OGH 8ObA6/14m

OGH8ObA6/14m27.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhold Hohengartner und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. J***** P*****, vertreten durch die Zauner & Mühlböck Rechtsanwälte KG in Linz, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Landwirtschaftskammer, *****, vertreten durch die Saxinger Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 13.769,91 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. November 2013, GZ 11 Ra 72/13g‑16, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Text

Begründung

1. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass die Bestimmung über das Ruhen der monatlichen Kammerpension bis zum Erreichen der Höhe der bezogenen Abfertigung nach § 4 Abs 1 der Pensionsordnung in der Fassung vom 1. 1. 2004 für ihn nicht gelte. Er habe Anspruch auf Doppelbezug von Abfertigung und Pensionszuschuss.

Rechtliche Beurteilung

Mit seinen Überlegungen in der außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dazu ist er zunächst an folgende Dienstvorschriften zu erinnern:

„§ 54 der Dienstordnung in der Fassung vom 1. 8. 1985

(3) Wird von einem Kammerbeamten mit Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)genuss anlässlich seiner Versetzung in den dauernden Ruhestand eine Abfertigung begehrt, verliert er damit seinen Anspruch auf Ruhegenuss.

§ 4 der Pensionsordnung in der Fassung vom 1. 1. 2004:

(1) Dem Angestellten mit Pensionszusage gebührt im Falle des Ruhestandes ein monatlicher Ruhegenuss, wenn seine ruhegenussfähige Gesamtdienstzeit mindestens 15 Jahre beträgt. Gebührt dem Angestellten mit Pensionszusage eine Abfertigung gemäß § 55 der Dienstordnung (Anlage 1), ruhen die monatlichen Ruhebezüge so lange, bis diese die Höhe der Abfertigung erreichen.“

2.1 In der Rechtsprechung ist geklärt, dass für ‑ wie hier ‑ privatrechtliche Dienstverhältnisse, für die nach der maßgebenden gesetzlichen Grundlage von einem bestimmten Organ (hier einer Körperschaft öffentlichen Rechts) erlassene Dienstvorschriften gelten sollen, diese Dienstvorschriften (Dienstordnungen, Besoldungsordnungen oder Disziplinarordnungen) mangels einer materiellen Gesetzgebungskompetenz Vertragsschablonen darstellen.

Vertragsschablonen erlangen mit Abschluss des jeweiligen Einzelvertrags ‑ im Wege eines Hinweises auf die entsprechenden Dienstvorschriften ‑ durch vertragliche Unterwerfung Geltung zwischen den Vertragsparteien und werden dadurch rechtlich wirksam (RIS‑Justiz RS0052622; RS0054759); sie binden die Vertragspartner dann als lex contractus (8 ObA 205/02h; 9 ObA 164/07v). Diese Grundsätze gelten auch für die Beziehungen zwischen den Parteien im Anlassfall (9 ObA 164/07v).

2.2 Bei Vertragsabschluss wird ‑ wie auch im Fall des Klägers ‑ regelmäßig festgehalten, dass für die Bediensteten die genannten Vertragsschablonen „in der jeweils geltenden Fassung“ zur Anwendung gelangen („Jeweils‑Klausel“). Dieser Hinweis wird durch die widerspruchslose Annahme Inhalt des Arbeitsvertrags (RIS‑Justiz RS0052618; 8 ObA 14/03x). Dadurch bringt der Bedienstete seinen Unterwerfungswillen hinlänglich zum Ausdruck (9 ObA 121/08x).

In einer solchen „Jeweils‑Klausel“ ist nach der Rechtsprechung ein Änderungsvorbehalt des Dienstgebers im Sinn eines Gestaltungsrechts zu sehen, der vom Dienstgeber in der Form von Änderungen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben und nach billigem Ermessen genutzt werden kann, selbst wenn es dadurch zu einer zumutbaren Verschlechterung für den Dienstnehmer kommt (RIS‑Justiz RS0112269; RS0052618; 9 ObA 121/08x).

2.3 Für die Wirksamkeit einer Änderung von Dienstvorschriften als Vertragsschablonen ist nach der Rechtsprechung entscheidend, dass die jeweiligen Vorschriften veröffentlicht wurden und dem Dienstnehmer Gelegenheit gegeben wurde, sich darüber Kenntnis zu verschaffen (9 ObA 126/99s; 9 ObA 77/00i). Zudem erfordert eine solche Änderung die Beschlussfassung durch das zuständige Gremium (vgl 8 ObA 281/00g). Gemäß § 44 des OÖ Landwirtschaftskammergesetzes werden die Dienst‑ und Besoldungsvorschriften für Kammerangestellte von der Vollversammlung erlassen (vgl 9 ObA 164/07v).

2.4 Für den Anlassfall folgt daraus, dass mit Abschluss des Dienstvertrags des Klägers die einschlägigen Dienstvorschriften als Vertragsschablonen in den Vertrag einbezogen wurden. Die Geltung der „Jeweils‑Klausel“ bestreitet der Kläger nicht. Bei den in den Vertrag einbezogenen Dienstvorschriften handelt es sich daher um vom Arbeitgeber veränderbare Vertragsschablonen. Die Dienstvorschriften der Beklagten bestehen dabei aus Dienstordnung, Besoldungsordnung und Pensionsordnung (9 ObA 343/98a; 9 ObA 164/07v).

Die Änderungen der Dienstvorschriften zum 1. 1. 2004 erfolgten nach den Feststellungen durch die Beklagte. Diese Feststellung impliziert eine Beschlussfassung durch das zuständige Organ (Vollversammlung). Den in der Berufung dagegen erhobenen Einwand, der Beschluss sei von einem unzuständigen Gremium gefasst worden, qualifizierte das Berufungsgericht als unzulässige Neuerung. In dieser Beurteilung ist kein Verstoß gegen die Behauptungs‑ und Beweislast gelegen. Nach den Feststellungen konnte der Kläger die Änderungen in den Dienstvorschriften auch zur Kenntnis nehmen.

Die Änderungen der Vertragsschablonen durch die Beklagte sind damit wirksam zustande gekommen. Die in Rede stehende Ruhensbestimmung für die Kammerpension nach § 4 Abs 1 der Pensionsordnung in der Fassung vom 1. 1. 2004 ist auf das Dienstverhältnis des Klägers anzuwenden.

3.1 Die vom Kläger bestrittene Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die mit § 4 Abs 1 der Pensionsordnung eingeführte Ruhensbestimmung zu keiner unzulässigen Verschlechterung seiner bisherigen Position geführt habe, ist nicht korrekturbedürftig. Die Dienstvorschriften zum Stichtag der Pragmatisierung des Klägers bestimmten, dass ein Kammerbeamter, der einen Anspruch auf Ruhegenuss hat, diesen Anspruch verliert, wenn er (anlässlich seiner Versetzung in den dauernden Ruhestand) eine Abfertigung begehrt (§ 54 Abs 3 der Dienstordnung in der Fassung vom 1. 8. 1985). Nach den Feststellungen ist die Beklagte damals (wenn auch irrtümlich: 9 ObA 343/98a) davon ausgegangen, dass pragmatisierten Dienstnehmern ohnehin kein Abfertigungsanspruch zustehe. Die in der Folge eingeführte, nunmehr in Rede stehende (neue) Ruhensbestimmung verhindert eine Doppelversorgung, ordnet aber nicht wie die Vorgängerbestimmung einen Anspruchsverlust an.

Das Berufungsgericht hat somit zutreffend ausgeführt, dass der Kläger auch nach der früheren Vertragslage keinen Anspruch auf Doppelversorgung haben sollte. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 9 ObA 343/98a wurde nur der Abfertigungsanspruch der Dienstnehmer der Beklagten und dessen Berechnung (Einbeziehung der Sonderzahlungen) beurteilt. Zur Wirksamkeit des Anspruchsverlusts nach § 54 Abs 3 der Dienstordnung in der Fassung vom 1. 8. 1985 enthält diese Entscheidung keine Aussage.

3.2 In der zitierten Entscheidung 9 ObA 343/98a hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass der gesetzliche Abfertigungsanspruch der Dienstnehmer der Beklagten im Arbeiter‑Abfertigungsgesetz seine Grundlage findet und nach Art I § 2 Abs 1 ArbAbfG die §§ 23 und 23a AngG in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind, sowie dass nach Art I § 3 ArbAbfG das Abfertigungsrecht einseitig zwingendes Recht darstellt.

Nach der Rechtsprechung zu §§ 23, 23a AngG ist ein über die (gesetzliche) Pensionsleistung nach dem ASVG hinausgehender vertraglicher Versorgungsanspruch als adäquater Ersatz für die Abfertigung anzusehen. Aus diesem Grund kann die Abfertigung durch die Gewährung eines vertraglichen Pensionszuschusses ersetzt werden, wenn diese Sonderregelung günstiger ist als die Abfertigung und die ASVG‑Pension zusammen (8 ObA 46/10p). Damit im Zusammenhang steht die Bestimmung des § 23a Abs 6 AngG, wonach nur eine Anrechnung jener (vertraglichen) Pensionsbezüge auf die Abfertigung zulässig ist, bei denen zeitliche Kongruenz zwischen Pensionsleistung und Abfertigung besteht (RIS‑Justiz RS0115532; Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer § 23 AngG Rz 83). Diese Konsequenzen resultieren daraus, dass das Abfertigungsrecht auch nach dem Arbeiter-Abfertigungsgesetz einseitig zwingend ist (9 ObA 343/98a; auch 8 ObA 46/10p; Holzer § 23a AngG Rz 19).

3.3 Die dargestellten Konsequenzen gelten für den Anlassfall nicht, weil nach den zugrunde liegenden Dienstvorschriften keine Anrechnung der Kammerpension auf die Abfertigung stattfindet.

In der Entscheidung 8 ObA 46/10p, die eine Anrechnung von Versorgungsleistungen auf die Abfertigung betrifft, ist festgehalten, dass bei privatrechtlicher Zusatzversorgung aufgrund von Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Vereinbarung einer Anrechnung in die Abfertigung „(bzw umgekehrt: das Ruhen des Zusatzpensionsanspruchs während des Abfertigungszeitraums)“ zulässig ist. Zum „umgekehrten Fall“ (Anrechnung der Abfertigung auf Versorgungsleistungen im Sinn einer Ruhensbestimmung) besagt diese Entscheidung nur, dass nach § 16 Abs 1 BPG die in diesem Bundesgesetz geregelten, die gesetzliche Pensionsversicherung ergänzenden Leistungen nur durch Versorgungsleistungen gemindert werden dürfen, die zumindest zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen, und dass die Abfertigung als reine Dienstgeberleistung auf die kongruenten Zwecken dienende Betriebspension anrechenbar ist (Schrammel, BPG § 16 Erl 3.3). Der nächste Satz in dieser Entscheidung, der auf das Verbot der Summenanrechnung Bezug nimmt, betrifft wiederum die Anrechnung auf die Abfertigung.

Der zitierte Hinweis von Schrammel auf die „kongruenten Zwecke“ bezieht sich nur auf die Art der Leistungen (zu Versorgungszwecken), zu denen auch die Abfertigung zählt (8 ObA 46/10p). Schrammel spricht im gegebenen Zusammenhang sogar ausdrücklich von „voller Anrechenbarkeit“ und damit der (betragsmäßigen) Anrechnung in voller Höhe.

3.4 Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die Beurteilung nach § 23a Abs 6 AngG für die Anrechenbarkeit von Versorgungsleistungen auf die (nicht nachteilig abdingbare) Abfertigung gilt, für die Kürzung (Ruhendstellung) von vertraglichen Versorgungsleistungen aber keine entsprechende gesetzliche Anordnung besteht, entspricht den dargestellten Grundsätzen. Die Voraussetzungen für eine „spiegelbildliche“ Anwendung des § 23a Abs 6 AngG sind mangels planwidriger Lücke nicht gegeben.

Da die zu beurteilende Ruhensbestimmung die Kammerpension betrifft und der Kläger die gesamte Abfertigung erhalten hat, ist die Anrechnung des Abfertigungsbetrags nicht zu beanstanden.

4. Gemäß § 44 des Oberösterreichischen Landwirtschaftskammergesetzes sollen die Kammerbeamten grundsätzlich den Landesbeamten dienst- und besoldungsrechtlich sinngemäß gleichgestellt werden (9 ObA 164/07v). Das Argument des Klägers, dass die unkündbaren Dienstnehmer der Beklagten zwar bei der Kammerpension den Landesbeamten angenähert seien, bei diesem Günstigkeitsvergleich aber nicht nur die Abfertigungs- und Pensionsregelungen, sondern sämtliche Dienst- und Besoldungsvorschriften heranzuziehen seien, woraus sich ergebe, dass die in Rede stehende Ruhensbestimmung aufgrund der Schlechterstellung für den Kläger unwirksam sei, ist nicht verständlich. Tatsächlich hat das Erstgericht festgehalten, dass die Landesbeamten im Rahmen ihrer öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnisse auch heute noch keine Abfertigung erhalten. In Bezug auf die hier zu beurteilende Ruhensbestimmung liegt jedenfalls keine Schlechterstellung des Klägers gegenüber den Landesbeamten vor.

5. Insgesamt sind die Vorinstanzen von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen und haben diese in einer nicht korrekturbedürftigen Weise angewendet. Auch die vom Kläger gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.

Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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