OGH 8ObA30/13i

OGH8ObA30/13i24.3.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Dr. Gerda Höhrhan‑Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** S*****, vertreten durch Dr. Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei ***** GmbH *****, vertreten durch Dr. Agnes Maria Kienast, Rechtsanwältin in Korneuburg, wegen 40.548,62 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 22. März 2013, GZ 10 Ra 1/13k‑41, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 14. September 2012, GZ 33 Cga 139/09g‑37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 16.267,83 EUR brutto samt 4 % Zinsen seit 4. 2. 2010 zu bezahlen.

Das auf Zahlung weiterer 24.280,79 EUR brutto samt Anhang gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 4.220,56 EUR (darin 701,78 EUR USt und 9,90 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, weiters 1.096,87 EUR (darin 182,81 EUR USt) an Kosten des Berufungsverfahrens und 790,60 EUR (darin 131,77 EUR USt) an Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Gemäß § 70 ZPO wird ausgesprochen, dass die beklagte Partei zum Ersatz von 34 % der Pauschalgebühr für die Klage sowie von 40 % der Pauschalgebühren der klagenden Partei für das Berufungs‑ und Revisionsverfahren verpflichtet ist.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 27. 3. 2006 bis 30. 11. 2009 bei der Beklagten, die anderen Unternehmen EDV‑Fachkräfte zur Verfügung stellt, beschäftigt. Er wurde im gesamten Zeitraum an ein Unternehmen überlassen, das seinerseits einen Auftrag zur Bereitstellung von Technikern für die Betreuung der EDV‑Hotline des Bundeskanzleramts und diverser Bundesministerien zu erfüllen hatte. Der Kläger wurde im Rahmen dieses Auftrags ständig als Helpdesk-Mitarbeiter in einem Ministerium eingesetzt.

Der Auftrag des Bundeskanzleramts war mit 30. 11. 2009 befristet, was dem Kläger bekannt war. Erst „spätestens bei der Weihnachtsfeier 2006“ erlangte er auch davon Kenntnis, wer der Auftragnehmer des Bundeskanzleramts war.

Die Beklagte behandelte den Kläger als Selbstständigen und bezahlte ihn aufgrund von monatlichen Honorarnoten nach der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden. Ihren Aufwand verrechnete sie mit Aufschlag der Beschäftigergesellschaft, diese wiederum (mit neuerlichem Aufschlag) dem Bundeskanzleramt. Der ursprünglich mit dem Kläger vereinbarte Stundensatz von 13 EUR wurde ab 2007 auf 14 EUR und ab Juni 2008 auf 15,17 EUR (netto zuzüglich USt) erhöht. Im Jahr 2007 erhielt der Kläger von der Beklagten insgesamt 23.807 EUR an „Honoraren“, im Jahr 2008 25.680 EUR und 2009 25.424,92 EUR (jeweils zuzüglich USt).

Im Juli 2009 wurden die im Bundeskanzleramt beschäftigten Techniker darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Auftragnehmer des Bundeskanzleramts an der Neuausschreibung des befristeten Personalbereitstellungs-vertrags nicht mehr beteiligt habe. Im Oktober 2009 wurde ihnen von der Beklagten eine Weiterarbeit als möglich in Aussicht gestellt, mit Mail vom 16. 11. 2009 teilte der Geschäftsführer der Beklagten den Technikern mit: „Liebe Kollegen, leider haben unsere Bemühungen, Euch in den jeweiligen Ministerien weiterhin zu beschäftigen, nur vereinzelt zum Erfolg geführt. Philip und ich möchten aber mit jedem Einzelnen über Eure berufliche Zukunft reden; ich bitte daher um Bekanntgabe eines Termins, an dem wir weitere Details mit Euch klären. (...) Ich bitte auch noch um Bekanntgabe, ob jemand unter Umständen an einem lanfristigen Job in Salzburg prinzipielles Interesse hätte; des Weiteren bitte ich um Auskunft, wer an einer weiteren Zusammenarbeit nicht interessiert ist!“. Der Kläger antwortete darauf mit Mail vom 20. 11. 2009, dass er sich anderen Dingen zuwenden werde, da eine Arbeit auf selbstständiger Basis für ihn nicht mehr in Frage komme.

