OGH 9ObA61/15h

OGH9ObA61/15h28.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei V***** M*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Kreissl & Pichler & Walther Rechtsanwälte GmbH in Liezen, wegen 28.108,38 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 24. März 2015, GZ 7 Ra 82/14d‑55, mit dem die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 25. März 2014, GZ 25 Cga 2/13w‑47, und die Berufungsbeantwortung der klagenden Partei zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00061.15H.0528.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Dem Berufungsgericht wird die neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Der Kläger begehrt von der Beklagten offenes Entgelt. Am 25. 3. 2014 wurde die Verhandlung vom Erstgericht geschlossen und bekannt gegeben, dass die Entscheidung schriftlich ergehen werde.

Am 24. 4. 2014 wurde über das Vermögen der Beklagten die Insolvenz eröffnet und Dr. H***** F*****, Rechtsanwalt in Leoben, zum Insolvenzverwalter bestellt (ON 37a).

Mit Beschluss vom 28. 4. 2014 sprach das Erstgericht die Unterbrechung des Verfahrens iSd § 7 IO aus (ON 38).

Am 11. 7. 2014 (ON 43) ersuchte der Kläger um Zustellung einer Ausfertigung des Urteils.

Mit Eingabe vom 14. 7. 2014 (ON 45) gab er ergänzend bekannt, dass ihm vom Insolvenzgericht zur Geltendmachung seiner vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderung eine Frist bis 25. 8. 2014 gesetzt worden sei, fügte die Benachrichtigung des Insolvenzgerichts bei und wies darauf hin, dass das Erstgericht das Urteil noch auszufertigen habe, weil das arbeitsrechtliche Verfahren vor Insolvenzeröffnung geschlossen worden sei.

Mit Eingabe vom 1. 8. 2014 (ON 46a) ersuchte er nochmals um die Entscheidung. Trotz einer nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingetretenen Verfahrens-unterbrechung wegen Konkurseröffnung sei das Urteil zu fällen und den Parteien zuzustellen. Der Beschluss, mit dem die Zustellung des Urteils an den Masseverwalter angeordnet werde, sei ein Fortsetzungsbeschluss, der die Unterbrechungswirkung der Konkurseröffnung beseitige.

Mit Eingabe vom 20. 8. 2014 (ON 46) wiederholte er im Hinblick auf die Frist sein Ersuchen um Zustellung einer Ausfertigung des Urteils und legte neuerlich die Benachrichtigung des Insolvenzgerichts von der Bestreitung seiner Forderung mit Bestimmung einer Frist zur Geltendmachung seines Anspruchs vor. Er fügte auch ein an das Insolvenzgericht gerichtetes Schreiben bei, in dem er diesem mitteilte, seine Forderung ohnehin in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht und den Senat um Zustellung einer Urteilsausfertigung ersucht zu haben.

Ausfertigungen des mit 25. 3. 2014 (Schluss der Verhandlung) datierten Ersturteils, mit dem die Beklagte zur Zahlung von 29.608,27 EUR brutto abzüglich 1.499,89 EUR netto sA verpflichtet und ein Mehrbegehren des Klägers von 682,89 EUR brutto abgewiesen wurde, wurden dem Beklagtenvertreter am 29. 8. 2014 und dem Klagevertreter am 1. 9. 2014 zugestellt (ON 47).

Über Antrag des Klagevertreters vom 3. 9. 2014 (ON 51), beschlussmäßig auszusprechen, dass das Urteil aufgrund der Konkurseröffnung dem Masseverwalter zuzustellen sei, wurde eine Ausfertigung auch dem Insolvenzverwalter zugestellt.

Am 24. 9. 2014 brachte der Insolvenzverwalter eine Berufung ein (ON 52).

Am 1. 10. 2014 wurde die Berufung dem Klagevertreter zugestellt.

Am 24. 10. 2014 brachte dieser eine Berufungsbeantwortung ein (ON 53).

Mit Beschluss vom 13. 11. 2014, bekannt gemacht am 19. 11. 2014, sprach das Insolvenzgericht aus, dass der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und der Konkurs aufgehoben ist.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 24. 3. 2015 wies das Berufungsgericht die Berufung und die Berufungsbeantwortung der Streitteile zurück, weil sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingebracht worden seien. Das Erstgericht sei ungeachtet der bereits ex lege mit Insolvenzeröffnung eingetretenen Unterbrechung des Verfahrens zur Ausfertigung des Urteils verhalten gewesen (§ 163 Abs 3 ZPO). Ein Fortsetzungsantrag iSd § 164 ZPO sei nicht gestellt worden.

