OGH 9Ob261/00y

OGH9Ob261/00y8.11.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef S*****, Bootsbauer, *****, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig ua, Rechtsanwälte in St. Veit a. d. Glan, gegen die beklagte Partei Walburga S*****, Geschäftsfrau, *****, vertreten durch Dr. Helga Hönel-Jakoncig und Dr. Veronika Staudinger, Rechtsanwältinnen in Innsbruck, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 21. Juli 2000, GZ 3 R 176/00t-118, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 27. März 2000, GZ 2 C 170/94a-109, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.625,12 (darin S 1.437,52 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 6.851,04 (darin S 811,84 Umsatzsteuer und S 1.980,- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien haben am 10. 11. 1979 vor dem Standesamt Seeboden die Ehe geschlossen, der die Kinder F*****, geboren am 2. 6. 1980, und P*****, geboren am 24. 7. 1982, entstammen.

Der Kläger begehrt mit der am 3. 11. 1994 beim Erstgericht eingelangten Klage die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten. Diese habe die Ehe aus ihrem Alleinverschulden unheilbar zerrüttet, weil sie im Juni 1994 einseitig die häusliche Gemeinschaft aufgelöst habe. Sie habe während der gesamten Ehe bestimmt, was zu geschehen habe. Sofern er nicht sofort einem Vorschlag der Beklagten zugestimmt habe, habe sie damit gedroht, zu ihrer Familie nach Niederösterreich zurückzukehren. Sie sei nur an materiellen Werten interessiert gewesen und habe es darauf angelegt, das dem Kläger und seinem Vater gehörige Liegenschaftsvermögen an sich zu bringen. Bereits 1993 habe die Beklagte dem Kläger erklärt, wenn er ihr nicht all sein Vermögen übergebe, lasse sie sich scheiden. Sie habe den Kläger und die Kinder vernachlässigt, diese sogar - etwa durch das Stechen mit Nadeln - gequält. Auch im sexuellen Bereich sei lediglich das geschehen, was die Beklagte gewünscht habe. Seit 1989 verweigere die Beklagte jede eheliche Begegnung, insbesondere jeden Geschlechtsverkehr, was sie damit erklärt habe, keine Lust zu haben. Im Gegensatz zum Kläger, der immer fleißig gearbeitet habe, sei die Beklagte wirtschaftlich erfolglos gewesen. Entgegen dem ausdrücklichen Wunsch des Klägers habe sie eine "Cafe-Terrasse" mit erheblichen Verlusten betrieben. 1989 habe sie einen Pachtvertrag mit einer jährlichen Einnahme von S 100.000,-- platzen lassen, weil sie der Kläger nicht vorher um Zustimmung gefragt und die Übergabe der Einnahmen zugesichert habe. Danach habe sie ihn solange erpresst, bis er ihr diverse Einkünfte (Mieten) von S 200.000,-- jährlich zur alleinigen Verfügung überlassen habe. Hinter dem Rücken des Klägers habe sie einen gastwirtschaftlichen Betrieb in St. Johann in Tirol gekauft und die in Seeboden geführte eheliche Lebensgemeinschaft einseitig aufgehoben. Dies habe zum endgültigen Verlust seines Ehewillens geführt. Die Beklagte habe ihn verlassen, weil der Kläger ihrem Drängen, in Konkurs zu gehen, damit sie günstig die Liegenschaften erwerben könne, nicht nachgegeben habe. Er habe der Übersiedlung der Beklagten und der Kinder nach Tirol nicht zugestimmt, sondern bloß über Bitten der Kinder beim Übersiedeln geholfen. Nach Auflösung der Lebensgemeinschaft habe er festgestellt, dass sie ihn finanziell hintergangen habe, indem sie ohne sein Wissen auf ihren Namen lautende Zahlscheine habe drucken lassen und Schuldner des Klägers (Kunden) aufgefordert habe, auf ihr Konto Einzahlungen zu leisten. Zahlungen an den Gläubiger des Klägers L***** habe sie stornieren lassen, was eine Exekution mit entsprechend nachteiligen Folgen für den Kläger bewirkt habe. Sie unterhalte ehewidrige Beziehungen zu einem anderen Mann. Sie habe im Schnitt S 150.000,-- bis S 200.000,-- Schwarzgeld jährlich (insgesamt ca S 1,500.000,--) ohne Wissen des Klägers aus dem Unternehmen herausgezogen, um so einen Absprung aus der Ehe finanzieren zu können.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und begehrte hilfsweise, die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers zu scheiden. Dieser betreibe abnorme sexuelle Praktiken. Auch habe die Beklagte überall Pornohefte wegräumen müssen. In letzter Zeit sei sie mit Kontaktanzeigen des Klägers konfrontiert worden, der 1988 das eheliche Intimleben grundlos eingestellt habe. Er sei bei einem sehr abstoßenden Vorfall betreten worden, als eine 14-jährige Verwandte gerade geduscht habe. Im Zuge einer Gruppentherapie habe der Kläger seine Eigenheiten mit sexuellem Missbrauch in seiner Jugend entschuldigt. Eine gezielte Therapie habe er jedoch nicht durchgeführt. Der Kläger sei arbeitsscheu, sodass sie für den Lebensunterhalt der Familie habe sorgen müssen. Sie habe eigenes Vermögen verkauft, um Familienvermögen zu erhalten und eine Existenz zu schaffen. Der Kläger habe einen Bootsunfall verursacht und infolge Unterversicherung rund S 1,200.000,-- Schadenersatz leisten müssen. Damit habe er die Familie ins Unglück gestürzt. Er sei interessiert gewesen, dass die Beklagte möglichst viel verdiene. Diese Gelegenheit habe sich ergeben, als ihr eine Pension in St. Johann in Tirol angeboten worden sei. Der Ankauf des Betriebes und die Übersiedlung nach Tirol sei im Einvernehmen und über Wunsch des Klägers erfolgt. Es sei geplant gewesen, diesen Betrieb zu pachten. Es habe sich dann aber herausgestellt, dass eine Pacht des Betriebes nicht möglich sei, weshalb man sich zum Kauf der Liegenschaft entschlossen habe. Diese Liegenschaft hätte nach einigen Jahren wieder verkauft oder verpachtet werden sollen. Durch die Einkünfte aus dem Betrieb in Tirol hätte der Ausbau der Garconnieren auf der Liegenschaft in Seeboden finanziert werden sollen. Der Kläger habe die Beklagte mit den Kindern nach Tirol gelockt, sie sodann aus der ehelichen Wohnung ausgesperrt und die Scheidungsklage eingebracht. Die Beklagte bestreite den gesamten Unterhalt der Kinder und bezahle, soweit möglich, Schulden, die der Kläger während der Ehe eingegangen sei. Der Kläger habe die Beklagte mehrmals vor den Kindern und vor Dritten beschimpft und gedemütigt. Er weigere sich, Unterhalt für die Kinder zu bezahlen, obwohl ihm bekannt sei, dass die Beklagte, die gerade eine Existenz gegründet habe, kaum für den Unterhalt aufkommen könne; auch früher habe sie für den Unterhalt der Kinder aufkommen müssen. Die Beklagte habe sich den Wünschen des Klägers untergeordnet und für ihn Geld bei ihrer Familie organisiert. Die Familie sei häufig übersiedelt und habe von 1988 bis zuletzt in einer Baustelle gehaust. Der Kläger sei bestrebt gewesen, der Beklagten immer weitere Arbeiten anzulasten, die sie nicht habe bewältigen können. Sie habe die Kinder nicht misshandelt und habe auch den Kläger nicht finanziell ausgenützt, sondern ihn vielmehr unterstützt. Das Storno der Zahlung an das Opfer des vom Kläger verursachten Unfalls sei im Einvernehmen mit dem Kläger erfolgt. Einnahmen seien vom Buchhalter auf ein Verrechnungskonto der Ehegatten gebucht worden, aus dem sich der Kläger bedient habe. Auch der Vater des Klägers habe sich aus der Kasse bedient. Die Buchhaltung sei nicht nachvollziehbar gewesen. Schwarzgelder der Familie seien als Einlagen eines Cousins getarnt worden. Gelder, die die Beklagte zugeschossen habe, seien in der Buchhaltung lange nicht aufgeschienen. Die Beklagte sei gedrängt worden, von ihr gekaufte Liegenschaften, die der Kläger allein nütze, ihm grundbücherlich zu übertragen. Für die vom Vater des Klägers an sie verkaufte Parzelle 819/10 habe sie einen angemessenen Preis von S 1,000.000,-- gezahlt. Der Kläger habe mit der Beklagten die Einnahmen aus dem Gewerbebetrieb der Beklagten, als dessen Verwalter er sich bezeichne, nicht abgerechnet. Die Beklagte unterhalte keine ehewidrige Beziehung. Die vom Kläger geltend gemachten Eheverfehlungen seien verfristet. Das Alleinverschulden treffe daher den Kläger.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Beklagten. Es stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Als sich die Parteien 1978 kennenlernten, war der Kläger als ausgebildeter Bootsbauer im Werft- und Wasserschibetrieb seines Vaters in S***** beschäftigt. Die aus Niederösterreich stammende Beklagte ist Köchin und arbeitete in einem Gasthaus.

