European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00089.22D.0125.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Nach § 46 Abs 2 lit a Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 (BB-PO 1966), BGBl 1966/313, bzw nunmehr – wortgleich – § 46 Abs 2 lit a Bundesbahn-Pensionsgesetz (BB-PG), BGBl I 2001/86, sind anrechenbare Ruhegenusszeiten „die in einem Dienstverhältnis bei einem inländischen öffentlich-rechtlichen Dienstgeber, bei den Österreichischen Bundesbahnen, deren Betriebsvorgängern oder einer dem öffentlichen Verkehr dienenden inländischen Eisenbahnunternehmung zurückgelegte Zeit“.
[2] Die Vorinstanzen verneinten, dass die vom Kläger vor seiner Tätigkeit bei den ÖBB zurückgelegte (Liftwart-)Beschäftigung bei einem Tiroler Seilbahnunternehmen als bei „einer dem öffentlichen Verkehr dienenden inländischen Eisenbahnunternehmung zurückgelegte Zeit“ im Sinne dieser Bestimmungen zu qualifizieren sei. Sie gingen davon aus, dass ein Seilbahnunternehmen nicht dem Begriff Eisenbahnunternehmung in § 46 BB-PO/BB-PG unterfalle. Entgegen der Ansicht in der außerordentlichen Revision handelt es sich dabei um keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität.
[3] Die als Vertragsschablone anzusehende BB-PO ist so wie das BB-PG nach den Regeln der §§ 6 und 7 ABGB auszulegen (RS0052622 [T1]; RS0071251 [T3]). Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz (bzw der Kollektivvertrag oder die nach den Regeln für Gesetze auszulegende Vertragsschablone) selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft, somit nur eine Auslegungsmöglichkeit ernstlich in Betracht zu ziehen ist und die ihr entsprechende, in der angefochtenen Entscheidung erstmals vorgenommene Auslegung auch im Schrifttum nicht in Zweifel gezogen wurde (vgl RS0042656 samt T8, T15, T24).
[4] Die genannten Anrechnungsvorschriften beziehen sich auf „Eisenbahnunternehmungen“. Nach allgemeinem Sprachgebrauch (vgl RS0008895; RS0008896) ist die Eisenbahn ein auf Schienen fahrendes (mithin „schienengebundenes“) Verkehrsmittel auf eigenem Bahnkörper (Wahrig – Deutsches Wörterbuch9 [2011] 434; Duden – Deutsches Universalwörterbuch9 [2019] 513). Seilbahnen sind damit nach allgemeinem Sprachgebrauch keine Eisenbahnen.
[5] Für den Anwendungsbereich des Eisenbahngesetzes bestimmte vor Inkrafttreten des das Seilbahnwesen nunmehr eigenständig regelnden Seilbahngesetzes (BGBl I 2003/103) § 1 EisbG, dass öffentliche Eisenbahnen auch „Haupt- und Kleinseilbahnen“ und nicht-öffentliche Eisenbahnen auch „Materialbahnen und Materialseilbahnen“ sind (§ 1 I Z 3 und II Z 2 EisbG aF). Nach § 2 Abs 1 SeilbG 2003 idgF (BGBl I 2018/79) sind Seilbahnen im Sinne dieses Bundesgesetzes „Eisenbahnen, deren Fahrzeuge durch Seile spurgebunden bewegt werden, sowie Schlepplifte“. Zuvor bestimmte § 2 Abs 1 SeilbG, dass Seilbahnen im Sinne dieses Bundesgesetzes „Eisenbahnen [sind], deren Fahrbetriebsmittel durch Seile spurgebunden bewegt werden sowie Schlepplifte“.
[6] Die in § 1 EisbG aF und § 2 Abs 1 (aF und nF) SeilbG enthaltenen Begriffsbestimmungen gelten ausdrücklich nur für das jeweilige Bundesgesetz (argumento jeweils „… im Sinne dieses Bundesgesetzes ...“). Die Regelungsbereiche des Eisenbahngesetzes sowie auch jene des nunmehrigen Seilbahngesetzes sind nicht dienst- oder pensionsrechtlicher, sondern insbesondere aufsichts-, konzessions-, bau- und betriebsrechtlicher Natur, weshalb sich ihr Anwendungsbereich nicht auf die hier maßgeblichen Anrechnungsvorschriften übertragen lässt.
[7] Im Unterschied zu einer Tätigkeit bei einem anderen Eisenbahnunternehmen ist bei einer solchen für ein Seilbahnunternehmen – was den Anrechnungsvorschriften aber zugrunde liegt – nicht generell davon auszugehen, dass sie für eine spätere Tätigkeit bei den ÖBB von Vorteil ist. Folglich ist die Anrechnung einer solchen Tätigkeit auch nicht teleologisch indiziert und ist eine planwidrige Regelungslücke zu verneinen. Für die vom Kläger vertretene Auslegung findet sich auch kein Anhaltspunkt in der Literatur (vgl Urban, Bundesbahn-Pensionsordnung 1966 [1970] 50).
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