Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.341,12 (darin EUR 223,52 USt) anteilig bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit EUR 1.548,70 (darin EUR 160,86 USt und EUR 583,55 Barauslagen) anteilig bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist die Enkelin des am 16. 11. 2002 unter Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen Anton T*****. Die Beklagten sind dessen Töchter. Ihnen wurde die Verlassenschaft auf Grund des Testamentes vom 2. 4. 2001 je zur Hälfte ohne Rechtswohltat des Inventars eingeantwortet. Im Testament wurde vom Erblasser zu Gunsten der Klägerin ein Vermächtnis über einen Barbetrag von ATS 500.000,-- angeordnet.
Die Klägerin begehrt die Zahlung von EUR 36.336,42, welche ihr auf Grund des Vermächtnisses zustehe, von den Beklagten aber bislang nicht erfüllt worden sei.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten im Wesentlichen ein, dass sich die Klägerin bereits eigenmächtig durch Auflösung eines in die Verlassenschaft gehörenden Wertpapierdepots in den Besitz eines Geldbetrages gesetzt habe, welcher dem Legat entspreche. Soweit der Erblasser der Klägerin noch zu Lebzeiten die Verfügungsberechtigung über das Wertpapierdepot eingeräumt habe, sei dies nicht schenkungsweise, sondern in der Absicht geschehen, den Vermächtnisanspruch der Klägerin zu sichern. Jedenfalls habe der Erblasser die Klägerin nicht zweifach mit demselben Betrag bedenken wollen.
Dem hielt die Klägerin entgegen, dass der Erblasser die Klägerin schon in einem früheren, dann widerrufenen Testament mit einem Barlegat von ATS 500.000,-- bedacht habe. Unabhängig davon habe der Erblasser der Klägerin als seiner Enkelin, zu welcher er besten Kontakt gehabt habe, einen weiteren Betrag von S 500.000,-- schenkungsweise zukommen lassen wollen, was durch Einräumung der Verfügungsberechtigung über das Wertpapierdepot mit Wertpapieren in Höhe dieses Betrages tatsächlich geschehen sei. Der Erblasser habe aber nicht wollen, dass die Beklagten hievon erfahren sollten. Die Klägerin habe zu Recht über das Wertpapierdepot verfügt und müsse sich dessen Erlös in keiner Weise auf das aufrecht bestehende Legat anrechnen lassen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt und traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Erblasser verfügte seit 1998 über ein Wertpapierdepot bei der C***** mit der Kontonummer *****, lautend auf "*****". Im April 2000 wünschte der Erblasser, dass die Klägerin Mitinhaberin dieses Depots sei und dass ihr der Guthabensbetrag des Wertpapierkontos unabhängig von einem ihr sowohl schon damals als auch mit einer späteren letztwilligen Verfügung zugedachten Vermächtnis zukommen solle. Zu diesem Zweck begab sich der Erblasser mit der Klägerin und deren Mutter, welche für den Erblasser üblicherweise Besorgungen erledigte, zur Filiale R***** der C*****. Der Klägerin wurde das Unterschriftenprobenblatt vorgelegt. Sie unterschrieb als "Mitinhaberin", wobei der Erblasser erklärte, dass es sein Wunsch sei, dass die Mitinhaberin des Kontos über das Geld, allenfalls für einen Wohnungskauf, verfügen könne, während er deshalb weiterhin zeichnungsberechtigt sein wollte, um zu Lebzeiten über die Zinsen verfügen zu können, zumal es sich bei den Wertpapieren um solche aus einem Fond mit einmal jährlicher Zinsausschüttung gehandelt hatte. Überdies erklärte Anton T***** sowohl gegenüber der Klägerin als auch gegenüber deren Mutter und dem Bruder der Klägerin, und zwar auch in Anwesenheit eines Angestellten der Bankfiliale, dass das Guthaben auf dem Wertpapierdepot der Klägerin unabhängig vom Vermächtnis zukommen solle. Im März 2001 ersuchte der Erblasser seinen Rechtsanwalt um Vorbereitung eines neuen Testamentes und Außerkraftsetzung bisheriger letztwilliger Verfügungen, was dann in der Folge auch geschah. Aus dem Testament, welches der Erblasser am 2. 4. 2001 unterfertigte, geht hervor, dass die Beklagten Erbinnen des gesamten beweglichen und unbeweglichen Nachlasses zu gleichen Teilen sein sollten. Dem Vater der Klägerin wurde eine Eigentumswohnung als Vermächtnis unter der Bedingung zugedacht, dass der Klägerin daraus ein Barbetrag von S 500.000,-- zukommen solle. Darüber hinaus vermachte Anton T***** der Klägerin einen Barbetrag von ATS 500.000,-- sowie die Einrichtung seiner Wohnung mit Ausnahme bereits geschenkter Gegenstände. Weder bei dieser noch bei einer anderen Gelegenheit äußerste der Erblasser, dass ein Wertpapierdepot vorhanden sei. Es entsprach auch dem Willen des Erblassers, dass die Erbinnen von diesem Depot keine Kenntnis erlangen sollten. Im April 2003 löste die Klägerin das Wertpapierdepot auf und brachte den Ertrag an sich.
