OGH 8ObA29/12s

OGH8ObA29/12s28.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B***** K*****, vertreten durch Mag. Michael Lang, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch die Jeannee Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 7.538,83 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. März 2012, GZ 7 Ra 23/12x-23, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Auslegung einer Kollektivvertragsbestimmung kommt dann keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu, wenn die relevante Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt oder die Auslegung der fraglichen Bestimmung klar und eindeutig ist (vgl RIS-Justiz RS0109942; 8 ObA 59/11a).

Diese Voraussetzungen sind im Anlassfall gegeben.

2.1 Die Beklagte gesteht ausdrücklich zu, dass eine den Verfall hindernde Geltendmachung der Überstundenentlohnung durch die Übergabe monatlicher Stundenaufzeichnungen erfolgen kann (vgl RIS-Justiz RS0051576) und eine Geltendmachung von Ansprüchen bereits vor deren Fälligkeit („faktisch“) möglich ist. Sie vertritt allerdings den Standpunkt, dass nach der zugrunde liegenden Kollektivvertragsbestimmung eine „verfrühte“ Geltendmachung rechtlich ohne Folgen bleibe und zur Verhinderung des Verfalls die Geltendmachung frühestens mit Fälligkeit der Ansprüche möglich sei.

2.2 Mit ihrer Argumentation verkennt die Beklagte die Bedeutung einer Verfallsbestimmung. Eine solche soll nicht den Arbeitgeber in die Lage versetzen, aufgrund formeller Überlegungen den Arbeitnehmer in seinen erworbenen Ansprüchen zu beschneiden. Vielmehr verfolgt eine kollektivvertragliche Verfallsfrist, die eine außergerichtliche Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber innerhalb einer bestimmten Frist vorsieht, den Zweck, dem Arbeitgeber möglichst rasch Klarheit darüber zu verschaffen, welche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nach Auffassung des Arbeitnehmers bestehen (8 ObA 34/07v). Es soll somit verhindert werden, dass der Arbeitgeber über zu liquidierende Ansprüche im Unklaren gelassen wird und dadurch in Beweisschwierigkeiten gerät (RIS-Justiz RS0034417; RS0034408).

Auch durch die Geltendmachung von Ansprüchen schon vor deren (hier im Kollektivvertrag geregelten) Fälligkeit wird dieser Zielsetzung entsprochen. Verfügt der Arbeitgeber über monatliche Stundenaufzeichnungen, so kann er diese (und die daraus abgeleiteten Ansprüche) auf ihre Richtigkeit hin überprüfen. Eine zusätzliche Rüge der unrichtigen Abrechnung bzw Auszahlung kann vom Arbeitnehmer zur Vermeidung des Verfalls nicht verlangt werden. Weiß der Arbeitgeber, welche Ansprüche der Arbeitnehmer (hier aufgrund der geleisteten Arbeitsstunden) geltend macht, so liegt es an ihm, die relevanten Unterlagen bereitzuhalten. Das Argument der Beklagten, ein Anlass zur Aufbewahrung von Beweismitteln bestehe erst bei Bekanntwerden von Meinungsverschiedenheiten aufgrund einer Rüge des Arbeitnehmers nach einer fehlenden Auszahlung, ist daher nicht stichhaltig. Ebenso unrichtig ist, dass die Geltendmachung von Ansprüchen vor deren Fälligkeit keine Zahlungsverpflichtung für den Arbeitgeber auslösen könne.

2.3 Die in Rede stehende Verfallsregelung bestimmt den maximalen Zeitraum, bis zu dessen Ablauf die Ansprüche vom Arbeitnehmer geltend gemacht werden müssen, um den Eintritt des Verfalls zu verhindern. Über die Zulässigkeit der Geltendmachung der Ansprüche enthält diese Regelung aber keine Aussage. Den Vorinstanzen ist daher darin zuzustimmen, dass mit der Bezugnahme auf die Fälligkeit („innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit bei sonstigem Verfall“) lediglich der Beginn der Verfallsfrist angesprochen wird. Wie schon das Berufungsgericht dargelegt hat, ergibt sich dieses Auslegungsergebnis insbesondere auch unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der zugrunde liegenden Kollektivvertragsbestimmung (vgl dazu 9 ObA 13/12w).

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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