OGH 8ObA20/13v

OGH8ObA20/13v27.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Monika Lanz und Wolfgang Cadilek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G***** S*****, vertreten durch Pfurtscheller Orgler Huber, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei ÖBB‑Personenverkehr AG, *****, vertreten durch die CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 3.963,75 EUR brutto sA, aus Anlass der (außerordentlichen) Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2013, GZ 13 Ra 1/13i‑16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 16. Oktober 2012, GZ 42 Cga 87/12h‑12, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art 21 der Grundrechtecharta in Verbindung mit Art 7 Abs 1, Art 16 und Art 17 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass

a) ein Arbeitnehmer, für den vom Arbeitgeber aufgrund einer gesetzlich normierten altersdiskriminierenden Anrechnung von Vordienstzeiten zunächst ein unrichtiger Vorrückungsstichtag festgesetzt wurde, in jedem Fall Anspruch auf Zahlung der Gehaltsdifferenz unter Zugrundelegung des diskriminierungsfreien Vorrückungsstichtags hat,

b) oder aber dahin, dass der Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, durch eine diskriminierungsfreie Anrechnung der Vordienstzeiten die Altersdiskriminierung auch ohne finanziellen Ausgleich (durch Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags bei gleichzeitiger Verlängerung des Vorrückungszeitraums) zu beseitigen, insbesondere wenn diese entgeltneutrale Lösung die Liquidität des Arbeitgebers aufrechterhalten sowie einen übermäßigen Neuberechnungsaufwand vermeiden soll?

2. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit b):

Kann der Gesetzgeber eine solche diskriminierungsfreie Anrechnung der Vordienstzeiten

a) auch rückwirkend (hier mit kundgemachtem Gesetz vom 27. 12. 2011, BGBl I 2011/129, rückwirkend zum 1. 1. 2004) einführen oder

b) gilt sie erst ab dem Zeitpunkt des Erlasses bzw der Kundmachung der neuen Anrechnungs‑ und Vorrückungsvorschriften?

3. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit b):

Ist Art 21 der Grundrechtecharta in Verbindung mit Art 2 Abs 1 und 2 sowie Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass

a) eine gesetzliche Regelung, die für Beschäftigungszeiten am Beginn der Karriere einen längeren Vorrückungszeitraum vorsieht und die Vorrückung in die nächste Gehaltsstufe daher erschwert, eine mittelbare Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters darstellt,

b) und im Fall der Bejahung dahin, dass eine solche Regelung mit Rücksicht auf die geringe Berufserfahrung am Beginn der Karriere angemessen und erforderlich ist?

4. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit b):

Ist Art 7 Abs 1 und Art 8 Abs 1 in Verbindung mit Art 6 Abs 1 der Richtlinie 2000/78/EG dahin auszulegen, dass die Fortwirkung einer alten, altersdiskriminierenden Regelung allein aus dem Grund, um den Arbeitnehmer zu seinen Gunsten vor Einkommensnachteilen durch eine neue, diskriminierungsfreie Regelung zu schützen (Entgeltsicherungsklausel), aus Gründen der Wahrung des Besitzstandes und des Vertrauensschutzes zulässig bzw gerechtfertigt ist?

5. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit b) und der Bejahung der Frage 3 lit b):

a) Kann der Gesetzgeber zur Ermittlung der anrechenbaren Vordienstzeiten eine Mitwirkungspflicht (Mitwirkungsobliegenheit) des Dienstnehmers vorsehen und den Übertritt in das neue Anrechnungs‑ und Vorrückungssystem von der Erfüllung dieser Obliegenheit abhängig machen?

b) Kann sich ein Arbeitnehmer, der die ihm zumutbare Mitwirkung an der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags nach dem neuen, diskriminierungsfreien Anrechnungs‑ und Vorrückungssystems unterlässt und daher von der diskriminierungsfreien Regelung bewusst nicht Gebrauch macht und freiwillig im alten, altersdiskriminierenden Anrechnungs‑ und Vorrückungssystem bleibt, auf eine Altersdiskriminierung nach dem alten System berufen, oder stellt der Verbleib im alten, diskriminierenden System nur aus dem Grund, um Geldansprüche geltend machen zu können, einen Rechtsmissbrauch dar?

6. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit a) oder der Bejahung der Fragen 1 lit b) und 2 lit b):

Gebietet es der unionsrechtliche Grundsatz der Effizienz nach Art 47 Abs 1 der Grundrechtecharta und nach Art 19 Abs 1 EUV, dass die Verjährung von im Unionsrecht begründeten Ansprüchen nicht vor eindeutiger Klärung der Rechtslage durch Verkündung einer einschlägigen Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu laufen beginnt?

7. Im Fall der Bejahung der Frage 1 lit a) oder der Bejahung der Fragen 1 lit b) und 2 lit b):

Gebietet es der unionsrechtliche Grundsatz der Äquivalenz, eine im nationalen Recht vorgesehene Hemmung der Verjährung für die Geltendmachung von Ansprüchen nach einem neuen Anrechnungs‑ und Vorrückungssystem (§ 53a Abs 5 des Bundesbahngesetzes) auf die Geltendmachung von Gehaltsdifferenzen auszudehnen, die aus einem altersdiskriminierenden alten System resultieren?

B. Das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

Text

Begründung

I. Sachverhalt:

Der am 11. 5. 1965 geborene Kläger hat am 1. 2. 1990 sein privatrechtliches Beschäftigungsverhältnis zur Beklagten begonnen. Nach den zu diesem Zeitpunkt anzuwendenden Dienstvorschriften errechnete die Beklagte unter Einbeziehung der vom Kläger ab Vollendung des 18. Lebensjahrs erworbenen Vordienstzeiten seinen Vorrückungsstichtag mit 21. 5. 1986. Dabei wurde jener Teil der Lehrzeit, die der Kläger nach Beendigung des 18. Lebensjahrs (vom 11. 5. 1983 bis 14. 7. 1984) absolvierte, zur Hälfte angerechnet. Die Vordienstzeiten des Klägers vor Vollendung des 18. Lebensjahrs blieben außer Betracht. Wird der Vorrückungsstichtag des Klägers nach der neuen Bestimmung des § 53a Abs 1 des Bundesbahngesetzes, also unter Berücksichtigung der vom Kläger auch vor Vollendung des 18. Lebensjahrs (nach dem 30. 6. ab Beendigung der allgemeinen Schulpflicht von neun Schuljahren) berechnet, so ergibt dies den neuen Vorrückungsstichtag 22. 6. 1985. Geht man von diesem neuen Vorrückungsstichtag aus, berechnet man die Einstufung des Klägers aber weiterhin nach der alten Rechtslage (§ 3 der Bundesbahn‑Besoldungsordnung), so ergibt sich für den Zeitraum November 2007 bis Juni 2012 eine Gehaltsdifferenz zu Gunsten des Klägers von 3.963,75 EUR brutto.

