OGH 5Ob168/70

OGH5Ob168/709.9.1970

SZ 43/148

Normen

ABGB §726
ABGB §726

 

Spruch:

Zulässigkeit eines "negativen Testaments"

OGH 9. September 1970, 5 Ob 168/70 (KG Wels R 182/70; BG Frankenmarkt A 189/69)

Text

Nach der am 3. September 1969 verstorbenen Karoline R gaben der zur gesetzlichen Erbfolge berufene Vater der Verstorbenen, Tobias R sowie ihre Geschwister Franz und Anna R die unbedingte Erbserklärung ab, die vom Erstgericht angenommen wurde. Franz und Maria K beriefen sich zunächst auf ein mündliches Testament der Erblasserin vom Juli 1969. Nach Einvernahme der Testamentszeugen durch das Erstgericht gab Franz K zu zwei Dritteln und Maria K zu einem Drittel des gesamten Nachlasses die unbedingte Erbserklärung ab. Sie erachteten einen Fall des § 726 ABGB gegeben. In ihrer letztwilligen mündlichen Verfügung habe die Erblasserin ihre Verwandten von der Erbfolge ausgeschlossen und ihnen selbst Legate vermacht.

Das Erstgericht wies die Erbserklärungen des Franz und der Maria K mit der Begründung zurück, zum Erfordernis einer Erbserklärung nach §§ 726 ABGB, 121 Abs 2 AußStrG gehöre, daß sich die gesetzlichen Erben ihres Erbrechtes entschlagen haben. Da diese aber Erbserklärungen abgegeben haben, die auch angenommen wurden, mangle es den Legataren an einem Rechtstitel zur Erbserklärung.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß ab und nahm die auf Grund des mündlichen Testaments vom Sommer 1969 abgegebenen unbedingten Erbserklärungen des Franz und der Maria K zu Gericht an. Den Vermächtnisnehmern sei auch dann die Anwartschaft auf Erbrechte zuzubilligen, wenn gesetzliche Erben nicht mehr vorhanden seien, ferner aber auch dann, wenn der Erblasser den Eintritt der gesetzlichen Erfolge ausgeschlossen habe. Unvorgreiflich eines allfälligen Pflichtteilsrechts sei daher bei erfolgtem Ausschluß der gesetzlichen Erbfolge von nicht mehr vorhandenen gesetzlichen Erbberechtigten auszugehen. Nach dem Ergebnis der Einvernahmen der Testamentszeugen habe die Erblasserin ihr unbewegliches Gut den Geschwistern K vermacht und sich in einer Weise erklärt, daß daraus zumindestens auf den Willen geschlossen werden könne, sämtliche als gesetzliche Erben in Betracht kommenden Personen von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen. Die Erblasserin habe nach dem bisherigen Akteninhalt nicht nur ein Haus und Grundstücke im Ausmaß von 2.39 ha hinterlassen, sondern auch ein Sparguthaben, das sich an ihrem Todestag auf 35.984.51 S belaufen habe. Dieses Sparguthaben sei von der Erblasserin in ihrer mündlichen letztwilligen Anordnung nicht erwähnt worden. Es sei vorerst davon auszugehen, daß das vermachte unbewegliche Gut den überwiegenden Teil des Vermögens der Erblasserin darstellte. Nach den Ergebnissen der Aussagen der Testamentszeugen könne aber auch davon ausgegangen werden, daß die Erblasserin die gesetzliche Erbfolge zur Gänze ausschließen wollte; es fehle auch jeder Anhaltspunkt dafür, daß sie von dem im § 760 ABGB vorgesehenen Heimfallsrecht gewußt habe und somit der ernstliche Wille bestanden habe, dieses Recht eintreten zu lassen.

