OGH 8ObA118/20s

OGH8ObA118/20s28.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Gabriele Svirak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei T*****, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei I*****, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 30.180,66 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 26.607 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. September 2020, GZ 10 Ra 52/20w‑72, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00118.20S.0128.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das Berufungsgericht sprach dem Kläger – einer im Objekt‑ und Personenschutz für die Beklagte tätigen Sicherheitskraft – eine Abgeltung für eine „ständige“ Erreichbarkeit von insgesamt 26.607 EUR samt 9,08 % Zinsen seit 8. 1. 2016 zu. Dabei ging es – wie schon das Erstgericht – gemäß § 273 ZPO – insoweit unbekämpft – von einem Stundensatz von 3 EUR und der Feststellung aus, dass der Kläger unter Abzug der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und von sieben Stunden Schlaf pro Tag im Jahr 2013 1.167,75 Stunden, im Jahr 2014 3.878,50 Stunden und im Jahr 2015 3.822,75 Stunden rufbereit war.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[3] 1.1 Die Beklagte macht geltend, sie habe bereits in der Berufung gerügt, dass das Erstgericht kein Beweisverfahren zur Stundenzahl durchgeführt habe, sondern von den vom Kläger berechneten Stunden ausgegangen sei, obwohl sie diese Stundenzahl sehr wohl substantiiert bestritten habe.

[4] 1.2 Die Frage, ob § 267 ZPO zutreffend angewendet wurde oder nicht, ob also ein – hier vom Erstgericht angenommenes – schlüssiges Tatsachengeständnis vorlag oder nicht, ist eine Verfahrensfrage und die Überprüfung dieses Ermessens daher nur im Rahmen der Verfahrensrüge möglich (RIS‑Justiz RS0040078). Da bereits das Berufungsgericht einen derartigen Verfahrensfehler des Erstgerichts verneinte, kann er nicht neuerlich mit der außerordentlichen Revision geltend gemacht werden (RS0042963; RS0040146 [T4]).

[5] 2.1 Liegt eine Forderung im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis vor, so kann grundsätzlich ohne weitere Behauptungen der in § 49a erster Satz ASGG festgelegte gesetzliche Zinssatz begehrt werden. Nur dann, wenn die Verzögerung der Zahlung auf einer vertretbaren Rechtsansicht des Schuldners beruht, sind bloß die sonstigen gesetzlichen Zinsen zuzusprechen (RS0116030 [T2]). Eine solche liegt etwa dann vor, wenn Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen fehlt oder die Vorinstanzen eine komplexe Materie zu beurteilen hatten und einen anderen Rechtsstandpunkt als der Oberste Gerichtshof vertraten (RS0125438). Unzutreffende Tatsachenbehauptungen ändern nichts an dem Anspruch auf Zinsen nach § 49a erster Satz ASGG (vgl RS0116030). Es ist Aufgabe des Schuldners, Behauptungen darüber aufzustellen, warum der in § 49a erster Satz ASGG festgelegte Zinssatz nicht zusteht (RS0116030 [T3]). Ob die Verzögerung der Zahlung auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht und deshalb Zinsen nach § 49a zweiter Satz ASGG zuzusprechen sind, ist im Einzelfall zu beurteilen (RS0116030 [T1]).

[6] 2.2 Da im Verfahren überwiegend Fragen auf Tatsachenebene zu klären waren, insbesondere ob zwischen den Parteien eine ständige Rufbereitschaft und deren Abgeltung in Form einer Pauschale vereinbart war, bestehen gegen den Zinsenzuspruch durch das Berufungsgericht keine Bedenken. Die Behauptung der Beklagten, es seien (auch nur zu irgendeinem Zeitpunkt des Verfahrens) ausschließlich Rechtsfragen zu klären gewesen, trifft nicht zu. Vielmehr war bis zuletzt die Höhe der begehrten Abgeltung von einer in Ansehung des „ortsüblichen Entgelts“ strittigen Sachverhaltsgrundlage abhängig. Den Einwand der mangelnden Passivlegitimation hat die Beklagte in erster Instanz zurückgezogen und der vom Kläger beantragten Berichtigung der Parteibezeichnung nach § 235 ZPO zugestimmt. Die Vertretbarkeit dieses Einwands kommt darin gerade nicht zum Ausdruck (s auch RS0039741).

[7] 3. Die außerordentliche Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.

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