Für die bis zum 31. 12. 1995 eingestellten Arbeitnehmer der Beklagten war das Vorrückungssystem nach den Bestimmungen der Bundesbahn-Besoldungsordnung 1963 (BGBl 1963/170), für jene Arbeitnehmer, die zwischen 1. 1. 1996 und 31. 12. 2004 eingestellt wurden, jenes der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) maßgebend. Diese Vorrückungssysteme wurden durch die neue Vorschrift des § 53a des Bundesbahngesetzes, BGBl I 2011/129, modifiziert, die rückwirkend mit 1. 1. 2004 eingeführt wurde. Die Berücksichtigung von Vordienstzeiten ist vor allem für das Entgelt, aber auch für andere Ansprüche, wie das Jubiläumsgeld und den Urlaubsanspruch, von Bedeutung.

Der Kläger gehört zum Kreis der Arbeitnehmer, die in § 53a Abs 1 des Bundesbahngesetzes beschrieben sind. Er hat daher die Möglichkeit, rückwirkend ab 1. 1. 2004 den Vorrückungsstichtag unter Anrechnung der Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs neu ermitteln zu lassen. Dazu wäre der Nachweis der anzurechnenden Vordienstzeiten (hier Lehrzeit) erforderlich. Der Kläger hat die vor dem 18. Lebensjahr absolvierten Vordienstzeiten der Beklagten nicht im Sinn des § 53a des Bundesbahngesetzes bekannt gegeben.

Nach den (alten und neuen) Dienstvorschriften wird die Lehrzeit jeweils zur Hälfte angerechnet. Gegen diese Hälfteanrechnung wendet sich der Kläger nicht. Er beruft sich nur auf die Anrechnung der Vordienstzeiten auch vor dem 18. Lebensjahr.

II. Unionsrechtliche Grundlagen:

Art 21 der Grundrechtecharta (GRC) lautet:

„Nichtdiskriminierung

(1) Diskriminierungen insbesondere wegen ... des Alters ... sind verboten.

...“

Die Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl L 303 vom 2. 12. 2000, S 16), lautet auszugsweise:

„Art 1 Zweck

Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen ... des Alters ... in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.

Art 2 Der Begriff Diskriminierung

(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet Gleichbehandlungsgrundsatz, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art 1 genannten Gründe geben darf.

...

Artikel 3 Geltungsbereich

(1) Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

...

c) die Beschäftigungs‑ und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;

...

Artikel 6 Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters

(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

...

Artikel 7 Positive und spezifische Maßnahmen

(1) Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgrunds verhindert oder ausgeglichen werden.

...

Artikel 8 Mindestanforderungen

(1) Die Mitgliedstaaten können Vorschriften einführen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften sind.

...

Artikel 9 Rechtsschutz

(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts‑ und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.

...

Artikel 16 Einhaltung

Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass

a) die Rechts‑ und Verwaltungsvorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufgehoben werden;

...

Artikel 17 Sanktionen

Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen diese Bestimmungen der Kommission spätestens am 2. Dezember 2003 mit und melden alle sie betreffenden späteren Änderungen unverzüglich.“

III. Innerstaatliche Rechtsvorschriften:

Die auf den Kläger anzuwendenden Dienstvorschriften lauten:

a) Alte Rechtslage:

§ 3 der Bundesbahn‑Besoldungsordnung (BO 1963, BGBl 1963/170) lautet:

(1) Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass ‑ unter Ausschluss der vor der Vollendung des 18. Lebensjahres liegenden Zeiten und unter Beachtung der einschränkenden Bestimmungen der Abs. 4 bis 7 ‑ dem Tag der Anstellung vorangesetzt werden:

a) die im Abs. 2 angeführten Zeiten zur Gänze,

b) die sonstigen Zeiten zur Hälfte.

(2) Gemäß Abs. 1 lit. a sind voranzusetzen:

1. die Zeit, die in einer Beschäftigung mit mindestens der Hälfte des für Vollbeschäftigte vorgeschriebenen Ausmaßes in einem Dienstverhältnis zu den Österreichischen Bundesbahnen zurückgelegt worden ist. Das gleiche gilt für eine Zeit, die in einem Dienstverhältnis zu einer Landes‑ oder Privatbahn zurückgelegt worden ist, das durch eine der Dienstordnung für die Beamten der österreichischen Bundesbahnen gleichartige Dienstordnung geregelt war;

2. die Zeit, die in einer Beschäftigung mit mindestens der Hälfte des für Vollbeschäftigte vorgeschriebenen Ausmaßes in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder im Lehrberuf an einer inländischen öffentlichen Schule oder an einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten inländischen Privatschule zurückgelegt worden ist;

… .

b) Neue Rechtslage:

§ 53a des Bundesbahngesetzes, BGBl I 2011/129 lautet:

„(1) Für jene Bediensteten und Ruhegenussempfänger, die bis zum 31. Dezember 2004 bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), einem ihrer Rechtsvorgänger oder ab Rechtswirksamkeit der angeordneten Spaltungs‑ und Umwandlungsvorgänge bei der ÖBB‑Holding AG, den im 3. Teil dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 138/2003 angeführten Gesellschaften, deren Rechtsnachfolgern und Unternehmen, die durch Maßnahmen der Umgründung im Rahmen des bestehenden Gesellschaftsrechts aus einer der Gesellschaften hervorgegangen sind, sowie den Unternehmen, auf die die Dienstverhältnisse der am 31. Dezember 2003 bei den Österreichischen Bundesbahnen beschäftigten Bediensteten infolge eines (auch mehrmaligen) Betriebsüberganges oder vertraglich übergegangen sind, eintreten beziehungsweise eingetreten sind und deren individueller Vorrückungsstichtag auf Grundlage von § 3 Bundesbahn‑Besoldungsordnung 1963 (BO 1963), § 13 Bundesbahn‑Dienst‑ und Lohnordnung 1954 (DILO 1954), § 4 Gastarbeiterordnung (GaO), § 14 Teilbeschäftigtenordnung 1977 (TbO 1977) oder § 35 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) berechnet wird oder berechnet worden ist, wird der individuelle Vorrückungsstichtag nach Bekanntgabe der anzurechnenden Vordienstzeiten unter Maßgabe der folgenden Bestimmungen neu ermittelt:

1. Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass anzurechnende Zeiten (Z 2) nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, dem Tag der Anstellung bzw. Aufnahme vorangesetzt werden.

