OGH 9ObA2059/96a

OGH9ObA2059/96a29.5.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Basalka und Anton Liedlbauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut S*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Karl Huber, Inhaber der Firma Karl H*****, vertreten durch Mag.Dr.Michael Swoboda, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 198.861,53 brutto sA und Ausstellung eines Dienstzeugnisses (Streitwert S 30.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.November 1995, GZ 9 Ra 49/95-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.Oktober 1994, GZ 28 Cga 18/93h-29, durch Teilurteil teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.112 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.352 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist lediglich auszuführen:

Das Berufungsgericht hat lediglich unter Zitierung der entsprechenden Seitenzahl des erstgerichtlichen Urteils auf die Wiedergabe der dort enthaltenen Feststellungen verzichtet und an anderer Stelle die von ihm daraus übernommenen und nach Beweisergänzung neu getroffenen seiner Entscheidung zugrunde gelegten Festststellungen insgesamt wiedergegeben. Eine Unvereinbarkeit mit den Feststellungen des Erstgerichtes liegt daher nicht vor.

Ob ein Umsatzrückgang durch die konkurrenzierende Tätigkeit des Klägers tatsächlich hervorgerufen wurde, ist nicht relevant, weil schon die aktive Tätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit seiner gesellschaftlichen Beteiligung als kollektivvertretungsbefugter Geschäftsführer in einem Unternehmen, dessen Produktpalette im wesentlichen der des Beklagten entsprach, durchaus objektiv die gerechtfertigte Befürchtung erwecken mußte, er werde nicht mehr nur die Interessen seines Arbeitgebers wahren (RdW 1988, 52; 8 ObA 212/95). Die Annahme der Vertrauensunwürdigkeit des Klägers ist daher gerechtfertigt.

Dieser einen Dauertatbestand verwirklichende Entlassungsgrund rechtfertigt die Entlassung unter Bedachtnahme auf die Obliegenheit der Unverzüglichkeit während des gesamten Zeitraumes, während dessen das pflichtwidrige Verhalten besteht (Schramm, Der arbeitsrechtliche Unverzüglichkeitsgrundsatz, 171 ff; Kuderna Entlassungsrecht**2 18 f; RdW 1995, 110).

Diese Obliegenheit ist aber stark eingeschränkt. Führt nämlich das Unterbleiben der Entlassung nicht zur zwingenden Annahme des Unterganges des Entlassungsrechtes (durch Verzicht, Verwirkung, Wegfall der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung), kann sie während der gesamten Dauer des betreffenden Zustandes jederzeit ausgesprochen werden. Dies wird ua dann der Fall sein, wenn mit der Dauer des Zustandes auch das Ausmaß der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zunimmt (Kuderna aaO 19). Dem Untätigsein des Arbeitgebers entspricht auf Seite des Arbeitnehmers der Umstand, ob die Vertrauensposition, daß der Arbeitgeber in Kenntnis des Entlassungsgrundes keine Konsequenzen zieht (9 ObA 84/94) besonders schützenswert ist. Dazu bedarf es aber nicht nur der objektiven Beurteilung der Entwicklung des dem Arbeitgeber bekannten Sachverhaltes dahin, daß eine Besserung oder Heilung des Dauerzustandes nicht eintritt und der Fortsetzung des Dienstverhältnisses durch längere Zeit, sondern es müssen auch besonders schützenwerte Interessen des Arbeitnehmers gegeben sein, die sein Klarstellungsinteresse gegenüber dem Auflösungsinteresse des Arbeitgebers höherwertig erscheinen lassen (Schramm aaO 180 f). Die Vertrauensposition des Arbeitnehmers, der selbst wider Treu und Glauben sich an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt und den Dienstgeber davon nicht informiert, sondern im Gegenteil darauf achtet, daß er davon nichts erfährt, ist so beschaffen, daß er nicht davon ausgehen konnte, daß der Dienstgeber in Kenntnis aller Umstände des Entlassungsgrundes das Dienstverhältnis aufrecht erhalten will. Sein Klarstellungsinteresse ist daher gegenüber dem Auflösungsinteresse des Dienstgebers im vorliegenden Fall nicht höherwertig. Objektiv zwingend war weder Verzicht noch Wegfall der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung aufgrund der Untätigkeit durch einen nicht besonders langen Zeitraum anzunehmen.

Das Untätigsein kann im vorliegenden Fall nicht als ein Abfinden mit dem Entlassungsgrund verglichen werden, weil der Arbeitgeber über die Einzelheiten der Beteiligung des Klägers am Konkurrenzunternehmen nicht Bescheid wußte, darin auch eine bloße tatbestandsunschädliche Vorbereitungshandlung liegen konnte (9 ObA 8, 9/93) und weil er aufgrund des Verhaltens des Klägers im Dienst, mit dem ihn überdies ein freundschaftliches Verhältnis verband, auf die Unwahrscheinlichkeit einer Konkurrenztätigkeit schloß. Unter diesen Umständen war für eine unverzügliche Reaktion daher ebenso wie für eine Aufforderung, das nicht im einzelnen bekannte Verhalten abzustellen, die auch nur bei einem fortgesetzten Entlassungsgrund unter Umständen erforderlich gewesen wäre (Kuderna aaO, 19) - der nicht vorlag -, keine zwingende Notwendigkeit gegeben.

Daß der Beklagte sich mit dem ihm bekannten Verhalten des Klägers nicht abgefunden hat, zeigt, daß er bei Hinzutreten weiterer Verdachtsmomente, nämlich einem Umsatzrückgang in seinem Unternehmen aufgrund der ihm bekannten Umstände Nachforschungen anstellte und dann erst die konkurrenzierende Tätigkeit des Klägers auch bestätigt fand, was unverzüglich zum Ausspruch der Entlassung führte. Ein Untergang des Entlassungsrechtes kann unter diesen Umständen des Einzelfalles nicht angenommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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