OGH 9ObA107/15y

OGH9ObA107/15y26.11.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Johann Sommer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B***** O*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Kündigungsanfechtung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. April 2015, GZ 7 Ra 113/14k‑46, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 8. August 2014, GZ 30 Cga 58/12k‑39, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00107.15Y.1126.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 744,43 EUR (darin 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 10. 4. 2003 wurde festgestellt, dass der Kläger seit 9. 1. 2003 dem Kreis der begünstigten Behinderten nach dem Behinderteneinstellungsgesetz angehört. Der Grad seiner Behinderung wurde mit 60 vH eingeschätzt. Dieser Status ist nach wie vor aufrecht.

Der Kläger war von 15. 6. 2011 bis 11. 9. 2012 bei der Beklagten, einer Produzentin von Abgasreinigungsanlagen für Nutzfahrzeuge, als Schweißer beschäftigt. Im Zuge seines Einstellungsgesprächs legte er im Personalfragebogen nicht offen, dass er begünstigter Behinderter ist. Bei der Untersuchung durch den Betriebsarzt gab er Kopfschmerzen an, erwähnte jedoch keine weiteren Beschwerden oder Erkrankungen und unterschrieb auch eine Erklärung, keine ihm bekannten Leiden oder Krankheiten verschwiegen zu haben. Er wurde vom Betriebsarzt als geeignet eingestuft.

Am 8. 6. 2012 wurde der Beklagten mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 14. 5. 2012 die Ausgleichstaxe für 2011 vorgeschrieben. Dadurch erfuhr sie erstmals, dass der Kläger begünstigter Behinderter ist. Der Kläger erklärte über Nachfrage, nichts davon zu wissen, behindert zu sein. Eine Mitarbeiterin der Personalabteilung erkundigte sich auch beim Bundessozialamt und erfuhr, dass der Kläger sehr wohl begünstigter Behinderter sei, diesen Umstand dem Dienstgeber aber nicht melden müsse. Die Beklagte forderte den Kläger zur Vorlage entsprechender Unterlagen auf. Ihr Geschäftsführer wollte überdies wissen, welche Behinderungen beim Kläger vorliegen, um beurteilen zu können, ob diese für seine Tätigkeit relevant waren. Die vom Kläger sodann vorgelegten Unterlagen wiesen ihn als zum Kreis der begünstigten Behinderten angehörend mit einem Grad der Behinderung von 60 vH aus, Gesundheits-beeinträchtigungen waren darin jedoch nicht angeführt. Aufgrund seiner mehrfach unrichtigen Angaben im Personalfragebogen, durch Verschweigen gegenüber dem Betriebsarzt und auch über direkte Nachfrage, entschloss sich der Geschäftsführer ‑ nachdem er auch erfahren hatte, dass die Kündigung eines begünstigt Behinderten innerhalb von vier Jahren ohne weiteres möglich ist ‑ den Kläger zu kündigen. Auch war für ihn mangels Bekanntgabe der Art der Behinderung durch den Kläger nicht beurteilbar, ob er für die bisherige Tätigkeit weiter einsetzbar war oder nicht. Nach einem zunächst verfrühten Kündigungsschreiben sprach die Beklagte am 27. 7. 2012 die Kündigung des Dienstverhältnisses des Klägers zum 11. 9. 2012 aus. Wäre dem Geschäftsführer die Art der Behinderung(en) des Klägers bekannt gewesen und hätte sich herausgestellt, dass sie ohne Einfluss auf die Tätigkeit als Schweißer sind, dann wäre einer Anstellung bzw Weiterbeschäftigung des Klägers nichts entgegengestanden.

Hinsichtlich der Arbeitsleistungen des Klägers hatte es während seiner Beschäftigung keine Beanstandungen gegeben. Der Kläger war während des Dienstverhältnisses nie im Krankenstand. Die dem Bescheid des Bundessozialamtes zugrundeliegenden Beeinträchtigungen des Klägers sind zum Teil klinisch nicht manifest (Ehlers-Danlos-Syndrom [Bindegewebsschwäche]), zum Teil altersentsprechende Abnützungserscheinungen ohne Einfluss auf seine Beweglichkeit und Leistungsfähigkeit oder waren im Verfahren nicht weiter objektivierbar. Bei einer entsprechenden Untersuchung hätte der Betriebsarzt auch bei Kenntnis der im Bescheid des Bundessozialamtes angeführten Leiden aufgrund der klinischen Untersuchung keine Einschränkungen diagnostizieren können. Auch im erstinstanzlichen Verfahren wurden beim Kläger keine körperlichen oder psychischen Funktionseinschränkungen festgestellt. Der Kläger war und ist in der Lage, eine Tätigkeit als Schweißer ohne Gefährdung der eigenen Person oder fremder Personen auszuüben.

Eine Zustimmung zur Kündigung des Klägers durch den Behindertenausschuss wurde aufgrund der vier Jahre nicht übersteigenden Beschäftigungsdauer des Klägers bei der Beklagten nicht eingeholt (§ 8 Abs 6 BEinstG). Ein vor der Klage durchgeführtes Schlichtungsverfahren (§ 7k BEinstG) führte zu keiner gütlichen Einigung.

Der Kläger begehrt mit seiner Klage, die Kündigung vom 27. 7. 2012 für rechtsunwirksam zu erklären, weil sie ‑ soweit noch revisionsgegenständlich ‑ iSd § 7b Abs 1 Z 7 BEinstG diskriminierend gewesen sei. Die Kündigung sei wegen seiner Behinderung erfolgt. Er sei nicht verpflichtet gewesen, seine Eigenschaft als begünstigter Behinderter offenzulegen. Seine Behinderung sei auch ohne Einfluss auf die von ihm ausgeübte Tätigkeit.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, die Kündigung habe nichts mit der Behinderung zu tun. Aufgrund ihrer Tätigkeit als eisen- und metallverarbeitendes Zulieferunternehmen für die Kraftfahrzeugindustrie würden bei ihr im Schichtbetrieb neben Schweißarbeiten auch stark gefahrengeneigte Tätigkeiten durchgeführt, für die sie im Sinn des Arbeitnehmerschutzes Mitarbeiter nur einsetzen dürfe, wenn sie aufgrund ihrer körperlichen, geistigen und psychischen Konstitution dazu in der Lage seien, ohne sich und andere Dienstnehmer zu gefährden. Obwohl dies für den Einsatz als Schweißer sehr wesentlich sei, habe der Kläger dazu nichts bekannt gegeben. Die Kündigung des Klägers sei letztlich erfolgt, weil die Beklagte aufgrund seiner wahrheitswidrigen Angaben das Vertrauen in ihn verloren habe. Aufgrund seines Behindertenstatus sei der Kläger nicht geeignet, als Schweißer in ihren Produktionslinien zu arbeiten. Nach Vorliegen des arbeitsmedizinischen Sachverständigen-gutachtens brachte sie schließlich vor, der Kläger sei gar nicht Behinderter im Sinn des BEinstG, sodass die Voraussetzungen für eine Kündigungsanfechtung nach dem BEinstG nicht gegeben seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es kam zum Ergebnis, dass der Kläger nicht behindert iSd § 3 BEinstG sei, sodass er deswegen auch nicht diskriminiert worden sei. Auch das Motiv einer vermuteten Behinderung greife im vorliegenden Fall nicht, weil der Dienstgeber bei Kenntnis einer allfälligen Behinderung nicht von vornherein eine Weiterbeschäftigung des Klägers abgelehnt hätte.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung Folge und änderte die Entscheidung im Sinne einer Klagsstattgabe ab. Mit Bescheid des Bundessozialamtes sei festgestellt worden, dass der Kläger seit 9. 1. 2003 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehöre. Der Schutz, der Behinderten im Behinderteneinstellungsgesetz zuteil werde, müsse jedenfalls den Personen zukommen, die die Eigenschaft als begünstigte Behinderte nach diesem Gesetz zuerkannt erhalten hätten. Es sei daher vom Vorliegen einer (latenten) Behinderung auszugehen. Die Kündigung des Klägers sei auch im Zusammenhang mit der Behinderung gestanden, weswegen eine unmittelbare Diskriminierung vorliege, die nicht gerechtfertigt werden könne. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zum vorliegenden Rechtsproblem noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurück-, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Die Beklagte ist im Wesentlichen der Ansicht, dass der Dienstgeber bei Vorliegen eines Bescheids, der bei einem Arbeitnehmer die Eigenschaft als begünstigter Behinderter feststelle, den Gegenbeweis führen können müsse, dass eine Behinderung nicht vorliege. Dabei sei vom Behindertenbegriff der Gleichbehandlungs-rahmen‑Richtlinie 2000/78/EG auszugehen.

