OGH 6Ob177/74

OGH6Ob177/7414.11.1974

SZ 47/129

Normen

ABGB §585
AußStrG §126
ABGB §585
AußStrG §126

 

Spruch:

Stimmen die Zeugenaussagen über den Inhalt einer mündlichen Erbeinsetzung oder eines mündlichen Ausschlusses vom Erbrecht nach Inhalt des Protokolls nicht überein, kann im Verlassenschaftsverfahren eine in gehöriger Form errichtete letztwillige Erklärung (§ 126 Abs. 1 AußStrG) nicht angenommen werden

OGH 14. November 1974, 6 Ob 177/74 (LGZ Wien 44 R 161/74; BG Innere Stadt Wien 5 A 559/73)

Text

Der Erblasser Ernst K ist am 20. Juli 1973 verstorben. Zu seinem Nachlaß gaben sein einziger Bruder Franz K auf Grund des Gesetzes die bedingte Erbserklärung sowie Friedrich P gemäß § 726 ABGB auf Grund einer von ihm behaupteten mündlichen letztwilligen Verfügung, womit ihm die Eigentumswohnung des Erblassers vermacht und Ernst K von der Erbfolge ausgeschlossen worden sei, die unbedingte Erbserklärung ab. Das Erstgericht nahm beide Erbserklärungen zu Gericht an, vernahm die von Friedrich P genannten drei Zeugen unter Eid und teilte nach Durchführung einer Tagsatzung Friedrich P die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zu. Es vertrat die Rechtsansicht, die Berufung auf § 726 ABGB stelle gegenüber dem gesetzlichen Erbrecht den schwächeren Titel dar. Darüber hinaus ergebe sich aus den Zeugenaussagen nicht eindeutig, wann und vor welchen gemeinsam anwesenden Personen der Erblasser mündlich testiert habe und die Aussagen sprächen auch dagegen, daß auf Seite des Erblassers der Wille zu testieren vorhanden gewesen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Friedrich P Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß dem gesetzlichen Erben Franz K die Klägerrolle zugeteilt wurde. Es vertrat die Rechtsansicht, daß die letztwillige Anordnung der Form des § 585 Abs. 1 ABGB entspreche. Über die Gültigkeit dieser letztwilligen Verfügung habe aber nicht das Abhandlungsgericht abzusprechen. Aus dem Wortlaut des § 126 Abs. 1 AußStrG ergebe sich auch, daß Erbe im Sinne dieser Gesetzesstelle jeder Erbansprecher sei und es für die Zuteilung der Klägerrolle unbeachtlich sei, ob die letztwillige Anordnung eine Erbseinsetzung enthalte oder nicht. Über Revisionsrekurs des Franz K stellte der Oberste Gerichtshof den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Erbrechtstitel des Legatars nach § 726 ABGB oder jener des gesetzlichen Erben, welcher durch ein negatives Testament von der Erbfolge ausgeschlossen sein soll, der stärkere Titel im Sinn des § 126 Abs. 1 AußStrG ist. Im vorliegenden Fall liegt nämlich - soweit dies im Rahmen des Abhandlungsverfahrens beurteilt werden kann - gar kein in gehöriger Form errichtetes negatives Testament vor. Friedrich P stützte seine unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß lediglich darauf, daß der Erblasser ihm letztwillig eine einzelne Sache, nämlich das Wohnungseigentum an einer Wohnung, vermacht und die gesetzlichen Erben von der Erbfolge ausgeschlossen habe, weshalb er als Legatar unter Berufung auf § 726 ABGB die Erbserklärung abgab. Nach Lehre und Rechtsprechung (Gschnitzer - Weiß in Klang[2] III, 731;, SZ 43/148) tritt das Erbrecht des Legatars nach § 726 ABGB immer dann ein, wenn die gesetzlichen Erben - aus welchen Gründen immer - nicht zum Nachlaß gelangen, daher auch in dem Falle, daß sie vom Erblasser durch ein sogenanntes negatives Testament ausgeschlossen sind. Daß ein solches negatives Testament ohne Angaben von Gründen zulässig ist wird gleichfalls von Lehre und Rechtsprechung bejaht (Weiß, 212. EvBl 1970/55; SZ 43/148) Voraussetzung ist allerdings, daß das negative Testament den Formvorschriften für letztwillige Verfügungen entspricht.

Gemäß § 126 Abs. 1 AußStrG muß gegen den Erben aus einer in der gehörigen Form errichteten und hinsichtlich ihrer Echtheit unbestrittenen letzten Willenserklärung zur Bestreitung des Erbrechts jedermann als Kläger auftreten, dessen Ansprüche nur auf der gesetzlichen Erbfolge beruhen. Von dieser im Gesetz festgelegten Wertung der Erbrechtstitel und demgemäß von der gesetzlichen Ordnung für die Erteilung der Parteirollen im Erbrechtsprozeß kann nur abgegangen werden, wenn gegen die sogenannte äußere Form des stärkeren Titels Bedenken bestehen (SZ 24/208 NZ 1961, 182 u. v. a.). Die hier entscheidende Frage, ob bei einem mündlichen Testament die Übereinstimmung der Zeugenaussagen über den Inhalt der letztwilligen Verfügung zur äußeren Form gehört, wird von Lehre und Rechtsprechung verschieden beantwortet. In der Lehre vertritt Weiß in Klang[2] III, 351 die Ansicht, daß zu den vom Abhandlungsrichter bei der Zuteilung der Klägerrolle nicht zu berücksichtigenden sogenannten inneren Formmängeln auch die Einwendung gehört, daß die Zeugenaussagen über ein mündliches Testament nicht genügend genau oder unwahr seien. Dagegen sagt Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, 63, bei der Beurteilung der Klägerrolle sei es Voraussetzung, daß in den Fällen, in welchen ein Testament in Betracht kommt, sich dieser Akt als formell entsprechend darstelle, daß also z. B. bei einem mündlichen Testament die Einvernahmen der Zeugen zu einem entsprechenden Ergebnis geführt hätten. Rintelen schließt in diesem Zusammenhang ein formgemäßes mündliches Testament sogar dann aus, wenn die Zeugen nicht bestätigen können, daß sie zur Zeugenschaft aufgefordert wurden. In der Rechtsprechung wiederum vertreten die Entscheidungen SZ 26/161, NZ 1968, 109, SZ 43/148, NZ 1974, 14 sowie 5 Ob 13/63, 6 Ob 316/63, 1 Ob 115/70, 1 Ob 69/71 und 3 Ob 161/73, in vielen Fällen freilich nur die Form eines obiter dictum, die Ansicht, die Feststellung, ob die Aussagen der drei Zeugen hinreichend übereinstimmen, um eine gültige letztwillige Erklärung annehmen zu können, gehöre zu den vom Prozeßgericht zu entscheidenden Fragen.

