OGH 9ObA32/95

OGH9ObA32/9526.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Prohaska und Dr.Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1.) Anton K*****, 2.) Hildegard K*****, ebendort,

3.) Hubert K*****, 4.) Margarethe P*****, 5.) Franz R*****, 6.) Franz F*****, alle vertreten durch Dr.Hannes Priebsch und DDr.Sven D.Fenz, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Maria W*****, Hausbesorgerin, ***** vertreten durch den Sachwalter und Verfahrenshelfer Dr.Josef Habersack, Rechtsanwalt in Graz, wegen Kündigung eines Hausbesorgerdienstverhältnisses, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12.Oktober 1994, GZ 8 Ra 37/94-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26.Jänner 1994, GZ 36 Cga 12/93z-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 5.276,54 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 879,42 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger kündigten das Hausbesorgerdienstverhältnis der Beklagten wegen der Ablagerung von Mist und Gerümpel innerhalb bzw auch außerhalb ihrer Wohnung und Unterlassung der Reinigung des von ihr gemeinsam mit einem Hausbewohner mitbenützten WC auf und begehren die Übergabe der Dienstwohnung.

In ihren rechtzeitig erhobenen Einwendungen bestreitet die Beklagte den geltend gemachten Kündigungsgrund und beantragt die Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens.

Die Beklagte steht seit 30.12.1982 in einem Hausbesorgerdienstverhältnis zu den Klägern, wobei ihr eine Dienstwohnung überlassen wurde. Das WC hatte sie gemeinsam mit einem Hausmiteigentümer zu benützen. Die Beklagte hat seit 1984 bis 1990 gleichbleibend Holz im Keller abgestellt. Zusagen, es wegzuräumen hat sie nicht eingehalten. Beginnend mit 1991 lagerte sie zusätzlich zum Holz auch anderen Unrat, sodaß es im Laufe der Zeit zu einer argen Geruchtsbelästigung kam und sich auch Ratten eingenistet hatten. Den zahlreichen Aufforderungen, diese Ablagerungen zu entfernen kam die Beklagte nicht nach. Die Ansammlungen von Gerümpel und Unrat, darunter auch Lebensmittel, nahmen vielmehr zu. Das 1991 neu hergerichtete WC wurde von der Beklagten ebenfalls mit Decken, Abfall, Müll, Teppichen und Gerümpel vollgeräumt, mit Kot angespritzt und von der Beklagten nicht gereinigt. Dadurch befanden sich Käfer und Ungetier im WC. Zu 36 Cga 138/91 des LG für ZRS Graz haben die Kläger in der Folge eine Klage auf Unterlassung und Entfernung dieser Ablagerungen eingebracht, worüber ein Versäumungsurteil erging. Obwohl zur Erwirkung der Verpflichtung der Beklagten, die Ablagerungen zu entfernen Exekution bewilligt wurde, entfernte sie nichts, sondern häufte weiteres Gerümpel an. Mit Beschluß des BG für ZRS Graz vom 9.6.1993, 15 SW 22/92-25, wurde der Beklagtenvertreter zum Sachwalter zur Regelung sämtlicher Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Wohnung sowie mit dem Hausbesorgerdienstverhältnis bestellt.

Das Erstgericht trug der Beklagten auf die Dienstwohnung bis zum 14.10.1992 den Klägern geräumt zu übergeben. In rechtlicher Hinsicht liege der Kündigungsgrund nach § 18 Abs 6 HBG vor. Das Ansammeln von Unrat und Gerümpel, das auch Geruchsbelästigungen, Ungetier und Ungeziefer zur Folge hat, habe zwar mit der Hausbesorgertätigkeit nichts zu tun, begründe aber dennoch gemäß § 18 Abs 6 HBG die Kündigung. Für die nur demonstrativ aufgezählten Kündigungsgründe sei eine Wurzel in der Hausbesorgertätigkeit ebensowenig erforderlich wie ein Verschulden des Hausbesorgers. Verzicht liege nicht vor.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es bestätigte das angefochtene Urteil mit der Maßgabe, daß auch die Aufkündigung des Hausbesorgerdienstverhältnisses zum 30.9.1992 wirksam sei.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß die Beklagte zwar nicht gegen die Arbeitspflichten aus dem Hausbesorgerdienstvertrag verstoßen habe, aber durch ihre fortgesetzten rechtwidrigen Ablagerungen von Unrat auch in den ihr zur Reinigung übertragenen Räumlichkeiten und durch die Anlockung von Ratten und anderem Ungeziefer sowie die Geruchsbelästigung empfindlich in die Rechte ihrer Mitgewohner eingegriffen und daher von der ihr anvertrauten Wohnmöglichkeit einen erheblich nachteiligen Gebrauch gemacht habe. Dieses Verhalten sei den in § 18 Abs 1 lit a bis c HBG angeführten Kündigungsgründen zumindest gleichwertig. Analogie sei in diesem Bereich zulässig, wobei es auf ein Verschulden nicht ankomme.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Rechtsunwirksamerklärung der Kündigung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagenden Parteien stellen den Antrag, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der bereits in der Berufung geltend gemachte und vom Berufungsgericht verneinte Nichtigkeitsgrund der Geschäftsunfähigkeit der ohnehin vom Sachwalter im Kündigungsverfahren vertretenen Beklagten kann in der dritten Instanz nicht neuerlich wahrgenommen werden (SZ 59/169; EFSlg 55.098, 70.383; 9 ObA 259 bis 264/93; 9 ObA 76/94). Die zu 36 Cga 138/91 eingebrachte und rechtskräftig erledigte Klage auf Unterlassung und Entfernung der von der Beklagten vorgenommenen Ablagerungen steht der Kündigung des Hausbesorgerdienstverhältnisses nicht entgegen, weil damit weder Streitanhängigkeit vorliegt noch die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache begründet ist.