Dazu war Folgendes zu erwägen:

1. Mit der Novelle BGBl I 2005/82 wurden zum Schutz vor Diskriminierung wegen Behinderung in der Arbeitswelt die §§ 7a bis 7r in das BEinstG eingefügt.

Gemäß § 7b Abs 1 Z 7 BEinstG darf niemand aufgrund einer Behinderung im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis, insbesondere auch nicht bei der Beendigung des Dienstverhältnisses, unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden. Gemäß § 7f Abs 1 BEinstG kann eine Kündigung wegen der Behinderung bei Gericht angefochten werden.

Gemäß § 7b Abs 4 BEinstG ist auf den Behindertenbegriff der Abs 1 bis 3 die Bestimmung des § 3 BEinstG mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein festgestellter Grad der Behinderung nicht erforderlich ist.

Nach § 3 BEinstG ist eine Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Behinderung ist die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung einer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft einzubeziehen. Maßgeblich für das Vorliegen einer Behinderung ist nicht deren Grad, sondern nur der Umstand, dass sich daran eine Diskriminierung knüpfen kann (Mayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm2 § 3 BEinstG Rz 1). Dementsprechend wurde bei der Definition der Behinderung bewusst eine weite Definition gewählt (s RV 836 BlgNR 22. GP 6, 13).

2. Der Schutz vor Diskriminierungen greift weiter aber auch dann ein, wenn der Dienstgeber hinsichtlich des Vorliegens eines geschützten Merkmals einer Fehleinschätzung unterliegt. Irrtümer können Verletzungen des Gleichbehandlungsgebots nicht rechtfertigen. Der Schutz vor Diskriminierungen gilt vielmehr unabhängig davon, ob das Merkmal, aufgrund dessen die Diskriminierung erfolgt, tatsächlich vorliegt oder bloß vermutet wird (s schon RV 307 BlgNR 22. GP  15 zum GlBG; Eichinger/Hopf, Diskriminierung wegen Religion oder Weltanschauung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, DRdA 2006, 245 [252]; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG [2009] § 17 Rz 52, 64; Gerhartl, Probleme des Diskriminierungsschutzes behinderter Arbeitnehmer, RdW 2007, 416 [417]).

Dies ist in der mit Diskriminierungsverboten verfolgten Zielsetzung begründet: Die geschützten Kriterien sollen im gesamten Bereich der Arbeitswelt prinzipiell keine Rolle spielen (Gerhartl aaO). Sie sollen daher nicht zum Anlass eines Verhaltens des Arbeitgebers genommen werden, das er gegenüber dem Arbeitnehmer ohne Kenntnis des geschützten Merkmals nicht gesetzt hätte. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten eines Arbeitgebers und dem geschützten Merkmal ist folglich auch dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber in der unrichtigen Annahme, es liege beim Arbeitnehmer ein geschütztes Merkmal vor, dieses zum Anlass seines Verhaltens gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nimmt. Auch die aufgrund einer irrig angenommenen oder vermuteten Behinderung erfolgte Diskriminierung nicht behinderter Personen ist damit verpönt (s Mayr in ZellKomm2 § 7b BEinstG Rz 2). Soll der Diskriminierungsschutz Behinderter effektiv werden, dann muss bereits bei der Zuschreibung einer Behinderung und dem damit verbundenen Vorurteil, ein behinderter Arbeitnehmer könne keine vollwertige Arbeitsleistung erbringen, angesetzt werden.

