Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Das Klagebegehren, es werde gegenüber der beklagten Partei festgestellt, daß das zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei seit 19.3.1984 bestehende Dienstverhältnis auch nach dem 31.7.1992 aufrecht weiterbestehe, wird abgewiesen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei folgende Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu ersetzen:
1. Instanz S 17.982,60
2. Instanz S 15.335,80
(darin enthalten S 5.300 Barauslagen)
3. Instanz S 11.692,--
(darin enthalten S 6.620 Barauslagen).
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war bei der Post- und Telegraphendirektion für Tirol und Vorarlberg ab 19.3.1984 als Vertragsbedienstete Ic beschäftigt. Dieses Dienstverhältnis wurde zum 31.7.1992 aus dem Grunde des § 32 Abs 2 lit g VBG 1948 aufgekündigt. Mit Schreiben vom 4.5.1992 teilte der Klagevertreter der beklagten Partei mit, daß der von der Beklagten angezogene Kündigungsgrund nicht anerkannt werde und aufgrund der Einstellung einer weiteren Halbtagskraft eine Sinnhaftigkeit der Organisationsänderung für die Klägerin nicht erkennbar sei. Die Klägerin erhielt in der Folge die Abfertigung ausbezahlt, wobei sie bei deren Übernahme bei ihrer Unterschrift den Vermerk "unter Vorbehalt" beisetzte.
Mit ihrer am 28.4.1993 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die im Spruch angeführte Feststellung.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil der Kündigungsgrund zu Recht bestehe. Da die Klägerin mit Schreiben vom 4.5.1992 gegen die Kündigung Einspruch erhoben habe, sie nach der Aufklärung über die Gründe der Aufkündigung mit Schreiben vom 14.5.1992 aber nicht mehr tätig geworden sei, müsse sie sich einen Verstoß gegen Treu und Glauben vorwerfen lassen.
Anläßlich der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 1.7.1993 vereinbarten die Streitteile einfaches Ruhen des Verfahrens zum Zweck der Führung von Vergleichsgesprächen. In diesem Zusammenhang erklärte die Beklagte, daß aus diesem Ruhen des Verfahrens keinerlei Konsequenzen im Hinblick auf die nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens eingewendet oder geltend gemacht werden. Nach Fortsetzung des Verfahrens durch die Klägerin am 26.7.1996 brachte die Beklagte vor, daß ungeachtet dieser Erklärung diese nur dann zu gelten habe, wenn die Klägerin innerhalb angemessener Frist das Verfahren fortgesetzt hätte. Der Beklagtenvertreter sei mit Schreiben vom 1.9.1993 in Kenntnis gesetzt worden, daß eine einvernehmliche Regelung nicht möglich sei. Daher habe die Klägerin das Verfahren nicht innerhalb angemessener Frist fortgesetzt.
Dieses Vorbringen bestritt die Klägerin insoweit, als sie vorbrachte, daß im Schreiben vom 1.9.1993 kein Hinweis auf den Widerruf der Verzichtsklausel gemacht worden sei, sodaß diese weiterhin Gültigkeit habe. Das Ruhen sei nicht nur im Hinblick auf eine gütliche Einigung, sondern auch im Hinblick auf weitere Überlegungen der Parteien vereinbart worden, was wiederum die Beklagte bestritt. Nach dem Protokoll vom 10.9.1996 wurden anschließend Vergleichsgespräche geführt und es wurde nach Durchführung von Zeugenvernehmungen einfaches Ruhen des Verfahrens vereinbart, wobei die Beklagte für die kommenden drei Monate auf den Einwand der nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens durch die Klägerin verzichtete. Es sollten während der Ruhenfrist Vergleichsgespräche stattfinden. Die Fortsetzung erfolgte fristgemäß.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es erachtete den Kündigungsgrund als nicht verwirklicht, weil die von der Klägerin bisher ausgeübte Tätigkeit nach wie vor erforderlich sei und geleistet werden müsse. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei nicht wegrationalisiert worden und es habe auch keine Veränderung der Organisation gegeben. Die Klage auf Feststellung der "Rechtsunwirksamkeit der Kündigung" sei nicht fristgebunden. Auch im Hinblick auf die Ruhensvereinbarung könne der Klägerin nicht angelastet werden, daß die Klage zu spät eingebracht bzw das Verfahren nicht ordnungsgemäß fortgesetzt worden wäre. Eine Fügung in die Kündigung könne gemäß § 863 ABGB nicht angenommen werden. Die Klägerin sei auch nicht an der Erreichung des Prozeßzieles uninteressiert gewesen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.
