European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00046.15B.0429.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Für die Frage, ob ein Kraftwagenlenker (hier: Lenker eines auf einem Betriebsgelände eingesetzten Krans) gegenüber einem anderen Arbeitnehmer desselben Arbeitgebers die Stellung eines „Aufsehers“ im Betrieb iSd § 333 Abs 1 und 4 ASVG hat, kommt es nach ständiger Rechtsprechung vor allem darauf an, ob der betreffende Arbeitnehmer zur Zeit des Unfalls eine mit einem gewissen Pflichtenkreis und mit Selbständigkeit verbundene Stellung innehatte und dabei für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte verantwortlich war, oder ob er nur die Arbeitsmaschine zu bedienen hatte (4 Ob 621/88; RIS‑Justiz RS0088337). „Aufseher“ im Betrieb kann jedenfalls nur der sein, der andere Betriebsangehörige oder wenigstens einen Teil des Betriebs zu überwachen hat (RIS‑Justiz RS0085510). Nicht entscheidend ist, ob eine Dauerfunktion ausgeübt wird, wenn die Qualifikation nur im Zeitpunkt der schadenverursachenden Handlungen besteht (RIS‑Justiz RS0085519). Bei einer „Zwei‑Mann‑Partie“ wurde auch schon der als Aufseher iSd § 333 Abs 4 ASVG angesehen, der hinsichtlich einer bestimmten Arbeit entscheidungsbefugt ist (RIS‑Justiz RS0085612). Im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kraftfahrzeugen wurde beim Fahrzeuglenker dann die Aufsehereigenschaft bejaht, wenn dieser neben der Einhaltung der Straßenverkehrsvorschriften und der Fahrzeugbedienung oder ‑beladung auch noch weitere Pflichten und Befugnisse hat (RIS‑Justiz RS0085491; RS0085576).
Das Berufungsgericht ist von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ausgegangen. Deren Anwendung im Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, denn die Beurteilung, ob eine bestimmte Person bei einem konkreten Arbeitseinsatz als Aufseher im Betrieb iSd § 333 Abs 4 ASVG anzusehen ist, ist stets einzelfallbezogen vorzunehmen (RIS‑Justiz RS0088337 [T20]). Eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, die aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifen wäre, zeigt der Revisionswerber nicht auf. Die von ihm behauptete Widersprüchlichkeit der Ausführungen des Berufungsgerichts liegt nicht vor:
Für das Herrichten von Vorwalzgerüsten waren beim damaligen Arbeitgeber der Parteien grundsätzlich zwei Arbeiter zuständig, nämlich der „Vorstaffel‑Walzer“ und der „Vorrichter“, die diese Arbeit ‑ die grundsätzlich auch von einem Arbeiter durchgeführt werden konnte ‑ nicht in Über‑ oder Unterordnung durchführten. Wenn aber einer dieser beiden keine Zeit hatte und kein Helfer von einem Walzmeister zugeteilt wurde, so ersuchte der „Vorstaffel‑Walzer“ entweder einen im Bereich der Vorstraße befindlichen Arbeiter um Hilfe, oder ein Arbeiter sah selbst, dass der „Vorstaffel‑Walzer“ Hilfe benötigte, und kam ihm von sich aus zu Hilfe. Im Anlassfall half nun der Kläger zwar dem Beklagten beim Herrichten eines Vorwalzgerüsts. Es steht aber nicht fest, ob der Kläger dazu eingeteilt oder vom Beklagten gebeten wurde, oder ob er dem Beklagten von sich aus half. Dies übergeht der Revisionswerber, wenn er ausführt, dass der Beklagte dem Kläger einen entsprechenden Arbeitsauftrag zum Herrichten des Vorwalzgerüsts erteilt hätte.
Auch die weitere Behauptung des Revisionswerbers, der Beklagte sei dem Kläger beim Herrichten des Vorwalzgerüsts übergeordnet gewesen, weicht vom festgestellten Sachverhalt ab. Der Kläger erhielt bei den gegenständlichen Tätigkeiten keine Arbeitsanweisungen vom Beklagten. Eine über die allgemeine Verpflichtung zur Vermeidung der Gefährdung Dritter durch den Kran hinausgehende Überwachungs‑ und Anordnungsbefugnis kam dem Beklagten gegenüber dem Kläger im konkreten Fall nicht zu ( Neumayr in Schwimann VII³ § 333 ASVG Rz 76 mwH in FN 395). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass sich die Parteien bei dieser Arbeit als gleichberechtigte Arbeitnehmer gegenüberstanden, weil der Beklagte keine Weisungsbefugnis gegenüber dem Kläger hatte, sondern umgekehrt den Kran erst hochfahren durfte, wenn ihm der Kläger seinerseits eine „Weisung“ gab, dass er die Bolzen gezogen hatte (vgl ähnlich zur Verneinung der Aufsehereigenschaft eines Staplerfahrers bei bloß allfälliger Erforderlichkeit einer gegenseitigen Kontaktaufnahme 4 Ob 621/88 = JBl 1989, 319, sowie die bereits vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung 9 ObA 298/01s), ist vor diesem Hintergrund vertretbar.
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