In der Klage wird geltend gemacht, der Kläger sei Scheinselbstständiger gewesen. Tatsächlich hätten die Streitteile ein Dienstverhältnis mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Wochenstunden abgeschlossen, das am 16. 11. 2009 durch fristwidrige Dienstgeberkündigung geendet habe.

Das Klagebegehren setzt sich aus der Differenz zwischen bezahlten Honoraren und Gehältern einschließlich Sonderzahlungen für 1. 1. 2007 bis 30. 11. 2009, einer Urlaubsersatzleistung für 15 Werktage, Kündigungs-entschädigung samt anteiligen Sonderzahlungen bis 31. 3. 2010 (tatsächlich berechnet aber nur für drei Monate), weiters 1,53 % Abfertigung für nicht entrichtete Beiträge gemäß § 6 BMSVG zusammen.

Die Beklagte wandte (soweit im zweiten Rechtsgang noch relevant) ein, der Kläger habe wesentlich mehr an Honorar erhalten, als ihm bei einer Abrechnung auf Grundlage eines Dienstvertrags zugestanden wäre. Eine Anstellung wäre nur zum kollektivvertraglichen Mindestentgelt nach dem Kollektivvertrag für Angestellte von Unternehmen im Bereich Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik („IT‑KV“) in Frage gekommen. Dieser Kollektivvertrag entspreche der Fachgruppenzuordnung der Beklagten, wenngleich sie damals über keine Gewerbeberechtigung verfügt habe. Das Vertragsverhältnis des Klägers sei von vornherein mit der Laufzeit des „Projekts“ mit dem Bundeskanzleramt befristet gewesen und habe daher durch Zeitablauf geendet.

Im ersten Rechtsgang wurde das Klagebegehren von den Vorinstanzen mit der Begründung abgewiesen, zwischen den Streitteilen habe überhaupt kein Vertragsverhältnis bestanden. Diese Entscheidungen hob der Oberste Gerichtshof über Revision des Klägers auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück (8 ObA 48/11h).

Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren neuerlich ab. Der überbundenen Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs entsprechend sei davon auszugehen, dass ein Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen bestanden habe. Wäre ihr von vornherein bewusst gewesen, einen Dienstvertrag abzuschließen, hätte die Beklagte mit dem Kläger jedoch nicht die Stundensätze in der festgestellten Höhe, sondern nur das kollektivvertragliche Mindestentgelt vereinbart. Berechne man die Ansprüche auf dieser Basis, verbleibe nach Abzug der gezahlten Honorare keine Differenz zu Gunsten des Klägers. Eine Kündigungsentschädigung stehe nicht zu, weil das Dienstverhältnis durch Fristablauf geendet habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Dem Kläger sei nach den Feststellungen von Anfang an bekannt gewesen, dass das sogenannte „Projekt“ mit dem Bundeskanzleramt befristet war, daher sei auch sein Dienstverhältnis zur Beklagten durch Fristablauf beendet worden. Bei der Ermittlung des bei richtiger Vertragstypenwahl zustehenden Entgelts sei mit ergänzender Vertragsauslegung vorzugehen. Mangels eines feststellbaren Parteiwillens sei die Übung des redlichen Verkehrs als Maßstab heranzuziehen, die zur Anwendung des kollektivvertraglichen Mindestentgelts führe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene, nach Freistellung (§ 508a ZPO) von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist zulässig, weil der Entscheidung des Berufungsgerichts korrekturbedürftige Fehlbeurteilungen anhaften. Die Revision ist aber nur teilweise berechtigt.

1. Entgeltansprüche von Scheinselbstständigen

Für die Qualifikation einer Vereinbarung als Werkvertrag, freier oder echter Dienstvertrag kommt es nach ständiger Rechtsprechung weder auf die Bezeichnung durch die Parteien noch darauf an, ob sie sich der rechtlichen Tragweite ihres Verhaltens bewusst waren. Maßgeblich ist die tatsächliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen.