Das Erstgericht schloss daraus in rechtlicher Hinsicht, dass der Klägerin die Verfügung über das Wertpapierdepot unabhängig von einem ihr ausgesetzten Vermächtnis übertragen worden sei, sodass der von den beklagten Parteien erhobene Einwand nicht zu Recht erhoben worden sei.
Das Urteil des Erstgerichtes wurde dem Vertreter der Zweibeklagten am 9. 6. 2004 zugestellt, dem Vertreter der Erstbeklagten am 11. 6. 2004. Am 9. 7. 2004 langte die Berufung der Beklagten, nunmehr gemeinsam vertreten durch den bisherigen Vertreter der Erstbeklagten, beim Erstgericht ein.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Einräumung der Verfügungsmacht am Wertpapierdepot in keinem Zusammenhang mit dem Vermächtnis stehe. Es liege jedoch kein unwiderrufliches Schenkungsversprechen vor und die gewählte Vorgangsweise sei keine wirkliche Übergabe im Sinn des § 943 ABGB, sodass es zur Wirksamkeit des Schenkungsvertrages eines Notariatsaktes bedurft hätte. Ein solcher sei aber nicht geschlossen worden. Damit sei die Klägerin zur Behebung des Wertpapiererlöses nicht berechtigt gewesen. Die Prozesserklärungen der Beklagten seien auch als Schuldtilgungseinwand durch außergerichtliche Aufrechnung zu werten, diesem Einwand komme Berechtigung zu.
Zu Punkt 1.)
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass der dagegen erhobenen Revision der Klägerin ist in Ansehung der Zweitbeklagten die Nichtigkeit des Berufungsverfahrens wahrzunehmen.
Unbedingt eingeantwortete Erben sind zwar solidarisch verpflichtet und berechtigt, aber in Rechtsstreitigkeiten, denen keine unteilbare oder nur durch alle Erben gemeinsam zu erbringende Leistung zugrundeliegt, keine einheitliche Streitpartei im Sinn des § 14 JN, weil jeder Erbe voll erfüllen, sich vergleichen oder für sich verzichten (RIS-Justiz RS0035409 [T 3]) kann. Aus der bloß materiellen Streitgenossenschaft (§ 11 Z 1 ZPO) folgt, dass für die Streitteile - entsprechend dem Zustelldatum des Ersturteiles - unterschiedliche Berufungsfristen liefen. Die Berufungsfrist der Zweitbeklagten ist daher am 7. 7. 2004 ungenützt abgelaufen. Die am 9. 7. 2004 - rechtzeitig - eingebrachte Berufung der Erstbeklagten konnte somit die Säumnis der Zweitbeklagten nicht heilen. Das Urteil des Berufungsgerichtes und das diesem vorangegangene Verfahren der zweiten Instanz leiden daher, soweit es die Zweitbeklagte betrifft, an einer Nichtigkeit, die vom Obersten Gerichtshof gemäß § 411 Abs 2 ZPO aus Anlass des - worauf noch einzugehen sein wird - zulässigen Rechtsmittels auch von Amts wegen aufzugreifen ist (RIS-Justiz RS0062118). Das angefochtene Urteil und das diesem vorangegangene Berufungsverfahren sind hinsichtlich der Zweitbeklagten Partei als nichtig aufzuheben. Die verspätete Berufung ist zurückzuweisen.
Die diesbezügliche Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs 1 ZPO. Die Zweitbeklagte hat die Nichtigkeit des Berufungsverfahrens durch die Einbringung der Berufung, deren Verspätung ihr bekannt sein musste, verschuldet. Demgegenüber ist der Klägerin kein Verschulden vorzuwerfen, zumal sie über das Datum der Zustellung des Ersturteils an die Zweitbeklagte nicht Bescheid wissen musste und selbst dem Berufungsgericht die Verspätung nicht auffiel. Da davon auszugehen ist, dass der Klägerin im Verhältnis zu beiden Beklagten je gleich hohe Kosten entstanden sind, hat die Zweitbeklagte der Klägerin sowohl die anteiligen (= halben) Kosten des aufgehobenen Berufungsverfahrens als auch des Rechtsmittel(= Revisions)verfahrens zu ersetzen.
Zu 2.)
