OGH 9ObA289/97h

OGH9ObA289/97h26.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter MR Dr.Edith Söllner und Dr.Klaus Hajek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Renate H*****, Angestellte, ***** vertreten durch John & John, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei H***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Erhard Mack, Rechtsanwalt in Korneuburg, wegen S 244.416,44 brutto sA (Revisionsstreitwert S 244.055,89 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13.Juni 1997, GZ 8 Ra 128/97w-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 12.November 1996, GZ 7 Cga 34/96z-9, im wesentlichen bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

12.195 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 2.032,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin und der Geschäftsführer der Beklagten sind Ehegatten. Ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Die Klägerin war bei der Beklagten ab 2.1.1992 als Angestellte, zeitweise auch als Geschäftsführerin beschäftigt. Nach mehreren Aufforderungen, ihr Gehalt für Oktober 1995 zu überweisen, setzte sie der Beklagten mit Schreiben vom 9.11.1995 eine Nachfrist bis spätestens 15.11.1995:

"Hiermit ersuche ich Sie, meinen Oktobergehalt bis spätestens 15.11.1995 auf mein Konto bei der Raika Kbg Nr.35436 zu überweisen. Sollte dies nicht der Fall sein, erlaube ich mir laut § 26 Angestelltengesetz meinen berechtigten vorzeitigen Austritt...per 16.11.1995 in Anspruch zu nehmen." Die Überweisung des Oktobergehalts 1995 erfolgte am 14.11.1995 durch Einzahlung bei der Raiffeisenbank K*****, bei der die Klägerin auch ihr Konto unterhielt. Über die Frage des Geschäftsführers, wann die Klägerin über das Gehalt verfügen könne, beteuerte man ihm, daß dies "am nächsten Tag" sein werde. Er wurde, wie auch die Klägerin, die sich um den ehestmöglichen Eingang des Geldes bei der Bank bemühte, nicht unterrichtet, daß am 15.11., dem "Leopolditag" kein Bankbetrieb stattfindet. Deshalb konnte die Klägerin erst am 17.11.1995 über das Oktobergehalt verfügen, obwohl die am 14.11.1995 getätigte Einzahlung am 15.11.1995 (wohl richtig 16.11.1995), als dem dem Feiertag folgenden nächsten Werktag gutgeschrieben wurde. Am 16.11.1995 hatte sich die Klägerin sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag um etwa 13,30 Uhr oder 13,45 Uhr erkundigt, ob das Geld bereits auf ihrem Konto sei. Da sie die Auskunft erhielt, daß ein Eingang des Oktobergehalts nicht erfolgt sei, erklärte sie mit Ablauf des 15.11.1995 schriftlich ihren vorzeitigen Austritt wegen Vorenthaltung des Entgelts.