Die unrichtige Qualifikation der Art einer Dienstleistung ändert aber grundsätzlich nichts am Inhalt einer Vereinbarung, nach der für einen festgelegten Leistungsumfang ein bestimmtes Entgelt geschuldet wird (zB 9 ObA 96/06t; 8 ObA 93/09x; 9 ObA 51/12h [unter ausdrücklicher Ablehnung der vom Berufungsgericht zitierten Ansicht von Kietaibl, Arbeitsvertragliche Rückabwicklung bei aufgedeckter Scheinselbstständigkeit, wbl 2006, 207]).

Da die Rechtsprechung einen Irrtum über Rechtsfolgen im Bereich des zwingenden Rechts schon unter Umgehungsaspekten als unbeachtlich ansieht (RIS‑Justiz RS0008653 [T2]), kann der Umstand, dass eine als Werkvertrag oder freier Dienstvertrag bezeichnete Vereinbarung auch zwingende arbeitsrechtliche Verpflichtungen nach sich zieht, nicht dazu führen, dass im Gegenzug auch die Gegenleistung des Dienstnehmers zu erhöhen wäre, weil sein Entgelt pro Zeiteinheit reduziert würde (RIS‑Justiz RS0008653 [T3]; 8 ObA 56/11k wbl 2012/221 [Grillberger] = RdA 2013/39 (397) [Schindler]; abl zB Tomandl, Entgeltansprüche bei vermeintlich Selbständigen, ZAS 2013/26).

Der erkennende Senat sieht im vorliegenden Fall keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Im Anlassfall ist die Initiative zur nahtlosen Fortsetzung der Tätigkeit, die vom Kläger als Leiharbeitnehmer im Angestelltenverhältnis begonnen worden war, im Rahmen einer Scheinselbstständigkeit allein von der Beklagten ausgegangen. Es ist unstrittig, dass der bei Aufnahme der „selbstständigen“ Tätigkeit vereinbarte Honorarstundensatz von 13 EUR dem Bruttoentgelt entsprach, das der Kläger davor als Angestellter bezogen hatte; eine allfällige Besserstellung bei der Entlohnung als Ausgleich für den Verlust arbeitsrechtlicher Ansprüche kann hier nicht erkannt werden.

Bei der Berechnung der laufenden Entgeltansprüche des Klägers ist daher nicht vom kollektivvertraglichen Mindestgehalt auszugehen, sondern es sind die tatsächlich pro Arbeitsstunde vereinbarten 14 EUR (ab 2007) bzw 15,17 EUR (ab 1. 7. 2008) als Bruttostundenentgelt heranzuziehen.

Ausgehend von einer unstrittigen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ergibt dies ein laufendes Gehalt des Klägers vom 1. 1. 2007 bis 30. 6. 2008 von monatlich 2.424,80 EUR (14 x 40 x 4,33) und ab 1. 7. 2008 von monatlich 2.627,44 EUR (15,17 x 40 x 4,33) brutto.

2.3. Sonderzahlungen

Ein Anspruch auf Sonderzahlungen ergibt sich nicht aus dem AngG, sondern kann sich nur auf Einzelvertrag, Kollektivvertrag oder eine sonstige Norm gründen (RIS‑Justiz RS0030313; RS0028861; Preiss in ZellKomm², § 16 AngG Rz 7; Rabl in Reissner [Hrsg], AngG § 16 Rz 4 uva). Es war daher zu prüfen, ob das Dienstverhältnis des Klägers einem Kollektivvertrag unterlag.

Es ist im Verfahren unstrittig, dass die Beklagte aufgrund ihrer Tätigkeit im Zeitraum der Beschäftigung des Klägers dem Fachverband Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie der Wirtschaftskammer Österreich angehört hätte, wenn sie über eine Gewerbeberechtigung verfügt hätte. Dass Letzteres nicht der Fall war, spielt entgegen der Auffassung des Revisionswerbers für die Frage der Kollektivvertragsangehörigkeit keine Rolle. Gemäß § 2 Abs 13 GewO haben Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die für Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern gelten, die ihre Tätigkeiten aufgrund von Gewerbeberechtigungen ausüben, auch für Arbeitsverhältnisse zu jenen Arbeitgebern Geltung, die diese Tätigkeiten ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben. Der Arbeitnehmer kann jene Rechte gegenüber dem unbefugten Gewerbetreibenden geltend machen, die er laut dem Kollektivvertrag hat, der für einschlägig befugte Gewerbetreibende gilt (vgl DE zur Gewerberechts-novelle 1988 vom 25. 11. 1988, Zl 32.831/86‑III/1/88; RIS‑Justiz RS0108232). Auf das Dienstverhältnis des Klägers war daher der IT‑KV anzuwenden, auf dessen Geltung sich die Beklagte auch ausdrücklich berufen hat (§ 43 Abs 3 ASGG).

Nach § 13 IT‑KV gebühren allen Arbeitnehmern pro Kalenderjahr zwei Sonderzahlungen, jeweils in Höhe des bei Fälligkeit geltenden Grundgehalts.

Nach ständiger Rechtsprechung können die Arbeitsvertragsparteien auch vereinbaren, dass in einem überkollektivvertraglichen laufenden Entgelt die anteiligen Sonderzahlungen enthalten sind, sofern dies für den Arbeitnehmer im Einzelfall günstiger ist (RIS‑Justiz RS0028906; 8 ObA 20/04f; 9 ObA 51/12h; 8 ObA 33/12d; 8 ObA 56/11k). Im Fall eines Scheinselbstständigen, der tatsächlich als Dienstnehmer anzusehen war, ist bei der Prüfung offener Sonderzahlungsansprüche daher grundsätzlich das gesamte bezogene „Honorareinkommen“ zum Vergleich in Anschlag zu bringen.

Diese Auffassung hat in der Lehre teilweise eine kritische Würdigung erfahren (vgl 9 ObA 51/12h = wbl 2012/221 [ Grillberger ] = RdA 2013/39 [ Schindler ]), die im vorliegenden Fall aber nicht zu einem Abgehen von der ständigen Rechtsprechung veranlasst.

Das Abweichen von den kollektivvertraglichen Fälligkeitsregeln bedarf einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, deren Vorliegen bei einem Scheinselbstständigen zu bejahen ist, weil die Festsetzung eines Bruttostundenhonorars nach dem erklärten Parteiwillen wie auch nach der Verkehrsübung überhaupt nicht anders verstanden werden kann, als dass die Leistung damit pro rata temporis zur Gänze bezahlt sein soll. Ein zusätzlicher ausdrücklicher Ausschluss darüber hinausgehender Ansprüche ist für das Verständnis der Vereinbarung entbehrlich.

Soweit eine solche Vereinbarung eines überkollektivvertraglichen, aber die Sonderzahlungen inkludierenden Entgelts mit einem Dienstnehmer zulässig wäre, ist sie auch der Berechnung der Ansprüche eines Scheinselbstständigen zugrundezulegen.

Die Umrechnung des 14 x jährlich zu zahlenden kollektivvertraglichen Entgelts auf zwölf Monatsentgelte ergibt eine Mindesthöhe von 7/6 des jeweiligen kollektivvertraglichen Grundgehalts. Das aus der Stundensatzvereinbarung errechnete Monatsgehalt des Klägers lag tatsächlich erheblich über dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt inklusive den anteiligen Sonderzahlungen, und zwar um rund 18 % (zB 2009: Mindestgehalt 1.893 EUR + 1/6 = 2.208,50; vereinbartes Gehalt 2.627,44 EUR).

Die einzelvertragliche Vereinbarung war für ihn deutlich günstiger, weshalb für den Anspruch auf zusätzliche Sonderzahlungen keine Grundlage besteht.

