Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie unter Einschluss des bereits rechtskräftigen Zuspruchs von S 64.177,40 brutto sA und der Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses für die Zeit von 19. Februar 1999 bis 18. Mai 1999 insgesamt zu lauten haben:
"1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 64.177,40 brutto samt 4 % Zinsen aus S 52.064,60 brutto seit 11. Mai 1999 und aus S 12.112,80 brutto seit 18. Mai 1999 binnen vierzehn Tagen zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass das Dienstverhältnis der klagenden zur beklagten Partei über den 19. Februar 1999 hinaus aufrecht ist."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen vierzehn Tagen
a) an Kosten des Verfahrens erster Instanz S 46.617,60 (darin enthalten S 7.769,60 an Umsatzsteuer),
b) an Kosten des Berufungsverfahrens S 36.429,-- darin enthalten S 6.071,50 an Umsatzsteuer) und
c) an Kosten des Revisionsverfahrens S 26.235,-- (darin enthalten S 4.372,50 an Umsatzsteuer)
zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der bei der beklagten Gemeinde als Vertragsbediensteter beschäftigte Kläger wurde von dieser am 27. 8. 1997 mit der Begründung entlassen, er habe bei seiner Tätigkeit als Kassier beim Gemeindebad Eintrittskarten mehrfach verkauft und den Mehrerlös nicht an die Beklagte abgeführt. Dies erfolgte, weil ein Badegast der Gemeinde mitteilte, dass die Eintrittszeit auf der Eintrittskarte nicht mit der tatsächlichen Eintrittszeit übereinstimme. Auch wurde in weiterer Folge entgegen der üblichen Vorgangsweise für mehrere Personen nicht ein einziger Bon, sondern mehrere ausgedruckt, die auch eine Zeitdifferenz von drei Minuten zwischen den Ausgabedaten aufwiesen. Obwohl der Kläger die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritt sprach die Beklagte die Entlassung aus, deren mangelnde Berechtigung jedoch mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. 11. 1998 zu 7 Cga 207/97t-20 (rechtskräftig seit 16. 1. 1999) festgestellt wurde. Die Vorwürfe waren aus der Luft gegriffen und die Beklagte hat vor der Entlassung auch weder die Gendarmerie eingeschaltet noch stichhaltige Beweisergebnisse gesammelt. Seit 2. 10. 1997 ist der Kläger als begünstigter Behinderter anzusehen. Der Kläger war vom 20. 1. 1998 bis 1. 2. 1998, vom 5. 2. 1998 bis 20. 4. 1998, vom 27. 4. 1998 bis 7. 6. 1998 und vom 30. 6. 1998 bis einschließlich 28. 4. 1999 im Krankenstand. Von diesen Krankenständen erfuhr die Beklagte erst, als sie den Kläger mit Schreiben vom 5. 1. 1999 für den 8. 1. 1999 zum Dienstantritt aufforderte und der Kläger sich mit Schreiben vom 7. 1. 1999 unter Vorlage einer ärztlichen Bestätigung entschuldigte. In weiterer Folge teilte die Gebietskrankenkasse der Beklagten dann mit Schreiben vom 8. 2. 1999 das Gesamtausmaß der Krankenstände des Klägers mit. Die Beklagte verständigte darauf mit Schreiben vom 17. 2. 1999 den Behindertenausschuss im Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland davon, dass die Dauer des Krankenstandes des Klägers per 19. 2. 1999 ein Jahr erreiche. Dem Kläger teilte die Beklagte dann mit Schreiben vom 19. 2. 1999 mit, dass sein Dienstverhältnis wegen der Dauer dieses Krankenstandes ex lege per 19. 2. 1999 geendet habe und sie auf eine Fortsetzung seiner Arbeitsleistung verzichte. Der Kläger erklärte sich danach mehrfach arbeitsbereit, jedoch nahm die Beklagte diese Dienste des Klägers nicht an.