OGH 9ObA23/19a

OGH9ObA23/19a28.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn (Senat nach § 11a Abs 3 ASGG) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei E*****, vertreten durch Dr. Burmann – Dr. Peter Wallnöfer – Mag. Suitner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 21.800 EUR), hier: wegen einstweiliger Verfügung über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Jänner 2019, GZ 15 Ra 3/19g‑8, mit dem dem Rekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Dezember 2018, GZ 76 Cga 73/18h‑2, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00023.19A.0328.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin und gefährdete Partei (in der Folge: Klägerin) begehrt die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, einer Weisung der Beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei (in der Folge: Beklagte), ihrer Dienstgeberin, Folge zu leisten. Zugleich beantragt sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach zur Sicherung des Klagsanspruchs der Beklagten ab sofort bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptverfahrens verboten wird, die Klägerin aufzufordern, die Tätigkeit laut Weisung der Beklagten zu verrichten, in eventu dass festgestellt werde, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, der Weisung der Beklagten bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren Folge zu leisten.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung – ohne Anhörung der Beklagten – ab. Diesen Beschluss stellte es der Klägerin und der Beklagten zu.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin gegen diesen Beschluss nicht Folge. Dabei erachtete es das Rekursverfahren als zweiseitig und daher die Rekursbeantwortung der Beklagten als zulässig.

Weiters sprach es aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Revisionsrekurs gegen eine bestätigende Rekursentscheidung im Provisorialverfahren sei nur dann absolut ausgeschlossen, wenn der Gegner der gefährdeten Partei zum Antrag noch nicht einvernommen worden sei. Im Hinblick auf die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens sei davon auszugehen, dass ein weiterer Rechtszug nicht jedenfalls unzulässig sei. Da zu den zu beurteilenden Rechtsfragen von einer gefestigten Judikatur ausgegangen werden konnte, sei aber der (ordentliche) Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 2 ZPO iVm § 402 Abs 4 EO und § 78 EO nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der „außerordentliche“ Revisionsrekurs der Klägerin, mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung zu erlassen. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Das Rekursgericht hat aus der Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens auf die Nichtanwendbarkeit des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO geschlossen. Dieser Rechtsauffassung ist jedoch nicht zu folgen.

1. Gemäß § 402 Abs 1 EO ist § 521a ZPO (Zweiseitigkeit des Rekurses) sinngemäß anzuwenden, wenn das Verfahren einen Rekurs (unter anderem) gegen einen Beschluss über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zum Gegenstand hat. Dies gilt gemäß § 402 Abs 2 ZPO nicht für einen Rekurs der gefährdeten Partei gegen die Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wenn der Gegner der gefährdeten Partei zu dem Antrag noch nicht einvernommen worden ist. Das Rechtsmittelverfahren im Provisorialverfahren ist daher nur dann einseitig, wenn das Rechtsmittel vom Gefährdeten erhoben und der Gegner noch nicht zum Antrag einvernommen wurde, wobei die Rechtsprechung diese Voraussetzung dahin versteht, dass der Gegner des Gefährdeten von der Antragstellung noch nicht in Kenntnis gesetzt wurde (6 Ob 88/04s).

Das Rekursverfahren wird nach § 402 EO auch in den Fällen, in denen es nach dem Gesetzeswortlaut einseitig zu bleiben hätte, zweiseitig, wenn der Provisorialantrag oder zumindestens die angefochtene Provisorialentscheidung dem Gesetz zuwiderlaufend dem Gegner der gefährdeten Partei tatsächlich zugestellt worden ist, weil er mit einer solchen Zustellung am Verfahren beteiligt ist (RIS‑Justiz RS0005654 [T1]). Ab dieser Beteiligung kommt der Ausnahmeregelung des § 402 Abs 2 EO, der der Gedanke zugrunde liegt, der gefährdeten Partei auch bei Erhebung eines Rechtsmittels gegen eine Abweisung des Sicherungsantrags die Chance zu wahren, dem vom Geschehen noch nicht informierten Gegner keinen Anlass für eine Vereitlung der Sicherungsmaßnahme zu bieten, keine Berechtigung mehr zu (6 Ob 88/04s mwN; krit, E. Kodek in Angst/Oberhammer, EO3 § 402 EO Rz 2; König, Einstweilige Verfügungen5 Rz 6.79 und G. Kodek in Burgstaller/Deixler‑Hübner, Exekutionsordnung § 402 EO Rz 13).

2. Die Frage, ob der Rekurs zweiseitig ist, ist aber von der Anfechtbarkeit einer die Abweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bestätigenden Rekursentscheidung zu trennen.

Gemäß § 402 Abs 1 EO ist der Revisionsrekurs (unter anderem) dann, wenn das Verfahren einen Beschluss über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zum Gegenstand hat, nicht deshalb unzulässig, weil das Gericht zweiter Instanz die angefochtene Entscheidung zur Gänze bestätigt hat.

Dies gilt jedoch gemäß § 402 Abs 2 EO nicht für einen Rekurs der gefährdeten Partei gegen die Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wenn der Antragsgegner zu dem Antrag noch nicht einvernommen worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Revisionsrekurs gegen eine Entscheidung, mit der die ohne vorherige Anhörung des Verfügungsgegners beschlossene Abweisung eines Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung bestätigt wurde, nach § 402 Abs 2 und 4 EO iVm § 78 EO und § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig (vgl RIS‑Justiz RS0012260).

3. Zum Zweck des § 402 Abs 1 EO hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach festgehalten, dass durch diese Bestimmung der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO für die dort genannten Entscheidungen beseitigt werden sollte, weil diesen Entscheidungen wiederholt richtungsweisende Bedeutung zukommt und darin oft Rechtsfragen gelöst werden, die für das (anschließende) meritorische Verfahren Bedeutung haben, in dem wegen der unterschiedlichen Revisions- und Revisionsrekurs-bestimmungen die Rechtsmittelbeschränkung nicht gilt (4 Ob 241/17w mwN; vgl auch AB 780 BlgNR 18. GP  2). § 402 Abs 2 EO wurde – als Ausnahme von der Ausnahme von einem Rechtsmittelausschluss – offensichtlich von der Erwägung getragen, dass Entscheidungen, mit denen ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne Anhörung des Gegners abgewiesen worden ist, diese Bedeutung nicht zukommt (7 Ob 520/95), zumal ein abgewiesener Antrag mit geändertem Vorbringen ohnedies neuerlich gestellt werden kann (9 ObA 255/93) und der Gegner durch die Abweisung nicht beschwert ist.

Mangels Beteiligung des Gegners in erster Instanz käme auch der Begründung einer allenfalls antragstattgebenden Entscheidung des Obersten Gerichtshof nur eingeschränkte Relevanz zu. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Gegner im Rechtsmittelverfahren rechtliches Gehör erhält. Das Neuerungsverbot gilt auch im Rechtsmittelverfahren gegen eine einstweilige Verfügung und zwar auch dann, wenn die Partei in erster Instanz nicht gehört wurde (RIS‑Justiz RS0002445 [T4]).

Tatsächlich würde die Eröffnung einer solchen Rechtsmittelmöglichkeit zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung der gefährdeten Parteien führen, bei denen die ihren Antrag abweisende Entscheidung erster Instanz – entgegen der grundsätzlichen Konzeption des Gesetzes – dem Gegner zugestellt wurde.

4. Der Revisionsrekurs der Klägerin war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte