European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00035.20K.0527.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO
zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger war vom 3. 7. 2015 bis 22. 7. 2017 bei der Beklagten als Autobuslenker im öffentlichen Personennahverkehr beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben, welcher – soweit hier von Interesse – folgende Bestimmungen enthält:
„ III. Arbeitszeit
[…]
2. Fahrpersonal
[…]
f) Tägliche Ruhezeit
1) VO‑Fahrzeuge im Sinne von § 13 Absatz 1 Ziffer 2b AZG:
Die tägliche Ruhezeit für das Lenken von VO‑Fahrzeugen (Autobusse mit mehr als 9 Sitzplätzen einschließlich des Fahrers) richtet sich nach den Vorschriften der EU‑Verordnung 561/2006 .
2) Fahrzeuge im regionalen Kraftfahrlinienverkehr (Linienstrecke bis maximal 50 km)
Die tägliche Ruhezeit kann 3 x wöchentlich auf mindestens 9 zusammenhängende Stunden verkürzt werden. Jede Verkürzung der täglichen Ruhezeit ist, bis zum Ende der Folgewoche, durch eine zusätzliche Ruhezeit im Ausmaß der Verkürzung auszugleichen. Diese Ausgleichsruhezeit ist zusammen mit einer anderen, mindestens 8‑stündigen Ruhezeit zu gewähren.
Wenn eine tägliche Ruhezeit von insgesamt mindestens 12 Stunden eingehalten wird, kann die tägliche Ruhezeit in zwei oder drei Abschnitten genommen werden, von denen einer mindestens 8 zusammenhängende Stunden, die übrigen Teile jeweils mindestens 1 Stunde betragen müssen. In diesem Fall beginnt eine neue Tagesarbeitszeit nach Ablauf des mindestens 8‑stündigen Teiles der Ruhezeit.
[…]
IV. Stehzeiten und Wartezeiten
1. Fahrplanmäßiger konzessionierter periodischer Personentransport
a) Die sich aufgrund des Fahrplanes ergebenden Stehzeiten (Umkehrzeiten) der Wagenlenker und des sonstigen Fahrpersonals, bis einschließlich sechs Stunden täglich, werden wie volle Arbeitszeiten entlohnt, wobei sich der Lenker vom Fahrzeug entfernen kann.
[...]“
Der Kläger lenkte Busse auf verschiedenen Linien in einem sogenannten geteilten Dienst („Zweiteiler-Dienst“), nämlich zum einen zwischen etwa 6:00 und 8:00 Uhr, zum anderen zwischen etwa 11:00 und 18:00 Uhr. Zwischen 6:00 und 8:00 sowie 11:00 und 18:00 Uhr gab es zudem verschiedene Pausen und Unterbrechungen. Die Zeit zwischen 8:00 und 11:00 Uhr verbrachte der Kläger grundsätzlich bei sich zu Hause; den Autobus hatte er vor dem Haus geparkt.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage einen Betrag von 7.506,45 EUR brutto sA. Die Zeiten zwischen 8:00 und 11:00 Uhr unterlägen auch Punkt IV.1.a) des Kollektivvertrags und seien daher zu entlohnen.
Die Beklagte wendete unter anderem ein, dass es sich um Ruhezeiten nach Punkt III.2.f)2) des Kollektivvertrags handle und sie nicht zu entlohnen seien.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Berufungsgericht ging von einer schlüssig vereinbarten zulässigen geteilten täglichen Ruhezeit aus. Es ließ die ordentliche Revision nicht zu.
Mit seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.
Rechtliche Beurteilung
1. Gemäß § 15a Abs 2 AZG kann für Lenker im regionalen Kraftfahrlinienverkehr (abweichend von § 12 Abs 1 AZG) durch Kollektivvertrag unter im Gesetz näher genannten Voraussetzungen zugelassen werden, dass die Ruhezeit in zwei oder drei Abschnitten genommen werden kann. Eine solche Regelung enthält Punkt III.2.f)2) des hier anzuwendenden Kollektivvertrags für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben (fortan: Kollektivvertrag). Dass die im Gesetz und im Kollektivvertrag genannten Voraussetzungen für eine Teilung der Ruhezeit vorliegend erfüllt sind, zieht der Kläger in der außerordentlichen Revision ausdrücklich nicht in Zweifel. Er anerkennt auch die Richtigkeit der Ansicht des Berufungsgerichts, es könne offen bleiben, ob hier ein „regionaler Kraftfahrlinienverkehr“ im Sinn des Gesetzes bzw auch von Punkt III.2.f)2) des Kollektivvertrags vorliege, weil verneinendenfalls über den Verweis in Punkt III.2.f)1) des Kollektivvertrags die EU‑Verordnung 561/2006 maßgeblich wäre und auch diese unter bestimmten hier – auch nach Ansicht des Klägers in der außerordentlichen Revision – erfüllten Voraussetzungen eine Teilung der Ruhezeit gestatte. Auf diese Punkte ist daher nicht mehr einzugehen.
