OGH 9ObA20/09w

OGH9ObA20/09w29.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel und Mag. Edgar Wojta als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. Renate S*****, und 2. Elisabeth G*****, beide vertreten durch Dr. Alexander Burkowski, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Land Oberösterreich, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen 1.118,94 EUR sA und 15.855,81 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Dezember 2008, GZ 12 Ra 67/08x-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 15. Mai 2008, GZ 7 Cga 6/08z-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

§ 1486 ABGB verkürzt im Interesse der Rechtssicherheit die allgemeine Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 1478 ABGB) für bestimmte Forderungen, zB auch jene der Dienstnehmer wegen des Entgelts (Z 5), auf drei Jahre (vgl Dehn in KBB² § 1486 ABGB Rz 1; Mader/Janisch in Schwimann, ABGB³ § 1486 Rz 1 ua). Dass zu diesen Entgeltforderungen auch die streitgegenständlichen Zulagen der beiden Klägerinnen gehören, ist nicht weiter zweifelhaft. Auch dass die dreijährige Frist gemäß § 1486 Z 5 ABGB hinsichtlich der offenen Zulagen aus den Jahren 1994/1995 bis 2004 bei Einbringung der beiden Klagen am 21. 1. 2008 bereits abgelaufen war, ist in der Revision nicht strittig. Für den Beginn des Laufes der dreijährigen Verjährungsfrist kommt es nämlich in aller Regel nur auf die objektive Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs an (RIS-Justiz RS0034296 ua). Subjektive Hindernisse haben in der Regel auf den Beginn der Verjährung keinen Einfluss (RIS-Justiz RS0034248 ua). Die Klägerinnen meinen jedoch, dass ihnen im vorliegenden Fall Schadenersatzforderungen in Höhe der rückständigen Zulagen wegen der Verletzung der Fürsorgepflicht der Beklagten zustehen. Diese unterlägen der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB, die erst ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers ab dem Jahr 2007 zu laufen begonnen habe, sohin bei Einbringung der Klagen noch nicht abgelaufen gewesen sei.

Unstrittig trifft den Dienstgeber gegenüber seinen Dienstnehmern - neben der Hauptpflicht auf Zahlung des geschuldeten Entgelts - eine Fürsorgepflicht, die auch die vermögensrechtlichen Interessen der Dienstnehmer erfasst (RIS-Justiz RS0021544 ua). Diese erstreckt sich aber nicht auf die Information der Dienstnehmer über die Unrichtigkeit einer Entgeltzahlung, zumal dem Dienstgeber ein solcher Umstand oft nicht bekannt sein wird (4 Ob 102/85; RIS-Justiz RS0021541 ua). Das von der Beklagten (irrtümlich) für richtig gehaltene Entgelt haben die Klägerinnen bekommen. Es wäre ihre Sache gewesen, diese Zahlungen zu prüfen oder prüfen zu lassen (4 Ob 159/85 ua). Auch die Revisionswerberinnen erkennen, dass ihnen neben den bereits verjährten Zulagenforderungen nicht ohne Weiteres „stellvertretende" Schadenersatzforderungen zustehen (vgl Mader/Janisch in Schwimann, ABGB³ § 1489 Rz 15 ua). Die Verjährung des § 1486 Z 5 ABGB könnte sonst allzu leicht umgangen werden (vgl Dehn in KBB² § 1489 ABGB Rz 6 ua). Der Verstoß gegen die Fürsorgepflicht kann daher nicht schon in der Verletzung der Entgeltzahlungspflicht durch den Dienstgeber liegen; es muss vielmehr ein besonderer Umstand dazutreten, der den Vorwurf rechtfertigt, der Dienstgeber habe in vorwerfbarer Weise - über den Verzug mit den geschuldeten Entgeltzahlungen hinaus - die vermögensrechtlichen Interessen der Dienstnehmer verletzt. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt allerdings regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, solange keine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichts vorliegt (vgl 8 ObA 37/05g ua).

Ein Fall der Verletzung der Fürsorgepflicht wurde vom Senat in 9 ObA 118/03y bejaht, worauf die Revisionswerberinnen auch ausdrücklich hinweisen. Darin war die eingetretene Verjährung der einem Dienstnehmer zustehenden Reisegebühren darauf zurückzuführen, dass der Dienstgeber aufgrund des Umfangs und des Detailreichtums seines vorhergehenden Rundschreibens den unrichtigen Eindruck erweckt hatte, dass hierin die in Betracht kommenden Neuerungen auch im Bereich der Reisegebühren vollständig dargestellt wurden, sodass beim Dienstnehmer der unrichtige Eindruck entstehen musste, er könnte sich durch das Studium des Rundschreibens das nötige Wissen über die aus den neuen Vorschriften resultierenden Rechte verschaffen, weshalb für ihn auch keine Veranlassung mehr bestand, weitere Informationen einzuholen. Dazu kam im entschiedenen Fall noch, dass der Dienstgeber auf die Notwendigkeit der Verwendung aufgelegter Formulare verwiesen hatte, die aber der damals interessierenden Neuerung nicht Rechnung trugen.

Die Revisionswerberinnen begründen nun die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision damit, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts „in offenem Widerspruch" zur Entscheidung 9 ObA 118/03y stehe. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Beide Klägerinnen wurden nach den Ergebnissen des erstinstanzlichen Verfahrens von der Beklagten richtig informiert. Auch die Zweitklägerin räumte - nachdem sie noch in der Klage behauptet hatte, sie sei im Schreiben der Beklagten vom April 1994 unrichtig informiert worden - im nachfolgenden vorbereitenden Schriftsatz ein, dass ihr zunächst tatsächlich nur die niedrigere Pflegedienst-Chargenzulage nach dem IV. Teil Z 7 lit b OÖ. Landes-Vertragsbedienstetenverordnung, LGBl 1994/54, für weniger als sechs unterstellte Bedienstete zugestanden war, weil sie die Voraussetzungen für die höhere Zulage nach lit a leg cit bei mindestens sechs unterstellten Bediensteten erst ab dem 1. 1. 1995 erfüllte. Die Erstklägerin gesteht in der Revision selbst zu, dass es in ihrem Fall „nicht ganz so gravierend" gewesen sei, und spricht nicht mehr von einer unrichtigen Information, sondern nur mehr von einer „nicht ausreichend transparenten Abrechnung der Beklagten". Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte im vorliegenden Fall zwar die Entgeltzahlungs-, nicht aber auch die Fürsorgepflicht verletzt habe, ist durchaus vertretbar. Zutreffend verwies es darauf, dass aus dem Informationsschreiben der Beklagten an die Zweitklägerin erkennbar war, das es sich bei der Zulage um eine variable Größe handle. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO liegt insoweit nicht vor; es können nämlich keine allgemein gültigen Kriterien aufgestellt werden, welche Informationen ein Dienstgeber konkret erteilen muss, um seiner Fürsorgepflicht nachzukommen (vgl 9 ObA 47/07p; RIS-Justiz RS0017049 ua). Die außerordentliche Revision der Klägerinnen ist daher zurückzuweisen.

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