OGH 6Ob170/67

OGH6Ob170/6721.6.1967

SZ 40/86

Normen

ABGB §426
ABGB §943
ABGB §426
ABGB §943

 

Spruch:

Schriftliche Bevollmächtigung zur Behebung von Aktien aus Bankdepot mit Ausfolgungsauftrag an die Bank stellt eine wirkliche Übergabe an den Geschenknehmer dar.

Entscheidung vom 21. Juni 1967, 6 Ob 170/67.

I. Instanz: Kreisgericht Krems; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Hedwig E. ist am 25. Juli 1966 mit Hinterlassung eines Testamentes, in dem sie Dr. Brigitte G. zur Alleinerbin eingesetzt hatte, verstorben. Diese gab auf Grund des Testamentes zum ganzen Nachlaß die Erbserklärung ab, die zu Gericht angenommen wurde. Der erbserklärten Erbin wurde auch die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen. Hedwig E. war Eigentümerin einer Anzahl von Aktien der Österreichischen Brau-Aktiengesellschaft, die sich im Depot der Sparkasse der Stadt G. befanden bzw. faktisch bei der Giro-Zentrale in Wien verwahrt wurden. Die Beklagte wies noch vor dem Tode der Hedwig E. bei der Sparkasse G. ein Schreiben vom 16. Juli 1966 vor, daß von drei Zeugen unterfertigt war, wonach Hedwig E. die Beklagte bevollmächtigte, aus dem bezeichneten Depot 300 Stück Aktien zum Nominale von 100 S pro Stück zu beheben und die Sparkasse ersucht wurde, ihr diese auszufolgen. Dieses Schreiben wurde in der Zweigstelle der Sparkasse in G. II entgegengenommen und an die Hauptstelle in G. I weitergeleitet. Nach Feststellung der Echtheit der Unterschrift der Hedwig E. veranlaßte der Sparkassendirektor mit Schreiben vom 23. Juli 1966 die Übersendung von 300 Aktien von der Girozentrale in Wien an die Sparkasse G. Zu einer Ausfolgung an die Beklagte kam es aber nicht, da die Klägerin am 28. Juli 1966 eine einstweilige Verfügung dahin erwirkte, daß der Beklagten verboten wurde, von der erteilten Ermächtigung Gebrauch zu machen und der Sparkasse der Stadt G. aufgetragen wurde, diese Aktien der Beklagten bis zur Erteilung einer ausdrücklichen gerichtlichen Weisung nicht auszufolgen.

Die klagende Verlassenschaft behauptet nunmehr, die Erblasserin habe schon immer die Absicht gehabt, die nunmehr erbserklärte Erbin zur Alleinerbin einzusetzen. Die während eines Krankenhausaufenthaltes der Erblasserin getroffene Anordnung sei im Zustande der Handlungsunfähigkeit abgegeben worden und daher nichtig. Sie beantragt primär, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Behebung der bezeichneten Aktien bei der Sparkasse der Stadt G. zu unterlassen und einzuwilligen, daß sie der klagenden Partei ausgefolgt werden; für den Fall, daß die Ausfolgung schon stattgefunden haben sollte, beantragt sie, die Beklagte zur Herausgabe der Aktien zu verpflichten.

Die Beklagte wendete ein, Hedwig E. habe ihr die gegenständlichen 300 Aktien geschenkt und übereignet.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Zur Wirksamkeit der von der Beklagten behaupteten Schenkung hätte es einer wirklichen Übergabe der Aktien oder der Errichtung eines Notariatsaktes bedurft. Die erklärte Bevollmächtigung der Beklagten zur Behebung der Aktien sei keine wirkliche Übergabe im Sinne des § 943 ABGB.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und hob das Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Nach der von der Beklagten behaupteten Schenkungserklärung sei der Ausfolgungsauftrag der Erblasserin an die Verwahrerin der Aktien als eine wirkliche Übergabe anzuerkennen. Könnte damit die von der Beklagten behauptete Schenkung in gültiger Form zustande gekommen sein, bedürfe es der Prüfung der behaupteten Schenkung sowie der von der Klägerin geltend gemachten Gründe für das Nichtzustandekommen eines gültigen Vertrages.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Erstgericht befaßte sich mit der von der Beklagten behaupteten Schenkung von 300 Stück Aktien aus dem Depot bei der Sparkasse der Stadt G. nicht näher, da es schon mangels Einhaltung der Form des Notariatsaktes Ungültigkeit des Rechtsgeschäftes annahm. Das Berufungsgericht erkannte aber richtig, daß ihm darin nicht zu folgen ist, daß vielmehr im Hinblick auf die weitere Erklärung der Hedwig E. vom gleichen Tage über die Bevollmächtigung der Beklagten zur Behebung der gegenständlichen 300 Aktien aus dem Depot bei der Sparkasse der Stadt G. dem Erfordernis der wirklichen Übergabe entsprochen ist. Der Zweck des § 426 ABGB. mit seiner Forderung nach körperlicher Übergabe einer Sache ist es, den Übernehmer in die Lage zu versetzen, über die Sache frei und ausschließlich zu verfügen. Diese Übergabe muß aber nicht sofort bei Abschluß des Schenkungsvertrages stattfinden, sie kann vielmehr auch noch nachträglich erfolgen. Dazu bedarf es auch keiner neuen Willenseinigung der Parteien über die Schenkung selbst (JBl. 1935 S. 16). Dem Gesetz ist genügt, wenn die Sache mit dem Traditionswillen des Übergebers, wenn auch in seiner Abwesenheit, aus seiner physischen Verfügungsmacht in die des vom Übernahmswillen beherrschten Übernehmers übergeht (GlUNF. 5426, SZ. XXXVII 48). Wesentlich ist daher, daß Hedwig E. gleichzeitig mit der von der Beklagten behaupteten Schenkung von 300 Aktien aus ihrem Depot bei der Sparkasse der Stadt G. ihr auch das weitere Schreiben vom 16. Juli 1966 mit der darin enthaltenen Bevollmächtigung, diese 300 Aktien zu beheben bzw. dem an die Sparkasse gerichteten Ersuchen, sie ihr auszufolgen, übergab. Denn damit wurde die Beklagte in die Lage versetzt, die ihr angeblich in Schenkungsabsicht überlassenen Aktien auch wirklich in ihre Verfügungsmacht zu übernehmen.

Erkannte daher das Berufungsgericht richtig, daß die von der Beklagten behauptete Schenkung wegen der "wirklichen Übergabe" im Sinne des § 943 ABGB. gültig zustande gekommen sein könnte und die Nichteinhaltung der Form des Notariatsaktes nicht die Ungültigkeit des Schenkungsvertrages zur Folge hat, so ist das Verfahren entgegen der Auffassung der Klägerin noch nicht entscheidungsreif. Es bedarf vielmehr noch der Prüfung des angeblichen Schenkungsvertrages sowie der bestrittenen Handlungsfähigkeit der Geschenkgeberin bei Abschluß des Vertrages.

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