In ihrem dagegen gerichteten Rekurs beantragt die Beklagte, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem (richtig:) Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung aufzutragen.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Beide Streitteile beantragen überdies ausdrücklich die Fortsetzung des Verfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

1. Gemäß § 7 Abs 1 IO werden alle anhängigen Rechtsstreitigkeiten, in denen der Schuldner Kläger oder Beklagter ist, mit Ausnahme der in § 6 Abs 3 IO bezeichneten ‑ hier nicht vorliegenden ‑ Streitigkeiten durch die Insolvenzeröffnung unterbrochen. Die Unterbrechung tritt ex lege ein. Der Beschluss über den Eintritt der Unterbrechung hat nur deklarative Wirkung.

2. Die Fortführung eines unterbrochenen Verfahrens setzt einen Aufnahmeantrag sowie einen gerichtlichen Aufnahmebeschluss voraus (RIS‑Justiz RS0037128 [T16, T23; zum Fortsetzungsantrag auch T18]).

2.1. Bei Ansprüchen, die der Anmeldung im Konkurs unterliegen, kann der Gegner des Schuldners einen solchen Fortsetzungsantrag erst nach Abschluss der Prüfungstatsatzung stellen, wenn der Bestand oder der Rang seiner im Rechtsstreit geltend gemachten Forderung bestritten wurde (RIS‑Justiz RS0036735). Dafür ist erforderlich, dass der auf Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens zielende Antragswille deutlich erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0037193 [T6]). Aus diesem Grund wird etwa in der bloßen Erhebung einer Revision kein Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens erblickt (s RIS‑Justiz RS0037130).

Der erste auf Zustellung der Urteilsausfertigung gerichtete Antrag des Klägers vom 11. 7. 2014 lässt noch keinen Fortsetzungswillen erkennen, weil er ebenso als bloßes Ersuchen verstanden werden könnte, dass das Erstgericht iSd § 163 Abs 3 ZPO die Entscheidung ungeachtet der Prozesssperre erlässt. Mit seinen weiteren Eingaben vom 14. 7., 1. 8. und 20. 8. 2014 brachte er aber hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass er die Urteilsausfertigungen deshalb benötige, weil ihm vom Insolvenzgericht eine Frist zur Geltendmachung seiner vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderung gesetzt worden sei. Erkennbar ist auch, dass er bestrebt war, dem Insolvenzgericht noch vor Fristablauf (25. 8. 2014) das Ersturteil vorlegen zu können. Weiter führte er aus, dass der Beschluss des Erstgerichts, mit dem die Zustellung des Urteils an den Masseverwalter angeordnet werde, ein Fortsetzungsbeschluss sei, der die Unterbrechungswirkung der Konkurseröffnung beseitige. Damit brachte der Kläger aber unzweifelhaft zum Ausdruck, dass er insgesamt an einer Fortsetzung des Verfahrens ‑ hier zunächst durch Zustellung des Ersturteils ‑ interessiert war.

2.2. Der für die Beseitigung der Unterbrechungswirkung weiter erforderliche Fortsetzungsbeschluss des Gerichts muss nicht als solcher bezeichnet werden (RIS‑Justiz RS0037193). Auch hier muss aber durch die das Verfahren vorantreibende Verfügung der Entscheidungswille des Gerichts, das unterbrochene Verfahren aufzunehmen, deutlich erkennbar sein (grundlegend 6 Ob 79/99g; RIS‑Justiz RS0036654; RS0037128 [T13]). Nach der jüngeren Rechtsprechung ist das Verfahren etwa auch mit der Zustellung einer Gleichschrift des Fortsetzungsantrags durch das Erstgericht iSd § 165 Abs 2 ZPO aufgenommen (8 ObA 104/01d).

Im Hinblick auf § 163 Abs 3 ZPO ist es zwar richtig, dass die Zustellung einer Urteilsausfertigung als solche nicht in jedem Fall einen Entscheidungswillen des Gerichts zur Verfahrensfortsetzung erkennen lassen muss. Im Zusammenhalt mit den Eingaben des Klägers vom 14. 7., 1. 8. und 20. 8. 2014, die allesamt auch dem Insolvenzverwalter zugestellt worden waren, erscheint aber nicht zweifelhaft, dass das Erstgericht durch Zustellung der Urteilsausfertigungen hier dem Antrag des Klägers, das Verfahren fortzusetzen, entsprechen wollte. Dies wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass das Erstgericht in der Folge auch die Zustellung der vom Insolvenzverwalter eingebrachten Berufung verfügte.

3. Da daher insgesamt davon auszugehen ist, dass das unterbrochene Verfahren mit dem Beschluss auf Zustellung der Urteilsausfertigungen fortgesetzt wurde, war weder die vom Insolvenzverwalter am 24. 9. 2014 erhobene Berufung noch die Berufungsbeantwortung des Klägers unzulässig.

Der Rekurs der Beklagten ‑ die nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder an die Stelle des Insolvenzverwalters getreten ist (RIS‑Justiz RS0065564) ‑ ist danach berechtigt, sodass der Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und diesem die gesetzmäßige Behandlung der Berufung aufzutragen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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