Der Beklagten war zum Zeitpunkt der Eheschließung der vom Kläger am 13. 7. 1979 verursachte Motorbootunfall, bei dem das Unfallopfer lebensgefährlich verletzt wurde, bekannt.

1981 übergab der Vater des Klägers diesem den Werftbetrieb mit Bootsbau und Bootsreparatur und einen an der S*****promenade geführten Pensionsbetrieb, dem eine Bootsvermietung angeschlossen war. Er behielt sich das Haus S***** 25 und ein Wald- und Seegrundstück zurück. In der Folge führte der Kläger den Werftbetrieb und die Beklagte (über deren Wunsch) den Pensionsbetrieb mit der Bootsvermietung.

Um Weihnachten 1981 plante die Beklagte, über der Bootshütte im Haus an der S*****promenade einen Kaffeehausbetrieb einzurichten. Der Kläger war dagegen, gab jedoch letztlich dem Wunsch der Beklagten nach, sodass ab 1982 - nach Aufnahme eines Kredits von S 500.000,- - das Cafe als Sommersaisonbetrieb auf den Namen des Klägers geführt wurde, wobei die Beklagte Konzessionsinhaberin und angestellt war, um während der Wintermonate Arbeitslosenunterstützung beziehen zu können. Dieser Betrieb erbrachte jährliche Verluste von zwischen S 200.000,-- und S 300.000,--, weil die Beklagte damit überfordert war.

Bootsvermietung und Werftbetrieb ergaben hingegen bescheidene Gewinne. Aus Mietverträgen mit dem Yachtclub, dem Wasserschiclub und der Feuerwehr wurden jährlich Einkünfte von ca S 100.000,-- erzielt. Die Forderungen aus diesen Mietverträgen mussten 1984 an die Bank abgetreten werden, da die Verluste aus dem Cafehausbetrieb nicht mehr abgedeckt werden konnten.

1988 war der Kläger damit konfrontiert, auf Grund des rechtskräftig beendeten Schadenersatzverfahrens dem Opfer des von ihm verursachten Unfalls insgesamt S 1,200.000,-- und künftig eine monatliche Rente von ca S 10.000,-- leisten zu müssen. Die Parteien planten zunächst, zur Finanzierung dieser Verbindlichkeiten die Liegenschaft des Klägers mit dem Werftbetrieb zu veräußern und mit dem nach Abzug der Verbindlichkeiten verbleibenden Kaufpreiserlös ein Gastronomieunternehmen zu erwerben. Zu diesem Zweck wurden auch bereits einige Betriebe besichtigt.

Letztlich wurde die Finanzierung jedoch so geregelt, dass der Vater des Klägers seine Liegenschaft und das Seegrundstück veräußerte und die Mutter des Klägers dessen Liegenschaft an der S*****promenade kaufte. Mit dem Kaufpreiserlös wurden die Verbindlichkeiten des Klägers und die Ansprüche der Geschwister des Klägers aus der im Jahr 1981 erfolgten Übernahme beglichen. Die Seegrundstücke des Vaters des Klägers 819/10 und 819/11 erwarb die Beklagte; den Kaufpreis von S 1.000.000,- finanzierte sie unter anderem mit einem Bauspardarlehen. Aufgrund dieser Transaktionen mussten die Parteien 1988 aus dem Haus an der S*****promenade ausziehen. Sie zogen in das Haus H*****, das nicht winterfest war, weshalb die Familie über zwei Winter in einer Mietwohnung bei Freunden wohnte. Diese Wohnsituation hat das Eheklima nicht belastet.