Besteht also ein solcher Kausalzusammenhang, kommt es auf die Frage, ob ein iSd § 2 BEinstG begünstigter behinderter Arbeitnehmer auch bei Fehlen feststellbarer körperlicher oder psychischer Funktionsbeeinträchtigungen den Diskriminierungsschutz des § 7b BEinstG genießt, nicht weiter an. Es erübrigt sich auch, auf die von der Beklagten ins Treffen geführte Auslegung des Behindertenbegriffs im Sinn der Gleichbehandlungsrahmen‑Richtlinie 2000/78/EG sowie auf die von ihr aufgeworfene Frage nach der Bedeutung des Art 47 GRC für ohne Mitwirkung des Dienstgebers zustande gekommene Feststellungsbescheide über die Behinderteneigenschaft von Dienstnehmern weiter einzugehen. Diese ändern nichts daran, dass der Kläger wegen Zuschreibung einer Behinderung im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis benachteiligt wurde.

3. Zur Frage des inneren Zusammenhangs zwischen einer gegenüber einem Arbeitnehmer gesetzten Verhaltensweise und dem geschützten Merkmal ist noch Folgendes beachtlich:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits zur Diskriminierungsbestimmung des § 7d BEinstG (Belästigung wegen Behinderung) ausgesprochen, dass eine Belästigung dann mit dem geschützten Merkmal „im Zusammenhang“ steht, wenn die konkrete belästigende Verhaltensweise der Tatsache, dass ein geschütztes Merkmal vorliegt bzw dessen Vorliegen angenommen wird, zugerechnet werden kann (vgl RIS‑Justiz RS0124663, RS0124664). Spielen mehrere Motive eine Rolle („Motivbündel“), so genügt es, wenn das geschützte Merkmal (bzw damit in Verbindung stehende Eigenschaften, Handlungen, Verhaltensweisen oder Zustände) innerhalb des „Motivbündels“ eine Rolle spielt, also zumindest mitursächlich für die Belästigung ist. Das Erfordernis des Zusammenhangs darf dabei, um den Zweck des Gesetzes zu wahren, Diskriminierungen wegen eines geschützten Merkmals hintanzuhalten, nicht zu eng gesehen werden (8 ObA 8/09y; 9 ObA 21/12x mwN; RIS‑Justiz RS0124664).

Diese Grundsätze können im Fall einer Beendigungsdiskriminierung wegen Behinderung nach § 7b Abs 1 Z 7 BEinstG nicht anders gelten.

4. Im vorliegenden Fall erfolgte die Kündigung des Klägers nach den Feststellungen deshalb, weil er unrichtige Angaben über seine Behinderteneigenschaft gemacht hatte und für den Geschäftsführer der Beklagten mangels Bekanntgabe der Art der Behinderung nicht beurteilbar war, ob der Kläger für die bisherige Tätigkeit weiter einsetzbar war oder nicht. Wie bereits das Berufungsgericht ausführte, steht die Kündigung damit aber offenkundig im Zusammenhang mit der von der Beklagten angenommenen Behinderung des Klägers, weil erst ihre Kenntnis von der Eigenschaft des Klägers als begünstigter Behinderter Anlass für ihr Verlangen nach weiteren Auskünften über die Behinderung und ‑ weil dieses unbefriedigt blieb ‑ schließlich für die Kündigung war. Mag die Beklagte daher auch bereit gewesen sein, den Kläger bei genauer Kenntnis der Art seiner Behinderungen weiterzubeschäftigen, so ändert dies dennoch nichts daran, dass die Kündigung des Klägers erfolgte und im Zusammenhang mit der von ihr infolge des Bescheides des Bundessozialamtes angenommenen Behinderteneigenschaft des Klägers stand. Im Sinne der dargelegten Rechtsprechung ist daher auch hier das den Kläger benachteiligende Verhalten der Beklagten dem (jedenfalls vermeintlichen) Vorliegen der Behinderteneigenschaft des Klägers zuzurechnen.

5. Damit ist nun noch zu prüfen, ob sich die Beklagte rechtfertigend darauf berufen kann, den Kläger wegen der unrichtigen und später unvollständigen Angaben zu seiner Behinderung gekündigt zu haben.

