OGH 8ObS5/15s

OGH8ObS5/15s27.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Dr. Weixelbraun‑Mohr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und KR Karl Frint als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Borns Rechtsanwalts GmbH in Gänserndorf, gegen die beklagte Partei IEF‑Service GmbH, Daniel‑Gran‑Straße 8‑12/3, 3100 St. Pölten, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17‑19, 1011 Wien, wegen Insolvenzentgelt (54.226,05 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2014, GZ 8 Rs 6/14g‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBS00005.15S.0527.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Zwar kann nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats allein aus der zeitlichen Komponente des „Stehenlassens“ von Entgeltansprüchen nicht darauf geschlossen werden, dass der Arbeitnehmer missbräuchlich das Finanzierungsrisiko auf den Insolvenz-Entgelt-Fonds überwälzen wolle. Allerdings kann im Einzelfall dann, wenn zum „Stehenlassen“ von Entgelt weitere Umstände hinzutreten, die konkret auf den Vorsatz des Arbeitnehmers schließen lassen, das Finanzierungsrisiko auf den Fonds zu überwälzen (zum „Fremdvergleich“: RIS‑Justiz RS0114470), trotzdem die Geltendmachung eines Anspruchs auf Insolvenz-Entgelt missbräuchlich sein (RIS‑Justiz RS0119679; RS0116935; 8 ObS 9/06s; 8 ObS 12/11i uva). Ob solche Umstände vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls, die ‑ vom hier nicht vorliegenden Fall krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen ‑ die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen kann.

Die Klägerin war zu 25 % an der Arbeitgebergesellschaft beteiligt. Weitere 50 % der Gesellschaftsanteile hielt eine von ihr und ihrem Ehemann (der ebenfalls zu 25 % an der Gesellschaft beteiligt war) gegründete Privatstiftung. Bis etwa drei Monate vor Beendigung des Dienstverhältnisses war sie auch zeichnungsberechtigte Geschäftsführerin. Während der letzten acht Monate des Dienstverhältnisses hat sie kein Entgelt erhalten und auch danach bis zur fast ein Jahr später erfolgten Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine ernsthaften Schritte zur Geltendmachung ihrer Ansprüche eingeleitet. Schon vorher leistete sie 30 bis 40 Überstunden im Monat unentgeltlich, damit das Unternehmen überhaupt Einnahmen lukrieren konnte. Auch an Sonn‑ und Feiertagen arbeitete sie aus diesem Grund fallweise unentgeltlich. Wiederholt verzichtete sie ohne finanzielle Abgeltung auf ihren gesamten Jahresurlaub. Sie haftete für eine Bankschuld der Gesellschaft als Bürgin und wurde auch für Honorare des Steuerberaters der Gesellschaft persönlich in Anspruch genommen.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dieses Verhalten halte einem Fremdvergleich nicht stand, ist im Sinne der oberstgerichtlichen Judikatur (RIS‑Justiz RS0114470) durchaus vertretbar. Ab wann die Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet war, ist dafür nicht entscheidend. Ergibt sich aus dem Fremdvergleich der Schluss, dass zumindest der bedingte Vorsatz einer Überwälzung des Finanzierungsrisikos anzunehmen ist, so kann dieser nicht durch einen Beweis über die konkreten Absichten und Erwartungen des Arbeitnehmers widerlegt werden (RIS‑Justiz RS0114470).

Auf die Ausführungen der Vorinstanzen, wonach das Klagebegehren auch deshalb abzuweisen sei, weil der Klägerin im Hinblick auf die gesellschaftsrechtliche Situation der Arbeitgebergesellschaft beherrschender Einfluss auf diese zugekommen sei, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.

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