Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 749,70 (darin EUR 124,95 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Am 24. 2. 2002 besuchte der Kläger gemeinsam mit anderen Angehörigen seinen zur Kur in Bad Gastein aufhältigen Schwager. Um etwa 13 Uhr ging die Gruppe auf der Meyerbeerstraße Richtung Wasserfall, wobei zunächst geplant war, die nach rechts in Gehrichtung abzweigende Karl-Wurmb-Straße rechts liegen zu lassen. Beide Straßen weisen ein relativ starkes Gefälle talwärts auf. Aufgrund der Steilheit beheizt die beklagte Gemeinde schon seit Jahren mit erheblichem finanziellem Aufwand das gesamte Wegenetz zwischen Bahnhof und Ortszentrum, sodass dieses im Winter schnee- und eisfrei ist. Auf der Meyerbeerstraße wird ein Teil der Fahrbahn beheizt, im Bereich der Karl-Wurmb-Straße nur der neben der Fahrbahn verlaufende Gehsteig, welcher teilweise in Treppenform ausgebildet ist. Die Fahrbahn selbst wird dort nicht beheizt. Auf der Karl-Wurmb-Straße besteht ein allgemeines Fahrverbot ausgenommen für Anrainer. Zum Unfallszeitpunkt war die Fahrbahn der Karl-Wurmb-Straße und die nicht beheizte Hälfte der Meyerbeerstraße mit einer geringen Schneeauflage bedeckt, die Treppenwege waren schnee- und eisfrei. Der Kläger hatte mit der Personengruppe die Karl-Wurmb-Straße bereits passiert und befand sich im Bereich eines Lokals Ecke Meyerbeerstraße/Karl-Wurmb-Straße als man sich entschloss, die Karl-Wurmb-Straße hinunterzugehen. Die Gruppe ging jedoch nicht auf dem schneefreien Teil der Meyerbeerstraße die paar Meter zurück bis zum Treppenweg, sondern kürzte den Weg ab, indem sie schräg über die Fahrbahn der Karl-Wurmb-Straße auf die andere Straßenseite zu gelangen trachtete. Auf halbem Weg rutschte der Kläger aus, stürzte und verletzte sich schwer. Es stellte sich heraus, dass an dieser Stelle ein mit der Fahrbahn niveaugleicher, jedoch durch die Schneedecke nicht sichtbarer Thermalwasserkanaldeckel war. Das Thermalwassernetz und die dazu gehörigen Leitungsteile, wie auch der Deckel, liegen in der Verantwortung der wirtschaftlichen Unternehmungen der Gemeinde Bad G*****, welche von der Gemeinde Bad G***** als Einzelunternehmer betrieben werden.
Der rechteckige, vollflächig ausgestaltete Metalldeckel wies eine verwitterte, beinahe zur Gänze abgenützte mit nicht mehr stark ausgeprägter Riffelung versehene Oberfläche auf. Dadurch wich die Oberfläche des Metalldeckels in ihrer Griffigkeit von derjenigen der umgebenden Asphaltfläche ab.
Der Kläger begehrte, gestützt auf die Bestimmungen der §§ 1319 und 1319a ABGB, von der beklagten Partei die Zahlung eines Schmerzengeldes von EUR 10.000 sA sowie die Feststellung der Haftung für weitere Unfallsfolgen, weil die Verletzung des Klägers noch nicht völlig ausgeheilt und insbesondere eine weitere Operation erforderlich sei.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und bestritt ihre Haftung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass grobe Fahrlässigkeit der beklagten Partei iSd § 1319a ABGB nicht vorliege. Wenngleich die Metallabdeckung als "Werk" iSd § 1319 ABGB aufzufassen sei, fehle es an den weiteren Haftungsvoraussetzungen nach dieser Bestimmung.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es verneinte wie das Erstgericht eine Haftung der beklagten Partei nach § 1319a ABGB, weil dieser grobe Fahrlässigkeit nicht vorgeworfen werden könne. Wohl sei eine Metallabdeckung als "Werk" zu beurteilen; auch könne im vorliegenden Fall § 1319a ABGB als Spezialnorm § 1319 ABGB nicht verdrängen, weil die beklagte Gemeinde neben der Wegeerhaltung ein besonderes Interesse an der Thermalwasserleitung zukomme (RIS-Justiz RS0107589), doch könne die bloße Oberflächenbeschaffenheit einer Kanalabdeckung auch bei weitester Auslegung keine Haftung nach § 1319 ABGB auslösen. Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Rechtsprechung zur Frage der Haftung nach § 1319 ABGB insbesondere dahin nicht völlig einheitlich sei, ob nur für Gefahren gehaftet werde, die sich aus der Statik und der Dynamik eines Werkes ergeben, oder aber für alle Folgen eines mangelhaften Zustandes eines Werkes zu haften sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dieser keine Folge zu geben. Die Revision ist entgegen dem das Revisionsgericht nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Auch der Revisionswerber vermag keine über die Zulassungbegründung hinausgehende erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht geht zutreffend von der Rechtsprechung aus, nach welcher allen Anwendungsfällen des § 1319 ABGB gemein ist, dass für willkürliche Gestaltungen der natürlichen Bodenbeschaffenheit und Geländebeschaffenheit, die hinter den nach ihrem erkennbaren Zustand vorauszusetzenden Eigenschaften zurückbleiben, deren Erhalter demjenigen für Schäden durch diese "mangelhafte Beschaffenheit des Werkes" einzustehen hat, der sich im gerechtfertigten Vertrauen auf die Gefahrlosigkeit des Werkes dessen physikalischen Wirkungsbereich hätte aussetzen dürfen (RIS-Justiz RS0029960; RS0029932). Dem Berufungsgericht ist auch dahin zuzustimmen, dass im Falle einer quer zu einem Weg gespannten Kette die Anwendbarkeit des § 1319 ABGB bejaht wurde (2 Ob 357/97g), doch braucht auf diesen völlig anders gearteten Fall hier nicht eingegangen zu werden.
Von der einhelligen Rechtsprechung wurden auch unvorhersehbare Vertiefungen im Zuge von Fahrbahnen oder Gehwegen (Spalten, unabgedeckte Schächte, Kellerabgänge etc) § 1319 ABGB unterstellt. Einhellig ist die Rechtsprechung insbesondere zur Schadensherbeiführung durch mangelhafte Kanal- oder Schachtabdeckungen im Zuge von Fahrbahnen. Danach bedarf es für die Haftung in solchen Fällen (4 Ob 2334/96f; 7 Ob 2404/96x und 10 Ob 2444/96a) einer Gefahr, die sich aus der Statik und Dynamik des Werkes ergibt, das heißt, dass die Festigkeit der Abdeckung als solche den zu erwartenden Belastungen nicht (mehr) entsprach, oder aber, dass die Abdeckung durch unzureichende Sicherung bei üblicher Benutzung seine Lage verändern, insbesondere sich aufstellen oder wegspringen konnte. Unabhängig davon, ob und inwieweit bei anderen Werken eine analoge Anwendung angezeigt ist, vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen, warum ein Abweichen von der aufgezeigten Judikaturlinie durch Einbeziehung der bloßen Oberflächenbeschaffenheit eines solchen Werkes angezeigt wäre. Auch der vom Kläger zitierten Entscheidung 6 Ob 699/82 lag ein völlig anderer Sachverhalt, nämlich eine nicht abgedeckte Bodenvertiefung, zu Grunde.
Dem Ausschluss der Haftung der beklagten Partei nach § 1319a ABGB liegt ebenfalls eine vertretbare Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes zu Grunde. Es ist eine Frage des Einzelfalles, ob der Wegerhalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um die gefahrlose Benützung eines Weges zu erreichen (RIS-Justiz RS0087607, RS0030202). Welche Maßnahmen der Wegerhalter im Einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich gemäß § 1319a Abs 2 letzter Satz ABGB danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist (RIS-Justiz RS0030180). Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertreten hat, dass das Bereithalten beheizter, somit auch bei Schneelage gefahrlos benützbarer Gehwege und daraus folgend die nicht ohne weiteres vorhersehbare Benützung nicht geräumter Fahrbahnteile durch Fußgänger eine grobe Fahrlässigkeit der beklagten Partei ausschließen, liegt auch darin eine Einzelfallbeurteilung, welche nicht revisibel ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Revisionsbeantwortung diente der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, weil die beklagte Partei darin auf die Unzulässigkeit der Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage hingewiesen hat. Mangels entsprechender Rechtsgrundlage waren - entgegen dem Kostenverzeichnis - nur 50 % statt 100 % Einheitssatz zuzuerkennen.
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