Hingegen wird in den Entscheidungen SZ 6/34, SZ 24/208, RZ 1964, 16 sowie 1 Ob 372/57, 6 Ob 175/59, 6 Ob 141/62, 6 Ob 40/66 und 6 Ob 98/70 zum Ausdruck gebracht, daß es die äußere Form des Testamentes betreffe, wenn die Zeugenaussagen über den Inhalt des Testamentes nicht übereinstimmen.

Beiden Meinungen kann nach Ansicht des erkennenden Senates in dieser allgemeinen Form nicht gefolgt werden. Gemäß § 585 ABGB muß, wer mündlich testiert, vor drei gleichzeitig anwesenden fähigen Zeugen ernstlich seinen letzten Willen erklären. Eine solche mündliche Anordnung muß gemäß § 586 ABGB auf Verlangen eines jeden, dem daran gelegen ist, durch die übereinstimmende eidliche Aussage der drei Zeugen bestätigt werden, widrigens diese Erklärung desletzten Willens unwirksam ist. Der erkennende Senat vertritt daher die Ansicht, daß die Übereinstimmung der Zeugenaussagen über den Inhalt des mündlichen Testamentes zur äußeren Form des Testamentes gehört und daher im Sinn des § 126 Abs. 1 AußStrG dann keine in gehöriger Form errichtete letzte Willenserklärung vorliegt, wenn die Aussagen der Zeugen über die Erbeinsetzung oder bei einem negativen Testament über den Ausschluß vom Erbrecht nicht übereinstimmen. Allerdings wird im Hinblick darauf, daß über die Gültigkeit des Testamentes letzten Endes der Streitrichter zu entscheiden hat, nicht jeder Widerspruch zwischen den Zeugenaussagen einen schon vom Außerstreitrichter bei der Verteilung der Parteirollen zu berücksichtigenden Mängel der äußeren Form des Testamentes begrunden. Nur dann, wenn die Aussagen der Zeugen über den wesentlichen Punkt der Erbeinsetzung oder beim negativen Testament über den Ausschluß vom Erbrecht inhaltlich nicht übereinstimmen und auch eine Auslegung dieser Zeugenaussagen nach dem im Verlassenschaftsverfahren hiefür allein maßgebenden Inhalt des Protokolls über die eidliche Vernehmung nicht ohne weiteres die vom Gesetz geforderte Übereinstimmung ergibt, läge keine in gehöriger Form errichtete letzte Willenserklärung vor, weshalb der Testamentserbe den schwächeren Titel hätte und auf den Rechtsweg zu verweisen wäre.

Dieser Fall liegt hier vor. Die drei von Friedrich P namhaft gemachten Zeugen haben zwar bei ihrer eidlichen Vernehmung durch das Abhandlungsgericht ausgesagt, der Erblasser habe in Anwesenheit der Zeugen erklärt, Fritzi (Friedrich P) bekomme einmal die Eigentumswohnung, was ein Vermächtnis zugunsten des Friedrich P darstellen könnte. Zu der hier entscheidenden Frage, ob der Erblasser auch seinen Bruder Franz K als gesetzlichen Erben ausgeschlossen hat, haben jedoch nur die Zeugen Anna S und Anna W (davon die erstere erst über ausdrückliches Befragen) erklärt, der Verstorbene habe gesagt, daß sein Bruder Franz K einmal nichts bekomme. Der Zeuge Leopold S deponierte jedoch nur, der Erblasser habe bei jeder Gelegenheit erklärt, daß er vom Franz (seinem Bruder) nichts wissen wolle und ihn, wenn er komme, hinausschmeiße. Während nun die von Anna S und Anna W bezeugten Äußerungen ein negatives Testament bedeuten könnten, kann ein solches der vom Zeugen Leopold S wiedergegebenen Äußerung bei zwangloser Auslegung nicht entnommen werden. Denn die Erklärung, der Erblasser wolle von seinem Bruder nichts mehr wissen und werde ihn, wenn er komme, hinausschmeißen, kann - allein unter Berücksichtigung ihres Wortlautes - nicht zwanglos so ausgelegt werden, daß mit dieser Erklärung Franz K auch von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden sollte. Damit läge jedoch - unvorgreiflich der Entscheidung im Erbrechtsstreit - keine in gehöriger Form errichtete negative letztwillige Verfügung vor, weshalb das Erstgericht mit Recht dem Legatar die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zugeteilt hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte