OGH 9ObA41/02y

OGH9ObA41/02y5.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Helmut Brandl und Mag. Johann Ellersdorfer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Horst K*****, PR-Berater, ***** vertreten durch John & John, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Markus Ch. Weinl, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 16.908,89 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Oktober 2001, GZ 9 Ra 331/01i-27, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. April 2001, GZ 24 Cga 167/00d-21, abgeändert wurde, und infolge Rekurses gegen die in der Berufungsentscheidung enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 938,16 (darin enthalten EUR 156,36 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Kostenrekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor. Diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Zum Vorwurf der Mangelhaftigkeit sei nur darauf hingewiesen, dass es zwar richtig ist, dass das Berufungsgericht nicht schon durch die bloße Erstattung einer Berufungsbeantwortung von der Mitteilung laut § 473a Abs 1 Satz 1 ZPO an den Berufungsgegner befreit ist, sondern nur bei Vorliegen eines der im Satz 2 leg cit angeführten Fälle; ob hier einer dieser Fälle vorliegt, kann jedoch dahingestellt bleiben, weil die Revisionswerberin nicht ausführt, inwieweit der von ihr gerügte Verfahrensmangel gerade im vorliegenden Fall geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (§ 503 Z 2 ZPO).

Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Frage der Berechtigung der Entlassung des Klägers zutreffend verneint, sodass auf die Berufungsentscheidung hingewiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin Folgendes entgegenzuhalten:

Als ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, ist ua anzusehen, wenn der Angestellte sich beharrlich weigert, sich den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des Arbeitgebers zu fügen (§ 27 Z 4 AngG). Im vorliegenden Fall ist (nur mehr) strittig, ob die Unterlassung der Anführung der Funktionsbezeichnung "PR-Berater" durch den Kläger in E-Mails an Kunden der Beklagten - trotz diesbezüglicher Anordnung und Ermahnung - eine Entlassung rechtfertigt. Dies ist auf Grund der konkreten Lage des Falles zu verneinen:

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes erklärte sich die Geschäftsführerin bei einem Gespräch damit einverstanden, dass der Kläger (entsprechend ihrer eigenen Handhabung/ON 10, AS 71) - entgegen der diesbezüglichen Anordnung im "Agentur Manual" - nur mehr beim schriftlichen Erstkontakt mit Kunden seine Funktionsbezeichnung "PR-Berater" anzuführen habe. Nachdem sie in der Folge auf E-Mails des Klägers stieß, in denen die Angabe der Funktionsbezeichnung fehlte, teilte sie ihm schriftlich mit: "Horst ..... Ich halte jetzt auch schriftlich fest, dass ich möchte, dass du deine Funktion dazuschreibst." Als sie einige Tage danach ein Fax und einige E-Mails des Klägers fand, in denen keine Funktionsbezeichnung angegeben war, entließ sie den Kläger ohne weitere Erörterung oder Ermahnung. Das entscheidende Tatbestandselement für die Abgrenzung zwischen bloßer Ordnungswidrigkeit und einem die Entlassung rechtfertigenden erheblichen Fehlverhalten ist grundsätzlich die Zumutbarkeit bzw Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur für die Kündigungsfrist (Kuderna, Entlassungsrecht² 60 f; Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG7 546 f, jeweils mwN; infas 1992, A 15 ua; RIS-Justiz RS0029095). Bei fortgesetzten Verfehlungen handelt es sich vielfach um solche, die Ihrer Natur nach durch eine einzelne Begehungshandlung nicht ins Gewicht fallen, sondern ihre Bedeutung erst durch ständige Wiederholung gewinnen und erst infolge Massierung für den Arbeitgeber unzumutbar werden. Aber auch hier muss der Anlassfall (das ist jenes Ereignis, das die Entlassung unmittelbar ausgelöst hat) eine gewisse Mindestintensität aufweisen (Kuderna aaO 41).

Ob hier letzteres der Fall ist, kann aber dahingestellt bleiben, weil sich die Beklagte - entgegen den getroffenen Tatsachenfeststellungen - auf den Prozessstandpunkt stellte, dass der Kläger in allen E-Mails die Funktionsbezeichnung anzugeben gehabt hätte. Den berechtigten Einwand des Klägers, dies hätte auf Grund der ausdrücklichen Erlaubnis der Geschäftsführerin der Beklagten nur mehr für Erstkontakte gegolten, bestritt die Beklagte im Prozess nicht näher; insbesondere behauptete und bewies sie auch nicht, dass es sich bei den der Entlassung zugrundegelegten E-Mails bzw einem Fax um Erstkontakte gehandelt habe. Damit blieb sie aber den ihr als Arbeitgeberin obliegenden Beweis schuldig (Kuderna aaO 49 f mwN; RIS-Justiz RS0029127), ob der Kläger überhaupt gegen ihre zuletzt eingeschränkte Weisung verstoßen habe, wonach es genügte, bloß bei Erstkontakten die Funktionsbezeichnung anzuführen. Eine Feststellung, dass die Beklagte die Einschränkung der Weisung gegenüber dem Kläger in erkennbarer Form vor dem Ausspruch der Entlassung wieder aufgehoben hätte, ist nicht getroffen worden. Allfällige Unklarheiten der Weisungen der Beklagten insbesondere bezüglich deren Umfangs gehen aber zu ihren Lasten (vgl Kuderna aaO 113).

Ein Mitverschulden des Klägers an der Entlassung iS des § 32 AngG kommt nicht in Betracht, weil diese Rechtsfigur nicht dazu dient, im Falle einer ungerechtfertigten Entlassung die den Arbeitgeber aus diesem Grund treffenden Rechtsfolgen zu mindern (Kuderna aaO 75; Arb.

10.222 mwN). Das schuldhafte Verhalten des Arbeitnehmers im Falle seiner ungerechtfertigten Entlassung, das im Zusammenwirken mit einem ebenfalls schuldhaften Verhalten des Arbeitgebers, das über eine Entlassungserklärung hinausreichen muss, für die Entlassung ursächlich ist, kann also nicht in einem zum Ausspruch der Entlassung nicht ausreichenden Verhalten des Arbeitnehmers, sondern muss in einem davon unabhängigen, zusätzlichen, für den Ausspruch der Entlassung kausalen Verhalten des entlassenen Arbeitnehmers liegen (Kuderna aaO 75).

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Dem Kläger gebührt für seine Revisionsbeantwortung gemäß § 23 RATG nur der einfache Einheitssatz von 50 %, und nicht - wie verzeichnet - der dreifache von 150 % (vgl 9 Ob 261/00y; 7 Ob 115/01i; 9 ObA 118/01w ua).

Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichts zweiter Instanz über den Kostenpunkt sind grundsätzlich und ausnahmslos unzulässig (Kodek in Rechberger, ZPO² § 528 Rz 5 mwN). Der Kostenrekurs der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Kostenpunkt ist daher gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO jedenfalls unzulässig (RIS-Justiz RS0044233).

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