab. Ihr mtl Gehalt betrug in den Monaten der Vollzeitbeschäftigung mit 38,5 Wochenstunden EUR 1.160 brutto, in den Monaten der Teilzeitbeschäftigung mit 20 Wochenstunden EUR 602,60 brutto. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde am 29. 9. 2005 durch Arbeitgeberkündigung zum 31. 12. 2005 beendet. Der Beklagte bezahlte der Klägerin - eine dauerhafte Reduktion der Arbeitszeit auf 23 Wochenstunden zugrundelegend - eine Abfertigung von EUR 2.865 brutto. Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage den Betrag von EUR

3.530 brutto sA, wovon EUR 1.195 sA auf restliche Abfertigung, resultierend aus der Differenz zwischen den Berechnungen bei Zugrundelegung von 38,5 bzw 23 Wochenstunden, entfallen. Die Abfertigung sei auf der Basis des letzten Monatsentgelts zu berechnen.

Der Beklagte bestritt das Klagevorbringen, beantragte die Klageabweisung und wendete ein, dass der Klägerin, basierend auf dem Durchschnittseinkommen im Jahr 2005, ohnedies bereits eine Abfertigung von EUR 2.865 brutto bezahlt worden sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt. Der Beklagte habe der Berechnung der Abfertigung zu Unrecht lediglich 23 Wochenstunden zugrundegelegt.

Das Berufungsgericht gab der nur gegen die Abfertigungsdifferenz von EUR 696,76 erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die in § 502 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen nicht vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei bei einer dauerhaften Entgeltänderung auf das zuletzt bezogene Entgelt abzustellen. Die bloß vorübergehende Teilzeitbeschäftigung der Klägerin in den Sommermonaten ab 2002 sei bei der Berechnung der Abfertigung nicht zu berücksichtigen.

Dagegen richtet sich außerordentliche Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung iSd Klageabweisung im angefochtenen Umfang abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt. Nach dem hier anzuwendenden § 23 Abs 1 AngG beträgt die Abfertigung in Abhängigkeit von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ein bestimmtes Vielfaches (hier unstrittig: das Dreifache) des dem/der Angestellten für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses gebührenden Entgelts. Das Berufungsgericht führte aus, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Fall einer dauerhaften Entgeltveränderung (zB bei einem dauerhaften Wechsel eines Arbeitnehmers von Vollzeitzu Teilzeitbeschäftigung oder umgekehrt) bei Berechnung der Abfertigung grundsätzlich auf das zuletzt bezogene (je nach Lage des Falls dann dauerhaft höhere oder niedrigere) Entgelt abzustellen ist (9 ObA 6/05f; 9 ObA 65/05g mwN; RIS-Justiz RS0028504 ua). Das ist zwar richtig und daran wird auch festgehalten, geht jedoch am gegenständlichen Problem vorbei. Hier kam es nämlich gerade nicht zu einer dauerhaften Veränderung des Entgelts. Das Berufungsgericht irrt weiter, wenn es meint, dass die „bloß vorübergehende Teilzeitbeschäftigung" der Klägerin in den Sommermonaten ab dem Jahr 2002 bei der Berechnung der Abfertigung nicht zu berücksichtigen sei. Es lässt nämlich unbeachtet, dass die Teilzeitbeschäftigung der Klägerin hier nicht „mehr vorübergehend" war als die Vollzeitbeschäftigung. Auch letztere währte nur bis zur nächsten, bereits absehbaren Teilzeitbeschäftigung, und umgekehrt. Das Charakteristische am Arbeitsverhältnis der Klägerin war gerade nicht die dauerhafte Veränderung, sondern der regelmäßige, sich Jahr für Jahr wiederholende Wechsel zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung. Die Wochenarbeitszeit der Klägerin betrug in den Monaten Mai bis August jeweils 20 Wochenstunden, in den acht übrigen Monaten 38,5 Wochenstunden.

Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von jenem, in dem nach Vollzeitbeschäftigung und mehrmonatiger Aussetzung des Arbeitsverhältnisses schließlich eine vorübergehende Teilzeitbeschäftigung in der Erwartung vereinbart wurde, dass daran wieder eine dauerhafte Vollzeitbeschäftigung anschließen werde (9 Ob 901/88). Anders als im dort behandelten Fall der (im Verhältnis zur Vollzeitbeschäftigung) tatsächlich bloß vorübergehenden Teilzeitbeschäftigung wechselten im vorliegenden Fall Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung regelmäßig einander ab. Es handelt sich somit hier weder um den Fall der dauerhaften Veränderung der Beschäftigung noch um eine im Vergleich zur Vollzeitbeschäftigung bloß vorübergehende Teilzeitbeschäftigung. Hier geht es vielmehr um den Fall des regelmäßig, Jahr für Jahr in einem bestimmten Rahmen schwankenden Einkommens.

Nach Lehre und Rechtsprechung ist unter dem „für den letzten Monat gebührenden Entgelt" iSd § 23 Abs 1 AngG der Durchschnittsverdienst zu verstehen, der sich aus dem mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wenn auch nicht in jedem Monat - wiederkehrenden Bezügen ergibt (9 ObA 324/89; 8 ObA 277/94; 9 ObA 20/99b ua). Bei der Bemessung der Abfertigung ist daher der Monatsdurchschnitt heranzuziehen, wenn die Monatsentgelte Schwankungen unterliegen (Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 23 Rz 36; Mayr in ZellKomm § 23 Rz 28; RIS-Justiz RS0043295 ua). In einem derartigen Fall ist ein Beobachtungszeitraum von 12 Monaten zu bilden und der monatliche Durchschnittswert für die Bemessungsgrundlage anzusetzen (9 ObA 20/99b; 9 ObA 79/04i; 9 ObA 59/06a ua).

Legt man nun diese Grundsätze dem vorliegenden Fall zugrunde, dann ist dem Revisionswerber zuzustimmen, dass im Hinblick auf das zum 31. 12. 2005 beendete Arbeitsverhältnis der Monatsdurchschnitt der Monatsentgelte der Klägerin im Jahr 2005 zu ermitteln ist. Dabei unterlief dem Revisionswerber allerdings ein geringfügiger Rechenfehler. Der Monatsdurchschnitt betrug im Jahr 2005 einschließlich anteiliger Sonderzahlungen EUR 1.136,57 ([1.160 x 8] + [602,60 x 4] : 12 x 14 : 12). Hievon gebührt der Klägerin gemäß § 23 Abs 1 AngG das Dreifache, somit der Betrag von EUR 3.409,71. Abzüglich bereits bezahlter EUR 2.865 ergibt sich sohin ein der Klägerin zustehender Restbetrag von EUR 544,71 sA. Von der von der Klägerin begehrten restlichen Abfertigung von EUR 1.195 sA ist daher der Teilbetrag von EUR 650,29 sA - und nicht EUR 696,76 sA wie vom Revisionswerber angenommen - als unbegründet abzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich des Verfahrens erster Instanz auf § 43 Abs 1 ZPO. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die von der Klägerin verzeichneten Kopierkosten nicht bescheinigt wurden (§ 54 Abs 1 ZPO). Die Tagsatzung vom 3. 7. 2006, in der zwischen den Parteien ein bedingter Vergleich abgeschlossen wurde, ist nicht wie von der Klägerin verzeichnet nach TP 3 RAT, sondern nur nach TP 2 RAT zu honorieren; eine Erörterung des Sachverhalts ist nämlich dem Protokoll nicht zu entnehmen.

Da der Beklagte im Berufungs- und im Revisionsverfahren nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Rechtsmittelinteresses unterliegt, dessen Geltendmachung besondere Kosten nicht veranlasste, sind der Klägerin nach den § 43 Abs 2, § 50 Abs 1 ZPO die gesamten Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen. Dabei ist zu beachten, dass laut Anm 5 zu TP 2 GGG und Anm 5 zu TP 3 GGG arbeitsrechtliche Rechtsmittelverfahren zweiter und dritter Instanz bei einem Berufungs- bzw Revisionsinteresse bis EUR 1.450 gebührenfrei sind. Dass der Beklagte in der Revision das Revisionsinteresse fälschlich als "Berufungsinteresse" bezeichnete, steht der Berücksichtigung der Gebührenfreiheit ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass der Beklagte die Revision zu Unrecht auf der Basis des erstinstanzlichen Streitwerts von EUR 3.530 verzeichnete. Dies ist nach dem RAT bei der Honorierung der Revision zu berücksichtigen.

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