Die Revision der Klägerin ist in Ansehung der Erstbeklagten zulässig; sie ist auch berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat zu 1 Ob 115/02x ausgesprochen, für die "wirkliche Übergabe" eines Wertpapierdepots könne nichts anderes gelten kann als für ein deponiertes Sparbuch. Eine „wirkliche Übergabe" im Sinn des § 943 ABGB liege vor, wenn der Hinterlegungsschein eines deponierten Sparbuches ausgefolgt, das Losungswort mitgeteilt und eine Vollmacht erteilt wird, die den Beschenkten zur Behebung des bei der Bank hinterlegten Sparbuches berechtigt. Auch Wertpapiere in der Gewahrsame eines Dritten müssten als Gegenstand der Schenkung nach außen erkennbar in die alleinige Verfügungsmacht des Geschenknehmers übergehen und diesen dadurch in die Lage versetzen, über die geschenkte Sache frei und ausschließlich zu verfügen. Die Verfügung über das Wertpapierkonto sei unter Vorlage des Wertpapierbons bei gleichzeitiger Bekanntgabe des Losungswortes zulässig. Dies sei als ausreichende "wirkliche Übergabe" zu bewerten (auch: 1 Ob 39/97k). Ausreichende "wirkliche Übergabe" wurde auch dann angenommen, wenn einem Geschenknehmer die an das Bankinstitut gerichtete Vollmacht überreicht wurde, eine bestimmte Anzahl von Aktien mit einem bestimmten Nominale aus einem Depot zu beheben (SZ 40/86).
Was "wirkliche Übergabe" ist, sagt das Gesetz nicht. In Lehre und Rechtsprechung reicht hiefür ein vom Schenkungsvertrag verschiedener, als Übergabe erkennbarer Akt, welcher sinnfällig nach außen hin bemerkbar und so beschaffen sein muss, dass aus ihm der Wille des Geschenkgebers hervorgeht, das Objekt der Schenkung sofort aus seiner Gewahrsame in den Besitz des Beschenkten zu übertragen (6 Ob 553/77). Es ist daher nicht erforderlich, dass das Schenkungsobjekt als Voraussetzung einer "wirklichen Übergabe" dem Beschenkten "direkt in die Hand" gegeben wird. So wurde im Zusammenhang mit einem in einem Bankschließfach erliegenden Sparbuch bereits judiziert, dass es ausreichend sei, dem Beschenkten den unmittelbaren Zugriff, wie etwa durch die Mitteilung des Losungswortes und Übergabe des Schließfachschlüssels, zu ermöglichen (s die Nachweise in 1 Ob 39/97k).
Ob ein Dritter die Schenkung erkannt hat, ist nicht wesentlich, denn das Gesetz verlangt lediglich einen zum Schenkungsversprechen hinzutretenden sinnfälligen, nach außen hin erkennbaren Akt, aus dem der ernstliche Wille des Geschenkgebers hervorgeht, den Gegenstand der Schenkung aus seiner Gewahrsame sogleich in die des Beschenkten zu übertragen (1 Ob 115/02x mwN).
Im vorliegenden Fall kann zunächst kein Zweifel am geäußerten Schenkungswillen des Erblassers einerseits und dem ebenfalls geäußerten Annahmewillen der Klägerin andererseits bestehen. Durch die Einräumung der Zeichnungsbefugnis erhielt die Klägerin auch die Möglichkeit, uneingeschränkt über die im Depot befindlichen Wertpapiere zu verfügen, was sie ja letztlich auch getan hat. Festgestellt wurde auch, dass die Aufrechterhaltung (auch) der Zeichnungsbefugnis des Geschenkgebers nur dazu gedient hatte, um diesem die Verfügung über die - von der Schenkung nicht umfassten - Zinsen einzuräumen. Dass die Klägerin auch über ein Zinsenguthaben verfügt hätte, wurde von den Beklagten nicht eingewendet.
Der Umstand, dass dem Schenker die Möglichkeit zu einem - dann rechtswidrigen - Eingriff in die Rechte des Beschenkten nicht gänzlich genommen war, somit die faktische Möglichkeit nachträglicher Verfügungen über das Wertpapierdepotkonto bestand, schließt die Annahme "wirkliche Übergabe" im Sinn des § 943 ABGB nicht aus (1 Ob 115/02x; ähnlich zur Sparbuchbehebung: 6 Ob 553/77).
Das auf Auszahlung des Vermächtnisses gerichtete Klagebegehren ist daher jedenfalls berechtigt, ohne dass erörtert werden müsste, ob im Vorbringen der Beklagten tatsächlich eine Aufrechnungseinrede erkennbar ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO.
Da davon auszugehen ist, dass der Klägerin im Verhältnis zu beiden beklagten Parteien gleiche Kosten entstanden sind, hat sie gegenüber der Erstbeklagten Anspruch auf Ersatz der Hälfte der ihr in den Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.
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