Die Aufzählung der Entlassungs- und Kündigungsgründe im HausbesorgerG ist lediglich demonstrativ, sodaß im Wege der Analogie auch ein diesen Kündigungsgründen gleichzuhaltender Tatbestand zur Kündigung des Hausbesorgers berechtigen würde, soferne nur anstelle des fehlenden Tatbestandselementes ein anderes mindestens ebenso schwerwiegendes Sachverhaltselement tritt, das den beispielsweise angeführten Gründen gleichwertig ist (Kuderna, Entlassungsrecht2 180 mwN; Arb 10.856; 9 ObA 316/92; 9 ObA 344/93; 8 ObA 228/94). Dabei muß der analog anzuwendende Kündigungsgrund nicht auf Verschulden beruhen (Kuderna aaO 180). Bei der Kündigung ist jedoch nicht ein so strenger Maßstab anzulegen, wie er bei einer Entlassung erforderlich wäre (8 ObA 228/94 mwN).

Nach dem Wortlaut des § 18 Abs 6 lit b HBG bildet ein fortgesetztes ungebührliches Verhalten trotz vorheriger schriftlicher Verwarnung den Kündigungsgrund. Nach der RV zum HBG (1419 BlgNR XI.GP) soll bei der Regelung des Kündigungs- und Entlassungsschutzes des Hausbesorgers auch auf die Tatsache Bedacht genommen werden, daß das Hausbesorgerdienstverhältnis durch eine enge Verknüpfung arbeits- und bestandrechtlicher Elemente gekennzeichnet ist. Es wurde daher mit Rücksicht auf die Interessen der Hausgemeinschaft die auf die gleiche Interessenlage abstellende Regelung des § 19 Abs 2 Z 3 MG (nunmehr § 30 Abs 2 Z 3 MRG) als Vorlage herangezogen, was aber zu Auflösungsgründen führt, die dem übrigen Arbeitsrecht sonst fremd sind. Die vom Gesetzgeber sohin als gleichwertig angesehenen Tatbestände eines rücksichtslosen, nachteiligen, anstößigen oder sonst grob ungehörigen Verhalten des Hausbesorgers stellen daher inhaltlich den Kündigungsgrund des ungebührlichen Benehmens nach § 18 Abs 6 lit b HBG dar, während die mit Strafe bedrohte Handlung als Entlassungsgrund im § 20 HBG aufscheint (1419 BlgNR XI.GP, Kuderna aaO 175).

Ohne daß es daher der Analogie bedürfte, ist das Verhalten der Beklagten dem Kündigungsgrund des § 18 Abs 6 lit b HBG zu unterstellen, der aber wie der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG erster und zweiter Fall kein Verschulden erfordert (MietSlg 30.366, 31.357, 34.412, 37.412) noch durch Geisteskrankheit grundsätzlich ausgeschlossen wird (MietSlg 22.332/19, 35.349; 3 Ob 576/85).

Es genügt die objektive Verwirklichung des Kündigungstatbestandes in Verbindung mit der vorherigen schriftlichen Verwarnung des Hausbesorgers. Da für eine solche weder ein bestimmter Wortlaut noch ein Hinweis auf drohende Sanktionen erforderlich ist (Arb 10.113), sondern eine schriftliche Erklärung genügt, der nach der redlichen Verkehrssitte die Bedeutung einer Verwarnung entnommen werden kann (Kuderna aaO 178 mwN, 8 ObA 300/94), entsprach die Klage auf Unterlassung und Entfernung der Ablagerungen dem Erfordernis einer schriftlichen Verwarnung.

Bei dem hier vorliegenden Dauertatbestand genügte die Geltendmachung des Kündigungsgrundes während der Dauer dieses Zustandes (Kuderna aaO, 18 f), weil durch die Geltendmachung des Unterlassungs- und Entfernungsanspruches hinlänglich deutlich gemacht wurde, daß dieser Zustand nicht geduldet wird. Für die Annahme eines konkludenten Verzichtes ist infolge der unverzüglichen Geltendmachung dieses Anspruches im Jahre 1991 unter anderem bezüglich der im Jahr 1991 im neu hergerichteten WC erfolgten Ablagerungen kein Anhaltspunkt gegeben.

Da die Hausbesorgerdienstwohnung aus dem Schutz des Mietrechtsgesetzes ausdrücklich ausgenommen ist (§ 1 Abs 2 Z 2 MRG) haben die Vorinstanzen zutreffend den Kündigungsschutz nur aufgrund der Bestimmungen des HBG geprüft und infolge Vorliegens des Kündigungsgrundes nach § 18 Abs 6 lit b HBG die Kündigung für rechtswirksam erklärt und dem Räumungsbegehren stattgegeben.

Daß das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil mit der Maßgabe bestätigte, daß auch die Aufkündigung des Hausbesorgerdienstverhältnisses rechtswirksam sei, begründet keinen Verfahrensmangel, weil dieser Ausspruch bei der vorliegenden Aufkündigung des Dienstverhältnisses des Hausbesorgers, dem auch eine Dienstwohnung im Sinne des § 13 HBG eingeräumt worden war, notwendiger Bestandteil des die Einwendungen erledigenden Urteiles nach § 572 ZPO ist. Die Aufkündigung des Dienstverhältnisses und deren Rechtswirksamerklärung im Urteil ist nämlich Voraussetzung für die Übergabe der Dienstwohnung als Folge der Beendigung des Dienstverhältnisses (9 ObA 34/87).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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