Die Klägerin begehrt entlassungsabhängige Ansprüche sowie Entgelt für Mehrarbeit von zweieinhalb Stunden und gründet ihre Ansprüche auf ihren berechtigten vorzeitigen Austritt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und bestritt den Austrittsgrund.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Rechtlich führte es aus, daß der Geschäftsführer darauf vertrauen konnte, daß die Klägerin am 15.11. über den von ihm getätigten Erlag verfügen könne. Daß die Verfügungsmöglichkeit erst am 17.11. gegeben war, sei durch bankinterne Abwicklungsschwierigkeiten verursacht worden. Da die Klägerin aufgrund des Aufforderungsschreibens die Einzahlung bei ihrer Hausbank auf ihr Privatkonto gewünscht habe, habe der Geschäftsführer die Einzahlung des Gehalts so rechtzeitig vornehmen müssen, daß die Verfügungsgewalt der Klägerin am 15.11.1995 fristgerecht gewährleistet worden sei. Er habe durch die Nachfrage bei der Bank, ob eine fristgerechte Verfügungsmöglichkeit der Klägerin gewährleistet sei, für eine rechtzeitige Einzahlung Sorge getragen und er sei somit seinen Verpflichtungen nachgekommen. Das Versäumnis der Bank sei ein von ihm nicht zu vertretender Umstand.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil nur insofern ab, als es der Klägerin den entlassungsunabhängigen Entgeltanspruch zuerkannte. Im übrigen bestätigte es die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß der Austritt nicht berechtigt gewesen sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die tatsächliche Gewährung einer Nachfrist von nur einem Arbeitstag, weil davon auszugehen sei, daß das Mahnschreiben frühestens am 13.11.1995 bei der Beklagten ankam, nicht angemessen sei. Die Überweisung sei daher rechtzeitig vorgenommen worden. Der Austritt der Klägerin sei zeitwidrig erfolgt, zumal ihr Mahnschreiben selbst nicht als Austrittserklärung aufgefaßt werden könne, weil sie dort den Austritt nur angekündigt habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Es kommt im vorliegenden Fall auf die Rechtsprechung, daß der Schuldnerverzug erst beendet sei, wenn die geschuldete Leistung beim kontoführenden Geldinstitut als Machthaber des Dienstnehmers einlangt, wobei der Zeitpunkt der Kontrollgutschrift nicht erheblich ist, nicht an (SZ 60/81, DRdA 1992/19, 9 ObA 95,96/95 ua). Auch zur Angemessenheit der gesetzten Nachfrist bis 15.11.1995 ist nicht Stellung zu nehmen, weil die beklagte Partei innerhalb dieser Frist die Überweisung auf das Konto der Klägerin vorgenommen hat.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen setzte die Klägerin mit Schreiben vom 9.11.1995 der Beklagten eine Nachfrist bis spätestens 15.11.1995. Bis zu diesem Termin könne die Beklagte das Oktobergehalt zur Überweisung bringen. Sollte dies nicht der Fall sein, werde die Erklärung des vorzeitigen Austritts angedroht. Auf den Wortlaut des Schreibens vom 9.11.1995 (Beilage 1), für den Fall der Nichtüberweisung auf ihr Konto bis 15.11.1995 laut § 26 AngG ihren berechtigten vorzeitigen Austritt unter Wahrung sämtlicher Rechtsansprüche per 16.11.1995 in Anspruch zu nehmen, kommt es nicht an. Die Feststellung ist nämlich die Folge der Zusammenfassung des Erstgerichtes, daß die Klägerin mit diesem Schreiben den Austritt nur angedroht und diesen tatsächlich erst mit der schriftlichen Erklärung (Beilage G) vorgenommen habe. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin kann daher nicht von einer Austrittserklärung im Schreiben vom 9.11.1995 und sohin nicht von einer Potestativbedingung (Arb 11.379) ausgegangen werden. Die Austrittserklärung erfolgte daher erst mit Schreiben vom 16.11.1995, aufgegeben am 17.11.1995.

Die Austrittserklärung ist wie die Entlassungserklärung oder Kündigung eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit dem Zugehen in den Machtbereich des Arbeitgebers wirksam wird (Kuderna Entlassungsrecht2, 5). Im Zeitpunkt des Austrittes muß die Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses gegeben sein (Kuderna aaO 61; Martinek/M.u.W.Schwarz AngG7 548 mwN). Eine vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses kann nicht rückwirkend ausgesprochen werden (Martinek/M.u.W.Schwarz aaO 547).

Die Gutschrift erfolgte per 16.11.1995 mit Valuta 17.11.1995. Das bedeutet, daß zum Zeitpunkt des Austrittes die Klägerin nicht nur über den eingemahnten Entgeltrückstand verfügen konnte, sondern vor allem die Beklagte die von der Klägerin in ihrer Androhung des Austrittes ausschließlich geforderte Einzahlung auf das Konto der Klägerin fristgerecht vorgenommen hat. Daß die Verfügungsmöglichkeit auch innerhalb der Nachfrist einzuräumen ist, hat die Klägerin in ihrem Mahnschreiben nicht gefordert.

Der Austritt war daher nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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