European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00015.18Y.0425.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
Zwischen den Parteien ist im Revisionsverfahren strittig, ob der Kläger im Kollektivvertrag für Arbeiter in der Bauindustrie und im Baugewerbe als Bauhilfsarbeiter oder als Eisenbieger und damit als angelernter Bauarbeiter einzustufen ist, worauf der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung von Entgeltdifferenzen stützt. Das Erstgericht stellte fest, dass der Kläger selbst keine Pläne lesen konnte, der Vorarbeiter ihm genau erklärte, wie er seine Arbeit zu machen hatte, und – aufgrund des berufskundlichen Sachverständigengutachtens – dass nach wenigstens zwei Jahren Praxis ein Eisenbieger nach Unterweisung durch den Partieführer Abschnitte des Bewehrungsplans richtig lesen und diesbezüglich auch die Bewehrungen verlegen können muss.
Rechtliche Beurteilung
Für die Einstufung in eine Verwendungsgruppe kommt es auf die Tätigkeitsmerkmale, auf den Inhalt der Arbeit und die vorwiegend ausgeübte tatsächliche Tätigkeit an (RIS‑Justiz RS0064956; s auch RS0064705). Diese Frage ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu lösen (RIS‑Justiz RS0043547 [T3]). Wenn die Vorinstanzen aus dem Unvermögen des Klägers zum Lesen von Plänen schlossen, dieser sei bloß Bauhilfsarbeiter gewesen, ist dies nicht korrekturbedürftig.
Die Vorinstanzen haben sich damit entgegen der Ansicht des Klägers nicht in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung gesetzt, wonach es für den Berufsschutz darauf ankommt, dass der Arbeitnehmer über die Kenntnisse oder Fähigkeiten verfügt, die üblicherweise von ausgelernten Facharbeitern des jeweiligen Berufs in dessen auf dem Arbeitsmarkt gefragten Varianten (Berufsgruppe) unter Berücksichtigung einer betriebsüblichen Einschulungszeit verlangt werden (RIS‑Justiz
RS0084585), mit anderen Worten, dass der Mangel an Kenntnissen von – im Rahmen der Berufsausbildung vermitteltem – Theoriewissen (nur) dann gegen einen Berufsschutz ins Gewicht fällt, wenn es sich um Kenntnisse handelt, die für die praktische Ausübung der Tätigkeit am Arbeitsmarkt erforderlich sind (10 Ob 56/02m). Der Kläger geht davon aus, von einem Eisenbieger würde üblicherweise nicht verlangt, Pläne zu lesen, woraus er schließt, sein Unvermögen hierzu stehe seiner Einstufung als Eisenbieger nicht entgegen. Dabei übersieht er, dass das Lesen eines Bewehrungsplans und die anschließende Verlegung der Bewehrungen anhand desselben Kern der Beschreibung des Berufs des Eisenbiegers ist. Dies geht nicht nur hinreichend deutlich aus den Ausführungen des Sachverständigen im Verfahren hervor, sondern auch aus der – bereits in 10 ObS 37/12g wörtlich wiedergegebenen – Beschreibung der Tätigkeitsmerkmale des Berufs des Eisenbiegers im Online-Berufslexikon des AMS, welche – unverändert – mit den Sätzen beginnt: „Damit Beton gegen Zugkräfte stabil ist, werden in die Betonform Stahleinlagen eingearbeitet. EisenbiegerInnen stellen diese Einlagen nach einer Konstruktionszeichnung her.“ Das Unvermögen zum Lesen des Plans (der Konstruktionszeichnung) steht damit der Einstufung als Eisenbieger zwingend entgegen.
Ebenso wenig überzeugt das Argument des Klägers, aus der Feststellung des Erstgerichts, wonach ein Eisenbieger nach zwei Jahren Praxis nach Unterweisung des Partieführers Abschnitte des Bewehrungsplans richtig lesen und die Bewehrungen verlegen können muss, ergebe sich, dass es nicht erforderlich sei, dass Eisenbieger Bewehrungspläne selbständig lesen können müssen. Ein angelernter Beruf wird nämlich nach ständiger Rechtsprechung erst ab dem Zeitpunkt ausgeübt, ab dem die Anlernung abgeschlossen ist und der Arbeitnehmer über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die den in einem Lehrberuf erworbenen gleichzuhalten sind (RIS‑Justiz
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