Mit Schenkungsvertrag vom 27. 9. 1988 übertrug der Kläger der Beklagten das Seegrundstück 819/9. Am 24. 10. 1989 schlossen die Parteien einen Übergabs- und Wohnungseigentumsvertrag, mit dem der Kläger der Beklagten einen ideellen Miteigentumsanteil von 5/9 am Grundstück 819/14 der EZ ***** mit dem Haus H***** übertrug und Wohnungseigentum begründet wurde. In den folgenden Jahren bauten die Streitteile die Ehewohnung im Obergeschoss des Hauses aus und richteten Ferienwohnungen ein.

Der Kläger nahm ab 1989 eine Arbeit im H*****-Werk F***** an, war im Schichtbetrieb tätig und erzielte ein durchschnittliches monatliches Einkommen von S 14.000,-- bis S 15.000,-- netto. Diese Tätigkeit übte er bis Herbst 1993 aus. Die Beklagte nahm eine ihr angebotene Teilzeitbeschäftigung nicht an. Sie verkaufte 1989 zwei Liegenschaften, die ihr bereits vor der Ehe gehörten, um insgesamt S 1,178.000,--. Zwischen 1988 und Dezember 1993 erhielt die Beklagte finanzielle Zuwendung ihrer Verwandten in der Höhe von S 464.000,--.

1989 oder 1990 erwirkte die Beklagte, dass der Mietvertrag mit dem Yachtclub nicht mehr verlängert wurde. Hintergrund dieser wirtschaftlich nicht sinnvollen Maßnahme waren Unstimmigkeiten zwischen der Beklagten und Mitgliedern des Yachtclubs.

Ab 1993 wollte die Beklagte, dass der Kläger "in Konkurs geht", um günstig die ihm verbliebenen Liegenschaftsanteile erwerben zu können und das Opfer des von ihm verursachten Unfalls zu verkürzen. Dabei drohte sie dem Kläger auch mit der Scheidung. 1993 stornierte sie ohne Wissen des Klägers den Dauerauftrag zur Überweisung der monatlichen Rente an das Unfallopfer, worauf ein Exekutionsverfahren eingeleitet wurde.

Der Unterhalt der Familie bis Juni 1994 wurde aus den Erträgnissen der Betriebe, der Arbeitslosenunterstützung der Beklagten und dem Arbeitseinkommen des Klägers bestritten. Neben der Arbeit im H*****-Werk in F***** war der Kläger auch im Werftbetrieb tätig. Er hat überdies mit persönlichem Einsatz und mit der Hilfe von Freunden die Ehewohnung und die Ferienwohnungen im Haus H***** ausgebaut.

Im Frühjahr 1994 entdeckte der Kläger ein an die Beklagte gerichtetes Fax, mit dem ein Gasthof in Tirol zur Pacht angeboten wurde. Die Beklagte erklärte ihm, sie wolle diesen Betrieb für fünf Jahre pachten, um Geld für den Ausbau des Hauses H***** zu verdienen. Der Kläger könne im Sommer am *****See bleiben und im Winter zur Familie nach Tirol kommen und dort mitarbeiten. Der Kläger sprach sich gegen dieses Vorhaben mit den Worten "wenn du gehst, dann ist es aus" aus.

Die Beklagte beharrte gegenüber dem Kläger darauf, den Gasthof zu pachten und reiste am 24. 6. 1994 nach Tirol, wobei es der Kläger war, der die Familie nach Tirol brachte, um das Gebäude zu besichtigen, weil er wissen wollte, wo seine Kinder hinkommen. Er wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass die Beklagte bereits am 20. 6. 1994 die Liegenschaft um (fremdfinanzierte) S 7,500.000,-- gekauft hatte. In der Folge wurde der Kläger auch von der Absicht der Klägerin informiert, ihre Seegrundstücke in Kärnten zu verkaufen.

Die Verbindlichkeiten aus dem Kauf des Gasthofes in Tirol betragen mittlerweile S 11.000.000,-.

Im August 1994 wechselte der Kläger die Schlösser zum Anwesen H***** aus, weil die Beklagte zuvor - obwohl ihr der Kläger gesagte hatte, sie dürfe das nicht - Gegenstände mitgenommen hatte, die zur Ausstattung des ehemals in der S*****promenade betriebenen Kaffeehauses gehörten und vom Kläger finanziert wurden.

