Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der seit zehn Jahren verwitwete Erblasser ist am 21.11.1987 im 78sten Lebensjahr verstorben. Er wurde von seinen beiden am Todestag 29 und 43 Jahre alten Söhnen Gerhard H*** und Dr. Erwin H*** sowie von seiner Lebensgefährtin Alice K*** überlebt. Am 28.12.1987 wurde die vom Erblasser eigenhändig geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügung vom 21.3.1987 kundesmacht. Sie ist mit "Testament" überschrieben und hat folgenden Wortlaut:
"Im Falle meines Todes verfüge ich, daß mein Vermögen wie folgt aufgeteilt wird:
1.) Meine Wohnung, 1040 Wien, Gußhausstraße 24/7, incl. Inventar soll mein Sohn Gerhard erhalten.
2.) Außerdem soll mein Sohn Gerhard mein Auto, meinen von mir getragenen Schmuck, sowie meine sämtlichen Kleider erhalten.
3.) Weiters soll mein Sohn Gerhard 50 % von dem gesparten Geld (50 Prozent) erhalten, abzüglich des Pflichtanteiles für meinen weiteren Sohn Dr. Erwin H***.
4.) Meine Lebensgefährtin, Frau Alice K***, wohnhaft 2345 Brunn am Gebirge, Bahngasse 6, Stock 6, soll ebenfalls von meinem gesparten Geld 50 % (fünfzig) Prozent erhalten, weil Frau K*** mich pflegt und betreut, abzüglich des Pflichtanteiles für meinen Sohn Dr. Erwin H***.
5.) Den noch vorhandenen Schmuck im Tresor Nr. 188 der EÖSPC vermache ich meiner Enkelin Silke H***.
6.) Meinem Sohn Dr. Erwin H*** vererbe ich den ihm zustehenden Pflichtteil."
Die von Gerhard H*** auf Grund dieser letztwilligen Verfügung zum gesamten Nachlaß abgegebene bedingte Erbserklärung (ON 5) wurde mit Beschluß vom 20.1.1988 (ON 9) zu Gericht angenommen; mit Beschluß vom 26.1.1988 (ON 12) wurde ihm die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen. Die von Gerhard H*** mit dem Schriftsatz ON 18 vorgenommene Umwandlung seiner bedingt abgegebenen Erbserklärung in eine unbedingte Erbserklärung wurde mit Beschluß vom 3.5.1988 (ON 19) abhandlungsbehördlich zur Kenntnis genommen. Nach der Aktenlage ist die in Punkt 1.) der letztwilligen Verfügung vom 21.3.1987 genannte Wohnung des Erblassers eine Mietwohnung. Für den Erblasser wurden bei der E***
Ö*** S***-C***-B*** zwei Überbringer-Sparbriefe mit einem Nominale von je 500.000 S und ein weiterer mit einem Nominale von 420.000 S geführt; ihr Saldowert zum Todestag betrug 406.598,59 S, 406.598,59 S und 341.542,81 S. Dasselbe Geldinstitut verwahrte für den Erblasser auch 26 Stück eigene Partizipationsscheine im Nominale von je 1.000 S; ihr Kurswert per 23.3.1988 betrug insgesamt 102.440 S. Drei Konten des Erblassers bei demselben Geldinstitut (Pensionskonto und zwei Girokonten) wiesen zum Todestag einen Guthabensstand von 10.338,61 S, 77.702,65 S und 799,16 S auf. Zwei Überbringer-Sparbücher desselben Geldinstitutes wiesen zum Todestag einen Einlagestand von 662,89 S und 650.881,20 S auf. Das letztgenannte Sparbuch befindet sich im Besitz Alice K***; ob es sich am Todestag des Erblassers in dessen Besitz befunden hat, ist strittig (ON 27, 32).
Mit der Behauptung, daß die Vermögenswerte, über die der Erblasser in den Punkten 3.) und 4.) des "Testamentes" vom 21.3.1987 verfügt habe, nahezu sein gesamtes Vermögen im Wert von insgesamt 1,600.000 S repräsentiert hätten, gab Alice K*** mit dem Schriftsatz ON 28 auf Grund dieser letztwilligen Verfügung die bedingte Erbserklärung (zunächst ohne Benennung einer Quote) ab; diese wurde mit Beschluß vom 16.1.1989 (ON 29) zu Gericht angenommen. In der daraufhin vom Erstgericht anberaumten Verhandlung über die widerstreitenden Erbserklärungen ergänzte Alice K*** am 15.2.1989 ihre bedingt abgegebene Erbserklärung dahin, daß diese zur Hälfte des Nachlasses erklärt werde; sie verwies abermals darauf, daß der Erblasser im "Testament" vom 21.3.1987 über den "wesentlichen Nachlaß" verfügt habe. Gerhard H*** vertrat demgegenüber die Rechtsansicht, daß diese letztwillige Verfügung mangels Erbseinsetzung ein Kodizill sei; zufolge dieser rechtlichen Beurteilung gab er nunmehr auf Grund des Gesetzes zum gesamten Nachlaß eine unbedingte Erbserklärung ab, erklärte aber zugleich, daß er seine auf Grund des "Testamentes" vom 21.3.1987 abgegebene Erbserklärung nicht zurückziehe.