Diese Frage ist zunächst vor dem Hintergrund des § 7c Abs 3 BEinstG zu sehen, wonach eine Diskriminierung wegen Behinderung nicht vorliegt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt und sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Eine solche Rechtfertigung lässt sich dem festgestellten Sachverhalt jedoch nicht entnehmen, zumal die Beklagte gar nicht konkret angibt, welches Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellen würde, das die Kündigung erforderlich gemacht hätte und das der Kläger verschwiegen hätte.

Damit im Zusammenhang wird von der Beklagten aber auch die Frage nach der Pflicht eines Arbeitnehmers, seine Eigenschaft als (begünstigter) Behinderter offenzulegen, angesprochen.

Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran zuzugestehen, zu erfahren, ob ein Arbeitnehmer begünstigter Behinderter ist, weil es sich dabei um eine Angelegenheit handelt, die infolge gesetzlicher Bestimmungen unmittelbar Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses hat (RIS‑Justiz RS0107830). Teilt der behinderte Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bei Eingehen eines Arbeitsverhältnisses seine Begünstigteneigenschaft nicht mit, kann aber das Interesse an der Erlangung des angestrebten Arbeitsplatzes das Informationsinteresse des Arbeitgebers überwiegen (RIS‑Justiz RS0122551; 9 ObA 47/07s; s auch Gerstmann, Besteht ein Fragerecht des Arbeitgebers bzw eine Offenbarungspflicht des Behinderten? ASoK 2013, 185 [189]; Sabara, Heikle Fragen im Bewerbungsgespräch: Antwortpflicht des Arbeitnehmers? ARD 2014, 3 [7]). Die Rechtsprechung geht überdies davon aus, dass dann, wenn sich die Behinderteneigenschaft des Arbeitnehmers weder auf seine Einsatzfähigkeit auswirkte noch eine Gefährdung anderer Personen im Zusammenhang mit der Erbringung seiner Arbeitsleistungen gegeben war, durch das Unterlassen der Mitteilung das Vertrauen des Dienstgebers nicht derart erschüttert wird, dass ihm die Fortsetzung eines bereits (dort: acht) Monate andauernden und anstandslos funktionierenden Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar wäre (9 ObA 240/02p; s auch Mayr in ZellKomm2 § 8 BEinstG Rz 7).

6. Im vorliegenden Fall lagen keine Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers für seine Tätigkeit als Schweißer vor. Dass dies auch für die Beklagte erkennbar sein musste, ergibt sich schon daraus, dass bei den im Auftrag der Beklagten durchgeführten Untersuchungen keine Beeinträchtigungen des Klägers festgestellt wurden, der Kläger anstandslos schon mehr als ein Jahr bei der Beklagten tätig war und bei seinen Tätigkeiten offenkundig auch weder eine Einschränkung der Einsatzfähigkeit noch ein Gefährdungspotenzial aus der Tätigkeit des Klägers für sich oder andere hervorkam. Da im Sinne der dargelegten Rechtsprechung weder für die Begründung noch für das laufende Arbeitsverhältnis des Klägers ein weiteres Informationsbedürfnis der Beklagten ersichtlich ist, das für die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses erforderlich gewesen wäre, musste es hier dem Kläger überlassen bleiben, konkrete Angaben über seine Beeinträchtigungen zu machen. Eine Offenlegungspflicht traf ihn insofern nicht. Die unrichtige Angabe des Klägers über seinen Behindertenstatus und die Nichtvorlage von Befunden über seine Behinderung sind danach ebenfalls nicht geeignet, die in der (jedenfalls vermeintlichen) Behinderung begründete Kündigung des Klägers zu rechtfertigen und den Schutz des Klägers vor einer Beendigungsdiskriminierung wegen Behinderung zu beschneiden.

7. Zusammenfassend ergibt sich daraus, dass die Kündigung des Klägers gegen das Diskriminierungsverbot des § 7b Abs 1 Z 7 BEinstG verstieß. Sie kann daher vom Kläger gemäß § 7f Abs 1 BEinstG angefochten werden. Da die Revision der Beklagten nicht berechtigt ist, ist ihr ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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