Was die Gültigkeit der mündlichen letztwilligen Anordnung betreffe, so gehöre die Frage, ob sich die vernommenen Personen bewußt gewesen seien, Zeugen eines erklärten letzten Willens gewesen zu sein, der Beweiswürdigung an, die jedoch nicht dafür bestimmend sein könne, ob eine Erbserklärung als von vornherein einer Grundlage entbehrend nicht zu Gericht angenommen werden könne. Ebenso gehöre die Frage, ob der Erblasser dem mit Vermächtnis Bedachten auch Erbrechte verschaffen wollte, der Auslegung der letztwilligen Verfügung an. Die zwischen den Schilderungen der einzelnen Zeugen bestehenden Widersprüche seien nicht so erheblich, daß ein formgerecht erklärter letzter Wille schon im Außerstreitverfahren verneint werden dürfte. Das Erstgericht werde daher i S des § 125 AußStrG vorzugehen haben.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gesetzlichen Erben nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Rekurswerber werfen dem Rekursgericht vor, sich nicht an den Wortlaut des § 726 ABGB gehalten zu haben, wonach Legatare nur dann als Erben betrachtet werden können, wenn die gesetzlichen Erben der Erbschaft entsagt haben. Mit Recht ist jedoch das Rekursgericht von den von Gschnitzer und Weiß in Klang[2] III 731 zum Ausdruck gebrachten Rechtsgedanken ausgegangen, wonach das Erbrecht der Vermächtnisnehmer noch vor dem staatlichen Heimfallsrecht nicht nur im Fall des "Entsagens" der gesetzlichen Erben, sondern auch dann eintritt, wenn diese aus welchen Gründen immer nicht zum Nachlaß gelangen, daher auch in dem Fall, daß sie durch den Erblasser durch ein sogenanntes negatives Testament ausgeschlossen sind. Lehre (Weiß in Klang[2], III 212) und Rechtsprechung (so insbesondere EvBl 1970/55) bejahen, die vorgeschriebene Form der letztwilligen Verfügung vorausgesetzt, die Zulässigkeit eines negativen Testaments. Der letztwillige Ausschluß von der gesetzlichen Erbfolge bedarf daher keines Enterbungsgrundes. Es besteht kein Grund, dem Erblasser zwar die Erbeinsetzung zu gestatten, aber die Wirksamkeit einer negativen Anordnung, durch die lediglich das gesetzliche Erbrecht von bestimmten Personen ausgeschlossen wird, nicht anzuerkennen. Die Rechtsordnung verbietet dem Erblasser nicht, seine gesetzlichen Erben aus der Erbenstellung durch letztwillige Anordnungen hinauszudrängen. Allfällige Pflichtteilsansprüche werden hiedurch nicht berührt.

Schließlich kann auch der Rekursbehauptung nicht gefolgt werden, es liege überhaupt keine letztwillige Willenserklärung vor, so daß die Geschwister K nicht einmal Legatare sein könnten. Die Einhaltung der vom Gesetz geforderten äußeren Form einer letztwilligen mündlichen Anordnung ist dann anzunehmen, wenn bei der letztwilligen Erklärung drei fähige Zeugen gleichzeitig zugegen waren. Das war nach den Verfahrensergebnissen der Fall. Ob die Erblasserin Testierabsicht hatte oder ob es sich nur um eine gesprächsweise Erklärung handelte, ob sie über ihr ganzes oder nur über einen Teil ihres Vermögens verfügen wollte, ob die Aussagen der drei Zeugen hinreichend übereinstimmen, um eine gültige letztwillige Erklärung annehmen zu können, und ob die Zeugen bewußt als Testamentszeugen anwesend waren, hängt von der Beweiswürdigung der Aussagen dieser Zeugen ab. Eine solche Beweiswürdigung aber ist dem Abhandlungsrichter versagt. Die Frage der Gültigkeit einer letztwilligen Anordnung, die von der Beantwortung dieser Fragen abhängt, ist ausschließlich im Rechtsweg zu klären (SZ 26/161, 35/92, RZ 1964, 16, RZ 1968, 139 u a).

Auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse kann somit nicht davon ausgegangen werden, es stehe bereits von vornherein fest, daß die Geschwister K nicht erbberechtigt seien und daß ihnen die Einantwortung auf keinen Fall erteilt werden könnte. Zutreffend hat daher das Rekursgericht erkannt, daß ihre Erbserklärungen vom Gericht gem § 122 AußStrG anzunehmen waren.

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