Hierauf verkündete das Abhandlungsgericht den - in der schriftlichen Ausfertigung (ON 34) mit 22.2.1989 datierten - Beschluß, wonach die auf Grund des Gesetzes von Gerhard H*** zum gesamten Nachlaß unbedingt abgegebene Erbserklärung zu Gericht angenommen (Punkt 1.), Alice K*** - im Sinne des § 125 AußStrG - die Klägerrolle zugewiesen und die Frist zur Einbringung der Erbrechtsklage mit acht Wochen bestimmt werde (Punkt 2.). Der Erblasser habe in seiner letztwilligen Verfügung vom 21.3.1987 seinem Sohn den wesentlichen Teil seines Nachlasses vererbt, für seine Lebensgefährtin aber laut Punkt 4.) nur ein Vermächtnis angeordnet, so daß ihr gegenüber dem auf Grund des Gesetzes berufenen Erben die Klägerrolle zuzuweisen gewesen sei; da der Lebensgefährtin in diesem "Vermächtnis" der geringere Teil überlassen worden sei, sei ihr auch im Erbrechtsstreit gegen den "auf Grund des 'Testamentes' vom 21.3.1987 'erblichen Sohn'" die Klägerrolle zuzuweisen gewesen.
Das Rekursgericht bestätigte den Beschluß des Abhandlungsgerichtes in seinem Ausspruch zu Punkt 1.), änderte ihn aber in seinem Ausspruch zu Punkt 2.) dahin ab, daß es die Klägerrolle im Erbrechtsstreit dem Widerstreiterben Gerhard H*** - bei unveränderter Fristsetzung zur Einbringung der Erbrechtsklage - zuwies. Wenn auch die letztwillige Verfügung vom 21.3.1987 keine förmliche Erbseinsetzung enthalte, so könne es sich dabei doch um ein Testament handeln, weil dem durchschnittlichen Erblasser die Unterscheidung zwischen Erbseinsetzung und Vermächtnis fremd sei. In Fällen, wo das Zugedachte den größten Teil der Verlassenschaft ausmache, ja den Nachlaß ganz aufzehre, sei oft eine Erbseinsetzung gewollt; dies vor allem dann, wenn mit den vermachten Stücken das Verhältnis quotenmäßiger Nachlaßaufteilung zum Ausdruck gebracht werde. Im Verfahren über widersprechende Erbserklärungen sei der "äußere Wortlaut" der letztwilligen Verfügung maßgebend. Dieser deute im vorliegenden Fall auf eine gleichteilige Erbseinsetzung beider Widerstreiterben hin, habe doch der Erblasser mit der letztwilligen Verfügung vom 21.3.1987 über sein gesamtes oder doch nahezu über sein gesamtes Vermögen verfügt. Unter dem von ihm in den Punkten 3.) und 4.) gebrauchten Ausdruck "gespartes Geld" seien nach den heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht nur Bargeld und Münzen, sondern auch Sparbücher sowie die aktenkundigen Sparbriefe und Partizipationsscheine zu verstehen. Angesichts des überwiegenden Wertes dieser "Ersparnisse" gegenüber dem restlichen Nachlaß könne nicht gesagt werden, daß die beiden Widerstreiterben sonderlich unterschiedlich bedacht worden wären. Die Erbserklärung Alice K*** entspreche dieser Auslegung der letztwilligen Verfügung vom 21.3.1987, nicht aber diejenige des erblasserischen Sohnes; diesem sei daher - als in schwächerer Position befindlich - die Klägerrolle zuzuteilen gewesen. Damit werde einer Beweisführung über eine abweichende Absicht des Erblassers im Erbrechtsstreit nicht vorgegriffen.
