OGH 9ObA211/98i

OGH9ObA211/98i11.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hradil sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz Paul und ADir Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Mag. Walter P*****, Vertragslehrer, ***** vertreten durch Dr. Gottfried Eypeltauer ua, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1010 Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 1,000.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. April 1998, GZ 11 Ra 54/98k-46, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. November 1997, GZ 19 Cga 124/96z-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.937,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die - im Rahmen der Rechtsrüge - geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Im übrigen hat das Berufungsgericht die Rechtmäßigkeit und Rechtzeitigkeit der gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Kündigung zutreffend bejaht. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers entgegenzuhalten:

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen änderte der Kläger trotz Aufforderungen und Hilfestellungen durch Landesschulrat und Schulleitung sein Verhalten nicht, welches sich insbesondere darin äußerte, daß er begabtere Schüler bevorzugte, weniger guten Schülern hingegen im Zuge von Wiederholungen und Prüfungen nicht nur keine Hilfestellungen bot, sondern überdies die Antworten zynisch kommentierte, die Schüler unterbrach und durch unsachliche Äußerungen über Intelligenzgrad und Erfolgsaussichten demotivierte. Zu Recht haben die Vorinstanzen darin gröbliche Verletzungen der in § 17 Abs 1 SchUG iVm § 2 Abs 2 SchOG geregelten Pflichten sowie - durch fortgesetzte beleidigende Äußerungen - auch Verstöße gegen § 47 Abs 3 SchUG erkannt (§ 32 Abs 2 lit a VBG). Überdies kann aber auch kein Zweifel daran bestehen, daß ein derartiges Dauerverhalten dem Ansehen des Schuldienstes abträglich ist (§ 32 Abs 2 lit f VBG). Nicht zu teilen ist ferner die Meinung des Revisionswerbers, daß seine am 20. 5. 1996 - und somit schon während der dem Kläger bekannten Vorbereitung der Kündigung - gegenüber einem Schüler getätigte Äußerung "Schleich Dich" schon deshalb keinen Kündigungsgrund dargestellt habe, weil der Kläger sich anschließend entschuldigt habe. Abgesehen davon, daß den Feststellungen zufolge diese Entschuldigung nur unter dem Druck des eigens angereisten Landesschulinspektors erfolgt war, kommt auch darin die als Dauerzustand zu beurteilende mangelnde Einsicht des Klägers zum Ausdruck. Dazu kommt, daß auch dieser Vorfall erneut den Kündigungsgrund des § 32 Abs 1 lit f VBG erfüllte, der ein Verschulden des Vertragsbediensteten nicht voraussetzt (RIS-Justiz RS0082433). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, daß früheres Fehlverhalten selbst dann, wenn eine Kündigung darauf nicht gestützt wurde oder nicht mehr gestützt werden kann, zur Beurteilung eines noch unmittelbar mit Kündigung ahndbaren Verstoßes berücksichtigt werden darf (RIS-Justiz RS0081891).

Wenngleich - entgegen der Auffassung des Revisionswerbers - die Geltendmachung der Kündigungsgründe nach § 32 Abs 2 lit a und f VBG vorangegangene Ermahnungen nicht zwingend voraussetzt, könnte dennoch unter Umständen der Grundsatz von Treu und Glauben und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verlangen, daß dieser eine solche Ermahnung vornimmt. Dies muß jedoch auf jene Fälle beschränkt werden, in denen dem Dienstnehmer die Fehlerhaftigkeit seines Verhaltens nicht bewußt sein mußte, weil etwa der Arbeitgeber durch längere Zeit hindurch ein tatbestandsmäßiges Verhalten widerspruchslos hingenommen hat und dadurch sein Einverständnis oder doch seine Gleichgültigkeit dokumentiert hat (9 ObA 193/89, 9 ObA 33/97m = RdW 1998, 27 ua). Von einem widerspruchslosen Hinnehmen des sich über mehrere Jahre erstreckenden Fehlverhaltens des Klägers durch den Dienstgeber kann aber hier nicht die Rede sein. Hier sei insbesondere auf die in mehreren Gesprächen versuchten Korrekturversuche des Dienstgebers hingewiesen, welche jedoch ohne Erfolg blieben.

Die Vorinstanzen haben zutreffend darauf hingewiesen, daß im Falle einer Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf wichtige Gründe, wie sie auch nach dem hier anzuwendenden Vertragsbedienstetengesetz gegeben ist, der Grundsatz der Unverzüglichkeit der Geltendmachung - gleich einer Entlassung - auch für die Kündigung gilt (9 ObA 64/92, 9 ObA 112/97d ua). Der Unverzüglichkeitsgrundsatz darf jedoch nicht überspannt werden (9 ObA 160/98i uva). Insbesondere ist bei einem Dauerverhalten des Arbeitnehmers zu beachten, ob mit der Dauer des Zustandes auch das Ausmaß der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zunimmt. Dem Untätigsein des Arbeitgebers entspricht auf der Seite des Arbeitnehmers der Umstand, ob die Vertrauensposition, daß der Arbeitgeber in Kenntnis des Kündigungsgrundes keine Konsequenzen zieht, besonders schützenswert ist. Es müssen besonders schützenswerte Interessen des Arbeitnehmers gegeben sein, die sein Klarstellungsinteresse gegenüber dem Auflösungsinteresse des Arbeitgebers höherwertig erscheinen lassen (RIS-Justiz RS0029273, insbesondere 9 ObA 2059/96a). Besondere Bedeutung kommt im vorliegenden Fall dem Umstand zu, daß es sich beim Dienstgeber um eine juristische Person handelt, deren Willensbildung regelmäßig mehr Zeit erfordert als bei physischen Personen, zumal insbesondere der Aktenumlauf und die Kompetenzverteilung bei Gebietskörperschaften zu berücksichtigen ist (Arb 10.140); andererseits hatte der Dienstgeber die zum Personalschutz berufenen Organe der Personalvertretung einzuschalten (RIS-Justiz RS0028543, RS0029273), was mit einem nicht unerheblichen weiteren Zeitaufwand verbunden ist. Entgegen der Ansicht des Klägers kann auch davon nicht die Rede sein, daß dem zuständigen Personalvertretungsorgan (hier: dem Fachausschuß) eine unangemessen lange Zeit zur Äußerung eingeräumt worden sei, mit der der Kläger nicht habe rechnen müssen. Der Mitwirkung der Personalvertretung in den Fällen der Kündigung und Entlassung eines Bediensteten gibt das Gesetz besonderes Gewicht, handelt es sich doch um den einzigen Fall, in dem sich aus der Verletzung des Gesetzes durch den Dienststellenleiter vom Betroffenen geltend zu machende Konsequenzen ergeben: Die Maßnahme des Dienststellenleiters ist dann nach den für das Dienstverhältnis des Bediensteten geltenden Verfahrensvorschriften für rechtsunwirksam zu erklären (§ 10 Abs 9 PVG). Die Personalvertretung ist demgegenüber verpflichtet, von sich aus das Vorliegen des von der Dienstgeberseite behaupteten Entlassungs- oder Kündigungsgrundes zu prüfen (Schragel, PVG, 210). Die Personalvertretung muß überdies auch prüfen, ob einer beabsichtigten Entlassung oder Kündigung rechtliche Gründe entgegenstehen. Es ist daher grundsätzlich empfehlenswert, vor einer Beschlußfassung den betroffenen Bediensteten anzuhören, auch wenn die Unterlassung einer solchen Maßnahme allein, ausreichenden Wissensstand vorausgesetzt, eine zustimmende Beschlußfassung noch nicht gesetzwidrig macht (Schragel aaO 211). Ist - wie hier - ein Fachausschuß das zur Beschlußfassung zuständige Personalvertretungsorgan, verfügen aber dessen Mitglieder über kein eigenständiges Wissen, muß er zumindest eine Information des für den betroffenen Bediensteten zuständigen Dienststellenausschusses, soweit dieser nicht bereits befaßt wurde, einholen (Schragel aaO 211). Wenn auch die Personalvertretung die Interessen der Gesamtheit der Bediensteten zu wahren hat, stehen doch bei einer beabsichtigten Entlassung oder Kündigung die Interessen des betroffenen Bediensteten insoweit im Vordergrund, als die Personalvertretung dem beabsichtigten Vorgehen des Dienststellenleiters nur zustimmen darf, wenn auch sie überzeugt ist, daß der behauptete Entlassungs- oder Kündigungsgrund gegeben ist. Ihr Entscheidungsspielraum geht nicht so weit, es dem betroffenen Bediensteten zu überlassen, die vom Dienstgeber getroffene Entscheidung anzufechten. Wenn sie erkennen kann, daß ein vom Dienstgeber behaupteter Grund nicht gegeben sein kann oder für einen Grund keine ausreichenden Anhaltspunkte vorliegen, besteht für die Personalvertretung überhaupt kein Entscheidungsspielraum; ein der beabsichtigten Maßnahme zustimmender Beschluß ist dann gesetzwidrig. Die Personalvertretung handelt jedoch nicht rechtswidrig, wenn sie nach ausreichender Sachverhaltsprüfung in vertretbarer Weise zum Ergebnis gelangt, das Vorgehen des Dienststellenleiters sei zu rechtfertigen (Schragel aaO 212). Die für die Mitwirkungsfälle des § 9 Abs 1 PVG heranzuziehende Norm des § 10 PVG sieht nur eine Mindestfrist vor, wie lange vor ihrer Durchführung der Dienststellenleiter eine beabsichtigte Maßnahme der Personalvertretung nachweislich zur Kenntnis zu bringen hat. Die vorgenannten Pflichten der Personalvertretung lassen jedoch die Gewährung längerer Fristen als im Dienstinteresse gelegen erscheinen (Schragel aaO 274), sodaß die im vorliegenden Fall dem Fachausschuß eingeräumte Fristverlängerung diesen Intentionen entsprach. Dadurch wurde dem Fachausschuß auch die Gelegenheit geboten, mit dem an einer auswärtigen Dienststelle beschäftigten Dienstnehmer Rücksprache zu halten. Diese Fristverlängerung war auch zulässig: Die §§ 32, 33 AVG enthalten allgemein anerkannte Regelungen; sie sind auch im Geltungsbereich des PVG sinngemäß anzuwenden (Schragel aaO 269). Von einer Behörde gesetzte Fristen können von ihr auch geändert (verlängert) werden, sofern es sich nicht um eine durch Gesetz oder Verordnung festgesetzte Frist im Sinne des § 33 Abs 4 AVG handelt (MGA Verwaltungsverfahrensgesetze2 Anm 6 zu § 33 AVG). Die Zeitspanne, die zwischen der Verständigung des Landesschulrates von konkreten, durch schriftliche Beschwerden untermauerten Vorwürfen gegen den Kläger (11. 4. 1996) und der Absendung des Kündigungsschreibens (10. 6. 1996) verging, kann demnach nicht als ungebührliche Verzögerung des Ausspruches der Kündigung beurteilt werden. Der Kläger konnte demnach allein aus dem Zeitablauf nicht auf einen stillschweigenden Verzicht des Dienstgebers auf dessen Kündigungsrecht schließen. Andere Anhaltspunkte, die einen solchen Eindruck beim Kläger erwecken hätten können, sind indessen nicht hervorgekommen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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