In seiner rechtlichen Begründung führte das Berufungsgericht aus, daß die sechsmonatige Verfallsfrist des § 1162d ABGB zur Geltendmachung der Ansprüche der Klägerin nicht herangezogen werden könne, und die Nichtanwendbarkeit des Arbeitsverfassungsgesetzes Rückschlüsse auf eine Aufklärungsobliegenheit der Klägerin nicht zulasse. Aus der bestehenden Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers zwischen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bzw Geltendmachung von entlassungs(kündigungs-) abhängigen Ansprüchen bestehe aber ein Klarstellungsinteresse des Vertragspartners. Der die Leistungsbereitschaft des Arbeitnehmers voraussetzende Fortsetzungsanspruch könne deshalb zeitlich nicht unbegrenzt geltend gemacht werden. Aus dem stillschweigenden Zuwarten mit der Klage nach Annahme der Abfertigung unter Vorbehalt sei aber nicht auf besondere Umstände zu schließen, die für einen Verzicht der Klägerin auf ihren Fortsetzungsanspruch hingewiesen hätten. Auch die mehrjährige Untätigkeit der Klägerin vor der Fortsetzung des ruhenden Verfahrens gehe nicht zu ihren Lasten. Es hätten auch noch im Jahre 1996 Vergleichsgespräche stattgefunden und sei noch immer eine einvernehmliche Lösung zur Diskussion gestanden. Es könne daher aufgrund der Aktenlage von keinem endgültigen Scheitern der Vergleichsgespräche nach dem 1.9.1993 ausgegangen werden. Soweit sich die Beklagte auf das Schreiben vom 1.9.1993 beziehe, habe sie dieses nicht vorgelegt, sodaß daraus keine Feststellungen getroffen werden konnten. Ihre Rechtsrüge sei daher in diesem Belang nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Die Beklagte müsse aus diesem Grund den in der Tagsatzung vom 1.7.1993 erklärten Verzicht auf die Einwendung der nicht gehörigen Fortsetzung gelten lassen. Einen Gegenbeweis zur Entkräftung bzw für eine andere Auslegung dieser protokollierten Erklärung der Beklagten sei von dieser nicht erbracht worden. Die Untätigkeit der Klägerin schade daher nicht, zumal die Beklagte selbst früher eine Fortsetzung des Verfahrens begehren hätte können. Im übrigen bestätigte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß der geltend gemachte Kündigungsgrund des § 32 Abs 2 lit g VBG 1948 nicht vorliege.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Dauer der Geltendmachung eines Fortsetzungsanspruches durch den eine unwirksame einseitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses behauptenden Vertragsbediensteten ist nicht unbegrenzt möglich. Mangels gesetzlicher Frist ist die Grenze in jedem konkreten Fall unter Bedachtnahme auf § 863 ABGB zu ziehen, ob das Verhalten des Arbeitnehmers als stillschweigendes Einverständnis mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu werten ist (Kuderna, Gedanken zu einer individualrechtlichen und materiellrechtlichen Gestaltung des allgemeinen Kündigungsschutzes im Arbeitsrecht, DRdA 1974, 49 f; ders. Einige Probleme des besonderen Kündigungsschutzes, DRdA 1990, 1 f; Kollros, Wie weit geht der Kündigungsschutz bei Vertragsbediensteten tatsächlich? ZAS 1995, 77 f; Arb 7744, 8588, 11.023; 4 Ob 582/87; 8 ObA 41/97f). Aus der Nichtgeltendmachung eines Anspruches durch längere Zeit ist daher in der Regel noch kein Verzicht dokumentiert. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, welche die spätere Geltendmachung als unzulässig erscheinen lassen (14 ObA 189, 190/88; 8 ObA 214/95).
Wird in Betracht gezogen, daß die Klägerin der Kündigung ausdrücklich widersprochen und die Abfertigung auch nur unter Vorbehalt angenommen hat (was nach dem Personalakt erst nach der Anweisungsverfügung vom 11.8.1992 erfolgt sein konnte), so gibt es außer dem stillschweigenden Zuwarten mit der Geltendmachung des Fortsetzungsanspruches keinen besonderen Umstand, der auf eine billigende Kenntnisnahme der Kündigung hinweist. Aus dem Eingehen eines anderen Dienstverhältnisses im September 1993, sohin nach Klageeinbringung, läßt sich überhaupt nichts ableiten. Bei dem ausdrücklichen Bestreiten der Kündigung mußte die Klägerin nicht überdies noch ihre Arbeitsbereitschaft auf besondere Weise erklären. Der Nichtgeltendmachung von Entgeltansprüchen kommt, wie dem Schweigen zu einer verfehlten Kündigung, keine weitere Bedeutung zu (Kollros aaO, 82).
Eine Frist zur Geltendmachung des Fortsetzungsanspruches ist im VBG nicht enthalten. Es sind nicht einmal maßgebliche Wertungsgrundsätze vergleichbar, sodaß anzunehmen ist, daß die Nichtregelung dem Plan des Gesetzgebers des VBG entsprochen hat (Koziol/Welser, Grundriß10 I, 25).
Die Klägerin hat daher ursprünglich nicht auf ihren Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verzichtet. Verzögerungen nach der rechtzeitigen Verfahrensfortsetzung sind aber neuerlich im Sinne des § 863 ABGB dahin zu beurteilen, ob ihr Verhalten nunmehr als stillschweigender Verzicht auf die Weiterführung des Rechtsstreites, als Anerkenntnis des Rechtes der Beklagten, sohin im Sinne des § 1497 ABGB anzusehen ist. Es können daher analog die zur gehörigen Fortsetzung des Verfahrens entwickelten Grundsätze angewendet werden.
Ob das Verfahren nach der Ruhensvereinbarung vom 1.7.1993 gehörig fortgesetzt wurde, hängt sohin nicht nur von der Dauer, sondern auch von den Gründen der Untätigkeit ab (EvBl 1994/166 ua). Die Erklärung der Beklagten, aus diesem Ruhen des Verfahrens keinerlei Konsequenzen im Hinblick auf die nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens einzuwenden, bezog sich auf das vereinbarte Ruhen zwecks Führung von Vergleichsverhandlungen und bedurfte nach einem Scheitern derselben keines eigenen Widerrufes. Die Klägerin kann sich demnach zur Rechtfertigung ihrer unverständlichen und ungewöhnlich langen Untätigkeit nur auf solche Gründe berufen, die im Verhältnis zwischen den Prozeßparteien liegen und die Vergleichsverhandlungen aus besonderen Gründen verzögerten oder erneuerten (SZ 49/106; 4 Ob 558/89). Ob eine Untätigkeit gerechtfertigt ist, hat nämlich die klagende Partei zu beweisen (SZ 42/54; RZ 1994/26; 7 Ob 17/88; 9 ObA 170/95).
Hiezu hat die Beklagte behauptet, daß der Beklagtenvertreter (richtig: Klagevertreter) mit Schreiben vom 1.9.1993 in Kenntnis gesetzt wurde, daß eine einvernehmliche Regelung von Seiten der Post nicht möglich sei (AS 43). Die Klägerin hat dieses Vorbringen nur insoweit bestritten, als darin kein Hinweis auf den Widerruf der Verzichtsklausel gemacht wurde, sodaß diese weiterhin Gültigkeit habe. Das Ruhen sei nicht nur im Hinblick auf eine gütliche Einigung, sondern auch "im Hinblick auf weitere Überlegungen der Parteien" vereinbart worden.
Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes durfte sich die Beklagte auf den von der Klägerin nicht substantiiert bestrittenen und daher keines Beweises mehr bedürftigen Umstand (SZ 55/116), daß nach dem Schreiben vom 1.9.1993 eine einvernehmliche Regelung von Seiten der Post nicht möglich sei, berufen, sodaß ihre in diesem Punkte erhobene Rechtsrüge beachtlich war.
Es genügte daher unter diesen Umständen die bloße Berufung der Klägerin auf den Verzicht auf den Einwand der nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens nicht. Sie hätte im Sinne ihrer Beweispflicht Gründe für Verzögerungen an der Fortsetzung des Verfahrens, aber auch die völlig unbestimmte Aussage, daß das Ruhen auch im Hinblick auf weitere Überlegungen der Parteien (welche?) konkretisieren und unter Beweis stellen müssen, um die Annahme eines Verzichtes auf ihren Fortsetzungsanspruch auszuschließen.
Auch wenn bei der Beurteilung stillschweigenden Verhaltens besondere Vorsicht geboten ist und Schweigen im allgemeinen keinen Erklärungswert aufweist (RdW 1997, 273), so hat die Klägerin hier ihren Anspruch mit Klage geltend gemacht. Daher ist bei objektiver Beurteilung dieses Verhaltens auch zu unterstellen, daß ein interessierter Kläger alles unternimmt, was zur Durchsetzung dieses einmal geltend gemachten Anspruches zweckmäßig ist. Auch eine Ruhensvereinbarung zwecks gütlicher Bereinigung der Angelegenheit liegt noch in dieser Zielrichtung. Wird allerdings ein ruhendes Verfahren jahrelang nach Wegfall des Ruhensgrundes durch Scheitern der Vergleichsverhandlungen nicht zügig fortgesetzt, so ist das ein unbegründetes und auch objektiv unbegreifliches Untätigsein, das dem ursprünglich gezeigten Willen auf Rechtsdurchsetzung diametral entgegensteht. Gründe für die Rechtfertigung dieses unverständlichen Untätigseins wurden von der hiefür beweispflichtigen Klägerin nicht behauptet.
Ob im fortgesetzten Verfahren neuerlich Vergleichsverhandlungen gepflogen werden oder eine Ruhensvereinbarung getroffen wurde, vermag bei dem schon erhobenen und aufrecht erhaltenen Einwand der nicht gehörigen Fortsetzung den bereits vorliegenden Verzicht auf die Rechtsdurchsetzung nicht zu beseitigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Honoraransätze haben sich nach dem Zeitpunkt der verzeichneten Leistungen zu richten.
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