Der unter Mitnahme der Kinder erfolgte Wegzug der Beklagten hat beim Kläger zu einem völligen Verlust der Ehegesinnung geführt. Der Kläger hat unter dem Wegzug der Kinder sehr gelitten. In der Folge wurde ihm der persönliche Kontakt zu den Kindern erschwert und schließlich unmöglich gemacht. Die Beklagte beeinflusste die Kinder gegen den Vater, indem sie etwa dem älteren der beiden Kinder ermöglichte, Protokolle und Schriftsätze aus dem Scheidungsverfahren zu lesen.

Die Parteien haben bereits seit Anfang der 80er-Jahre kein für beide befriedigendes Sexualleben; die Ursache hiefür ist nicht feststellbar. Sie haben keine ernsthaften Bemühungen unternommen, die von ihnen subjektiv empfundenen sexuellen Probleme zu lösen.

Dass die Parteien einander beschimpften, ist nicht feststellbar. Der gegenseitige Umgang war nicht von Herzlichkeit geprägt; insbesondere die Beklagte "hatte eine gewisse Schärfe im Ton im Umgang mit dem Kläger". Die Beklagte hat in der Beziehung der Gatten dominiert.

Anfang der 90er-Jahre richtete der Kläger ein Postfach für Kontaktanzeigen ein; er gab aber in der Folge weder eine Kontaktanzeige auf, noch hat er eine solche bekommen. Er sammelte über einen längeren Zeitraum Pornohefte und versteckte sie in einem Ofen und in Booten. Der damals 12-jährige Sohn F***** hat einmal solche Hefte gefunden. Die Beklagte war über das Sammeln dieser Hefte empört.

Nicht festgestellt werden konnten abnorme sexuelle Praktiken des Klägers. Ebensowenig konnte festgestellt werden, dass er einmal eine 14-jährige Nichte der Beklagten beim Duschen beobachtet und dabei onaniert habe.

Die Beklagte unterhielt keine ehewidrige Beziehung zu einem anderen Mann.

Die Beklagte hat die Kinder mit Strenge erzogen und - zumindest als diese noch im Volksschulalter waren - mit einer Rute geschlagen und mit Nadeln gestochen, wenn sie Schulaufgaben nicht ordentlich machten; wie oft Tätlichkeiten erfolgten, konnte nicht festgestellt werden. Der Kläger war mit diesen Erziehungsmethoden nicht einverstanden und hat dies auch zum Ausdruck gebracht. Die Beklagte verwehrte sich jedoch gegen seine "Einmischungsversuche".

Mit Beschluss vom 7. 9. 1995 wurde der Kläger beginnend mit 1. 7. 1995 zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 3.600,-- für F***** und von S 3.000,-- für P***** verpflichtet. Im Juli 1999 war der Kläger nicht in der Lage, die Unterhaltsbeträge pünktlich anzuweisen, worauf Exekution geführt wurde. Ein Verfahren, in dem die Beklagte S 81.900,- für von ihr vorgestreckte Unterhaltsbeträge begehrte, wurde mit einem Vergleich beendet, in dem sich der Kläger zur Zahlung von S 40.000,- verpflichtete.

Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, dass die Beklagte durch die einseitige Auflösung der häuslichen Gemeinschaft gegen den Willen des Klägers eine schwere Eheverfehlung begangen habe, die zu einem völligen Erlöschen der Ehegesinnung beim Kläger und damit zu einer unheilbaren und tiefgreifenden Zerrüttung der Ehe führte. Das Auswechseln der Schlösser durch den Kläger im August 1994 und die Unterhaltsverletzung des Klägers im Sommer 1999 seien keine relevanten Eheverletzungen. Vor 1994 sei dem Kläger das Sammeln von Pornoliteratur und das Einrichten eines Postfaches zur beabsichtigten Aufnahme von Kontaktanzeigen als Eheverfehlung anzulasten. Die Beklagte habe verschiedene wirtschaftlich nicht sinnvolle Maßnahmen veranlasst (Betrieb des Kaffehauses, Kündigung des Mietvertrages mit dem Yachtclub, Stornierung des Dauerauftrages). Darüber hinaus habe sie bei der Kindererziehung gegen den Willen des Klägers Gewalt angewendet. Beide seien der Pflicht zu einem befriedigenden Sexualleben nicht nachgekommen. Die Gesamtschau ergebe somit das überwiegende Verschulden der Beklagten.

Mit dem angefochtenen Urteil änderte das Berufungsgericht die erstgerichtliche Entscheidung im Sinne des Ausspruchs des gleichteiligen Verschuldens der Parteien ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Ehe sei dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien bereits seit Anfang der 80-er-Jahre kein für beide befriedigendes Sexualleben gehabt hätten und ihr gegenseitiger Umgang nicht von Herzlichkeit geprägt gewesen sei. Es habe auch wirtschaftliche Probleme gegeben. Soweit der Kläger der Beklagten erfolgloses wirtschaftliches Verhalten vorwerfe, dürfe nicht übersehen werden, dass er sich letztlich jeweils zu den einzelnen Maßnahmen, wie dem Betreiben des Kaffeehausbetriebes oder dem Kündigen des Mietvertrages, habe überreden lassen. Die Misshandlung der gemeinsamen Kinder verwirkliche einen Scheidungsgrund, der allerdings iS des § 57 EheG verfristet sei und nur zur Unterstützung der übrigen geltend gemachten Scheidungsgründe herangezogen werden könne. Es sei auch nicht hervorgekommen, dass der Kläger dieses Verhalten der Beklagten damals nachhaltig als ehezerstörend empfunden habe. Dies gelte auch für die Stornierung des Dauerauftrages und das Verlangen nach Konkurseröffnung über sein Vermögen unter Scheidungsdrohung. Es verbleibe somit die einseitige Auflösung der häuslichen Gemeinschaft im Juni 1994 durch die Beklagte gegen den Willen des Klägers, das Sammeln von Pornoliteratur und die beabsichtigte Aufnahme von Kontaktanzeigen durch den Kläger. Im Übrigen dokumentiere das rasche Auswechseln der Schlösser durch den Kläger im August 1994 seinen mangelnden Willen an der Aufrechterhaltung der Ehe. Die Unterhaltsverletzung hinsichtlich der Kinder im Sommer 1999 in Bezug auf bereits bestehende Unterhaltstitel begründe keine Eheverfehlung mehr. Insgesamt könne somit nicht gesagt werden, dass das Verschulden eines Teiles offenkundig und augenscheinlich überwiege und die Schuld des anderen fast völlig in den Hintergrund trete. Im Sinne des § 60 Abs 2 EheG sei daher vom beiderseitigen gleichteiligen Verschulden der Parteien auszugehen.

Die ordentliche Revision sei nicht mangels Erkennbarkeit erheblicher Rechtsfragen iS § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es iS des Ausspruchs des - zumindest - überwiegenden Verschuldens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil die Gewichtung der beiderseitigen Eheverfehlungen durch das Berufungsgericht nicht vertretbar ist; sie ist auch berechtigt.

Der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten setzt voraus, dass das Verschulden dieses Gatten erheblich schwerer wiegt und das geringere Verschulden des anderen Teils fast völlig in den Hintergrund tritt. Es muss ein sehr erheblicher gradueller Unterschied im beiderseitigen Verschulden bestehen, der offenkundig hervortritt (Gruber in Schwimann, ABGB I**2, Rz 11 zu § 60 EheG und die dort angeführten Nachweise aus der Rechtsprechung).

Die beiderseitigen Eheverfehlungen müssen in ihrem Zusammenhang gesehen werden, wobei das Gesamtverhalten und nicht eine Gegenüberstellung der einzelnen Verfehlungen maßgebend ist. Vor allem ist zu berücksichtigen, welche Partei mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe begonnen hat. Es kommt auch darauf an, wie weit die Verfehlungen der beiden Ehegatten einander bedingten und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten. Von ausschlaggebender Bedeutung ist die Ursächlichkeit der Eheverfehlungen für die unheilbare Zerrüttung der Ehe und damit die Frage, wer den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung geleistet hat. Eheverfehlungen nach Zerrüttung der Ehe sind dann von Bedeutung, wenn sie der verletzte Ehegatte bei verständiger Würdigung noch als zerrüttend empfinden durfte oder eine Vertiefung der Zerrüttung durch diese Verfehlungen nicht ausgeschlossen werden kann. Im allgemeinen spielen aber Verfehlungen, die nach unheilbarer Zerrüttung der Ehe begangen werden, keine entscheidende Rolle (Gruber, aaO, Rz 6 ff zu § 60 EheG und die dort angeführten Nachweise aus der Rechtsprechung).

Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens der Ehegatten auch iS § 57 EheG verfristete Eheverfehlungen zu berücksichtigen sind (§ 59 Abs 2 EheG; EFSlg 75.565 uva). Es hat allerdings diesem Grundsatz nicht Rechnung getragen und ist letztlich unter Außerachtlassung aller früheren Eheverfehlungen der Beklagten davon ausgegangen, dass einander hier nur die einseitige Auflösung der Ehegemeinschaft durch die Beklagte und das Sammeln von Pornoliteratur durch den Kläger gegenüberstünden. Diese zusammenfassende Betrachtung wird aber dem komplexen Sachverhalt, der hier zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geführt hat, in keiner Weise gerecht.

Den Feststellungen ist zu entnehmen, dass die Ehe vor allem durch das schon vor vielen Jahren erfolgte Scheitern der sexuellen Beziehung und dadurch geprägt war, dass die dominante Beklagte ihre wirtschaftlichen Vorstellungen und Ziele entweder gegen den anfänglichen Widerstand des Beklagten oder überhaupt ohne dessen Zustimmung - teilweise auch ohne dessen Kenntnis - durchsetzte bzw. verwirklichte. Ob einem der Partner bzw. welchem von ihnen das Scheitern der sexuellen Beziehung anzulasten ist, erwies sich als nicht feststellbar. Wohl aber steht fest, dass die Beklagte in Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Vorstellungen wiederholt Eheverfehlungen von erheblichem Gewicht setzte. Dabei kommt es weniger auf ihre wirtschaftlichen Fehlentscheidungen an, die ja teilweise - wenn auch nach anfänglichem Widerstand - vom Beklagten mitgetragen wurden. Entscheidend sind vielmehr jene Verhaltensweisen, die nicht mehr als nicht oder nur gering vorzuwerfende wirtschaftliche Fehlentscheidungen zu werten sind, sondern als Versuche, ohne Rücksicht auf die Interessen des Beklagten die eigenen Interessen mit keinesfalls zu billigenden Mitteln durchzusetzen. Dazu gehört etwa das unter Androhung der Scheidung erfolgte Verlangen an den Kläger, in Konkurs zu gehen, um damit den günstigen Erwerb seiner Liegenschaften durch die Beklagte zu ermöglichen und eine Verkürzung der Ansprüche des Unfallopfers zu bewirken. Vor allem aber ist hier die hinter dem Rücken des Klägers erfolgte Stornierung seiner Daueraufträge zugunsten des Unfallopfers zu nennen, die letztlich zu Exekutionen gegen den Kläger führte. Aber auch die Erwirkung der Beendigung des Mietvertrages mit dem Yachtclub wegen Unstimmigkeiten zwischen der Beklagten und Mitgliedern dieses Clubs lässt sich angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung dieses Vertrages für die Eheleute nicht mehr als vertretbare Fehlentscheidung abtun.

Dazu kommt als weitere gravierende Eheverfehlungen der Beklagten die gegen den Willen des Klägers erfolgte Gewaltanwendung gegenüber den gemeinsamen Kindern, die hier bis zum Stechen mit Nadeln und zum Schlagen mit Ruten ging. Für die absolute und endgültige Zerrüttung von Bedeutung war schließlich die einseitige Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft, die umso schwerer wiegt, als sie mit dem ohne Wissen des Klägers erfolgten Ankauf eines Gasthofs um (fremdfinanzierte) S 7,500.000,- (!) und mit der Erschwerung bzw. Unterbindung des Kontaktes zwischen dem Kläger und den gemeinsamen Kindern einherging.

