OGH 8ObA23/13k

OGH8ObA23/13k28.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. J***** S*****, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Ärztekammer, 1010 Wien, Weihburggasse 10-12, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 50.250,06 EUR brutto sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 55.250,06 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 2013, GZ 10 Ra 139/12b-25, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1 Der Kläger wurde im Rahmen der Selbstverwaltung der Beklagten durch hoheitlichen Akt zum Disziplinaranwalt bestellt. In seinem Vorbringen beruft er sich zu der von ihm ins Treffen geführten Beratungstätigkeit nicht auf ein zusätzliches („zweites“) Dienstverhältnis. Auch wenn zum Teil vage Formulierungen verwendet werden, bezieht er seine gesamte Tätigkeit für die Beklagte auf die Funktion als Disziplinaranwalt. Im erstinstanzlichen Verfahren hat er dazu darauf hingewiesen, dass die Aufgaben des Disziplinaranwalts vielfältig seien. In der außerordentlichen Revision hält er fest, dass dem Ärztegesetz spezifische Regelungen betreffend die Rechte und Pflichten des Disziplinaranwalts nicht zu entnehmen seien. Diese Beurteilung deckt sich mit dem Vorbringen des Klägers zur einheitlichen Entlohnung. Danach wurde ihm für die gesamte Tätigkeit bei der Beklagten ein monatlicher Fixbetrag gezahlt.

Im Einklang mit dem Vorbringen des Klägers hat das Erstgericht festgestellt, dass bei der Bestellung des Klägers zum Disziplinaranwalt keine Partei daran gedacht habe, neben der Funktion als Disziplinaranwalt ein eigenes privatrechtliches Vertragsverhältnis zu begründen. Anlässlich der Änderung der Auszahlung der Entlohnung ab circa 2003 (nur mehr 12 x pro Jahr) wurde dem Kläger gegenüber sogar ausdrücklich erklärt, dass kein Dienstverhältnis vorliege.

1.2 In seinem Schreiben vom 24. 5. 2010 (Beilage ./D) hat der Kläger die von ihm ins Spiel gebrachte privatrechtliche Vereinbarung nur auf den monatlichen Pauschalbetrag (für die gesamte Tätigkeit als Disziplinaranwalt) bezogen. Er sieht den behaupteten freien Dienstvertrag somit nur entgeltbezogen und meint, dass neben dem hoheitlichen Bestellungsakt die Pauschalierung des Entgelts für seine Tätigkeit als Disziplinaranwalt privatrechtlich vereinbart worden sei.

Das Berufungsgericht hat sowohl das Vorbringen des Klägers als auch die Feststellungen des Erstgerichts zur Entlohnung des Klägers missverstanden. In Wirklichkeit hat der Kläger in seinem Vorbringen nur zwischen dem Bestellungsakt zum Disziplinaranwalt einerseits und der Ausgestaltung der Pflichten und der Entlohnung für die Tätigkeit als Disziplinaranwalt andererseits unterschieden. Das Erstgericht hat auch nicht festgestellt, dass der Kläger zu Beginn seiner Tätigkeit als Disziplinaranwalt fallbezogen Gebühren erhalten habe. Tatsächlich hat die Beklagte die Aufwandsentschädigung bereits vor dem Funktionsantritt des Klägers auf einen monatlichen Fixbetrag umgestellt. Diese Missverständnisse des Berufungsgerichts sind allerdings nicht entscheidungserheblich, weil es gemäß § 500a ZPO die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts übernommen hat. Das Erstgericht ist vom richtigen Verständnis und von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen zur Beurteilung der Tätigkeit des Klägers ausgegangen.

2.1 Beim Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer nach § 140 ÄrzteG handelt es sich um die Disziplinarbehörde erster Instanz für ganz Österreich. Der Disziplinarrat ist eine Verwaltungsbehörde und untergliedert sich in mindestens vier Disziplinarkommissionen in den Ländern (Zahrl/Steiner in Emberger/Wallner, Ärztegesetz mit Kommentar² 501). Der Disziplinaranwalt nach § 141 ÄrzteG ist ein Organ beim Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer.

Es besteht kein Zweifel daran und wird auch vom Kläger nicht bestritten, dass es sich bei der Tätigkeit als Disziplinaranwalt um eine öffentlich-rechtliche Funktion handelt und die Bestellung zum Disziplinaranwalt durch einen öffentlich-rechtlichen Akt erfolgt. Die Entlohnung des Disziplinaranwalts ist in § 143 ÄrzteG geregelt. Diese Bestimmung lautet:

„Die Mitglieder des Disziplinarrates und der Disziplinaranwalt sowie deren Stellvertreter haben Anspruch auf Vergütung ihrer Fahrt- und sonstigen Barauslagen und auf eine dem Zeit- und Arbeitsaufwand entsprechende Bearbeitungs- oder Sitzungsgebühr, die von der Vollversammlung der Österreichischen Ärztekammer (§ 122 Z 5) festzusetzen ist.“

§ 122 Z 5 ÄrzteG lautet:

„Der Vollversammlung obliegt

...

