Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen zu lauten haben: "Im Erbrechtsstreit haben die auf Grund des Gesetzes erbserklärten Erben 1. Robert S*****, 2. Katharina P***** und 3. Hermine G***** gegen die auf Grund des Testamentes erbserklärten Erben 1. Johanna S***** und 2. Werner S*****, beide wohnhaft in *****, als Kläger aufzutreten.
Die Kläger haben binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses die Erbrechtsklage anzubringen."
Text
Begründung
Am 21. 7. 1999 verstarb die am ***** geborene Pensionistin Hermine G*****. Die Erblasserin hinterließ vier volljährige Kinder, nämlich Robert S*****, Katharina P*****, Hermine G***** und Johanna S*****. Werner S*****, der Ehegatte der letztgenannten Tochter, überbrachte dem Gerichtskommissär ein mit 18. 4. 1985 datiertes - am 17. 9. 1999 kundgemachtes - handschriftliches Testament mit folgendem Wortlaut:
"Lebertsham, am 18. 4. 85. Mein letzter Wille! Ich Hermine G***** geb. *****. Schreibe heute bei gesundem und geistigen Zustand das im Falle meines Ablebens das Ehepaar Werner und Johanna S***** Mein Eigentümer u. Besitz ausschließlich meiner Tochter Hermine T***** ein Drittel vom Wert des Viehbestandes der Maschinen u. des Sparbuches. Diese Niederschrift ist unanfechtbar. G***** Hermine."
Johanna und Werner S***** gaben auf Grund dieses Testamentes am 21. 9. 1999 je zur Hälfte unbedingte Erbserklärungen zum gesamten Nachlass ab. Sie brachten vor, dass sie auf Grund des Testamentes zu gleichen Teilen zu Erben berufen seien, während der Tochter der Erblasserin Hermine T***** (nunmehr G*****) ein Legat in Höhe eines Drittels des Wertes des Viehbestandes, der Maschinen und des Sparbuches ausgesetzt worden wäre. Die übrigen Kinder der Erblasserin, Robert S*****, Katharina P***** und Hermine G***** erklärten, dass das Testament vom 18. 4. 1985 keine Erbseinsetzung der Ehegatten S***** enthalte und dass im Übrigen der Wortlaut des Testaments weitgehend unverständlich wäre. Es habe daher die gesetzliche Erbfolge einzusetzen. Unter einem gaben sie zu je einem Viertel des Nachlasses bedingte Erbserklärungen ab. Vor dem Gerichtskommisär wurde am 21. 9. 1999 festgehalten, dass die Erblasserin das Testament am 18. 4. 1985 errichtet und eigenhändig geschrieben habe. Es wurde festgestellt, dass auf der Rückseite dieses Testaments ebenfalls letztwillige Verfügungen enthalten seien, welche jedoch von Bankangestellten geschrieben worden seien und überdies weder von der Erblasserin noch von Zeugen unterfertigt seien.
Das Erstgericht wies Johanna und Werner S***** die Klägerrolle in Ansehung einer binnen vier Wochen einzubringenden Erbrechtsklage zu. Mit Beschluss vom 4. 11. 1999 nahm das Erstgericht die Erbserklärungen der Johanna und des Werner S***** auf Grund des Testamentes und der bedingten Erbserklärungen der gesetzlichen Erben Robert S*****, Katharina P***** und Hermine G***** an. Das Erstgericht begründete seine Entscheidung über die Verteilung der Klägerrolle damit, dass im Hinblick auf die Rückseite des Schriftstückes vom 18. 4. 1985 Zweifel an der äußeren Form des Testaments gegeben wären.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. Nach § 126 Abs 1 AußStrG müsse derjenige, dessen Ansprüche nur auf der gesetzlichen Erbfolge beruhen, gegen den Erben aus einer in der "gehörigen Form" errichteten, hinsichtlich ihrer Echtheit unbestrittenen letzten Willenserklärung als Kläger auftreten. Von dieser Wertung der Erbrechtstitel und der dadurch bedingten Verteilung der Parteienrollen im Erbrechtsstreit sei nach herrschender Ansicht nur abzugehen, wenn gegen den stärkeren Erbrechtstitel wegen seiner äußeren Form Bedenken bestünden. Unter dem Ausdruck "gehörige Form" sei das zu verstehen, was in den §§ 553 und 577 ABGB als innere bzw äußere Form der letztwilligen Anordnungen erklärt werde. Auch ein im Sinne des § 577 formgerecht errichtetes Testament führe nicht zwangsläufig zur Verteilung der Klägerrolle an die gesetzlichen Erben, sondern es sei auf Grund des Testaments zu prüfen, für wen die größere Wahrscheinlichkeit des Erbrechts spreche. Im vorliegenden Fall bestünden zwar keine Bedenken gegen die Einhaltung der Formvorschriften des § 578 ABGB, doch erhebliche Zweifel an der inneren Form des § 553 ABGB, weil dem Testament keine ausdrückliche Erbseinsetzung entnommen werden könne, der Wortlaut der Erklärung unvollständig geblieben und daher zumindest nach dem Wortlaut der Erklärung die wahre Absicht der Erblasserin zweifelhaft und unbestimmt erscheine. Die Schlüssigkeitsprüfung führte dazu, dass das Erbrecht der Testamentserben derzeit als schwächer ausgewiesen zu erachten sei als dasjenige der gesetzlichen Erben. Ein Revisionsrekurs sei gemäß § 14 Abs 1 AußStrG zulässig, weil der maßgeblichen Rechtsfrage, ob auch eine inhaltliche Unschlüssigkeit und Unbestimmtheit einer letztwilligen Erklärung als Mangel der inneren Form (nach § 553 ABGB) zum Abgehen der in § 526 Abs 1 AußStrG normierten Parteirollenverteilung führen könne, eine grundsätzliche erhebliche Bedeutung für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle beizumessen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht bei Beantwortung der Frage, wann von der Regel des § 526 AußStrG abgewichen werden darf, von der Rechtsprechung abweicht; er ist auch berechtigt.
Der geltend gemachte Mangel des Rekursverfahrens wurde geprüft, er liegt nicht vor (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO). Die Revisionsrekurswerber seien lediglich darauf verwiesen, dass auch im Verfahren Außerstreitsachen der Grundsatz gilt, dass ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr zum Gegenstand der Bekämpfung der rekursgerichtlichen Entscheidung gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0050037, RS0007232).
Gemäß § 126 Abs 1 AußStrG muss bei einander widersprechenden Erbserklärungen gegen den Erben aus einer in der gehörigen Form errichteten und hinsichtlich ihrer Echtheit unbestrittenen letzten Willenserklärung jedermann als Kläger auftreten, dessen Ansprüche nur auf der gesetzlichen Erbfolge beruhen. Unter dem Ausdruck "gehörige Form" in § 126 AußStrG kann nichts anderes verstanden werden, als was in den §§ 553 und 577 ABGB als innere bzw äußere Form der letztwilligen Anordnung erklärt worden ist (stRsp, insbes 2 Ob 508/95 = NZ 1996, 298). Den inneren Formvoraussetzungen (§ 553 ABGB) ist entsprochen, wenn die Verfügung eine Erbseinsetzung enthält, den äußeren (§ 577 f ABGB), wenn der letzte Wille in einer vom Gesetz anerkannten Testamentsform errichtet wurde (SZ 67/8). Von dieser Wertung der Erbrechtstitel und der dadurch bedingten Verteilung der Parteienrollen ist im Erbrechtsstreit insbesondere dann abzugehen, wenn gegen den stärkeren Erbrechtstitel wegen seiner äußeren Form Bedenken bestehen (4 Ob 556/89). Es entspricht auch der Judikatur (zuletzt 8 Ob 1512/93 = NZ 1994, 133), dass auch in gehöriger Form errichtete Testamente nicht zwangsläufig zur Zuteilung der Klägerrollen an die gesetzlichen Erben führen müssen, wenn begründete Bedenken gegen die Annahme bestehen, dass die Testamentserben auch die Erbschaft erlangen werden und die größere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sämtliche Testamente unwirksam geworden sind. Maßgeblich ist sohin nicht nur, ob das Schriftstück äußerlich unbedenklich ist, sondern auch inhaltlich schlüssig ist, das heißt eine Erbseinsetzung erkennen lässt (NZ 1996, 298). Im vorliegenden Fall mag die stilistisch unbeholfene und grammatikalisch unrichtige Ausdrucksweise die Annahme einer undeutlichen Anordnung rechtfertigen. Dadurch kann aber vom abhandlungsgerichtlichen Standpunkt - ungeachtet dieser undeutlichen Formulierung - nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Anordnungsabsicht der Erblasserin bei der Abfassung ihrer Verfügung vom 18. 4. 1985 auf eine umfassende Rechtsnachfolgeregelung, nämlich darauf gerichtet war, dass eine namentlich bestimmte Tochter und deren Gatte Universalerben, eine weitere, ebenfalls namentlich bestimmte Tochter mit einem Legat bedacht werden sollte. Ist danach bei der vom Abhandlungsgericht bei der Entscheidung über die Annahme von Erbserklärungen gebotenen eingeschränkten Prüfung eine wirksame Berufung der Erbsansprüche zur erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge nicht von vorneherein auszuschließen, muss auch bei der Zuweisung der Klägerrolle gemäß § 125 AußStrG von dieser Grundlage ausgegangen werden (6 Ob 553/88 = EFSlg 58.568).
Selbst wenn die Auslegung eines Testamentes zweifelhaft ist, so muss derjenige klagen, der den Wortlaut gegen sich hat (RZ 1978/59 = NZ 1980, 6). Dies sind im vorliegenden Fall eindeutig die gesetzlichen Erben. Selbst dann, wenn Zweifel daran aufkommen sollten, ob die letztwillige Verfügung der Klägerin als Testament oder Kodizill aufzufassen ist, ändert dies nichts an der Verteilung der Parteienrollen, weil nach ständiger Rechtsprechung auch in diesem Fall die Erben, die sich auf die gesetzliche Erbfolge berufen, als Kläger gegen den Erbanspruch einer solchen letztwilligen Verfügung aufzutreten haben (4 Ob 556/89 mwN = EFSlg 61.652). Die Frage, ob die Erblasserin einen gültigen Testierwillen hatte, ist indes nicht im außerstreitigen, sondern im streitigen Rechtsweg zu klären. Die Zuweisung der Klägerrolle nach § 125 AußStrG hat gerade die Lösung jener Streitfragen, die den zentralen Gegenstand des Erbstreites zu bilden haben, nicht vorwegzunehmen; sie ist nach ihrer beschränkten Aufgabe andererseits in diesem Sinn auch in keiner Weise präjudiziell (4 Ob 556/89 = EFSlg 61.648 ua).
Zusammenfassend ergeben sich demnach keine ausreichenden Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall ein Abweichen von der Regel des § 126 Abs 1 AußStrG verlangen würden.
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