2. Die anzurechnenden Zeiten ergeben sich aus den geltenden Anrechnungsbestimmungen der einschlägigen Bestimmungen der BO 1963, DILO 1954, GaO, TbO 1977 oder AVB.

(2) Im Fall der Neufestsetzung des individuellen Vorrückungsstichtages gemäß Abs. 1 gilt:

1. Der für die Vorrückung in den jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderliche Zeitraum wird um jeweils ein Jahr verlängert.

2. Die Vorrückung findet an dem auf die Vollendung des jeweiligen Vorrückungszeitraumes folgenden 1. Jänner statt (Vorrückungstermin).

3. Die Neufestsetzung des individuellen Vorrückungsstichtages wird nicht wirksam, wenn damit eine gehaltsmäßige Verschlechterung gegenüber der bisherigen Festsetzung des Vorrückungsstichtages verbunden ist.

(3) Dienstzeiten für die Gewährung einer Jubiläumsbelohnung ergeben sich aus der einschlägigen Betriebsvereinbarung gemäß Art. 7 Abs. 4 Z 1 Bundesbahnstrukturgesetz 2003, wobei bei der Wirksamkeit für die Vorrückung im Sinne der einschlägigen Regelungen Abs. 1 Z 1 sinngemäß anzuwenden ist.

(4) Anzurechnende Vordienstzeiten gemäß Abs. 1 sind für die Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages von den Bediensteten und Ruhegenussempfängern mittels des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Formulars entsprechend nachzuweisen. Für Personen, die keinen, einen nicht korrekten oder unvollständigen Nachweis erbringen, bleibt der bisher für sie geltende Vorrückungsstichtag weiterhin wirksam. Auf Personen, für die eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages gemäß Abs. 2 Z 3 nicht wirksam wird, ist hinsichtlich der Gewährung einer Jubiläumsbelohnung Abs. 3 anzuwenden.

(5) Für Gehaltsansprüche, die sich aus der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages ergeben, ist der Zeitraum vom 18. Juni 2009 bis zum Tag der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 129/2011 nicht auf die dreijährige Verjährungsfrist anzurechnen.“

In den Gesetzesmaterialien (AB 1611 BlgNR 24. GP 1) wird dazu ausgeführt:

Zu § 53a Bundesbahngesetz:

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 18. Juni 2009 in der Rechtssache Hütter gegen TU Graz festgestellt, dass die Nichtanrechnung von Vordienstzeiten, die vor dem 18. Lebensjahr liegen, der Richtlinie 2000/78/EG ‑ Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ‑ widersprechen und deshalb unzulässig ist.

Als Reaktion auf die Entscheidung des EuGH hat der Bund in seinem Bereich per Gesetz (BGBl. I Nr. 82/2010 vom 30. 08. 2010) eine aufkommensneutrale Neuregelung geschaffen (Anrechnung aller Zeiten ab Vollendung der Schulpflicht, somit drei Jahre an zusätzlichen Vordienstzeiten; zum Ausgleich dafür wurde die Vorrückungsdauer von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe um drei Jahre ‑ von zwei auf fünf Jahre ‑ verlängert).

Auch im ÖBB‑Dienstrecht der 'Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen' (AVB), die als Vertragsschablone für die ÖBB‑Angestellten mit einem Eintritt vor dem 01. 01. 2005 gelten, wurde der Vorrückungsstichtag ‑ vergleichbar der ursprünglichen Rechtslage des Bundes ‑ unter Ausschluss der Dienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr berechnet. Von dieser Regelung betroffen sind rund 27.000 ÖBB‑Angestellte. Im Sinne einer ‑ der Neuregelung des Bundes entsprechenden ‑ richtlinienkonformen, jedoch aufkommensneutralen Lösung auch im Anwendungsbereich der AVB ist das Entgeltsystem so zu gestalten, dass es keine strukturelle Alterdiskriminierung mehr aufweist, d.h. die diskriminierende Bestimmung (Ausblendung sämtlicher Zeiten, die vor dem 18. Lebensjahr liegen) ist aus dem Entlohnungssystem zu eliminieren. Ohne eine Neuregelung werden die betroffenen ÖBB‑Angestellten (auch wenn sie bereits im Ruhestand sind) die Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages begehren und die Gehaltsdifferenz der letzten 3 Jahre (Verjährungsfrist) geltend machen. Daraus ergibt sich auch für die Zukunft eine finanzielle Belastung für die ÖBB, sowie eine höhere Belastung des Bundes aus den künftigen Ruhegenüssen.

Im Ergebnis wird mit dieser Neuregelung für das dem Bund nachgebildete Entlohnungssystem im Anwendungsbereich der AVB wieder Gleichheit mit der Novellierung des Vorrückungssystems durch den Bund hergestellt.“

c) Neue Rechtslage für Beamte:

Mit kundgemachtem Gesetz vom 30. 8. 2010, BGBl I 2010/82, und vom 30. 12. 2010, BGBl I 2010/111, hat der Gesetzgeber für Beamte vergleichbare Bestimmungen zur neuen Anrechnung von Vordienstzeiten erlassen (§§ 8, 12 und 113 Abs 10 des Gehaltsgesetzes 1956). In den Gesetzesmaterialien (RV 781 BlgNR 24. GP bzw RV 981 BlgNR 24. GP) wird dazu unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Hütter darauf hingewiesen, dass die Neuregelung darauf abzielt, die aus dem geltenden Vorrückungsrecht resultierenden Rechtspositionen, vor allem die an das Dienstalter geknüpften Entgeltansprüche, so weit wie möglich unverändert zu belassen. Zu diesem Zweck werden die für die einzelnen Verwendungsgruppen maßgeblichen Gehaltstabellen um drei Jahre verlängert. Die Neuregelung bleibt damit aufwandsneutral.

Die Bestimmungen des Gleichbehandlungs-gesetzes lauten auszugsweise:

„§ 17 Gleichbehandlungsgebot im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis

(1) Aufgrund ... des Alters ... darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

1. ...

2. bei der Festsetzung des Entgelts,

...

§ 26 Rechtsfolgen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebots

(1) ...

(2) Erhält ein/e Arbeitnehmer/in wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des § 17 Abs 1 Z 2 durch den/die Arbeitgeber/in für gleiche Arbeit oder für eine Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, ein geringeres Entgelt als ein/e Arbeitnehmer/in, bei dem/der eine Diskriminierung wegen eines in § 17 genannten Grundes nicht erfolgt, so hat er/sie gegenüber dem/der Arbeitgeber/in Anspruch auf Bezahlung der Differenz und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

§ 29 Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen

(1) ... für Ansprüche nach § 26 Abs 2 ... gilt die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 1486 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches.

...“

Die einschlägigen Verjährungsbestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB) lauten:

§ 1480 Forderungen von rückständigen jährlichen Leistungen, insbesondere Zinsen, Renten, Unterhaltsbeiträgen, Ausgedingsleistungen, sowie zur Kapitalstilgung vereinbarten Annuitäten erlöschen in drei Jahren; das Recht selbst wird durch einen Nichtgebrauch von dreißig Jahren verjährt.

§ 1486 Besondere Verjährungszeit

In drei Jahren sind verjährt: Die Forderungen

1. …

5. der Dienstnehmer wegen des Entgelts und des Auslagenersatzes aus den Dienstverträgen von Hilfsarbeitern, Taglöhnern, Dienstboten und allen Privatbediensteten, sowie der Dienstgeber wegen der auf solche Forderungen gewährten Vorschüsse;

...“

IV. Anträge und Vorbringen der Parteien:

Mit Klage vom 13. 7. 2012 begehrte der Kläger zunächst 4.018,20 EUR brutto samt Zinsen und Kosten. In der Folge schränkte er sein Zahlungsbegehren auf 3.963,75 EUR brutto ein. Dazu brachte er vor, dass er aufgrund einer diskriminierenden Nichtanrechnung der Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs von der Beklagten unrichtig in das Gehaltsschema eingestuft worden sei. Aufgrund dieser unrichtigen Einstufung sei ihm im Zeitraum Oktober 2007 bis Juni 2012 zu wenig an laufendem Entgelt einschließlich Sonderzahlungen ausgezahlt worden. Diese Gehaltsdifferenzen mache er mit der vorliegenden Klage geltend. Die neue Regelung nach § 53a des Bundesbahngesetzes stehe den geltend gemachten Ansprüchen nicht entgegen, weil eine neue Berechnung der Vordienstzeiten nur erfolge, wenn der Arbeitnehmer die Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs bekannt gebe. Dabei handle es sich um eine Optionslösung. Da er seine Vordienstzeiten nicht im Sinn des § 53a des Bundesbahngesetzes bekannt gegeben habe, sei für ihn weiterhin die bisherige Rechtslage maßgebend. Der Vorrückungsstichtag sei jedoch in Anrechnung seiner Vordienstzeiten auch vor dem 18. Lebensjahr zu korrigieren.

Die Beklagte entgegnete, dass der Kläger in den Anwendungsbereich des § 53a des Bundesbahngesetzes falle. Unrichtig sei, dass mit dieser Bestimmung ein Optionsrecht normiert werde. Die Neuberechnung des Vorrückungsstichtags sei für alle Mitarbeiter vorgesehen. Dies setze aber die Mitwirkung durch einen Nachweis der anzurechnenden Vordienstzeiten voraus. Wenn der Arbeitnehmer mangels Bekanntgabe der anzurechnenden Vordienstzeiten von der Möglichkeit der diskriminierungsfreien Anrechnung nicht Gebrauch mache, könne er sich nicht mehr darauf stützen, dass er diskriminiert werde.

V. Bisheriges Verfahren:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren des Klägers ab. Der Kläger gehöre zum Personenkreis, der in § 53a Abs 1 des Bundesbahngesetzes beschrieben werde. Diese Bestimmung sei rückwirkend mit 1. 1. 2004 in Kraft getreten. Der Kläger könne auf diese Weise die diskriminierungsfreie Neuermittlung des Vorrückungsstichtags erwirken. Gebe er seine Vordienstzeiten aber nicht bekannt, so bleibe es zwar beim alten Vorrückungsstichtag, der Kläger könne sich aber nicht mehr auf die Diskriminierung stützen.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren über Berufung des Klägers statt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung der begehrten Gehaltsdifferenz. § 53a des Bundesbahngesetzes verlange einen Antrag auf Neubemessung des Vorrückungsstichtags unter Berücksichtigung der Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs. Dies begründe ein Optionsrecht für den Arbeitnehmer. Da der Kläger keinen Antrag gestellt habe, bleibe der alte Vorrückungsstichtag weiterhin wirksam. Dies bedeute, dass die alte Rechtslage für den Kläger fortgelte. Diese alte Rechtslage begründe eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung aus Gründen des Alters, weil Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs nicht angerechnet worden seien. Das Berufungsgericht wende die Rechtsprechung an, wonach in jenen Fällen, in denen die Einstufung des Arbeitnehmers höherrangigem Recht widerspreche, der Arbeitnehmer ‑ innerhalb der nationalen Verjährungs-vorschriften ‑ Anspruch gegen die Beklagte auf Änderung dieser Einstufung habe und diese im Verweigerungsfall auch klageweise erfechten könne.

Gegen diese Entscheidung erhob die Beklagte eine außerordentliche Revision, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens anstrebt. Da der Oberste Gerichtshof Bedenken gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts hegt, hat er die außerordentliche Revision der Beklagten angenommen und dem Kläger die Revisionsbeantwortung freigestellt. Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragte der Kläger, das Rechtsmittel der Beklagten zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Der Oberste Gerichtshof hat beschlossen, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu stellen.

VI. Berechtigung zur Vorlage und Vorbemerkung:

Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs kann mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts nicht mehr angefochten werden (Art 267 AEUV). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union hat in einem Verfahren nach Art 267 AEUV nur das befasste nationale Gericht sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden, das Unionsrecht betreffenden Fragen zu beurteilen (EuGH C‑395/08 Rn 18).

Dem Obersten Gerichtshof ist bekannt, dass das Oberlandesgericht Innsbruck, das auch im hier vorliegenden Anlassfall als Berufungsgericht entschieden hat, bereits zur Rechtssache C‑429/12, Pohl , ein Vorabentscheidungs-verfahren beim Europäischen Gerichtshof eingeleitet hat. Dieses Vorabentscheidungsersuchen hat ebenfalls die Nichtanrechnung von Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs für die Ermittlung des Vorrückungsstichtags in einem Arbeitsverhältnis zu der auch hier Beklagten zum Gegenstand. Das Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs erweist sich aber dennoch als notwendig, weil das Oberlandesgericht Innsbruck wesentliche Aspekte für die Frage der unionsrechtskonformen Beseitigung einer Diskriminierung aus Gründen des Alters außer Acht gelassen und die nationale Rechtslage unvollständig wiedergegebenen hat. Dem Hinweis des Oberlandesgerichts Innsbruck auf das Feststellungsverfahren (nach § 54 Abs 1 des Arbeits‑ und Sozialgerichtsgesetzes) zwischen dem Betriebsrat Bordservice Tirol/Vorarlberg und der hier Beklagten (43 Cga 112/10i des Landesgerichts Innsbruck) kommt keine Bedeutung zu, weil die Rechtskraft eines solchen Feststellungsurteils nur zwischen den Parteien des Feststellungsverfahrens wirkt ( Adamovic , Handbuch zum ASG‑Verfahren § 54 ASGG, Rz 4).

Der Oberste Gerichtshof würde es begrüßen, wenn der Gerichtshof der Europäischen Union über das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen und über die Vorlage des Oberlandesgerichts Innsbruck gemeinsam entscheiden würde.

Rechtliche Beurteilung

VII. Begründung der Vorlagefragen:

1. Erfüllungsanspruch

Der Kläger begehrt eine Gehaltsdifferenz aus der Nichtanrechnung von Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs und aus der daraus resultierenden unrichtigen Einstufung. Die begehrten Nachzahlungen betreffen den Zeitraum Oktober 2007 bis Juni 2012. Bei den Vordienstzeiten des Klägers handelt es sich um die Lehrzeit. Der Umstand, dass die Lehrzeit nach den zugrunde liegenden (alten und neuen) Dienstvorschriften nur im Ausmaß der Hälfte angerechnet wird, inkriminiert der Kläger nicht.

Der Kläger macht keinen Schadenersatzanspruch, sondern einen Nachzahlungsanspruch im Sinn eines Erfüllungsanspruchs auf Aufwertung seines Entgelts aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten geltend. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht der Beklagten und ein daraus abgeleiteter Schadenersatzanspruch des Klägers ist nicht Thema des Rechtsstreits mit der Beklagten.

2. Unmittelbare Diskriminierung aus Gründen des Alters

2.1 Nach Art 6 Abs 1 EUV ist die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) im Rang des Primärrechts verbindlich. Nach Art 21 Abs 1 GRC sind Diskriminierungen insbesondere auch wegen des Alters verboten. Zudem ist das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeiner Rechtsgrundsatz im Sinn des Art 6 Abs 3 EUV anerkannt (C‑555/07, Kücükdeveci Rn 21 und 22).

Das nunmehr in der GRC verankerte Verbot der Altersdiskriminierung wird durch die einschlägige Antidiskriminierungs‑Richtlinie (Richtlinie 2000/78/EG) konkretisiert. Es darf damit keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen des Alters geben.

2.2 Für den Anlassfall ist die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C‑88/08, Hütter , einschlägig. Die dort zugrunde liegende nationale Rechtsvorschrift des § 26 Abs 1 des Vertragsbedienstetengesetzes (VBG), der die Ermittlung des Vorrückungsstichtags für Vertragsbedienstete des öffentlichen Bereichs in Österreich regelt, ist mit der im Anlassfall zugrunde liegenden Rechtsvorschrift des § 3 BO vergleichbar. In der Rechtssache C‑88/08, Hütter , bejahte der EuGH zunächst den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG (Rn 35). In der Folge beurteilte der EuGH, dass eine Vorschrift, die die Anrechnung von Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs ausschließt, eine Ungleichbehandlung begründet, die unmittelbar auf das Kriterium des Alters abstellt (Rn 38). Schließlich beurteilte er die fragliche Regelung als nicht angemessen im Sinn des Art 6 Abs 1 der Richtlinie und verneinte damit das Vorliegen einer Rechtfertigung.

2.3 Im Anlassfall wird das Vorliegen einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters, also einer Altersdiskriminierung, vom beklagten Arbeitgeber gar nicht bestritten.

3. Beseitigung der Altersdiskriminierung

3.1 Fraglich ist aber, auf welche Weise die Altersdiskriminierung ausgeglichen werden kann. Konkret stellt sich die Frage, ob dafür eine (auch rückwirkende) Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands durch ein neues Anrechnungs‑ und Vorrückungssystem wie in § 53a des Bundesbahngesetzes genügt, oder ob dem Kläger zwingend ein Geldanspruch auf Basis der alten Rechtslage bei diskriminierungsfreier Neuberechnung nur des Vorrückungsstichtags eingeräumt werden muss.

3.2 Der österreichische Verwaltungsgerichtshof lässt die Einführung eines neuen Anrechnungs‑ und Vorrückungssystems nicht genügen. Seine Entscheidung vom 4. 9. 2012 (Zl 2012/12/007) bezieht sich auf das neue, diskriminierungsfreie Anrechnungssystem für Vordienstzeiten für Bundesbeamte (§§ 8, 12 und 113 Abs 10 des Gehaltsgesetzes). Diese Vorschriften sind mit der hier zu beurteilenden Neuregelung des Vorrückungsstichtags in § 53a des Bundesbahngesetzes (ebenfalls) vergleichbar.

Im zitierten Vergleichsfall beantragte der beschwerdeführende Lehrer die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtags nach dem neuen Anrechnungssystem. Der Vorrückungsstichtag verbesserte sich um 45 Tage. Aufgrund des verlängerten Vorrückungszeitraums ergab sich jedoch keine Änderung in der Gehaltsstufe. Der Verwaltungsgerichtshof gab der Beschwerde des Lehrers statt und sprach aus, dass dem Beschwerdeführer ein Gehalt in der höheren Gehaltsstufe gebühre. Der Verwaltungsgerichtshof korrigierte somit nur den Vorrückungsstichtag nach den zugrunde liegenden neuen Dienstvorschriften, ohne auch den verlängerten Vorrückungszeitraum, der ebenfalls mit den neuen Dienstvorschriften normiert worden war, zu berücksichtigen. In seiner Begründung führte der Verwaltungsgerichtshof unter anderem aus, dass weiterhin eine unzulässige Ungleichbehandlung von Zeiten vor bzw nach Vollendung des 18. Lebensjahrs in Ansehung von „Altbeamten“ bestehe. Eine Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags habe nämlich zur Folge, dass eine Vorrückung von der ersten in die zweite Gehaltsstufe erst nach fünf Jahren ‑ statt wie nach der Altrechtslage schon nach zwei Jahren ‑ erfolge. Die damit neuerlich bewirkte Altersdiskriminierung liege darin begründet, dass andere „Altbeamte“, die anrechenbare Zeiten erst nach dem 18. Lebensjahr erworben hätten, besoldungsrechtlich weiterhin günstiger behandelt würden.

3.3 Aus Anlass dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs hat der Gesetzgeber mit BGBl I 2012/120 eine neue Bestimmung in § 7a des Gehaltsgesetzes 1956 eingefügt, in der auf die Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG Bezug genommen wird. In den Gesetzesmaterialien (RV 2003 BlgNR 24. GP 12 ff) wird dazu unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Hennigs ausgeführt, das die Aufrechterhaltung der bisherigen besoldungsrechtlichen Stellung (durch Verlängerung des Vorrückungszeitraums) gerechtfertigt sei, weil allein beim Bund rund 300.000 Neuberechnungen des Vorrückungsstichtags erforderlich wären, was bei Zugrundelegung eines Arbeitsaufwands von vier Stunden pro Fall einen Aufwand von 1,2 Millionen Arbeitsstunden bzw von 1.000 Personenjahren ergeben würde. Die Aufrechterhaltung der Ungleichbehandlung habe ein legitimes Ziel, nämlich die Wahrung des Vertrauensschutzes.

