European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00077.16F.1125.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung
In einem Verfahren des Bezirksgerichts Melk begehrt der Ablehnungswerber als Kläger die Feststellung der Haftung des beklagten Facharztes Dr. H***** für Schäden, die dieser ihm durch fahrlässig falsch erstattete Gerichtsgutachten verursacht habe. Den vom Bezirksgericht Melk in diesem Verfahren bestellten Sachverständigen Primar Dr. W***** lehnte der Ablehnungswerber ab; für das von ihm erstattete Gutachten stehe ihm wegen fehlender Verwertbarkeit kein Gebührenanspruch zu.
Gegen den Beschluss, mit dem das Bezirksgericht Melk dennoch die Gebühren des Sachverständigen bestimmte, erhob der Kläger Rekurs. Gleichzeitig lehnte er sämtliche Richterinnen und Richter des Landesgerichts St. Pölten als befangen ab. Beim Bezirksgericht Purkersdorf sei ein Verfahren anhängig, in dem der Kläger von Dr. *****T***** Schadenersatz fordere. Dieser Beklagte sei der Ehemann einer Richterin des Landesgerichts St. Pölten. Daher sei vom Oberlandesgericht Wien festgestellt worden, dass diese Richterin ausgeschlossen sei und alle übrigen Richterinnen und Richter befangen seien. Damit seien aber auch im nunmehrigen Verfahren alle Richterinnen und Richter des Landesgerichts St. Pölten befangen.
In ihren Stellungnahmen zu diesem Antrag erklärten der Präsident, die Vizepräsidentin und die Mehrheit der übrigen abgelehnten Richterinnen und Richter, nicht befangen zu sein. Sie gaben an, die Parteien nicht (näher) zu kennen bzw sich nicht als befangen zu erachten. Die verbleibenden acht Richter des Landesgerichts St. Pölten erklärten sich wegen näherer privater oder beruflicher Kontakte mit dem Beklagten (bzw in einem Fall wegen des gegen den Ehemann einer Richterin anhängigen Verfahrens) als befangen.
Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Oberlandesgericht Wien aus, dass jene Richterinnen und Richter, die ihre Befangenheit erklärt haben, befangen seien. Hinsichtlich der übrigen Richterinnen und Richter des Landesgerichts St. Pölten wies es den Ablehnungsantrag zurück.
Zum zurückweisenden Teil der Entscheidung wurde ausgeführt, insbesondere bei größeren Gerichten reiche es zur Befangenheit von Richterinnen und Richtern nicht aus, dass ein (nicht demselben Senat angehörender) Kollege in ein anhängiges Verfahren involviert sein könnte, wenn sie selbst erklärten, nicht befangen zu sein und nur berufliche Kontakte mit diesem Kollegen zu haben. Der Umstand, dass der Ablehnungswerber auch einen – mit der hier gegenständlichen Rechtssache in keinem Zusammenhang stehenden – Prozess gegen den Ehemann einer Richterin des Landesgerichts St. Pölten führe, könne eine Befangenheit der anderen Richter des Landesgerichts daher nicht begründen.
Gegen den zurückweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, auch die Befangenheit des Präsidenten, der Vizepräsidentin sowie der übrigen betroffenen Richterinnen und Richter des Landesgerichts festzustellen.
Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Der Rekurswerber verweist (neuerlich) auf das von ihm gegen den Ehemann einer Richterin des Landesgerichts St. Pölten geführte Verfahren vor dem Bezirksgericht Purkersdorf. Damals seien alle Richterinnen und Richter des Landesgerichts als befangen erachtet worden. Es sei nicht einzusehen, dass das nun anders sein solle.
1. Befangenheit im Sinn des § 19 JN liegt vor, wenn dem Richter die Fähigkeit zu einer sachlichen Beurteilung fehlt, er an der sachlichen Beurteilung gehindert ist oder eine solche Hinderung doch mit Grund befürchtet werden kann (RIS‑Justiz RS0045961). Schon der Anschein, ein Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, muss vermieden werden (RIS‑Justiz RS0046052). Das Ablehnungsverfahren soll aber auch nicht die Möglichkeit bieten, sich nicht genehmer Richter zu entledigen (RIS‑Justiz RS0111290; RS0109379).
2. Als Befangenheitsgründe kommen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien, zu ihren Vertretern oder zu Zeugen in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen (RIS‑Justiz RS0045935 [T3]).
3. Das vom Ablehnungswerber angesprochene Verfahren vor dem Bezirksgericht Purkersdorf gegen den Ehegatten einer Richterin des Landesgerichts St. Pölten vermag nicht einmal den Anschein einer Befangenheit der hier noch interessierenden Richterinnen und Richter zu begründen. Die Befangenheit der Richterin, die mit dem Beklagten des anderen Verfahrens verheiratet ist, wurde mit dem angefochtenen Beschluss ohnedies festgestellt. Die Feststellung der Befangenheit der übrigen Richterinnen und Richter des Landesgerichts im anderen Verfahren erlaubt aber auf das nun zu beurteilende Verfahren, an dem der Ehemann der Richterin nicht beteiligt und in dem auch keinerlei vergleichbare Konstellation gegeben ist, keine Rückschlüsse. Im vorliegenden Verfahren braucht es daher für die Annahme der Befangenheit eines Richters konkrete (andere) Gründe. Solche wurden aber vom Ablehnungswerber mit keinem Wort behauptet.
Dem Rekurs kommt daher keine Berechtigung zu.
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