European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00097.21D.0125.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 848,25 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger war als Vertragslehrer bei der Beklagten beschäftigt. Für die Schuljahre 2017/18 und 2018/19 beantragte er, 60 % bzw 50 % seiner Mehrdienstleistungen seinem Zeitkonto gutzuschreiben. Von Beginn des Schuljahres 2020/21 bis zu seiner Pensionierung per 31. 1. 2021 wurde er unter Verbrauch der gutgeschriebenen Wochen-Werteinheiten gänzlich von seiner Lehrverpflichtung freigestellt. Aufgrund eines Sportunfalls meldete er von 16. 9. bis 20. 12. 2020 seine Dienstunfähigkeit. Während dieses Zeitraums wurden von der Beklagten die Wochen-Werteinheiten weiter abgebucht.
[2] Der Kläger begehrt die Zahlung von 13.961,20 EUR sA mit der Behauptung, die Abbuchung der Wochen-Werteinheiten während des Krankenstandes sei zu Unrecht erfolgt.
[3] Die Beklagte bestreitet.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall setze voraus, dass der Vertragsbedienstete durch Krankheit an der Leistung seiner Arbeit verhindert sei, also unfähig sei, die in diesem Zeitraum an sich bestehende Arbeitspflicht zu erfüllen. Erkranke der Vertragsbedienstete in einem Zeitraum, in dem er nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet sei, bestehe (grundsätzlich) kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Die Inanspruchnahme der Freistellung nach § 61 Abs 16 GehG (iVm § 91 VBG) habe zwar auch Entgeltcharakter. Die Vereinbarung, dass Zeitguthaben erwirtschaftet und durch Zeitausgleich wieder abgebaut werden können, führe jedoch letztlich nur zu einer anderen Verteilung der Arbeitszeit. In dem Zeitraum, für den eine Freistellung in Anspruch genommen worden sei, bewirke daher nicht erst die Erkrankung des Vertragsbediensteten den Entfall der Arbeitsleistung; vielmehr habe dazu bereits aufgrund der Freistellung überhaupt keine Verpflichtung bestanden.
[6] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil – soweit ersichtlich – bislang keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Auswirkungen einer Erkrankung in der Freistellungsphase auf die Abbuchung von Wochen-Werteinheiten gemäß § 61 Abs 16 Z 5 GehG existiere.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[8] Auch wenn der Oberste Gerichtshof eine bestimmte Fallgestaltung noch nicht zu beurteilen hatte, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn der Streitfall – wie hier – mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (RS0042656 [T48]).
[9] 1. Nach § 61 Abs 13 GehG (iVm § 91 Abs 1 VBG) kann ein (Vertrags-)Lehrer durch Erklärung bewirken, dass Mehrdienstleistungen, die mit einer Vergütung gemäß § 61 Abs 2 (gegebenenfalls in Verbindung mit Abs 4) GehG abzugelten wären, zur Gänze oder zu einem bestimmten Hundertsatz nicht zu vergüten sind, sondern mit der Zahl von Unterrichtsstunden im Sinne des Abs 2 (Wochen-Werteinheiten) seinem Zeitkonto gutgeschrieben werden. Der Verbrauch der gutgeschriebenen Wochen-Werteinheiten ist unter den in § 61 Abs 16 GehG normierten Voraussetzungen in Form einer Freistellung zulässig. Nicht durch Freistellung verbrauchte Wochen-Werteinheiten sind gemäß § 61 Abs 18 GehG zu vergüten.
[10] § 24 VBG regelt den Entgeltfortzahlungsanspruch des Vertragslehrers im Fall einer durch Unfall oder Krankheit verursachten Dienstverhinderung.
[11] 2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann eine Arbeitsverhinderung durch Krankheit oder Unfall nur in Zeiten bestehen, in denen der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überhaupt verpflichtet ist (9 ObA 182/05p; 9 ObA 11/13b). Nicht die Erkrankung des Arbeitnehmers im Zeitausgleichszeitraum bewirkt den Entfall der Arbeitsleistung, sondern die mangelnde Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Erkrankungen während des Verbrauchs von Zeitausgleich haben daher keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis (RS0121539; RS0128851; zuletzt 9 ObA 10/18p mwN).
[12] Tragendes Argument dieser Rechtsprechung ist, dass der Dienstnehmer nur in jenen Zeiten durch Krankheit oder Unfall an der Leistung seiner Arbeit verhindert sein kann, in denen eine Arbeitspflicht des Dienstnehmers besteht. Dieses Argument trifft auch auf den konkreten Fall zu: Während der Freistellungsphase von Beginn des Schuljahres 2020/21 bis 31. 1. 2021 bestand für den Kläger – wie er selbst einräumt – keine Arbeitspflicht. Untermauert wird dies durch das in § 61 Abs 17 GehG statuierte Verbot, den Lehrer während einer gänzlichen Freistellung zur Dienstleistung heranzuziehen. Nicht der Unfall des Klägers in der Freistellungsphase bewirkte den Entfall der Arbeitsleistung, sondern die mangelnde Verpflichtung des Klägers zur Arbeitsleistung.
[13] 3. Daran ändern auch die Erwägungen des Klägers zu einer vermeintlichen Asymmetrie – er verweist darauf, dass während eines Krankenstandes in der Ansparphase keine Wochen-Werteinheiten erworben, diese jedoch während eines Krankenstandes im Zuge der Freistellung abgebucht werden können – nichts. Die Ausführungen des Klägers übersehen zudem, dass nach § 61 Abs 18 GehG nur die nicht durch Freistellung verbrauchten Wochen-Werteinheiten zu vergüten sind. Er hat die Wochen-Werteinheiten hier aber durch die (gemäß § 61 Abs 16 Z 3 GehG über Antrag bewilligte) Freistellung verbraucht. Der Umstand, dass „auf den Anspruch auf Freistellung während des Krankenstandes nicht verzichtet werden kann“, stützt den Standpunkt des Klägers nicht, weil ihm nach der Freistellung gerade nicht mehr die Entscheidung überlassen bleibt, „in welcher Form ihm dieses Entgelt zugute kommt“.
[14] Da die Revision damit insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist sie zurückzuweisen.
[15] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).
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