OGH 9ObA33/97m

OGH9ObA33/97m30.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Christoph Kainz und Karl Lewisch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter S*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Kleiderhäuser S***** KG, ***** vertreten durch Dr.Utho Hosp und Mag.Wolfgang Wamprechtshamer, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 231.631,75 brutto sA und S 4.371,16 netto sA (Revisionsinteresse S 231.631,75 brutto abzüglich S 9.998,84 netto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.Oktober 1996, GZ 11 Ra 183/96b-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 29.März 1996, GZ 20 Cga 85/95t-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.430,-- (darin S 1.905,-- USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die entscheidende Frage, ob die Entlassung des Klägers berechtigt war, zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Lediglich ergänzend sei den Ausführungen der Revisionswerberin entgegengehalten:

Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß die trotz Abmahnung des Klägers wiederholten Handlungen, im Durchschnitt einmal im Monat in einem durch Alkoholgenuß beeinträchtigten Zustand den Dienst angetreten zu haben, grundsätzlich fortgesetzte Entlassungsgründe darstellen können (Kuderna, Entlassungsrecht2 19). Spricht der Arbeitgeber bei solchen fortgesetzten Entlassungsgründen nicht sofort nach einer Begehungshandlung die Entlassung aus, verliert er wohl hinsichtlich dieses Vorfalls das Entlassungsrecht, nicht aber auch hinsichtlich künftiger Vorfälle ähnlicher Art, auf die dann jeweils der Grundsatz der Unverzüglichkeit zur Anwendung kommt. Der von der Beklagten zur Begründung der Entlassung herangezogene Anlaß vom 16.12.1994 war jedoch von besonderer Art. Die Revisionswerberin bestreitet gar nicht, daß der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers befugt war, diesem einen Tag frei zu geben, dh als Vertreter des Arbeitgebers mit dem Arbeitnehmer den konkreten Urlaubsverbrauch zu einem bestimmten Termin gemäß § 4 Abs 1 UrlG zu vereinbaren (Kuderna UrlG2 Rz 1 zu § 4). Da eine solche Urlaubsvereinbarung an keine besondere Form gebunden ist (Kuderna aaO Rz 4 mwN), kann kein Zweifel daran bestehen, daß in der an den Arbeitnehmer gerichteten Aufforderung des Vertreters des Arbeitgebers, sich diesen Tag freizunehmen und der Befolgung dieser Aufforderung durch den Arbeitnehmer eine solche Vereinbarung liegt (§ 863 ABGB). Wenngleich die Erholungsbedürftigkeit des Klägers in einer von ihm selbst durch Alkoholgenuß während der Freizeit herbeigeführten Übermüdung bestand, kann dennoch nicht übersehen werden, daß durch die Vereinbarung eines Urlaubs vor Dienstbeginn, dem offenbar dienstliche Notwendigkeiten nicht entgegenstanden, ein Dienstantritt des Klägers an diesem Tage noch gar nicht stattgefunden hatte. Unabhängig davon, daß dem Arbeitgeber im Zeitpunkt der durch seinen Vertreter getroffenen Urlaubsvereinbarung ein möglicher Entlassungsgrund gar nicht bekannt war, führt die mit dem Arbeitnehmer einvernehmliche herbeigeführte Regelung, einen möglichen Entlassungsgrund erst gar nicht zur Vollendung kommen zu lassen und statt dessen einen Urlaubstag zu gewähren, dazu, daß eine Weiterbeschäftigung des Klägers durch die Beklagte nicht unzumutbar war. Damit war jedoch auch der konkrete Anlaß, den Kläger wegen (fortgesetzen) Dienstantritts in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand als vertrauensunwürdig (§ 27 Z 1 AngG, dritter Tatbestand) zu entlassen, nicht mehr vorhanden.

Es verbleibt daher die Prüfung, ob in der Säumnis des Klägers mit der zugesagten Rückzahlung des nicht abgeführten Inkassobetrages von S 8.010,-- und der unberechtigt aus der Kasse entnommenen Beträge von DM 480,-- und S 3.000,-- ein Grund für eine vorzeitige Entlassung des Klägers liegt. Einerseits darf der Arbeitgeber mit der Ausübung des Entlassungsrechtes nicht so lange zuwarten, daß der Arbeitnehmer aus dem Zögern auf einen Verzicht des Arbeitgebers auf die Geltendmachung der Entlassungsgründen schließen kann (DRdA 1993, 143 mwN). Die Begehungshandlungen waren hier dem Arbeitgeber schon mehrere Monate vor Ausspruch der Entlassung bekannt, sodaß in der Untätigkeit des Arbeitgebers ein Verzicht auf eine Entlassung wegen der Begehungshandlungen selbst liegt (Kuderna aaO 19; WBl 1987, 281, DRdA 1993, 143). Andererseits ist die Säumnis des Klägers mit der zugesagten Rückzahlung der nicht abgeführten bzw entnommenen Beträge als Dauerverhalten zu beurteilen. Hat der Arbeitgeber auf ein Dauerverhalten des Arbeitnehmers aber nicht reagiert und ist sein Entlassungsrecht nicht untergegangen, dann muß er, bevor er eine Entlassung ausspricht, den Arbeitnehmer zur Beseitigung des Zustandes unter Hinweis auf arbeitsvertragliche Konsequenzen auffordern (Kuderna aaO 19). Es würde jedoch dem Grundsatz von Treu und Glauben und der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers widersprechen, wenn dieser längere Zeit hindurch ein tatbestandsmäßiges Verhalten des Arbeitnehmers widerspruchlos hinnimmt, sodaß der Arbeitnehmer ein Einverständnis oder doch eine Gleichgültigkeit des Arbeitgebers annehmen kann, dieser aber dann dennoch plötzlich eine Entlassung ausspricht (DRdA 1993, 143). Auch der Verzug mit der Rückzahlung rechtfertigte daher die von der Beklagten ausgesprochene vorzeitige Entlassung nicht.

Soweit die beklagte Partei auf eine allgemeine Vertrauensunwürdigkeit des Klägers hinweist, ist ihr entgegenzuhalten, daß es nicht angeht, aus dem Gesamtverhalten eines Arbeitnehmers einen Entlassungsgrund zu konstruieren. Soferne der Anlaßfall keinem Entlassungstatbestand zugeordnet werden kann, kann eine Kumulierung verschiedener nicht tatbestandsmäßiger und damit eine Entlassung nicht rechtfertigender Verhaltensweisen die für einen bestimmten Entlassungsgrund fehlende Tatbestandsmäßigkeit nicht ersetzen (Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, AngG7 612 mwN).

Insgesamt ergibt sich daher, daß die Entlassung des Klägers unberechtigt war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte