OGH 8Ob607/92

OGH8Ob607/9224.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing.Franz H*****, 2. Gisela H*****, beide vertreten durch Dr.Josef Lechner und Dr.Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde S*****, vertreten durch den Bürgermeister, ***** dieser vertreten durch Dr.Martin Schlossgangl, Rechtsanwalt in Steyr, wegen Feststellung, infolge Rekurses der klagenden Parteien und der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30. Juni 1992, GZ 6 R 283/91-22, womit die Berufungen und Berufungsbeantwortungen der klagenden Parteien und der beklagten Partei zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurswerber haben die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Erstgericht gab der von den Klägern erhobenen Feststellungsklage teilweise statt und wies das Mehrbegehren ab.

Gegen die erstgerichtliche Entscheidung erhoben alle Streitteile Berufung und erstatteten wechselseitig Berufungsbeantwortungen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht sämtliche Rechtsmittelschriften zurück, weil der Vertreter der klagenden Parteien Dr.W***** nach Schluß der mündlichen Verhandlung verstorben und das Verfahren hiedurch gemäß § 160 ZPO unterbrochen worden sei. Daran ändere nach Ansicht des Berufungsgerichtes auch nichts, daß für den verstorbenen Rechtsanwalt ein mittlerweiliger Stellvertreter bestellt wurde. Im Sinne des § 163 Abs 2 ZPO seien die während des unterbrochenen Verfahrens gesetzten Prozeßhandlungen gegenüber der jeweils anderen Partei ohne rechtliche Wirkung. Das Gericht könne daher über zwischenzeitig eingebrachte Rechtsmittel so lange nicht meritorisch entscheiden, als das Verfahren nicht wiederaufgenommen worden sei, vielmehr habe die Zurückweisung der Rechtsmittel zu erfolgen. Ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens und eine diesbezügliche gerichtliche Beschlußfassung lägen hier nicht vor.

Gegen den berufungsgerichtlichen Zurückweisungbeschluß erheben sämtliche Streitteile das Rechtsmittel des Rekurses jeweils mit dem Antrage, den Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die meritorische Entscheidung über die überhobenen Berufungen aufzutragen.

Die klagenden Parteien bringen vor, bei Unterbrechung des Verfahrens während des Laufes einer Rechtsmittelfrist - ein solcher Fall liegt hier übrigens nicht vor - bedürfe es keines ausdrücklichen Antrages auf Aufnahme des Verfahrens. Es genüge die tatsächliche Aufnahme unter Anzeige an den Gegner mit dem Hinweis auf die erteilte Bevollmächtigung. Im übrigen könne eine Verletzung der §§ 160 ff ZPO als erstgerichtlicher Verfahrensmangel vom Berufungsgericht ohne diesbezügliche Rüge nicht aufgegriffen werden. Außerdem würden stillschweigende Prozeßhandlungen von der Rechtsprechung immerhin ausnahmsweise - so eine verlaßbehördliche Genehmigung - als zulässig erklärt, und auch im Sinne der Zivilverfahrensnovelle 1983 sei einer Sacherledigung der Vorrang zu geben und zumindest ein Verbesserungsauftrag zu erteilen.

Die beklagte Partei argumentiert in ähnlicher Weise und verweist auf die Eigenschaft ihres Vertreters als ständigen Substituten und mittlerweiligen Stellvertreter ihres früheren Rechtsanwaltes. In der Erhebung einer Rechtsmittelschrift müsse jedenfalls ein ausdrücklicher Aufnahmeantrag erblickt werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig, aber nicht gerechtfertigt.

Im Sinne der ständigen, auch seit der ZVN 1983 aufrechterhaltenen Rechtsprechung tritt gemäß § 160 ZPO im Anwaltsprozeß durch den Tod des bestellten Anwaltes die von amtswegen zu berücksichtigende (6 Ob 813/81) Unterbrechung des Verfahrens von selbst ein, ohne daß es eines richterlichen Beschlusses bedürfte (SZ 44/43 = EvBl. 1972/44 S 73; 2 Ob 574/83; 6 Ob 743/89 ua). Nach der Unterbrechung des Verfahrens sind Parteihandlungen mit Ausnahme der Aufnahmehandlungen gemäß § 164 ZPO gegenüber dem Gericht und dem Prozeßgegner ohne rechtliche Wirkung. Sie sind zwar vom Gericht zum Gegenstand einer Verfügung zu machen, aber nur insofern, daß es diese Prozeßhandlung zurückzuweisen hat. Die wirkungslosen Prozeßhandlungen sind keiner Genehmigung zugänglich (4 Ob 76/72; SZ 51/150; 6 Ob 673/90 ua). Das Gericht kann daher über ein nach Eintritt der Unterbrechung des Verfahrens eingebrachtes Rechtsmittel solange nicht meritorisch entscheiden, als das Verfahren nicht wiederaufgenommen ist, sondern kann grundsätzlich - ausgenommen sind allenfalls trotz der Verfahrensunterbrechung ergangene gerichtliche Verfügungen - nur mit der Zurückweisung dieses Rechtsmittels vorgehen (SZ 43/158 = EvBl. 1971/59 S. 99; SZ 45/19; SZ 51/150; 6 Ob 702/90; 10 Ob S 261/91 ua). An der Unwirksamkeit eines Rechtsmittels ändert es auch nichts, daß dieses nicht schon vom Erstgericht zurückgewiesen wurde (5 Ob 128/74). Der Umstand, daß die Unterbrechung erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung eintritt, hindert nach der ausdrücklichen Anordnung des § 163 Abs 3 ZPO allerdings nicht die Erlassung des erstgerichtlichen Urteiles.

Entgegen der Ansicht der Rechtsmittelwerber kann das unterbrochene Verfahren grundsätzlich auch nur über Antrag (§ 164 ZPO) und auf Grund eines Gerichtsbeschlusses (§ 165 Abs 2 ZPO) wiederaufgenommen werden (vgl. RZ 1991/22 S 96). In der Erhebung eines Rechtsmittels ist nach der Rechtsprechung keinesfalls der Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens zu erblicken (SZ 41/93; SZ 43/151; SZ 49/135; 6 Ob 582/87 ua) und auch der Zustellung desselben oder selbst eines Aufnahmeantrages an den Gegner kommt nicht die Wirkung einer beschlußmäßigen Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens zu, weil die Zivilprozeßordnung stillschweigende Prozeßhandlungen und Entscheidungen nicht kennt (SZ 45/19; RZ 1986/40; 8 Ob 55/89; 8 Ob 24/90 ua). Schließlich bleibt der Rechtsstreit auch dann unterbrochen, wenn für den bisherigen Rechtsanwalt ein mittlerweiliger Stellvertreter bestellt und dieser von der Partei bevollmächtigt wurde (5 Ob 545/76; 8 Ob 30/73). Das gleiche gilt für die Bestellung eines Substituten, denn ein solcher ist nur berechtigt, für einen anderen Rechtsanwalt einzuschreiten, solange der Substituent noch selbst den Anwaltsberuf ausübt (2 Ob 504/80).

Damit erweisen sich sämtliche Argumente der Rekurswerber als nicht stichhältig. Ihren Rechtsmitteln war demgemäß nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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