European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00070.15Z.1125.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:
„Das Klagebegehren des Inhalts, es werde der beklagten Partei gegenüber festgestellt, dass die in § 35 AVB und die in § 3 BO 1963 angeführten Zeiten, welche bei der Berechnung des Vorrückungsstichtags anzurechnen sind, auch dann anzurechnen sind, wenn sie seitens des Dienstnehmers bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden, wobei im Fall der Neufestsetzung des individuellen Vorrückungsstichtags die Bestimmung des § 53a Abs 2 Z 1 BBG (idF BGBl I 2011/129) unangewendet zu bleiben hat, sodass es zu keiner Verlängerung der für die Vorrückung in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderlichen Zeitraums kommt, wird abgewiesen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 110,50 EUR an Barauslagen bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 1.846,56 EUR (darin enthalten 307,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.329,84 EUR (darin enthalten 221,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der klagende Betriebsrat ist ein nach den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes gebildeter Betriebsrat für den Betrieb „Bordservice *****“, dessen Zuständigkeit sich mangels Differenzierung zwischen den Dienstnehmergruppen auf alle Dienstnehmer im genannten Betrieb erstreckt. Die Beklagte ist Betriebsinhaberin und Dienstgeberin der im „Bordservice *****“ tätigen Dienstnehmer. Vom vorliegenden Verfahren sind 144 Dienstnehmer betroffen.
Für die bis zum 31. 12. 1995 eingestellten Dienstnehmer der Beklagten war das Vorrückungssystem nach den Bestimmungen der Bundesbahn‑Besoldungsordnung 1963 (BGBl 1963/170), für jene Dienstnehmer, die zwischen 1. 1. 1996 und 31. 12. 2004 eingestellt wurden, jenes der allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den österreichischen Bundesbahnen (AVB) maßgebend. Diese Vorrückungssysteme wurden durch § 53a BBG idF BGBl I 2011/129 modifiziert; hinsichtlich der anzurechnenden Vordienstzeiten wurde in § 53a Abs 1 Z 2 BBG idF BGBl I 2011/129 (unter anderem) auf die BO 1963 (§ 3) und die AVB (§ 35) verwiesen. Diese Novelle verfolgte das Ziel, die unionsrechtswidrige Diskriminierung wegen des Alters infolge Nichtanrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr zu beseitigen. Die Rechtslage nach dieser Novelle war Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH. Der EuGH beantwortete die vom Obersten Gerichtshof zu 8 ObA 20/13v vorgelegten Fragen mit Urteil vom 28. Jänner 2015, C‑417/13, Starjakob, wie folgt:
„1) Das Unionsrecht ‑ insbesondere Art 2 und Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG […] ‑ ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die zur Beseitigung einer Altersdiskriminierung die vor dem vollendeten 18. Lebensjahr zurückgelegten Vordienstzeiten berücksichtigt, aber zugleich eine tatsächlich nur für Bedienstete, die Opfer dieser Diskriminierung sind, geltende Bestimmung enthält, die den für die Vorrückung in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderlichen Zeitraum um jeweils ein Jahr verlängert und damit eine Ungleichbehandlung wegen des Alters endgültig festschreibt.
2) Das Unionsrecht ‑ insbesondere Art 16 der Richtlinie 2000/78 ‑ ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, mit der eine Altersdiskriminierung beseitigt werden soll, es einem Bediensteten, dessen vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegte Vordienstzeiten bei der Berechnung seiner Vorrückung nicht berücksichtigt worden sind, nicht zwingend ermöglichen muss, einen finanziellen Ausgleich zu erhalten, der der Differenz zwischen dem Entgelt entspricht, das er ohne die Diskriminierung erhalten hätte, und dem Entgelt, das er tatsächlich erhalten hat. Gleichwohl bedeutet die Herstellung der Gleichbehandlung in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, solange kein System zur Beseitigung der Diskriminierung wegen des Alters in einer mit der Richtlinie 2000/78 in Einklang stehenden Art und Weise eingeführt worden ist, dass den Bediensteten, die ihre Berufserfahrung, sei es auch nur teilweise, vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben haben, hinsichtlich der Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten, aber auch hinsichtlich der Vorrückung in der Gehaltstabelle dieselben Vorteile zu gewähren sind, wie sie den Bediensteten, die nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs eine gleichartige Berufserfahrung in vergleichbarem zeitlichem Umfang erworben haben, zuteil geworden sind.
3) Das Unionsrecht ‑ insbesondere Art 16 der Richtlinie 2000/78 ‑ ist dahin auszulegen, dass es den nationalen Gesetzgeber nicht daran hindert, für die Berücksichtigung der vor der Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegten Vordienstzeiten eine Mitwirkungsobliegenheit zu begründen, aufgrund deren der Bedienstete diese Zeiten gegenüber seinem Arbeitgeber nachzuweisen hat. Es stellt indessen keinen Rechtsmissbrauch dar, wenn ein Bediensteter die Mitwirkung bei der Anwendung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden verweigert, die eine gegen die Richtlinie 2000/78 verstoßende Diskriminierung wegen des Alters beinhaltet, und wenn er auf Zahlung eines Geldbetrags zur Herstellung der Gleichbehandlung mit den Bediensteten klagt, die nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs eine gleichartige Berufserfahrung in vergleichbarem zeitlichem Umfang erworben haben.
4) Der Grundsatz der Effektivität ist dahin auszulegen, dass er es in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens nicht verbietet, dass eine im nationalen Recht bestimmte Frist für die Verjährung von im Unionsrecht begründeten Ansprüchen vor dem Tag der Verkündung eines Urteils des Gerichtshofs, das die Rechtslage auf dem betreffenden Gebiet klärt, zu laufen beginnt.“
In der dazu ergangenen Folgeentscheidung zu 8 ObA 11/15y (vgl auch 9 ObA 19/15g) gelangte der Oberste Gerichtshof zu folgendem Ergebnis:
„Aufgrund der Vorabentscheidung steht fest, dass die Verlängerung des Vorrückungszeitraums nach § 53a Abs 2 Z 1 BBG idF BGBl I 2011/129 nur die vom früheren System benachteiligte Gruppe der Bediensteten betrifft, die ihre Berufserfahrung (ganz oder teilweise) vor Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben haben. Der Gesetzgeber hat damit eine Bestimmung eingeführt, nach der die vom früheren System benachteiligten Bediensteten und die von diesem System begünstigten Bediensteten in Bezug auf ihre Einstufung in das Gehaltsschema und das entsprechende Gehalt weiterhin unterschiedlich behandelt werden. Diese Regelung begründet weiterhin eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung, die nicht gerechtfertigt ist. Da (solange) kein System zur Beseitigung der Diskriminierung wegen des Alters eingeführt wurde, bleibt das für die vom früheren System begünstigten Bediensteten geltende System das einzig gültige Bezugssystem auch für die benachteiligte Gruppe.“
Als Folge dieses unionsrechtlichen Ergebnisses erließ der Gesetzgeber für die hier betroffenen Dienstnehmer eine neue Regelung zur Berechnung des Vorrückungsstichtags unter Anrechnung der Vordienstzeiten. Diese findet sich nunmehr in § 53a BBG idF BGBl I 2015/64. Diese Bestimmung normiert auch die anrechenbaren Zeiten; eine Bezugnahme auf § 3 BO 1963 bzw auf § 35 AVB erfolgt nicht mehr. Aufgrund der Novelle BGBl I 2015/64 sind im gegebenen Zusammenhang folgende Bestimmungen zum Inkrafttreten relevant:
[...]
(18) § 53a in der Fassung des Bundesgesetzes, http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2015_I_64 gilt für jene Bediensteten, die bis zum 31. Dezember 2004 bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), einem ihrer Rechtsvorgänger oder ab Rechtswirksamkeit der angeordneten Spaltungs‑ und Umwandlungsvorgänge bei der ÖBB‑Holding AG, den im 3. Teil dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/2003_138_1/2003_138_1.pdf angeführten Gesellschaften, deren Rechtsnachfolgern und Unternehmen, die durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus einer der Gesellschaften hervorgegangen sind, sowie den Unternehmen, auf die die Dienstverhältnisse der am 31. Dezember 2003 bei den Österreichischen Bundesbahnen beschäftigten Bediensteten infolge eines (auch mehrmaligen) Betriebsüberganges oder vertraglich übergegangen sind, eingetreten sind.
(19) § 53a Abs. 1 bis 3 und 8 in der Fassung des Bundesgesetzes, http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2015_I_64 , tritt für Bedienstete, deren Vorrückungsstichtag auf Grundlage von § 3 Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963 (BO 1963) berechnet wurde, mit dem 1. April 1963 in Kraft.
[...]
(23) § 53a Abs. 1 bis 3 und 8 in der Fassung des Bundesgesetzes, http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2015_I_64 , tritt für Bedienstete, deren Vorrückungsstichtag auf Grundlage von § 35 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) berechnet wurde, mit dem 1. Jänner 1996 in Kraft.
(24) § 53a Abs. 4 bis 7 in der Fassung des Bundesgesetzes http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=BgblAuth&Dokumentnummer=BGBLA_2015_I_64 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.“
Die Novelle BGBl I 2015/64 wurde am 17. 6. 2015 kundgemacht. Im vorliegenden Verfahren war Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz am 4. 7. 2013. Gegen das Ersturteil erhob die Beklagte Berufung, die am 15. 10. 2013 eingebracht wurde. Mit Beschluss des Berufungsgerichts vom 26. 11. 2013 wurde das Berufungsverfahren bis zur Vorabentscheidung des EuGH über die vom Obersten Gerichtshof zu 8 ObA 20/13v vorgelegten Fragen unterbrochen. Am 28. 7. 2015 wurde das Berufungsverfahren fortgesetzt und gleichzeitig das Berufungsurteil gefällt.
Der Kläger begehrte ‑ nach Modifizierung des Klagebegehrens ‑ die Feststellung, dass die in § 35 AVB bzw § 3 BO 1963 angeführten Zeiten bei der Berechnung des Vorrückungsstichtags auch dann anzurechnen seien, wenn sie vor Vollendung des 18. Lebensjahrs zurückgelegt wurden, wobei es im Fall der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags zu keiner Verlängerung des Vorrückungszeitraums in den ersten drei Gehaltsstufen komme. Von der zugrunde liegenden Rechtsfrage seien rund 150 Dienstnehmer betroffen. Die Regelung über die Anrechnung der Vordienstzeiten nach § 35 AVB bzw § 3 BO 1963 verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach der Richtlinie 2000/78/EG , weil Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs nicht angerechnet würden. Dafür bestünde keine sachliche Rechtfertigung. Die Neuregelung durch § 53a BBG idF BGBl I 2011/129 sei nicht geeignet, die Altersdiskriminierung zu beheben. Durch die Verlängerung des Vorrückungszeitraums werde die entgeltrechtliche Verbesserung aus der Anrechnung der Vordienstzeiten noch vor dem 18. Lebensjahr verhindert. Außerdem sehe die Neuregelung vor, dass der betroffene Bedienstete die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags mit einer Optionslösung beantragen könne.
Die Beklagte entgegnete, dass die Neuregelung der Berechnung des Vorrückungsstichtags nach § 53a BBG idF BGBl I 2011/129 mit dem Unionsrecht im Einklang stehe. Durch die Neuregelung komme es zu einer Anrechnung von Vordienstzeiten auch vor dem 18. Lebensjahr. Die Verlängerung des Vorrückungszeitraums bewirke keine Verletzung des Diskriminierungsverbots, weil das Unionsrecht keinen dauerhaften Bestand eines Entgeltvorteils gewährleiste.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Neuregelung des Vorrückungsstichtags nach § 53a BBG (idF BGBl I 2011/129) enthalte nach wie vor einen Diskriminierungstatbestand. Dies sei zum einen deshalb der Fall, weil die Regelung nicht generell an die Absolvierung der Vordienstzeiten anknüpfe, sondern den Dienstnehmer zu einem Nachweis dieser Zeiten verpflichte. Darüber hinaus werde durch diese Regelung der Zeitraum für die Vorrückung in den ersten drei Gehaltsstufen jeweils um ein Jahr verlängert.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, wobei es dem Spruch eine deutlichere Fassung gab. Gegenstand des Berufungsverfahrens sei die Frage, ob der mit BGBl I 2011/129 neu eingefügte § 53a BBG alterdiskriminierend sei. Dies habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 ObA 11/15y bejaht. Darin sei ausgesprochen worden, dass die Verlängerung des Vorrückungszeitraums nach § 53a Abs 2 Z 1 BBG (idF BGBl I 2011/129) nur die vom früheren System benachteiligte Gruppe der Bediensteten betreffe, die ihre Berufserfahrung ganz oder teilweise vor Vollendung des 18. Lebensjahrs erworben hätten. Es sei somit nach wie vor kein System zur Beseitigung der Altersdiskriminierung geschaffen worden. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil Gründe für eine Zulässigerklärung nicht vorliegen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.
Mit seiner ‑ durch den Obersten Gerichtshof freigestellten ‑ Revisionsbeantwortung beantragt der klagende Betriebsrat, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil sich die Rechtslage während des Rechtsmittelverfahrens geändert hat und darauf Bedacht zu nehmen ist. Die Revision ist auch berechtigt.
1. Die Beklagte steht in der Revision auf dem Standpunkt, dass das Berufungsgericht nicht von der aktuellen Rechtslage ausgegangen sei. Mit § 53a iVm § 56 BBG idF BGBl I 2015/64 sei ein diskriminierungsfreies System der Anrechnung von Vordienstzeiten geschaffen worden. Der Gesetzgeber habe nunmehr für alle Dienstnehmer der ÖBB ein einheitliches Entlohnungssystem geschaffen, das den Vorgaben des EuGH entspreche. Nach der genannten Bestimmung würden Dienstzeiten einschließlich Lehrzeiten sowie branchenspezifische Vordienstzeiten unabhängig vom Alter, in dem diese erworben worden seien, herangezogen. Sollte die Einstufung aufgrund der Neuberechnung des Vorrückungsstichtags zu einem Gehaltsverlust führen, so bleibe das zum Zeitpunkt der Neuberechnung bezogene Gehalt garantiert. Die neuen Bestimmungen seien rückwirkend mit 1. 4. 1963 bzw 1. 1. 1996 in Kraft gesetzt worden. Da das Berufungsurteil nach Kundmachung der Novelle BGBl I 2015/64 ergangen sei, hätte das Berufungsgericht auf die neue Rechtslage Bedacht nehmen müssen.
2.1 Nach § 5 ABGB wirken Gesetze im Allgemeinen auf abgeschlossene Sachverhalte oder auf vergangene Zeitabschnitte bei Dauerrechtsverhältnissen nicht zurück (4 Ob 57/10a; 3 Ob 234/12a), außer der besondere Charakter einer zwingenden neuen Norm verlangt deren rückwirkende Anwendung (6 Ob 41/14t). Diese Bestimmung wird als Zweifelsregel verstanden, die durch eine (verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossene) Rückwirkungsanordnung als lex specialis durchbrochen werden kann (RIS‑Justiz RS0015520). Die allgemeine Regel des § 5 ABGB steht also spezielleren gesetzlichen Übergangsbestimmungen nicht entgegen (8 ObA 64/06d). Eine Rückwirkungsanordnung muss allerdings die verfassungsrechtlichen bzw im Anwendungsbereich des Unionsrechts die unionsgrundrechtlichen Grenzen, die sich aus dem Vertrauensschutz ergeben, einhalten (vgl 8 ObA 63/10p; 8 ObA 85/13b).
Demnach muss auch das Rechtsmittelgericht auf eine Änderung der Rechtslage (nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz) dann Bedacht nehmen, wenn die neuen Bestimmungen nach dem maßgebenden Übergangsrecht oder sonst bei Änderungen des zwingenden Rechts nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis bzw den anhängigen Rechtsstreit anzuwenden sind (9 ObA 106/03h; 7 Ob 212/12w).