Demgegenüber hat der Kläger - wie auch das Berufungsgericht richtig erkannt hat - im Wesentlichen nur das Sammeln von Pornoliteratur zu verantworten. Wenngleich dieses Verhalten nicht bagatellisiert werden soll, muss dazu aber dennoch angemerkt werden, dass ihm jahrelange sexuelle Unzufriedenheit der Streitteile voranging und dass der von der Beklagten erhobene Vorwurf, sie habe die Pornohefte überall "verräumen" müssen, angesichts der Feststellung, der Kläger habe die Hefte versteckt gehalten, nicht zutrifft. Richtig ist allerdings, dass der Sohn der Streitteile einmal solche Hefte fand. Dies rechtfertigt es aber nicht, die im Sammeln dieser Hefte gelegenen Eheverfehlung des Klägers auch nur annähernd so zu gewichten, wie die zahlreichen schweren Eheverfehlungen der Beklagten. Dies muss umso mehr gelten, als den Feststellungen eine ernsthaft ehezerstörende Wirkung dieser Eheverfehlung des Klägers nicht zu entnehmen ist.

Ebensowenig kommt dem Umstand gesteigerte Bedeutung zu, dass der Kläger ein Postfach für Kontaktanzeigen eingerichtet hat, zumal feststeht, dass er solche Anzeigen in der Folge weder empfangen noch aufgegeben hat. Dass auch den in einem Stadium der nachhaltigen Zerrüttung der Ehe erfolgten Unterhaltsverletzungen, denen mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers zugrunde lag, nicht mehr die Bedeutung einer schweren, die Ehe zerrüttenden Eheverfehlung zuzumessen ist, hat bereits das Berufungsgericht richtig erkannt.

Damit ist aber dem Erstgericht beizupflichten, dass zwischen dem Fehlverhalten des Klägers und jenem der Beklagten ein ganz erheblicher Unterschied besteht und dass das Fehlverhalten des Klägers gegenüber den Eheverfehlungen der Beklagten soweit zurücktritt, dass die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Ausspruchs des überwiegenden Verschuldens der Beklagten geboten ist.

Die dagegen vorgebrachten Einwände in der Revisionsbeantwortung gehen zum weit überwiegenden Teil nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sondern stellen festgestellte Eheverfehlungen der Beklagten in Abrede und wiederholen nicht als erwiesen angenommene Behauptungen über Fehlverhalten des Klägers. Darauf ist nicht weiter einzugehen. Nicht fleißig gewesen zu sein, wird der Beklagten ohnedies nicht vorgeworfen. Vom Unfall, den der Kläger verursacht hatte, wusste sie bereits vor dem Eingehen der Ehe. Aus den finanziellen Folgen dieses Unfalles kann sie daher keine Eheverfehlung des Klägers ableiten. Insgesamt sind die Ausführungen in der Revisionsbeantwortung daher nicht geeignet, das überwiegende Verschulden der Beklagten in Frage zu stellen.

In Stattgebung der Revision war daher die Entscheidung erster Instanz in der Hauptsache wiederherzustellen.

Damit ist die in der Berufung enthaltene Kostenrüge - auf die das Gericht zweiter Instanz infolge der Abänderung in der Hauptsache nicht einzugehen hatte - zu erledigen (SZ 70/89 ua; Kodek in Rechberger, ZPO Rz 5 zu § 528). In dieser Kostenrüge macht die Beklagte geltend, dass "zahlreiche Schriftsätze" des Klägers nicht aufgetragen worden bzw. nicht notwendig gewesen seien und daher nicht honoriert werden dürften. Eingegangen kann in diesem Zusammenhang nur auf die konkret genannten Schriftsätze vom 15. 10. 1999 und vom 27. 10. 1999 werden. Gegen deren Honorierung durch das Erstgericht bestehen aber keine Bedenken, zumal der erste der beiden Schriftsätze dem Kläger mit Beschluss vom 17. 9. 1999 aufgetragen wurde (S 4 in ON 90) und der zweite - eine Reaktion auf einen Schriftsatz der Beklagten - vom Erstgericht in der Tagsatzung vom 25. 11. 1999 verwertet wurde. Im Übrigen ist bei der Ausmessung des Kostenersatzes bei überwiegendem Verschulden eines Teiles auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen. Da der Kläger mit seinem Scheidungsbegehren durchdrang und auch den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens der Beklagten erwirkte, ist unter den den vorliegenden Fall kennzeichnenden Umständen die Entscheidung des Erstgerichtes, den Kläger als iS § 43 Abs 2 ZPO nur geringfügig unterlegen zu betrachten und ihm daher vollen Kostenersatz zuzusprechen, nicht zu beanstanden. Auch im Kostenpunkt war daher die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Für seine Revision war dem Kläger nur der einfache Einheitssatz zuzusprechen.

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