2.1. Gemäß § 13b Abs 1 Satz 1 AZG umfasst die Arbeitszeit für Lenker die Lenkzeiten, die Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen und die Zeiten der Arbeitsbereitschaft ohne die Ruhepausen. Unter „sonstigen Arbeitsleistungen“ eines Lenkers sind zB Be- und Entladen, Hilfe beim Ein- und Aussteigen der Fahrgäste, Wartung und Reinigung des Fahrzeugs, andere Arbeiten, die dazu dienen, die Sicherheit des Fahrzeugs, der Ladung und der Fahrgäste zu gewährleisten, und die Erledigung gesetzlicher oder behördlicher Formalitäten, die einen direkten Zusammenhang mit der gerade ausgeführten spezifischen Transporttätigkeit aufweisen, zu verstehen. „Arbeitsbereitschaft“ iSd § 13b Abs 1 Satz 1 AZG sind vor allem Wartezeiten des Lenkers. Es handelt sich um Zeiten, während derer er sich – anders als hier – ständig zur (Weiter-)Fahrt bereithalten und deshalb– zumindest grundsätzlich – in der Nähe des Fahrzeugs bleiben muss (Auer-Mayer in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 13b Rz 2 f; Heilegger in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz5 §§ 13–17c Rz 18; Pfeil in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 §§ 13–17c AZG Rz 19).
2.2. Eine Zeit, über die der Arbeitnehmer – wie hier – nach Belieben disponieren und sich in keiner Weise für seinen Arbeitgeber bereithalten muss, ist – gleichgültig ob man sie als Ruhepause, als Lenkpause oder als Freizeit qualifiziert – keine Arbeitszeit, mag sie auch uU Einsatzzeit iSd § 16 AZG sein (9 ObA 28/01k = DRdA 2002/22 [B. Schwarz] = RS0051919 [T2]). Keine Arbeitszeit ist daher auch bei Vorliegen eines geteilten Dienstes eine dreistündige „Pause“ von Buschauffeuren, die sie zu Hause verbringen können, wenn diese Pause zwischen den zwei Teilen ihres Dienstes an einem Arbeitstag liegt. Abseits einer besonderen kollektivvertraglichen oder einzelvertraglichen Bestimmung sind solche Zeiten daher nicht zu entlohnen (9 ObA 308/92 = DRdA 1999, 216 [Klein]; 9 ObA 102/93 = DRdA 1994/6 [zust Spitzl]; 9 ObA 135/05a; RS0051964; Reissner, Zu Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Einsatz- und Nicht-Einsatzzeiten bei privaten Autobusunternehmen, JAS 2018, 93 [112]).
2.3. Warum Punkt IV.1.a) des Kollektivvertrags über „fahrplanmäßige“ Stehzeiten (Umkehrzeiten) zur Anwendung kommen sollte, obwohl eine Ruhezeit vereinbart war, vermag die Revision nicht darzustellen. Die Bestimmung der Z 1 lit a des Punktes IV des Kollektivvertrags soll ja nur „Fahrplanmäßig konzessionierte periodische Personentransporte“ erfassen (vgl zur Definition des Kraftfahrlinienverkehrs auch § 1 Kraftfahrliniengesetz). Es wird also vorweg auf eine bestimmte Art des Personenverkehrs Bezug genommen, die konzessioniert Fahrpläne betreut, und darauf, dass die Betreuung dieser Fahrpläne zu Stehzeiten (Umkehrzeiten) führt. Die Vereinbarung über die Ruhezeit und die Unterbrechung durch Pause zwischen verschiedenen Fahrplänen ist aber insoweit nicht „fahrplanmäßig“ (vgl dazu, dass regelmäßig die Ruhezeit zwischen dem ersten und zweiten Teil des geteilten Dienstes offenkundig nicht als Steh- oder Umkehrzeit angesehen wird, etwa § 1 Abs 2 Satz 2 Postbus-Wendezeiten-Pauschalvergütungs-Verordnung 2015, wonach keine Wendezeit vorliegt, „wenn die Weiter(Rück)fahrt von der Zielhaltestelle erst nach Inanspruchnahme einer Ruhezeit erfolgt“). Die Ansicht der Revision, dass immer dann wenn der Fahrplan eines Busses endet und der Fahrplan eines anderen Busses beginnt (sei es auch am nächsten Tag), dies eine Stehzeit im Sinne dieser Bestimmung wäre, übergeht, dass sich das Abstellen des Kollektivvertrags etwa auf „fahrplanmäßige Umkehrzeiten“ offensichtlich vorweg nicht auf den Lenker, sondern den Bus bezieht.
Die Unterbrechung durch vereinbarte Ruhezeit des Lenkers zwischen verschiedenen Fahrplänen ist aber nicht durch den Fahrplan, sondern durch die Entscheidung bedingt, welche Fahrpläne überhaupt im Rahmen der Konzession angeboten werden.
Die Ausführungen der Revision zu Art 16 der Lenkzeitenverordnung Nr 561/2006 können sich nicht auf ein entsprechendes Vorbringen zu den Anwendungs-voraussetzungen stützen.
2.4. Das Vorliegen einer konkludenten Vereinbarung kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden und umfasst damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS004253). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (vgl etwa RS0116729 ua).
2.5. Soweit die Revision releviert, dass der Kläger durch die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach eine konkludente Vereinbarung zu der Ruhezeit vorliege, überrascht worden sei, ist darauf zu verweisen, dass die Beklagte ja ausdrücklich vorgebracht hat, dass der Kläger seine tägliche Ruhezeit in zwei Abschnitten konsumiert hat (AS 24). Im Übrigen zeigt sie keine Umstände auf, die geeignet wären, die Relevanz eines solchen Mangels darzustellen (RS0043027).
3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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