OGH 8ObA224/02b

OGH8ObA224/02b23.1.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Mutz und Robert Maggale als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Aloisia T*****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Marktgemeinde L*****, vertreten durch Dr. Helmut Kientzl, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Feststellung (Streitwert EUR 36.336,42), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2002, GZ 9 Ra 47/02a-26, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 25. Juni 2001, GZ 5 Cga 183/99d-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.692 EUR (darin enthalten 282 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hat zutreffend die Berechtigung der Kündigung des Klägerin nach § 37 des nö Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz 1976 (nö GVBG) wegen Verspätung verneint, sodass es grundsätzlich ausreicht auf dessen Begründung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegen zu halten:

Rechtliche Beurteilung

Die Kündigung eines Dienstverhältnis, das ununterbrochen ein Jahr gedauert hat, kann von der Gemeinde nur schriftlich und mit Angabe des Grundes erfolgen ( § 37 Abs 1 nö GVBG).

Gründe, die den Dienstgeber zur Kündigung berechtigt liegen zufolge des § 37 Abs 2 nö GVGB unter anderem dann vor,

"a) wenn der Vertragsbedienstete seine Dienstpflicht gröblich verletzt, soferne nicht die Entlassung in Frage kommt;...

f) wenn sich erweist, dass das gegenwärtige oder frühere Verhalten des Vertragsbediensteten dem Ansehen oder den Interessen des Dienstes abträglich ist, soferne nicht die Entlassung in Frage kommt;..."

Ferner bestimmt § 39 Abs 2 nö GVBG dass wichtige Gründe, die den Gemeinderat zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses (Entlassung) berechtigen, unter anderem dann vorliegen,

"...

b) wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten oder einer Handlung oder einer Unterlassung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen lässt, insbesondere wenn er sich Tätlichkeiten oder erhebliche Ehrverletzungen gegen Vorgesetzte oder Mitbedienstete zuschulden kommen lässt oder wenn er sich in seiner dienstlichen Tätigkeit oder im Zusammenhang damit von dritten Personen Vorteile zuwenden lässt;

c) wenn der Vertragsbedienstete seinen Dienst in wesentlichen Belangen erheblich vernachlässigt oder ohne einen wichtigen Hinderungsgrund während einer den Umständen nach erheblichen Zeit die Dienstleistung unterlässt;

d) wenn der Vertragsbedienstete sich weigert, seine Dienstverrichtungen ordnungsgemäß zu versehen oder sich dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten zu fügen; ..."

Auf das Vorliegen dieser Beendigungsgründe hat sich die Beklagte unter Darstellung des von ihr als erwiesen und relevant erachteten und in den Punkten 1 bis 4 des Kündigungsschreibens dargestellten Sachverhalt berufen.

Nach den entscheidungswesentlichen Tatsachenfeststellungen waren die in der Kündigung vom 28. 5. 1999 angeführten Kündigungsgründe der Vertrauensunwürdigkeit und Ehrverletzung (Punkte 3 und 4 ) spätestens Ende März 1999 bekannt. Die in den Punkten 1 und 2 des Kündigungsschreibens relegierten Dienstpflichtverletzungen waren im wesentlichen - soweit sie konkretisiert wurden - bereits Gegenstand von Verweisen vom 16. 12. 1997, 25. 8. 1998 und 16. 3. 1999. Insgesamt gingen die Vorinstanzen davon aus, dass zwischen der Kündigung und dem Bekanntwerden der im Kündigungsschreiben geltend gemachten wesentlichen konkretisierten Kündigungsgründe zumindest 10 ½ Wochen lagen.

Nach ständiger Judikatur muss der Arbeitgeber aber nicht nur von seinem Entlassungs- sondern auch von seinem Kündigungsrecht bei sonstigem Verlust unverzüglich nach Kenntnisnahme des Kündigungsgrundes Gebrauch zu machen und können Verzögerungen nur insoweit anerkannt werden, als sie in den besonderen Umständen des Falles sachlich begründet sind (vgl. RIS-Justiz RS0029273 etwa zuletzt 9 ObA 140/01f). Bei juristischen Personen wie etwa Gemeinden ist dabei grundsätzlich auch zu berücksichtigen, dass die Willensbildung mehr Zeit erfordert als bei physischen Personen. Es kommt den Fragen des Aktenlaufes, der Kompetenzverteilung und anderen Umständen, etwa dem Erfordernis der Befassung der Personalvertretung, Bedeutung zu (vgl RIS-Justiz RS0082158 mwN insbes Arb 10.140; ferner OGH 11. 10. 2001 8 ObA 234/01x mwN etwa OGH 21. 12. 1994, 9 ObA 212/94 = Arb 11.343 = ecolex 1995, 360 ua).

Dazu hat die Beklagte aber in erster Instanz gar kein konkretes Vorbringen erstattet, das diese Dauer der Verspätung rechtfertigen könnte. Alleine der nunmehrige allgemeine Hinweis, dass nach der Gemeindeordnung bei der Auflösung von Dienstverhältnissen auch der Gemeinderat zu befassen ist, vermag nicht zu begründen, warum die Einberufung und Befassung des Gemeinderates aus sachlichen Gründen so lange benötigen sollte.

Wenn die Beklagte nunmehr releviert, dass es sich bei dem Kündigungsgrund des § 37 Abs 2 lit f GVBG um einen "Dauertatbestand" handle, so ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung doch auf ein konkretes "Verhalten" abstellt. Zu einem in unmittelbaren zeitlichem Zusammenhang mit der Kündigung der Klägerin liegenden konkreten abträglichen Verhalten der Klägerin wurde aber gar kein Vorbringen erstattet.

Eine Verletzung der sogenannten "Aufgriffsobliegenheit" im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigungserklärung, also dass diese verspätet erfolgt sei, kann hier schon deshalb nicht angenommen werden, da die Klage noch während des aufrechten Dienstverhältnisses erfolgte und die Klägerin im Rahmen des Kündigungsschreibens mit komplexen und umfangreichen Kündigungsgründen konfrontiert wurde (vgl RIS-Justiz RS0028233 mwN zu den Vertragsbediensteten insbes 9 ObA 160/99s; RIS-Justiz RS0112268 mwN inbes zur Abwägung nach der Komplexität des Sachverhaltes OGH 11. 10. 2001, 8 ObA 190/01a).

Insgesamt war daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG sowie §§ 50 und 41 ZPO. Der Tarifansatz war entsprechender Bewertung mit EUR 36.336,42 sA. anzunehmen.

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