OGH 9ObA212/94

OGH9ObA212/9421.12.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Franz Zörner und Friedrich Wienerroither als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Werner C*****, derzeit ohne Beschäftigung, ***** vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchrahm und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Wiener Stadtwerke Verkehrsbetriebe, Favoritenstraße 9-11, 1040 Wien, vertreten durch Dr.Konrad Kuderna, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.Juli 1994, GZ 31 Ra 93/94-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 8.März 1994, GZ 13 Cga 60/93z-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.072 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stand seit 12.12.1983 in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur beklagten Partei, welches der Vertragsbedienstetenordnung 1979 unterlag. Seit 1985 hat der Kläger die Fahrberechtigung als Autobuslenker ohne Personenbeförderung. Er war überwiegend mit Schlosser- und Mechanikerarbeiten bei verschiedenen Reparaturen beschäftigt, wurde durchschnittlich zweimal im Monat als Austauschlenker für Busse eingesetzt und fuhr an der Dienststelle selbst fast täglich Fahrten mit Bussen über kurze Strecken in einer Größenordnung von etwa 20 Metern. Am 15.9.1992 war der Kläger als Austauschlenker eingeteilt und hatte um 14 Uhr Dienstbeginn. Er sollte in der Haltestelle Philadelphiabrücke einen defekten Bus austauschen und verließ mit dem Tauschbus um 14,30 Uhr die Garage Raxstraße. Um 14,40 Uhr verursachte er in 1120 Wien, Wienerbergstraße, infolge zu geringen Seitenabstandes erhebliche Beschädigungen dreier ordnungsgemäß am rechten Fahrbahnrand geparkter Fahrzeuge. Am Bus entstand ein Sachschaden, der sich auf S 22.795 belief. Der Alkotest fiel positiv aus. Es wurde ein Blutalkoholgehalt von 2,64 %o ermittelt. Dem Gruppenleiter der Personalgruppe ist die Kompetenz zur Entscheidung über Kündigungen von der Direktion delegiert. Dem Referenten der Personalabteilung war der Unfall am 16.9.1992 bekannt geworden. Bereits am 18.9.1992 wurde von der Garagenleitung ein schriftlicher Antrag auf Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers verfaßt. Über Vermittlung des Personalvertreters fand nach der Äußerung des Referenten der Personalabteilung, daß die Entlassung des Klägers ausgesprochen werden sollte, am 22.9.1992, dem ersten Tag nach Konsumierung eines Urlaubes ab 16.9.1992 durch den Kläger ein Gespräch statt, als dessen Ergebnis der Referent der Personalstelle anstelle der Entlassung eine Kündigung des Klägers unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungszeit bei einem noch nicht fixierten Kündigungstermin in Aussicht stellte. Der Antrag auf Kündigung ging [auch unter der nach § 39 Abs 5 Z 2 W-PVG obligatorischen Einschaltung der Personalvertretung vor der Entscheidung über die Kündigung] den nach internen Vorschriften und Direktionsverfügungen geregelten und immer eingehaltenen Dienstweg, sodaß die Entscheidung über die Kündigung am 13.10.1992 vom zuständigen Gruppenleiter genehmigt und dieselbe am 20.10.1992 dem Kläger zukam. Bis zum gegenständlichen Unfall gab es kein dienstliches Fehlverhalten des Klägers.

Der Kläger begehrt die Feststellung des Aufrechtbestehens des Dienstverhältnisses infolge Rechtsunwirksamkeit der Kündigung zum 31.1.1993 auch über diesen Zeitpunkt hinaus. Der Kündigungsgrund gemäß § 37 Abs 2 Z 1 VBO 1979 liege nicht vor. Überdies habe die beklagte Partei durch den nicht rechtzeitigen Ausspruch der Kündigung auf den Kündigungsgrund verzichtet.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Alkoholisierung des Klägers stelle einen groben Verstoß gegen die Dienstpflichten dar. Verzicht liege nicht vor.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß im Hinblick auf die Ankündigung der Lösung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber am 22.9.1992 der Kläger auf keinen Verzicht durch den Dienstgeber schließen durfte und die Behandlung des Kündigungsantrages im Dienstweg für die Willensbildung der beklagten Partei erforderlich gewesen sei.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung des Klägers keine Folge und trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei (§ 500 a ZPO). Dem Kläger sei durch die anläßlich des Gespräches am 22.9.1992 geäußerte Absicht des Dienstgebers die beabsichtigte Entlassung in eine Kündigung unter Einhaltung der Kündigungszeit umzuwandeln klar gewesen, daß die beklagte Partei auf eine Kündigung nicht verzichten werde. Er mußte nach dem ihm bekannten Aktenlauf nach Befassung der Personalvertretung mit der Zustellung des Kündigungsschreibens rechnen. Es liege der zur Verwirklichung des Kündigungsgrundes erforderliche gröbliche Verstoß gegen die Dienstpflichten vor.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung hat der Arbeitgeber bei sonstiger Verwirkung seines Anspruches einen Entlassungsgrund nach Kenntnis des Sachverhaltes unverzüglich geltend zu machen, soferne nicht sachliche Gründe für die Verzögerung des Ausspruches der Entlassung vorliegen. Dieser Grundsatz gilt auch für die Kündigung von Vertragsbediensteten (Arb 10.779). Auch hier ist der Arbeitgeber gehalten, von seinem Kündigungsrecht bei sonstigem Verlust unverzüglich nach Kenntnisnahme des die Kündigung rechtfertigenden Sachverhaltes durch die für den Ausspruch der Kündigung zuständigen Organe Gebrauch zu machen. Verzögerungen bei Ausspruch der Kündigung können nur so weit anerkannt werden, als sie sachlich begründet sind (Arb 10.140, 10.779, 9 ObA 57/94). Dabei darf allerdings der Grundsatz der Unverzüglichkeit nicht überspannt werden (Grassl-Palten, Der Untergang des Entlassungsrechtes ZAS 1989, 1 f).

In Anbetracht des Umstandes, daß der Arbeitgeber dem Kläger gegenüber in unzweifelhafter Weise die bestehende und dem Kläger bekannte Entlassungsabsicht dahin abschwächte, daß er das Verhalten des Klägers zum Anlaß einer Kündigung nehmem werde, konnte der Kläger aus der dienstlichen Weiterverwendung durch noch rund ein Monat bis zum Zukommen der Kündigung nicht berechtigterweise darauf vertrauen, daß der Arbeitgeber auf die Kündigung verzichtet (Grassl-Palten aaO, 4). Bei Einhaltung eines für die Erklärung der Kündigung nach den internen Vorschriften geregelten und auch sonst immer eingehaltenen Dienstweg, der dem Kläger bekannt sein mußte und der auch die obligatorische Einschaltung der Personalvertretung beinhaltete sowie der unwiderrufenen Kündigungsabsicht des Dienstgebers ist dieser Zeitraum weder unangemessen lang, um nach Treu und Glauben auf einen konkludenten Verzicht auf das Kündigungsrecht schließen zu können (Ind 1988, 1782 = RdW 1988, 52) noch begründet die Einhaltung eines durch Organisationsvorschriften geregelten Dienstweges ein schuldhaftes Zögern mit dem Ausspruch der Kündigung.

Das in Kenntnis der Dienstvorschrift einer absoluten Alkoholnüchternheit im Dienst erfolgte Lenken eines Austauschbusses in erheblich alkoholisiertem Zustand (2,65 %o) verwirklichte auch dann die gröbliche Dienstpflichtverletzung des § 37 Abs 2 Z 1 VBO 1979, wenn der Kläger bisher keinerlei dienstliches Fehlverhalten gesetzt hat. Auch wenn der Kläger sonst zu Schlosser- und Mechanikerarbeiten vorwiegend eingesetzt war, war er jedoch am Unfalltag als Austauschlenker eingeteilt. Das Lenken des Busses war daher für den Kläger nicht unvorhersehbar, sodaß sein Verstoß gegen die Dienstvorschrift gerade an diesem Tag besonders gravierend war, zumal doch das Lenken des Busses alkoholisiert unter besonders gefährlichen Umständen im Straßenverkehr erfolgte. Daß ein vom Revisionswerber als "geringfügig" bezeichneter Sachschaden von 22.795 S entstand - wobei der Revisionswerber die Schäden an den geparkten Fahrzeugen übersieht - ist gar nicht mehr von Bedeutung, weil nicht so sehr der Erfolg der Dienstpflichtverletzung, sondern die Gröblichkeit derselben entscheidend ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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