3.4 Die Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofs ist zumindest nicht zwingend. Diese fußt darauf, dass Vordienstzeiten des Beschwerdeführers nach dem 18. Lebensjahr schon nach der alten Rechtslage angerechnet worden seien, während dies für Zeiten vor dem 18. Lebensjahr nicht gegolten habe. Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs kann zur Begründung einer angeblich fortwirkenden Altersdiskriminierung nicht auf die alte Rechtslage abgestellt werden, zumal für den Beschwerdeführer nach dem neuen, diskriminierungsfreien Anrechnungs‑ und Vorrückungssystem tatsächlich ein neuer Vorrückungsstichtag ermittelt wurde. Der Verwaltungsgerichtshof inkriminiert anscheinend das Ergebnis der gesetzlichen Neuregelung, nach dem sich die Neuermittlung des Vorrückungsstichtags aufgrund der gleichzeitigen Verlängerung des Vorrückungszeitraums nicht auf den Entgeltanspruch des Beschwerdeführers ausgewirkt hat. Es ist allerdings fraglich, ob dadurch eine Altersdiskriminierung begründet wird.

In dieser Hinsicht ist in der Rechtsprechung des EuGH zunächst anerkannt, dass bei Verletzung eines unionsrechtlichen Diskriminierungsverbots dem Verletzer im Allgemeinen die Freiheit der Wahl unter den verschiedenen Abhilfemaßnahmen bleibt (vgl EuGH C‑172/11, Erny , Rn 53). In diesem Sinn lässt sich auch aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C‑297/10, Hennigs , ableiten, dass ein altersdiskriminierendes Vergütungssystem durch ein auf objektive Kriterien gestütztes Vergütungssystem ersetzt und dadurch die Diskriminierung beseitigt werden kann. Nach den Ausführungen in der Rn 99 dieser Entscheidung steht eine Maßnahme dem Verbot der Altersdiskriminierung nicht entgegen, mit der ein (altes) Vergütungssystem, das zu einer Diskriminierung wegen des Alters führt, durch ein auf objektive Kriterien gestütztes Vergütungssystem ersetzt wird, selbst dann, wenn für einen befristeten Übergangszeitraum eine vorübergehende Einstufung als Zwischenstufe nach dem alten System bestehen bleibt.

Auch die Richtlinie 2000/78/EG spricht für die Zulässigkeit von sachlichen Beseitigungsmaßnahmen ohne Notwendigkeit eines Geldausgleichs. Bei einer Verletzung des Diskriminierungsverbots nach dieser Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorsehen, die auch Schadenersatzleistungen umfassen können (Art 17). Nach Art 9 müssen Ansprüche aus der Richtlinie auf dem Gerichts‑ oder Verwaltungsweg geltend gemacht werden können. Art 7 Abs 1 der Richtlinie ermöglicht den Mitgliedstaaten, spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen unter anderem wegen des Alters verhindert oder ausgeglichen werden. Nach Art 16 sind diskriminierende Bestimmungen (Rechtsvorschriften, Tarifverträge, Arbeitsverträge) aufzuheben bzw zu ändern. Auch diese sekundärrechtlichen Vorgaben lassen es zweifelhaft erscheinen, dass einem von einer Diskriminierung Betroffenen zwingend ein Geldanspruch eingeräumt werden muss. Dementsprechend wird die Normierung von Schadenersatzansprüchen ausdrücklich in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt.

Für den Obersten Gerichtshof ist überdies fraglich, ob das System für Beamte mit dem hier maßgeblichen System für Bundesbahnbedienstete in den unionsrechtlichen Konsequenzen identisch ist, zumal bei Beamten die Anrechnung der Vordienstzeiten mit rechtskraftfähigem Bescheid erfolgt.

3.5 Der österreichische Gesetzgeber hat mit der Normierung der Bestimmung des § 53a des Bundesbahngesetzes den Weg beschritten, dass für einen Betroffenen die Auswirkungen einer Altersdiskriminierung durch Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands effektiv beseitigt werden können. Durch diese gesetzliche Regelung hat der Gesetzgeber für Arbeitsverhältnisse zur Beklagten ein neues System zur Anrechnung von Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahrs normiert und dieses rückwirkend mit 1. 1. 2004 in Kraft gesetzt.

3.6 Bejaht man die unionsrechtliche Zulässigkeit der Beseitigung einer Altersdiskriminierung durch gesetzliche Herstellung des diskriminierungsfreien Zustands, so stellt sich die Frage nach der zeitlichen Dimension. Bei Beseitigung einer sich auf das Arbeitsentgelt auswirkenden Diskriminierung kann dabei zwischen drei Zeiträumen unterschieden werden, und zwar dem Zeitraum vor (gerichtlicher) Feststellung der Diskriminierung, jenem vor einer gesetzlichen Neuregelung und jenem danach. Im Anlassfall stellt sich vor allem die Frage, ob auch für den Zeitraum vor dem Erlass der diskriminierungsfreien gesetzlichen Neuregelung den Diskriminierten die finanziellen Vorteile aus der vorzunehmenden Gleichbehandlung entzogen werden können, konkret ob die entgeltneutrale Neuregelung rückwirkend eingeführt und die Auswirkung der Diskriminierung auch rückwirkend beseitigt werden kann (vgl dazu EuGH C‑28/93, van den Akker ).

4. Neues Anrechnungssystem nach § 53a des Bundesbahngesetzes

4.1 Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs stellt sich nun die Frage, ob die neue Regelung des § 53a des Bundesbahngesetzes eine diskriminierungsfreie und damit aus unionsrechtlicher Sicht zulässige Maßnahme darstellt.

4.2 Nach der neuen Regelung des § 53a des Bundesbahngesetzes wird der Vorrückungsstichtag des Arbeitnehmers neu ermittelt. Die Bestimmung sieht vor, dass zur Berechnung des Vorrückungsstichtags nicht mehr auf die Altersgrenze von 18 Jahren abgestellt wird. Vielmehr wird an die Absolvierung der allgemeinen Schulpflicht (nach neun Schuljahren) angeknüpft. Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass die anzurechnenden Vordienstzeiten nach dem 30. 6. des Jahres, in dem nach Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert wurden oder worden wären, dem Tag der Anstellung bzw der Aufnahme in das Dienstverhältnis vorangesetzt werden. Danach werden auch die Vordienstzeiten, die vor Vollendung des 18. Lebensjahrs liegen, angerechnet.

Die neue Anrechnungsregelung weist nun die Besonderheit auf, dass gleichzeitig die Vorrückungszeiträume ausgeweitet werden. Konkret wird der für die Vorrückung in die jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderliche Zeitraum um jeweils ein Jahr verlängert. Diese Lösung wirkt zur Sicherstellung der Finanzierbarkeit aufwands‑ und entgeltneutral. Dies bedeutet, dass der Vorrückungsstichtag ohne strukturelle Altersdiskriminierung ermittelt wird, die Vorrückungen in die höheren Gehaltsstufen aber später erfolgen, sodass mit der Neueinstufung kein höheres Einkommen für den Arbeitnehmer verbunden ist. In den Gesetzesmaterialien (AB 1611 BlgNR 24. GP 1) wird dazu ausgeführt, dass ohne Neuregelung die betroffenen ÖBB‑Angestellten die Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtags begehren und die Gehaltsdifferenz in den letzten drei Jahren (Verjährungsfrist) geltend machen werden. Daraus ergebe sich eine finanzielle Belastung für die ÖBB und für den Bund.

4.3 Die Neuregelung des Vorrückungsstichtags in § 53a des Bundesbahngesetzes ist mit der Neuregelung für die Bediensteten des Bundes (§§ 8, 12 und 113 Abs 10 des Gehaltsgesetzes und §§ 19 und 49v des Vertragsbedienstetengesetzes) vergleichbar. In den Gesetzesmaterialien zu diesen Dienstvorschriften des Bundes wird darauf hingewiesen, dass der Zweck der geplanten Neuregelung darin bestehe, im Interesse der Rechtssicherheit sämtliche Regelungen zur Anrechnung von Vordienstzeiten für die Vorrückung richtlinienkonform zu gestalten. Es werde daher nicht an ein bestimmtes Lebensalter, sondern an einen sachlichen Zeitpunkt, nämlich an den Tag der Vollendung der allgemeinen (neunjährigen) Schulpflicht angeknüpft. Um zu gewährleisten, dass die für die einzelnen Bediensteten maßgebliche besoldungsrechtliche Stellung nicht verändert werde, würden die für die einzelnen Verwendungsgruppen maßgeblichen Gehaltstabellen um drei Jahre verlängert, indem die Dauer des für die Vorrückung von der jeweils ersten in die jeweils zweite Gehaltsstufe erforderlichen Zeitraums von zwei auf fünf Jahre angehoben werde.

4.4 Die neue Vorrückungsregelung in § 53a des Bundesbahngesetzes könnte allenfalls in Bezug auf die Verlängerung des Vorrückungszeitraums dahin problematisch sein, dass der für die Vorrückung in die jeweils ersten drei Gehaltsstufen erforderliche Zeitraum um jeweils ein Jahr verlängert wird. Die Verlängerung des Vorrückungszeitraums betrifft nämlich nur die ersten drei Gehaltsstufen. Dies bewirkt, dass frühe Beschäftigungszeiten langsamer zu einer Vorrückung führen.

Aus Sicht des Obersten Gerichtshofs erscheint diese Konsequenz als zulässig. Zum einen knüpft sie nicht an ein bestimmtes Lebensalter an und begründet daher keine strukturelle Altersdiskriminierung. Zum anderen erscheint eine derartige Maßnahme auch als gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Berufserfahrung bzw das Dienstalter als Rechtfertigungsgrund für eine Altersdiskriminierung geeignet ist (C‑297/10, Hennigs , Rn 74; auch C‑88/08, Hütter , Rn 47). In den ersten Beschäftigungsjahren ist die Berufserfahrung des Arbeitnehmers noch gering. Er muss sich erst in die Arbeitswelt eingliedern, seine berufsspezifische Ausbildung vertiefen und konkrete Berufserfahrungen sammeln. Da also am Beginn der Karriere für derartige Begleitmaßnahmen ein weit größerer Teil der Arbeitskraft aufgewendet werden muss, als dies in späteren Berufsjahren der Fall ist, erscheint eine verlangsamte Vorrückung am Beginn der Karriere durchaus als erforderlich und angemessen. Außerdem kann mit Rücksicht auf die grundsätzlich auch im Arbeitsverhältnis herrschende Privatautonomie eine Verpflichtung des Arbeitgebers, zugunsten der Arbeitnehmer eine zeitlich lineare Vorrückung vorzusehen, nicht angenommen werden.

5. Verletzung der Mitwirkung und Rechtsmissbrauch

5.1 Für den Anlassfall des Klägers ist nun entscheidend, dass er zum Personenkreis des § 53a Abs 1 des Bundesbahngesetzes gehört und daher von dieser Bestimmung Gebrauch machen kann. Er hat somit die Möglichkeit, nach dem neuen, diskriminierungsfreien System für die Anrechnung von Vordienstzeiten von der Beklagten einen neuen Vorrückungsstichtag ermitteln zu lassen und auf diese Weise eine Neueinstufung nach dem neuen System zu erreichen.

Zur Ermittlung des neuen Vorrückungsstichtags ist nach § 53a Abs 1 und Abs 4 des Bundesbahngesetzes die Mitwirkung des betroffenen Arbeitnehmers erforderlich. Dieser hat die anzurechnenden Vordienstzeiten dem Arbeitgeber bekannt zu geben. Der Kläger hat diese ihm zumutbare Mitwirkung jedoch unterlassen und seine anzurechnenden Vordienstzeiten nicht bekannt gegeben.

5.2 Anders als nach § 113 Abs 10 des Gehaltsgesetzes (für Bundesbeamte) ist nach § 53a des Bundesbahngesetzes für die Überleitung in das neue System kein Antrag vorgesehen. Der Hinweis des Berufungsgerichts auf einen Antrag erweist sich damit als verfehlt. Dessen ungeachtet bleibt es nach § 53a Abs 4 des Bundesbahngesetzes für den Fall, dass der Bundesbahnbedienstete die Mitwirkung unterlässt, bei der alten Anrechnungs‑ und Vorrückungsregelung. Gibt der Arbeitnehmer seine Vordienstzeiten also nicht bekannt, so verhindert er damit die Überleitung in das neue System. In diesem Sinn kann durchaus von einer „Option“ gesprochen werden.

5.3 Für die Situation des Klägers ist nun entscheidend, dass er an der Ermittlung der anrechenbaren Vordienstzeiten nicht mitgewirkt hat und demnach freiwillig im alten Anrechnungs‑ und Vorrückungssystem geblieben ist und die Fortwirkung der Altersdiskriminierung nach dem alten System somit selbst herbeigeführt hat. Hat sich aber der Kläger für die Beibehaltung des alten, diskriminierenden Systems entschieden, um unter Berufung auf eine Altersdiskriminierung Geldansprüche zu lukrieren, so könnte dies nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs einen auch nach Unionsrecht verbotenen Rechtsmissbrauch begründen (vgl C‑126/10, Foggia , Rn 50), der dem Kläger die Geltendmachung von Geldansprüchen verwehrt. Für eine solche Beurteilung ist allerdings vorausgesetzt, dass der Gesetzgeber überhaupt berechtigt ist, eine Mitwirkungspflicht (Mitwirkungsobliegenheit) des Dienstnehmers zur Ermittlung der anrechenbaren Vordienstzeiten zu normieren.

6. Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem EU‑Beitritt Österreichs

Im Zusammenhang mit der „Verjährung“ vertritt die Beklagte die Ansicht, dass Vordienstzeiten, die vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union absolviert worden seien, aus unionsrechtlicher Sicht nicht zu berücksichtigen seien.

Der Oberste Gerichtshof teilt diese Ansicht nicht. Vielmehr hält der Oberste Gerichtshof auch im Zusammenhang mit dem (Alters‑)Diskriminierungsverbot die Entscheidung des EuGH C‑195/98, Österreichischer Gewerkschaftsbund , für einschlägig. Darin hat der EuGH festgehalten, dass das Unionsrecht für den jeweiligen Mitgliedstaat ab dem Zeitpunkt des Beitritts bindend ist. Im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Vordienstzeiten geht es darum, verpönte Auswirkungen auf die gegenwärtige Rechtsstellung des Arbeitnehmers zu beseitigen. Aus diesem Grund müssen auch die früheren, vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union gelegenen Beschäftigungszeiten angerechnet werden (Rn 55).

So wie auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit kann sich der Einzelne auch auf das Diskriminierungsverbot (hier wegen des Alters) als Grundrecht berufen.

7. Verjährung des Anspruchs auf Entgelt‑Aufwertung und auf Nachforderung

7.1 Von diesen Überlegungen ist die Verjährungsfrage zu unterscheiden.

Für die Frage der Verjährung von Entgeltansprüchen ist zwischen der Verjährung des Gesamtrechts an sich und der Verjährung der einzelnen Nachforderungen zu unterscheiden (RIS‑Justiz RS0034240; 9 ObA 131/06i). Das Gesamtrecht, eine Entgeltaufwertung (Korrektur der Einstufung) zu fordern, verjährt gemäß § 1480 ABGB nach 30 Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt ab der unrichtigen Einstufung durch den Arbeitgeber, frühestens also mit Beginn des Arbeitsverhältnisses, zu laufen (9 ObA 343/93).

Die 30‑jährige Verjährungsfrist ist im Anlassfall nicht abgelaufen.

7.2 Für die einzelnen Nachforderungsbeträge (Gehaltsdifferenzen) gilt die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB iVm § 29 Abs 1 des Gleichbehandlungsgesetzes (9 ObA 131/06i). Diese Verjährungsfrist beginnt ab Fälligkeit des jeweiligen Betrags (nach der Sonderregel des § 18a des Vertragsbedienstetengesetzes ab Leistungserbringung) zu laufen.

Allgemein beginnt die Verjährung erst mit dem Zeitpunkt zu laufen, indem das Recht erstmals hätte ausgeübt werden können, der Geltendmachung des Anspruchs also keine rechtlichen Hindernisse mehr entgegenstehen (RIS‑Justiz RS0034343; 8 ObA 105/03d). Der Beginn der Verjährungsfrist ist somit an die objektive Möglichkeit der Rechtsausübung geknüpft. Mangels gesetzlicher Sonderregel kommt es auf die Kenntnis des Berechtigten von seinem Anspruch für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist aber nicht an (RIS‑Justiz RS0034302).

7.3 Das Berufungsgericht steht nun allerdings auf dem Standpunkt, dass bis zur Verkündung der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C‑88/08, Hütter , am 18. 6. 2009 ein rechtliches Hindernis für die Geltendmachung der einzelnen Aufwertungsansprüche bestanden habe, weshalb die Verjährungsfrist vorher nicht hätte beginnen können.

Diese Ansicht wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt. Nach nationalem Recht kommt es für den Beginn der Verjährungsfrist nicht auf die Verkündung einer gerichtlichen Entscheidung an. Die hier fraglichen objektiven Verjährungsfristen laufen auch unabhängig davon, ob der Berechtigte von seinem Anspruch weiß oder nicht (9 ObA 157/97x; 9 ObA 20/09w). Entscheidend ist nur, dass der Anspruch nach der Rechtslage besteht, also durchsetzbar entstanden ist. Im Zusammenhang mit der Altersdiskriminierung ist dies nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs mit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2000/78/EG (am 3. 12. 2003) der Fall.

7.4 Der Grundsatz der Effektivität (vgl Art 19 Abs 1 EUV) rechtfertigt nicht das Anknüpfen an die Verkündung einer gerichtlichen Entscheidung.

Dieser Grundsatz besagt, dass die nationalen Regelungen die Durchsetzung der durch Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen. Beginnt die angemessene Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der unionsrechtliche Anspruch zweifelsfrei entstanden ist, so widerspricht dies nicht den unionsrechtlichen Vorgaben. Bei der Verjährung handelt es sich so wie die Rechtskraft um einen vom EuGH anerkannten Grundsatz der einzelnen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten.

7.5 In der zu beurteilenden neuen Anrechnungs‑ und Vorrückungsregelung des § 53a des Bundesbahngesetzes hat der Gesetzgeber in Abs 5 leg cit auch eine Verjährungsregelung (Hemmung der Verjährung) normiert. Danach ist für Gehaltsansprüche aus der Neufestsetzung (Korrektur) des Vorrückungsstichtags nach dem neuen System der Zeitraum 18. 6. 2009 (Entscheidung in der Rechtssache Hütter ) bis 27. 12. 2011 (Kundmachung des § 53a des Bundesbahngesetzes) auf die dreijährige Verjährungsfrist nicht anzurechnen.

Der Oberste Gerichtshof vertritt die Ansicht, dass in Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes, wonach nationale Regelungen für die Durchsetzung unionsrechtlich begründeter Ansprüche nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige innerstaatliche Sachverhalte regeln, die in Rede stehende Vorschrift über die Hemmung der Verjährung auch auf Nachforderungen (sollten solche überhaupt berechtigt sein) zur Anwendung gelangt, die aus dem Grund der Altersdiskriminierung nach dem alten Anrechnungs‑ und Vorrückungssystem geltend gemacht werden.

8. Aussetzung des Verfahrens

Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.

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