2.2 Durch die bloße Regelung des Inkrafttretens eines neuen Gesetzes wird im Allgemeinen nur festgelegt, ab welchem Zeitpunkt das Gesetz grundsätzlich normative Wirkungen entfaltet. Davon ist die Frage zu unterscheiden, auf welche Sachverhalte im Detail das neue Gesetz ab seinem Inkrafttreten tatsächlich angewendet werden soll (vgl 3 Ob 127/14v). Diese Aussage gilt grundsätzlich für eine Regelung, die das Inkrafttreten zeitnah zur Erlassung bzw Kundmachung des Gesetzes anordnet.
Im Anlassfall wird für die vom Klagebegehren erfassten Bediensteten in § 56 Abs 19 und Abs 23 BBG idF BGBl I 2015/64 bestimmt, dass die neue Regelung über die Berechnung des Vorrückungsstichtags nach § 53a Abs 2 BBG idF BGBl I 2015/64 mit 1. 4. 1963 bzw 1. 1. 1996 in Kraft tritt. Zudem findet sich in § 56 Abs 18 leg cit die Anordnung, dass § 53a idF BGBl I 2015/64 für jene Bediensteten gilt, die bis zum 31. 12. 2004 in ein relevantes Dienstverhältnis eingetreten sind.
Aufgrund dieser Rückwirkungsanordnung wird deutlich, dass die Berechnung des Vorrückungsstichtags für alle Bediensteten, die bisher unter § 3 BO 1963 bzw § 35 AVB gefallen sind, neu, das heißt von Anfang an (§ 53a Abs 1 BBG), zu erfolgen hat. Damit liegt eine echte Rückwirkungsanordnung vor, die sich auf alle vom Klagebegehren betroffenen Dienstverhältnisse in ihrer Gesamtheit bezieht. Für alle diese Dienstverhältnisse wird eine Neuberechnung des Vorrückungsstichtags angeordnet. Daraus folgt weiters, dass die neue Rechtslage auf die Dienstverhältnisse der betroffenen Bediensteten anzuwenden und darauf auch im Rechtsmittelverfahren Bedacht zu nehmen ist.
3.1 Im Anlassfall sind nun die Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens zu beachten. Es handelt sich um ein besonderes Feststellungsverfahren, wobei die Klage iSd § 228 ZPO auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen gerichtet ist. Für die Bestimmung des Rechts oder Rechtsverhältnisses ist der Inhalt des Klagebegehrens und das zugrunde liegende Sachvorbringen maßgebend. Das Recht oder Rechtsverhältnis, also der verfolgte Anspruch, muss vom Kläger sachverhaltsmäßig konkretisiert werden. Zudem ist das Vorliegen eines rechtlichen Interesses vorausgesetzt, das sich unmittelbar aus dem strittigen Rechtsverhältnis ergeben und tatsächlich geeignet sein muss, die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch die beklagte Partei zu vermeiden oder zu beenden. Das Fehlen des rechtlichen Interesses führt zur Abweisung des Feststellungsbegehrens. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Rechtsfrage zwischen den Parteien des Verfahrens gar nicht strittig ist (vgl dazu Neumayr in ZellKomm² § 54 ASGG Rz 6 und 18).
3.2 Mit Bezug auf den Anlassfall bedeuten diese Grundsätze vor allem, dass der klagende Betriebsrat darlegen muss, welchen Anspruch er zugunsten der betroffenen Dienstnehmer festgestellt haben will, sowie dass dieser Anspruch im Verhältnis zum Dienstgeber strittig ist, von diesem also abgelehnt wird. Der Anspruch muss sich aus einer konkreten Rechtsgrundlage nach einer bestimmten Rechtslage ableiten lassen.
3.3 Im Zusammenhang mit einer hier fraglichen Altersdiskriminierung bei den Entgeltbedingungen kommt es nicht allein auf den Zeitpunkt der erstmaligen Festsetzung des Entgelts, hier der erstmaligen Berechnung des Vorrückungsstichtags, sondern vielmehr auf die vom Klagebegehren betroffenen Entgeltperioden an (9 ObA 70/12b). Es liegt somit ein Dauersachverhalt vor.
Das hier erhobene Feststellungsbegehren trifft keine Unterscheidung nach einzelnen Entgeltperioden. Das Begehren soll somit sämtliche Bedienstete erfassen, deren Vorrückungsstichtag bisher nach § 3 BO 1963 bzw § 35 AVB bestimmt wurde. Dieses kann daher von vornherein nur erfolgversprechend sein, wenn eine einheitliche Rechtslage zur Anwendung gelangt. Im Fall einer zeitabschnittsbezogenen Anwendbarkeit von altem und neuem Recht müsste demgegenüber im Begehren auf die jeweils konkreten Entgeltperioden Bezug genommen werden.
3.4 Unter Zugrundelegung des Begehrens geht der klagende Betriebsrat somit von einer einheitlichen Rechtslage für die betroffenen Bediensteten aus. Dies ergibt sich auch aus seinem Vorbringen. Darin vertrat er letztlich den Standpunkt, dass die Regelung des § 53a BBG im Hinblick auf die Verlängerung des Vorrückungszeitraums und die Optionslösung nicht geeignet gewesen sei, die schon bisher bestehende Altersdiskriminierung zu beheben. Aus diesem Grund müsse der Vorrückungsstichtag nach § 3 BO 1963 bzw § 35 AVB neu berechnet werden, aber unter Anrechnung der Vordienstzeiten auch vor dem 18. Lebensjahr und ohne Verlängerung des Vorrückungszeitraums gemäß § 53a Abs 2 Z 1 BBG. Das Klagebegehren bezieht sich damit eindeutig auf § 53a BBG idF BGBl I 2011/129.
Diese alte Rechtslage ist aber nicht mehr maßgebend und auf den Rechtsstreit nicht anzuwenden. Nach der relevanten neuen Rechtslage des § 53a BBG idF BGBl I 2015/64 kommt es auf die im Klagebehren genannten Bestimmungen des § 3 BO 1963 bzw § 35 AVB nicht mehr an. Auch die anrechenbaren Zeiten ergeben sich nicht mehr aus der BO 1963 bzw den AVB, sondern ausschließlich aus § 53a BBG idF BGBl I 2015/64.
3.5 Nach der Feststellungsklage soll somit ein Anspruch festgestellt werden, der nach der anzuwendenden Rechtslage nicht mehr maßgebend ist. Da sich das Klagebegehren und das diesem zugrunde liegende Vorbringen auf nicht mehr relevante Rechtsgrundlagen bezieht und der geltend gemachte Anspruch aus der nunmehr anzuwendenden Rechtsgrundlage nicht abgeleitet werden kann, mangelt es am Feststellungsinteresse.
4.1 Zusammenfassend ergibt sich:
Auch das Rechtsmittelgericht muss auf eine Änderung der Rechtslage dann Bedacht nehmen, wenn die neuen Bestimmungen nach dem maßgebenden Übergangsrecht oder sonst bei Änderungen des zwingenden Rechts nach ihrem Inhalt auf das umstrittene Rechtsverhältnis bzw den anhängigen Rechtsstreit anzuwenden sind. Aufgrund der Rückwirkungsanordnung in § 56 Abs 18 ff BBG idF BGBl I 2015/64 ist auf die Neuberechnung des Vorrückungsstichtags der betroffenen Bediensteten § 53a BBG idF BGBl I 2015/64 anzuwenden. Bezieht sich das Feststellungsbegehren nach § 54 Abs 1 ASGG auf nicht mehr relevante Rechtsgrundlagen und lässt sich der geltend gemachte Anspruch aus der anzuwendenden neuen Rechtsgrundlage nicht ableiten, so mangelt es am Feststellungsinteresse.
4.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof somit nicht stand. In Stattgebung der Revision waren die Urteile der Vorinstanzen im Sinn einer Abweisung des Feststellungsbegehrens abzuändern.
Der Anregung des Klägers auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens war nicht näher zu treten, weil sich das Klagebegehren nicht auf die vom Kläger nunmehr angegriffene neue Rechtslage bezieht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 ASGG. Im Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG gelten die allgemeinen Bestimmungen der ZPO über den Kostenersatz (9 ObA 34/10f).
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