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger nunmehr die Feststellung des aufrechten Bestandes seines Arbeitsverhältnisses über den 19. 2. 1999 hinaus, sowie die Zahlung von S 64.177,40 brutto an anteiligem Lohn für die Zeit vom 19. 2. 1999 bis 17. 5. 1999. Er stützt dies zusammengefasst darauf, dass die Zeit seines Krankenstandes während des anhängigen Vorverfahrens über den aufrechten Bestand seines Arbeitsverhältnisses nach der unberechtigt ausgesprochenen Entlassung durch die Beklagte nicht in die Einjahresfrist des § 26 Abs 9 des NÖ-Gemeindevertragsbedienstetengesetzes eingerechnet werden könne. Während des Arbeitsrechtsstreites sei das Dienstverhältnis des Klägers schwebend unwirksam gewesen. Ferner habe es die Beklagte unterlassen, rechtzeitig eine Verständigung des Behindertenausschusses nach § 8a BehEinstG vom Ablauf dieser Frist vorzunehmen. Auch habe die Beklagte den Krankenstand des Klägers verschuldet, da sie ohne ausreichende Ermittlungen die Entlassung des Klägers ausgesprochen und diesen angezeigt habe, was entsprechende psychische Belastungen beim Kläger hervorgerufen habe. Im Hinblick auf die Ablaufhemmung des § 8a BehEinstG sei auch zu einem späteren Zeitpunkt, und zwar dem 28. 5. 1999, keine Beendigung des Dienstverhältnisses eingetreten.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass § 8a BehEinstG nur eine Ordnungsvorschrift sei. Die Beklagte habe diese Verständigungsvorschrift nicht einhalten können, da sie nichts vom aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses gewusst habe. Jedenfalls zum 18. 5. 1999 habe dieses auch nach Ansicht des Behindertenausschusses geendet. Die Entlassung und die Strafanzeige stellten kein rechtswidriges Verhalten der Beklagten dar, da entsprechende Verdachtsmomente vorgelegen seien.
Das Erstgericht gab der Klage hinsichtlich des Zahlungsbegehrens zur Gänze sowie bezüglich des Feststellungsbegehrens für die Zeit vom 19. 2. 1999 bis zum 18. 5. 1999 statt und wies das Mehrbegehren ab. Es folgerte rechtlich, dass die Krankenstände des Klägers insgesamt bis zum 19. 2. 1999 das Ausmaß von einem Jahr erreicht hätten und damit das Dienstverhältnis gemäß § 26 Abs 9 des NÖ-Gemeindevertragsbedienstetengesetzes aufgelöst worden sei. Dass während dieser Zeit ein arbeitsgerichtliches Verfahren anhängig gewesen wäre, ändere daran nichts. Auch sei nicht entscheidend, wodurch die Krankheit hervorgerufen worden sei. Es stehe dem Arbeitgeber frei, wenn der Verdacht einer strafbaren Handlung vorliege, die Entlassung auszusprechen. Dass sich der Kläger nach dem 18. 2. 1999 wiederholt arbeitsbereit erklärt habe, wobei sein Krankenstand bis 28. 4. 1999 dauerte, ändere nichts, da ohnehin die Einjahresfrist schon per 19. 2. 1999 erfüllt gewesen sei. § 8a BehEinstG stelle nur eine Ablaufhemmung hinsichtlich der Auflösung des Dienstverhältnisses dar, ohne dass eine Änderung der inhaltlichen Auflösungsvoraussetzungen eintrete. Diese Bestimmung solle nur bewirken, dass den Parteien die Möglichkeit zu Verhandlungen über die Fortsetzung des Dienstverhältnisses geboten werde.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es beurteilte den einleitend dargestellten Sachverhalt rechtlich dahin, dass gemäß § 26 Abs 9 des NÖ-Gemeindevertragsbe- dienstetengesetzes das Vertragsbedienstetenverhältnis ex lege nach einer Dienstverhinderung wegen Krankheit von einem Jahr ende, da auch für die Zukunft der Schluss zu ziehen sei, dass künftige Dienstleistungen durch Krankenstände unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Die Regelung des § 8a BehEinstG, wonach der Dienstgeber drei Monate vor Ablauf der gesetzlichen Frist dem Behindertenausschuss Gelegenheit zur Äußerung zu geben habe, ob eine Vereinbarung zur Fortsetzung des Dienstverhältnisses es zweckmäßig erscheine, ändere hier an der Auflösung des Dienstverhältnisses nichts. Bereits mit 19. 2. 1999 sei festgestanden, dass die Dienstverhinderung des Klägers infolge Krankheit gemäß § 26 Abs 9 NÖ-Gemeindevertragsbedienstetengesetzes ein Jahr gedauert habe. Da der Beklagten wegen des über die zuvor ausgesprochene Entlassung anhängigen Feststellungsverfahrens die Krankenstände nicht bekannt gewesen seien, habe diese auch erst am 17. 2. 1999 die Verständigung des Bundessozialamtes im Sinne des § 8a BehEinstG vornehmen können. Die Entlassung selbst sei auf Grund konkreter Verdachtsmomente gegen den Kläger erfolgt, sodass die Beklagte allein deshalb kein Vorwurf treffen könne, selbst wenn der Kläger wegen dieser Entlassung einen vierzehn Monate dauernden Krankenstand erlitten hätte. Damit müsse ein Arbeitgeber nicht rechnen. Schließlich mangle es auch an einem entsprechenden Vorbringen des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Klägers ist schon nach § 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.
§ 26 des NÖ-Gemeindevertragsbedienstetengesetzes LBG 2420 (im Folgenden NÖ GVBG) regelt unter der Überschrift "Ansprüche bei Dienstverhinderung" in den Absätzen 1 bis 6 die Voraussetzungen und die Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruches des Vertragsbediensteten gegen den Arbeitgeber, wenn dieser durch Unfall oder Krankheit an der Dienstleistung verhindert ist. Abs 7 dieser Bestimmung legt den Entgeltfortzahlungsbezug für den Fall fest, dass der Vertragsbedienstete durch höhere Gewalt oder andere seine Person betreffenden Gründe ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist, fest. Die hier maßgebliche Bestimmung des § 26 Abs 9 des NÖ-GVBG lautet dann wie folgt:
"Abs 9. Haben Dienstverhinderungen wegen Unfalles oder Krankheit oder aus den Gründen des Abs 7 ein Jahr gedauert, so endet das Dienstverhältnis mit Ablauf dieser Frist, es sei denn, dass vorher eine Fortsetzung vereinbart wurde. Bei der Berechnung der einjährigen Frist gilt eine Dienstverhinderung, die innerhalb von sechs Monaten nach Wiederantritt des Dienstes eintritt, als Fortsetzung der früheren Dienstverhinderung."
Das Gesetz legt hier also eine Resolutivbedingung für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses fest.
Der Oberste Gerichtshof vertritt nun in ständiger Rechtsprechung zu
dem Arbeitsrecht der bei privaten Arbeitgebern beschäftigten
Arbeitnehmern die Rechtsansicht, dass dann, wenn ein für die
Beurteilung des Eintrittes der vereinbarten Resolutivbedingung
maßgeblicher Zeitpunkt nicht auch nur annähernd feststeht, dies nicht
als zulässige Zeitbestimmung für die Beendigung des
Arbeitsverhältnisses zu qualifizieren ist und darum das
Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber einseitig nur durch Kündigung oder
Entlassung gelöst werden kann (vgl RIS-Justiz RS0028917 = ZAS
1992/20, 160 = Arb 10.985 = SZ 64/132 = ecolex 1992, 39; 9 ObA
2167/96h; 9 ObA 156/98a; ähnlich auch RIS-Justiz RS0021592, vgl ferner dazu Krejci in Rummel ABGB3 §§ 1158 bis 1159c Rz 39 ff).
Es kann nun dahingestellt bleiben, ob die davon abweichende gesetzliche Regelung des § 26 Abs 9 des NÖ-GVBG wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verfassungswidrig ist (vgl in diesem Sinne Mazal, DRdA 1992, 288; ebenso Grassl-Palten ZAS 1992, 163). Mangelt es im vorliegenden Fall doch schon an der Anwendungsvoraussetzung, dass eine Dienstverhinderung "wegen Unfalles oder Krankheit oder aus den Gründen des Abs 7" in der Dauer eines Jahres vorliegt. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann nicht davon ausgegangen werden, dass Zeiten, in denen der Arbeitgeber wegen einer unberechtigt ausgesprochenen Entlassung von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeht, als Zeiten einer Dienstverhinderung im Sinne des § 26 Abs 9 des NÖ-GVBG angesehen werden können. Dies liegt schon darin, dass eine ausdrückliche Regelung dazu im Gesetz fehlt. Es ist daher insbesondere an der Zielrichtung des Gesetzes zu ermitteln (vgl zur objektiv teleologischen Interpretation auch die Justiz RS0109735 = SZ 71/57, SZ 71/183, 1 Ob 214/98x, 6 Ob 4/99b; zur teleologischen Reduktion RIS-Justiz RS0106113), ob auch solche Fälle von § 26 Abs 9 NÖ-GVBG erfasst sein sollen. Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Kündigungsschutz wird nun die Rechtfertigung der Kündigung wegen längerer Krankenstände darin gesehen, dass wegen des vertretungsweise nicht mehr bewältigbaren Leistungsausfalles und der mangelnden Einsetzbarkeit der Arbeitskraft der Betrieb beeinträchtigt wird (vgl OGH DRdA 1992/41 mit zust. Glosse von Runggaldier; RIS-Justiz RS0051801). Dies ist auch der Bestimmung des § 26 Abs 9 des NÖ-GVBG zugrundezulegen. Von einer Beeinträchtigung - dienstlicher - betrieblicher Interessen durch langdauernde Krankenstände kann aber bei einem Arbeitnehmer, der ohnehin wegen einer - hier unberechtigten - Entlassung vom Betrieb ausgeschlossen ist, nicht ausgegangen werden. Daher sind diese Zeiten auch nicht von § 26 Abs 9 NÖ GVBG erfasst.
Da daher eine Zeit, während der ein Dienstantritt wegen einer unberechtigten Entlassung durch den Arbeitgeber nicht in Betracht kommt, nicht als Dienstverhinderung wegen eines Unfalles oder einer Krankheit im Sinne des § 26 Abs 9 des NÖ-GVBG angesehen werden kann war dem Klagebegehren stattzugeben. Damit erübrigt es sich auch, auf die Bestimmung des § 8a BehEinstG einzugehen, wonach dann, wenn bei dienstrechtlichen Vorschriften die Beendigung des Dienstverhältnisses wegen langer Dienstverhinderung infolge Krankheit im Gesetz vorgesehen ist, im Falle eines begünstigten Behinderten der Behindertenausschuss spätestens drei Monate vor Ablauf dieser Frist von Amts wegen zu verständigen ist. Durch die Novelle BGBl Nr 17/1999 wurde dazu auch festgelegt, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses - ungeachtet der dienstrechtlichen Vorschriften - frühestens drei Monate nach Einlangen der Verständigung beim Behindertenausschuss wirksam wird, was die Nichtbefassung des Behindertenausschusses sanktionieren sollte (vgl dazu Ernst/Haller, Behinderteneinstellungsgesetz, 292; RV 518 BlgNR XX.GP, 12 f).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die verzeichneten Gerichtsgebühren waren im Hinblick auf die Gebührenbefreiung nicht zuzusprechen (vgl § 16 Z 1 lit a GGG iVm Anm 8 zu TP 1).
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