5. Die Festsetzung einer Diäten- und Reisegebührenordnung (Tag- und Nächtigungsgelder, Fahrtkostenersatz) einschließlich Gebühren (Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder, Bearbeitungsgebühren) für Funktionäre, Referenten und sonstige Beauftragte der Österreichischen Ärztekammer sowie für die nach diesem Bundesgesetz bestellten Disziplinarorgane,

... .“

3.1 Allgemein gilt, dass die aus einem öffentlich-rechtlichen (Dienst-)Verhältnis abgeleiteten Rechte und Pflichten - mangels eines ausdrücklich eingeräumten gesetzlichen Gestaltungsrechts - nicht rechtswirksam gestaltet werden können (vgl 9 ObA 64/10t). Im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen (Dienst-)Verhältnisses können Rechte und Pflichten somit nur soweit entstehen, wie dies das Gesetz vorsieht (VwGH 28. 3. 2008 Zl 2006/12/0150; Rebhahn, Vertrauensschutz in gesetzlich determinierten Dienstverhältnissen, DRdA 2002, 202). In der Entscheidung 9 ObA 46/09v hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass selbst für den Fall, dass zusätzliche privatrechtliche Entlohnungsvereinbarungen auch ohne gesetzliche Grundlage (ausnahmsweise) zugelassen werden sollten, diese jedenfalls einer ausdrücklichen Genehmigung durch das zuständige Organ bedürfen und eine stillschweigende Genehmigung durch Duldung einer gesetzwidrigen Vorgangsweise nicht ausreicht. Aus diesem Grund ist bei öffentlich-rechtlichen (Dienst-)Verhältnissen eine Erweiterung der Ansprüche gegenüber dem Dienstgeber durch eine behauptete betriebliche Übung schon im Ansatz nicht möglich. Bloßes Wissen und Dulden eines von einem nicht zuständigen Organ gesetzten Verhaltens durch das berufene Organ reicht demnach nicht aus (vgl auch 8 ObA 214/98y).

3.2 Richtig ist nun, dass sich der Kläger auf eine ausdrückliche mündliche Vereinbarung mit dem „ehemaligen“ Präsidenten (zum Zeitpunkt des Funktionsantritts des Klägers handelte es sich um den Vizepräsidenten der Beklagten) berufen hat. Dem Präsidenten und umso mehr dem Vizepräsidenten der Österreichischen Ärztekammer fehlt es allerdings an der Personalhoheit (9 ObA 133/87). Für die Entlohnung der Tätigkeit als Disziplinaranwalt ist überhaupt die Vollversammlung zuständig. Die Zusagen des Vizepräsidenten konnten mit Bezug auf das zuständige Organ somit nur konkludent geduldet worden sein. In diesem Sinn führt auch der Kläger aus, dass die Vereinbarung der fixen Entlohnung 35 Jahre tatsächlich „gelebt“ worden sei.

3.3 Von den dargestellten Grundsätzen sind das Erstgericht und - aufgrund des Verweises nach § 500a ZPO - auch das Berufungsgericht nicht abgewichen. Die Frage, wie ein bestimmter eingeklagter Anspruch nach den dargestellten Kriterien beurteilt wird, hängt regelmäßig von dessen konkreter Gestaltung und der Auslegung des Vorbringens im Einzelfall ab. Sie begründet in der Regel daher keine erhebliche Rechtsfrage (9 ObA 137/09a). Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass das Gesetz keinen Spielraum lässt, die Tätigkeit als Disziplinaranwalt im Rahmen eines freien Dienstvertrags zu gestalten, erweist sich als nicht korrekturbedürftig. Auch eine wirksame privatrechtliche Nebenabrede im Sinn einer zusätzlichen Entlohnungsvereinbarung liegt nicht vor.

Insgesamt gelingt es dem Kläger damit nicht, mit seinen Ausführungen in der außerordentlichen Revision eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

4.1 Die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs wurde von den Vorinstanzen und den Parteien nicht thematisiert. Da die bloß implizite Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs nur durch meritorische Behandlung des Begehrens für die Annahme einer Entscheidung mit bindender Wirkung iSd § 42 Abs 3 JN nicht ausreicht, ist dem Obersten Gerichtshof die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht verwehrt (RIS-Justiz RS0046249; 3 Ob 23/11w).

4.2 Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs von den Klagsbehauptungen auszugehen, wobei aber nicht allein der Wortlaut des Begehrens, sondern die Natur bzw das Wesen des geltend gemachten Anspruchs maßgebend ist (RIS-Justiz RS0045718; RS0045584).

Der Kläger macht die geforderten Beträge aus einem behaupteten freien Dienstvertrag zur Beklagten geltend. Bei großzügiger Auslegung des Vorbringens kann davon ausgegangen werden, dass nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch behauptet wird. Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in diesem Einzelfall daher zu bejahen.

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