OGH 9ObA25/08d

OGH9ObA25/08d5.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Georg Eberl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ruth D*****, Angestellte, *****, vertreten durch die Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, und der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei Elisabeth G*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in Wien, wegen 56.719,63 EUR sA (Revisionsinteresse 34.125,34 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2007, GZ 7 Ra 84/07p-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Mai 2007, GZ 37 Cga 22/07a-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, dass die aus einem wichtigen Grund erfolgende Erklärung des vorzeitigen Austritts lediglich eindeutig erkennen lassen muss, dass das Arbeitsverhältnis vorzeitig, also ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, einseitig aufgelöst wird. In einer solchen Erklärung muss ein Auflösungsgrund nicht angeführt werden. Es genügt, wenn dieser nachträglich, allenfalls auch erst im Prozess, genannt wird und es dem Austretenden gelingt, den Austrittsgrund nachzuweisen (14 Ob 67/86; RIS-Justiz RS0029015 ua). Es ist daher auch zulässig, Austrittsgründe „nachzuschieben" (8 ObA 90/99i; RIS-Justiz RS0029131, RS0112695 ua). Mit dieser Rechtsprechung steht das Berufungsurteil nicht in Widerspruch. Die Revisionswerberin übergeht vielmehr ihrerseits, dass auch nachgeschobene Gründe der Voraussetzung unterliegen, dass im Fall einer Vertragsverletzung etwa in Form des ungebührlichen Vorenthaltens des Entgelts iSd § 26 Z 2 AngG nicht jede, sondern nur eine wesentliche Vertragsverletzung zum vorzeitigen Austritt berechtigt. Wesentlich ist eine Vertragsverletzung aber nur dann, wenn dem Angestellten die weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht einmal mehr für die Kündigungsfrist objektiv zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0028914, RS0029312 ua). Ob dies der Fall ist, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, sodass sich regelmäßig erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht stellen (9 ObA 96/05s; RIS-Justiz RS0106298 ua).

Entgegen der Annahme der Revisionswerberin ist dem Berufungsgericht keine „krasse Fehlbeurteilung" unterlaufen. Da sich der ursprüngliche Austrittsgrund der Klägerin (angebliches Vorenthalten einer Prämie für das Jahr 2005 in der Höhe von 16.500 EUR durch die Beklagte) als unbegründet erwies, stützt sich die Revisionswerberin nur mehr auf den von ihr in erster Instanz nachgeschobenen Austrittsgrund des Vorenthaltens von Spesen von 474,67 EUR für Oktober 2006. Dass auch vorenthaltene Spesen im Einzelfall einen vorzeitigen Austritt des Arbeitnehmers begründen können, steht hier nicht in Frage. Dabei kommt es unter anderem darauf an, ob der Arbeitnehmer noch annehmen kann, dass er die ihm gebührenden Spesen ersetzt bekommen werde (vgl 4 Ob 95/56, Arb 6594; RIS-Justiz RS0112854 ua). Nicht jeder Verzug des Arbeitgebers mit dem Spesenersatz macht somit dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur für die Kündigungsfrist unzumutbar. Ging nun das Berufungsgericht bei Verneinung der Unzumutbarkeit vor allem davon aus, dass die Klägerin bei der Austrittserklärung nicht annehmen konnte, sie werde die Spesen nicht ersetzt bekommen, so ist dies nach der Lage des Falls vertretbar. Zutreffend verwies das Berufungsgericht darauf, dass die Klägerin beim Austritt wegen der (nicht gebührenden) Prämie die Abrechnung der Beklagten für Dezember 2006 nicht mehr abgewartet hat, obwohl ihr für diese der Spesenersatz in Aussicht gestellt worden war. Dass die Klägerin ihren vorzeitigen Austritt weder in der Austrittserklärung noch in der Klage auf den Verzug der Beklagten mit den Spesen, sondern nur auf das Vorenthalten der Prämie gestützt hat, rundet das Bild ab. Dies hindert zwar, wie bereits ausgeführt, nicht das Nachschieben eines anderen Austrittsgrunds, spricht aber eben in Verbindung mit der Zahlungszusage der Beklagten hinsichtlich der Spesen nicht für die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen des Rückstands beim Spesenersatz. Im Übrigen muss die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Austritts gegeben sein (9 ObA 289/97h; vgl auch 9 ObA 155/00k ua); sie kann daher entgegen der Annahme der Revisionswerberin nicht aufgrund von Ereignissen beurteilt werden, die erst nach der Erklärung des Austritts liegen. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte