OGH 8ObA5/02x

OGH8ObA5/02x29.8.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Ulrike Kargl und HR. Dipl. Ing. Roland Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alexander T*****, vertreten durch Widter, Mayrhauser, Wolf, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Karola N*****, vertreten durch Dr. Malte Berlin, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 759,14 und Rechnungslegung (Steitwert EUR 6.508,14) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. September 2001, GZ 7 Ra 208/01m-35, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 51 Abs 1 ASGG sind unter anderem Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen, die zueinander in einem Lehr - oder sonstigen Ausbildungsverhältnis stehen. Die Revisionswerberin führt zutreffend aus, dass von dieser Gesetzestelle nicht jedes Ausbildungsverhältnis schlechthin erfasst ist, sondern nur ein solches, das in Zusammenhang mit einem arbeitsrechtlichen Bezug steht (Kuderna ASGG², 322). Schon zu § 1 ArbGerG wurde in ständiger Rechtsprechung judiziert, der geltend gemachte Anspruch müsse - um die Zuständigkeit der Arbeitgerichte zu begründen - seine Wurzel im Arbeitsverhältnis selbst haben (RIS-Justiz RS0050458; RS0050459). Diese Rechtsprechung wird auch zu § 50 Abs 1 ASGG unverändert aufrecht gehalten (1 Ob 207/01z u.a.).

Ein derartiger Bezug zu einem Arbeitsverhältnis ist beim Besuch einer Schauspielschule ohne Hinzutreten weiterer Faktoren nicht zu erkennen. Auch die Tatsache, dass offenkundig zu Ausbildungszwecken fallweise Schulaufführungen stattfanden, für welche die teilnehmenden Schüler Honorare erhielten (S 25 des Ersturteils), vermag die Rechtsnatur des Anspruchs auf Ersatz von Ausbildungskosten im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Rechtssätze schon wegen der dem eigentlichen Vertragszweck völlig untergeordneten Bedeutung nicht zu beeinflussen. Hinsichtlich des abgeschlossenen Künstlermanagementvertrages lassen weder das Vorbringen, noch die Feststellungen eine derart weitgehende Bindung der Beklagten erkennen, dass sie zumindest als arbeitnehmerähnlich einzustufen wäre (vgl. zum Boxagenturvertrag: SZ 52/87).

Das ursprünglich angerufene Bezirksgericht Josefstadt hat dennoch unter Hinweis auf § 51 Abs 1 ASGG von amtswegen rechtskräftig seine sachliche Unzuständigkeit ausgesprochen (ON 7) und sodann über Antrag des Klägers die Rechtssache an das Arbeits-und Sozialgericht Wien überwiesen (ON 9). In einem derartigen Fall liegt nicht wie sonst eine Frage unrichtiger Gerichtsbesetzung im Sinne des § 37 ASGG vor (RIS-Justiz RS0085489; SZ 72/142), sondern - weil das Verhältnis zum Arbeits - und Sozialgericht Wien betreffend - eine Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit (SZ 68/188; 9 ObA 5/01b; 1 Ob 207/01z). Der rechtskräftige Beschluss bindet - ungeachtet seiner Unrichtigkeit - gemäß § 46 Abs 1 JN, § 38 Abs 4 ASGG die Gerichte. Fallen - wie hier - Anspruchsgrundlage und Zuständigkeitstatbestand auseinander (vgl. SZ 72/142), hat ebenso wie in einem dem § 37 ASGG zu unterstellenden Fall zu gelten, dass sich auch in Rechtssachen, die keine Arbeits- und Sozialrechtssachen sind, über die jedoch ein nach den Bestimmungen des ASGG zusammengesetzter Senat entschieden hat, die Gerichtsbesetzung des Rechtsmittelverfahrens ebenso wie die anzuwendenden Rechtsmittelzulassungsvorschriften der systematischen Einheit wegen nach dem ASGG richten (vgl. RIS-Justiz RS 0085567). Eine Rechtsfrage im Sinne des somit anzuwendenden § 46 Abs 1 ASGG liegt nicht vor:

Da der Beklagten - wie eingangs dargestellt - Arbeitnehmereigenschaft nicht zukommt, liegt der vom Erstgericht angenommene Ausschluss (§ 1 Abs 4 KSchG) der Anwendbarkeit der Bestimmungen dieses Gesetztes nicht vor. Bereits das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend dargestellt, dass das Verbot der Gehaltsabtretung des § 12 Abs 1 KSchG dennoch nicht zur Anwendung kommt, weil ein dieser Bestimmung zu unterstellender Fall nicht vorliegt. Dem Verbot unterfällt nämlich nach dem Willen des Gesetzgebers nur die Zession (744 BlgNR. 14. GP 32 f) und nach berichtigender Auslegung durch die Rechtsprechung auch die Verpfändung mit bedingungsloser Ermächtigung zur außergerichtlichen Verwertung (SZ 70/174; RIS-Justiz RS 0108387). Keiner dieser Fälle ist hier gegeben, zumal bei der strittigen Provisionsvereinbarung auch nicht ansatzweise die Gefahr besteht, der Gläubiger könne die Forderung ohne vorherige Prüfung durch das Gericht einziehen (vgl. Krejci in Rummel ABGB² Rz 6, 7 zu § 12 KSchG).

Die Revisionswerberin vermag auch keine grob unrichtige Beurteilung

des Berufungsgerichts bei Verneinung des Vorliegens von Irrtum und

Zwang aufzuzeigen. Nach der vom Erstgericht im einzelnen

festgstellten Chronologie der Ereignisse standen der Beklagten die

Sommermonate zur Prüfung der Vorschläge des Klägers zur Verfügung,

waren ihr doch die wesentlichen Grundzüge des Konzepts bereits im

Juni 1996 bekannt gegeben worden (S 20 des Ersturteils). Entgegen dem

unsubstantiierten Vorbringen in der Revision enthielt das Schreiben

des Klägers vom 5. 9. 1996 auch keine derart einschneidenden

Änderungen, die die Beklagte vor eine im wesentlichen neue Situation

gestellt hätten. Trotz der vom Kläger in diesem Schreiben gesetzten

Annahmefrist von nur einem Tag, hatte die Beklagte faktisch eine

nicht erkennbar unangemessene längere (neuerliche)

Überlegungsfrist, weil sie Vertrag und Satzung erst am 18. 9. 1996

fertigte (S 24 des Ersturteils). Ob die Beklagte auf der Einhaltung

der ursprünglichen Vereinbarung hätte bestehen können, oder ob deren

Geschäftsgrundlage die Weitergewährung der dann weggefallenen

Subventionen war, muss hier nicht geprüft werden, weil gar nicht

behauptet wurde, die Beklagte wäre für den Kläger erkennbar nicht in

der Lage gewesen, entsprechende Informationen einzuholen.

Nur die Auslegung einer nach Form und Inhalt unbestrittenen Urkunde ist eine revisible Frage der rechtlichen Beurteilung. Hängt aber die Beurteilung der Gültigkeit einer beurkundeten Vereinbarung von der Würdigung weiterer Beweismittel, wie etwa Zeugen - und Parteienaussagen ab, handelt es sich um vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr bekämpfbare den Tatsachenbereich betreffende Beweiswürdigung. Tatsachenfeststellung ist insbesondere der Schluß von bestimmten Tatsachen auf die Parteienabsicht (SZ 46/69; SZ 47/104; SZ 51/156; SZ 60/37; SZ 66/125; SZ 68/56; SZ 68/161). Die Auslegung einer Urkunde kann wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung vor dem Obersten Gerichtshof nur dann bekämpft werden, wenn sie mit den Sprachregeln, den allgemeinen Erkenntnissätzen oder mit den gesetzlichen Auslegungsregeln, z.B. der §§ 914, 915 ABGB, in Widerspruch steht. Wenn aber eine nach diesen Kriterien unbedenkliche Urkundenauslegung nur durch eine andere ebenfalls mögliche Auslegung ersetzt werden soll, kann von einer Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen nicht gesprochen werden (JBl 1972,200; NZ 1989,266; AnwBl 1989,229; SZ 62/201).

Insoweit die Auslegung der strittigen Urkunden somit überhaupt der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen ist, ist eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen nicht zu erkennen: Für die rechtliche Qualifikation eines Vertrages, der Elemente verschiedener Vertragtypen aufweist, kommt es immer darauf an, welche Elemente überwiegen. Bei Prüfung dieser Frage ist stets auf den vereinbarten Schuldinhalt abzustellen (RIS-Justiz RS0018777). Die Auslegung durch die Vorinstanzen, Ausbildungsvertrag und Künstlermanagementvertrag seien insoweit als Einheit anzusehen, als letzterer die Rückzahlung der Ausbildungskosten sicherstellen solle, stellt jedenfalls keine Fehlbeurteilung in obigem Sinne dar, zumal sich dieser Zweck aus der Satzung und dem Vertrag selbst ergibt. Unter diesem Gesichtspunkt kann auch kein ein Sittenwidrigkeitsurteil rechtfertigendes inhaltliches grobes Ungleichgewicht gesehen werden, kam es doch durch die Regelungen des Managementvertrags zu Gunsten der Beklagten zu einer der jeweiligen Einkommenslage entsprechenden Stundung der offenen Ausbildungskosten. Die Ansicht der Vorinstanzen, selbst wenn die Leistungen des Klägers aus dem Managementvertrag äußerst mangelhaft gewesen sein sollten, berechtige dieser Umstand die Beklagte nicht, sich durch Vertragsauflösung ihrer Rückzahlungspflicht zu entziehen, ist auf der Grundlage dieses Vertragsverständnisses nicht zu beanstanden.

Insoweit die Beklagte in der Revision ausführt, es sei nicht geklärt worden, ob der Kläger, der zwar Inhaber der Künstleragentur sei, nicht jedoch der Schule, die als Schulgeld bezahlten Provisionen überhaupt an den schulerhaltenden Verein abführe, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot des § 482 ZPO, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.

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