Gegen den abändernden Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs Gerhard H*** mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Wenn zu dem nämlichen Nachlaß - wie hier - mehrere Erbserklärungen angebracht werden, die miteinander im Widerspruch stehen, so hat das Gericht zu entscheiden, welcher Teil gegen den anderen als Kläger aufzutreten habe (§ 125 AußStrG); eine solche Entscheidung hat auch dann stattzufinden, wenn die Erbserklärungen nur teilweise kollidieren (JBl 1969, 42 mwN; JBl 1988, 712). Dies ist hier der Fall, soweit sich beide erbserklärten Erben auf die letztwillige Verfügung vom 21.3.1987 stützen. In bezug auf diese widerstreitenden Erbserklärungen war dem Rechtsmittelwerber schon deshalb die Klägerrolle zuzuweisen, weil er mit seiner ersten zu Gericht angenommenen Erbserklärung die ganze Erbschaft in Anspruch genommen hatte, Alice K*** mit der ihrigen aber nur die Hälfte (SZ 27/142; SZ 32/23 ua).
Soweit auch eine zu Gericht angenommene Erbserklärung des Rechtsmittelwerbers zum gesamten Nachlaß auf Grund des Gesetzes vorliegt, ist er auf § 126 AußStrG zu verweisen. Danach hat derjenige, dessen Ansprüche nur auf einer gesetzlichen Erbfolge beruhen, gegen den Erben aus einer in der gehörigen Form errichteten und hinsichtlich ihrer Echtheit unbestrittenen letzten Willenserklärung als Kläger aufzutreten. Von dieser Wertung der Erbrechtstitel uhd der dadurch bedingten Verteilung der Parteirollen im Erbrechtsstreit ist nur abzugehen, wenn gegen den stärkeren Erbrechtstitel wegen seiner äußeren Form Bedenken bestehen (SZ 24/208; SZ 47/129; NZ 1961, 182; RZ 1965, 47; EFSlg 44.759). Letzteres ist aber in Ansehung der letztwilligen Verfügung vom 21.3.1987 nicht der Fall; hier ist zwischen den Erbansprechern nur die Frage strittig, ob diese letztwillige Verfügung als Testament oder als Kodizill zu werten ist. In diesem Zusammenhang kann allerdings auch die Zuwendung bestimmter Nachlaßgegenstände eine Erbseinsetzung darstellen, wenn es sich dabei zumindest um den wesentlichen Teil des Nachlasses handelt (Weiß in Klang2 III 225, 231 f; Koziol-Welser8 II 321; Welser in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 535; SZ 35/92; NZ 1972, 62; EvBl 1973/314; NZ 1981, 105 ua). Letztlich ist dies aber für die Frage der Verteilung der Parteirollen im Erbrechtsstreit ohne Bedeutung, weil nach ständiger Rechtsprechung auch dann, wenn die Frage zweifelhaft ist, ob eine letztwillige Verfügung als Testament oder Kodizill zu verstehen ist, die Erben, die sich auf die gesetzliche Erbfolge berufen, als Kläger gegen den Erbansprecher aus einer solchen letztwilligen Verfügung aufzutreten haben (Koziol-Welser aaO 383 f; Welser aaO Rz 27 zu §§ 799, 800; EvBl 1958/106; SZ 35/92; NZ 1971, 29; NZ 1972, 62; EFSlg 44.759, 47.351 ua). Daß es sich bei der letztwilligen Verfügung vom 21.3.1987 eindeutig um ein Kodizill handle, kann - jedenfalls nach rechtskräftiger Annahme der Erbserklärung der Alice K*** im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren - nicht mehr behauptet werden. Die Zuweisung der Klägerrolle nach § 125 AußStrG hat aber die Lösung jener Streitfragen, die gerade den zentralen Gegenstand des Erbrechtsstreites zu bilden haben, nicht vorwegzunehmen; sie ist nach ihrer beschränkten Aufgabe andererseits in diesem Sinn auch in keiner Weise präjudziell (6 Ob 553/88). Auf die ausschließlich solche Fragen des künftigen Erbrechtsstreites betreffenden Ausführungen des Revisionsrekurses braucht daher nach dem bisher Gesagten nicht mehr näher eingegangen zu werden. Soweit aber der Rechtsmittelwerber auf eine von ihm nunmehr zugleich mit der Erhebung des Revisionsrekurses beim Erstgericht mit Schriftsatz ON 43 abgegebene weitere unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß auf Grund eines Testamentes vom 24.10.1977 verweist, liegt eine gemäß § 10 AußStrG unzulässige Neuerung vor, weil er damit auf einen erst nach der Beschlußfassung erster Instanz eingetretenen Umstand Bezug nimmt (EFSlg 44.516, 55.474 uva).
Dem Revisionsrekurs mußte aus all diesen Gründen ein Erfolg versagt bleiben.
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