3. Urlaubsersatzleistung

Eine Vereinbarung, wonach das Urlaubsentgelt unabhängig vom Verbrauch des Urlaubs mit einem erhöhten laufenden Entgelt (oder auch mit einem Zuschlag zu diesem Entgelt) abgegolten werden soll, verstößt nach ständiger Rechtsprechung gegen den Zweck der am Ausfallsprinzip orientierten Regelung des § 6 UrlG, weil der Arbeitnehmer während des Urlaubs das laufende Entgelt nicht weiter bezieht und damit durch die Inanspruchnahme des ihm gebührenden Urlaubs einen wirtschaftlichen Nachteil erleidet, der ihn vom Verbrauch des Urlaubs abhalten könnte. Die zwingende Regelung des Urlaubsentgelts in § 6 UrlG soll gerade sicherstellen, dass der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub auch tatsächlich konsumiert.

Eine Einrechnung der gesetzlichen Urlaubsersatzleistung in die bezahlte Honorarsumme war daher im Ansatz verfehlt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen hätte der Kläger selbst dann Anspruch auf gesonderte Abgeltung des nicht konsumierten Urlaubs gehabt, wenn die Berechnung des laufenden Entgelts keine offene Differenz mehr ergeben hätte.

Die Höhe der Urlaubsersatzleistung errechnet sich aus dem bei Beendigung des Vertragsverhältnisses gebührenden laufenden Entgelt (8 ObA 20/04f; 8 ObA 56/11k; 9 ObA 51/12h; 8 ObA 33/12d; 8 ObA 32/13h). Die Anzahl der offenen Urlaubstage stand im Verfahren außer Streit.

4. Beendigung

4.1. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass das Dienstverhältnisses des Klägers durch Fristablauf beendet wurde; er habe von Beginn an gewusst, dass dem sogenannten Projekt, in dessen Rahmen er tätig war, ein befristetes Auftragsverhältnis zugrundelag.

Befristete Dienstverhältnisse sind grundsätzlich als Ausnahmefall anzusehen, ihre Vereinbarung muss bestimmt und unzweifelhaft erfolgen (RIS‑Justiz RS0110941). Die zeitliche Dauer einer zulässigen Befristung eines Dienstverhältnisses muss, sofern sie nicht kalendermäßig fixiert ist, an ein bestimmtes Ereignis anknüpfen, dessen Eintritt zum Zeitpunkt der Vereinbarung feststeht. Der Endzeitpunkt muss objektiv feststellbar und der willkürlichen Beeinflussung durch die Vertragsparteien entzogen sein (RIS‑Justiz RS0109439).

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass eine Befristung des Dienstverhältnisses „bis zum Ende des Auftrages der Firma XY“ mangels hinreichender zeitlicher Bestimmtheit im Allgemeinen nicht ausreichend sein wird (8 ObA 130/99x). Auch im vorliegenden Fall stand zwar eine voraussichtliche Dauer des laufenden „Projekts“ bis zum Ende des Auftragszeitraums fest, allerdings war bis Sommer 2009 immer noch ungewiss, ob es zu einer Verlängerung nach Beteiligung der Auftragnehmerin bei der nächsten Ausschreibung kommen würde.

Selbst wenn aber der Endzeitpunkt als solcher im vorliegenden Fall noch als ausreichend bestimmt gelten könnte, ist dem Revisionswerber beizupflichten, dass die getroffenen Feststellungen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts nicht zu tragen vermögen, weil eine unzweifelhafte Vereinbarung zwischen den Streitteilen fehlt.

Fest steht nur, dass dem Kläger im Jahr 2005 bewusst war, dass das sogenannte Projekt im Bundeskanzleramt mit 4 ½ Jahren befristet sein würde. Zu diesem Zeitpunkt stand er aber nicht in einem Vertragsverhältnis zur Beklagten, sondern war Leiharbeiter eines anderen Unternehmens, das nicht Vertragspartner des Bundeskanzleramts war.

Um einen befristeten Dienstvertrag zwischen den Streitteilen annehmen zu können, hätte es einer bestimmten Vereinbarung im März 2006 bei der Einigung über das (wenn auch anders benannte) Dienstverhältnis bedurft. Eine unmissverständliche Erklärung von Seiten der Beklagten, dass das Dienstverhältnis mit Beendigung des Drittprojekts automatisch endet, steht aber nicht fest. Eine logisch zwingende Verknüpfung zwischen Dauer des Dienstverhältnisses und Dauer des Projekts ist nicht erkennbar, weil auch ein Einsatz des Klägers bei einem anderen Kunden oder eine fristgerechte Dienstgeberkündigung in Frage gekommen wären. Das Dienstverhältnis des Klägers hat daher nicht durch Fristablauf geendet.

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt aber auch keine Dienstgeberkündigung vor. Zwar bringt eine Erklärung, das Arbeitsverhältnis unter Inanspruchnahme einer in Wahrheit nicht vereinbarten Befristung zu lösen, das Arbeitsverhältnis zum genannten Termin unter Wahrung der Ansprüche des Arbeitnehmers analog § 29 AngG zur Auflösung (RIS‑Justiz RS0028169 = 9 ObA 14/88). Das vom Kläger für seinen Rechtsstandpunkt herangezogene Mail der Beklagten vom 16. 11. 2009 enthält zwar die Mitteilung, dass am bisherigen Arbeitsplatz kein weiterer Einsatz möglich sei, gleichzeitig aber die Einladung zu einem Gespräch über die berufliche Zukunft, ein neues Beschäftigungsangebot sowie die Aufforderung zur Bekanntgabe, falls von Seiten des Dienstnehmers keine weitere Zusammenarbeit gewünscht werde. Als unbedingte Erklärung der Beklagten, das Vertragsverhältnis mit 30. 11. 2009 endgültig aufzulösen, konnte dieser Inhalt nicht aufgefasst werden.

Diese Konsequenz ergab sich erst aus der Antwort des Klägers, in der er eine künftige Zusammenarbeit zu den angebotenen Bedingungen ausdrücklich ablehnte. Erst dieses Schreiben ist ‑ unter Berücksichtigung des Zusammenhangs ‑ als Auflösungserklärung zum 30. 11. 2009 aufzufassen. Ob eventuell berechtigte Gründe für einen vorzeitigen Austritt vorgelegen wären, war nicht zu prüfen, weil der Kläger diesen Anspruchsgrund nicht geltend gemacht hat.

Im Ergebnis wurde der Anspruch auf Kündigungsentschädigung daher von den Vorinstanzen zutreffend abgewiesen.

5. Berechnung

Ausgehend von einem laufenden monatlichen Bruttogehalt von 2.424,80 EUR (2007) bzw 2.627,44 EUR (ab 1. 6. 2008), je 12 x jährlich, bestehen folgende Forderungspositionen zu Recht:

Gehalt 2007

29.097,60 EUR

Gehalt 1. 1.-30. 6. 2008

14.548,80 EUR

Gehalt 1. 6.-31. 12. 2008

15.764,64 EUR

Gehalt 1. 1. ‑ 30. 11. 2009

28.901,84 EUR

 

88.312,88 EUR

Abfertigung § 6 Abs 3 BMSVG

1.351,19 EUR

Summe

89.664,07 EUR

anrechenbares Honorar

- 74.912,07 EUR

 

14.752,00 EUR

UEL 15 WT

1.515,83 EUR

Summe brutto

16.267,83 EUR

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 43 und 50 ZPO. Bis zur Klagseinschränkung beträgt die Obsiegensquote des Klägers rund 34 %; ab der Klagseinschränkung (die geringfügige Differenz der zwei Einschränkungsetappen ist kostenrechtlich vernachlässigbar) gerundet 40 %. Für das erstinstanzliche Verfahren im ersten Rechtsgang hat der Kläger daher der Beklagten 32 % und für das gesamte weitere Verfahren 20 % ihrer Vertretungskosten zu ersetzen. Für die Barauslagen gilt § 43 Abs 1 ZPO.

Gemäß § 70 iVm § 43 Abs 1 ZPO war die Verpflichtung der Beklagten zum anteiligen Ersatz jener Pauschalgebühren auszusprechen, von deren Zahlung der Kläger wegen Verfahrenshilfe befreit war (34 % für die Klage, 40 % für Berufungs‑ und Revisionsverfahren).

Oberster Gerichtshof,Wien, am 24. März 2014 Dr. S p e n l i n gFür die Richtigkeit der Ausfertigungdie Leiterin der Geschäftsabteilung:

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